Landgericht Osnabrück
Urt. v. 20.08.2003, Az.: 1 O 1834/01
Haftung der Stadtwerke für im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Durchführung von Kanalbauarbeiten entstandenen Schäden
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 20.08.2003
- Aktenzeichen
- 1 O 1834/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 33950
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2003:0820.1O1834.01.0A
Rechtsgrundlagen
- § 839 BGB
- Art. 34 GG
- § 2 Abs. 1 Haftpflichtgesetz
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebenintervention zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des jeweilig zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hauses in Osnabrück (X-Straße).
Sie verlangt Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Kanalbau an einer benachbarten Straße (Y-Straße). In den Jahren 1997 bis 2000 wurden durch unterschiedliche Tiefbauunternehmen Kanalbauarbeiten an der Y-Straße durchgeführt. Die Straße verläuft in Richtung auf die X-Straße. An der Einmündung der Y-Straße auf die X-Straße liegt das Grundstück der Klägerin.
An den Arbeiten an der Y Straße war zunächst die Fa. A. , später auch die Firma B. , als Tiefbauunternehmen eingesetzt.
Die Klägerin behauptet, im Juli 2000 sei es zu einem Wassereinbruch in ihren Kellerräumen gekommen. Das Wasser sei durch die Kellerwände gedrückt und habe zu erheblichen Schäden geführt. Diese entwickelten sich fortlaufend weiter, so dass der Umfang der Beseitigungsarbeiten noch nicht genau eingeschätzt werden könne. Im Laufe des Rechtsstreits hat die Klägerin zunächst behauptet, auch Arbeiten ab 1997 hätten zu dem Schaden beigetragen. Während der Sachverständige mit seinen Untersuchungen befasst war, hat die Klägerin ihr Vorbringen präzisiert und behauptet nunmehr, nur die Kanalbauarbeiten in der Zeit vom 2. 8. 1999 bis zum 9. 6. 2000 hätten zu dem Schadensereignis geführt.
Die Klägerin bringt im einzelnen vor, die Beklagte habe durch die eingeschalteten Unternehmen schadhafte Rohre verwenden lassen, so dass Brauch- und Grundwasser eingedrungen sei. Darüber hinaus könne Trinkwasser aus dem Leitungsnetz der Beklagten zu der Durchfeuchtung beigetragen haben. Schließlich hätten nicht entfernte Rohre Grundwasser aufgenommen und zu dem Schaden geführt.
Zum Grundwasserspiegel trägt die Klägerin vor, dieser sei nicht maßgeblich für den eingetretenen Schaden. Im Verlaufe vieler Jahre habe es auf dem Grundstück der Klägerin keinerlei Probleme mit dem Grundwasser gegeben. Wenn tatsächlich ein Grundwasseranstieg zu verzeichnen gewesen sei, habe die Beklagte durch ihre Mitarbeiter darauf hinweisen müssen, um den Anliegern die Möglichkeit zu geben, sich darauf einzurichten. Bei den Gründungsarbeiten vor dem klägerischen Haus sei in die offene Baugrube Niederschlagwasser aus Richtung Y-Straße eingedrungen. Das Verlegen der ehemals in Lehm verlegten Rohre auf der Y-Straße sei von der Beklagten und den ausführenden Unternehmen dahin geändert worden, dass nunmehr Sand die Rohre umgebe. Infolgedessen habe sich ein Strömungskanal mit Fließrichtung auf das Grundstück der Klägerin ergeben, der schließlich ausschlaggebend für den Schaden gewesen sei. Die Klägerin meint, die Beklagte habe auf diesen Umstand hinweisen müssen, damit geeignete Vorsorgemaßnahmen hätten getroffen werden können.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die an und in dem Kellerraum und am Mauerwerk im Bereich der Kellerräume des Hauses X-Straße, Osnabrück, entstandenen Wasser- und Feuchtigkeitsschäden zu ersetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bringt vor, die Abteilung Stadtentwässerung sei aus der Stadt Osnabrück ausgegliedert und der Stadtwerke Osnabrück AG "angegliedert" worden.
Die Beklagte behauptet, die eingeschalteten Bauunternehmen hätten die vorgenommenen Kanalbauarbeiten ordnungsgemäß und sachlich einwandfrei durchgeführt. Das Eindringen von Wasser in den Keller der Klägerin hänge mit diesen Arbeiten nicht zusammen. Die früher verlegten Leitungen hätten aus zwingenden Gründen neu verlegt werden müssen. Dabei seien die Regeln der Technik eingehalten. Gegen Grundwasser, so meint die Beklagte, müsse sich der Hauseigentümer selbst schützen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Klägerin hat ein Interesse an alsbaldiger Feststellung ( § 256 ZPO ). Solange sich der Schaden nach ihrer Behauptung ständig weiterentwickelt, war sie nicht gehalten, einen bezifferten Schaden geltend zu machen.
Die Klage hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg.
Weder haftet die Beklagte gemäß § 2 des Haftpflichtgesetzes, noch läßt sich ihren Mitarbeitern eine Amtspflichtverletzung ( § 839 BGB, Art. 34 GG ) vorwerfen.
Das Vorbringen der Beklagten dazu, dass inzwischen die Stadtwerke Osnabrück AG die Abteilung "Entwässerung übernommen" habe, steht der Klage nicht entgegen; denn die hier maßgeblichen Bauarbeiten gehören in die Zeit, als noch die Beklagte die Bauarbeiten für den Kanalbau ausgeschrieben hat.
Die Voraussetzungen einer Haftung gemäß § 2 des Haftpflichtgesetzes liegen nicht vor. Grundsätzlich ist die Vorschrift auf alle Wasserleitungen und auch auf die Abwässerkanalisation bei Haftungsfällen anzuwenden (Geigel, der Haftpflichtprozeß, 23. Auflage, S. 707, Rdnote 55). Allerdings besteht weder eine "Wirkungshaftung" (§ 2 Satz 1 Haftpflichtgesetz) noch eine "Zustandshaftung" (§ 1 Satz 2 und 3 Haftpflichtgesetz). Durch die Kanalisation, die auf Veranlassung der Beklagten verlegt wurde, ist kein Schaden eingetreten. Es läßt sich auch nicht feststellen, dass Vorhandensein der Kanalisation (Zustandshaftung) ein Schaden zurückgeht.
Die Anlage befindet sich in einem technisch einwandfreien Zustand. Sie ist ordnungsgemäß in dem Sinne, dass sie den anerkannten Regeln der Technik entspricht und unversehrt ist.
Diese Feststellungen beruhen auf dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. L. Sowohl in seinem schriftlichen Gutachten als auch in seiner mündlichen Anhörung hat der Sachverständige überzeugend ausgeführt, die Kanalisationsarbeiten bei Sanierung des Schmutzwasserkanals und beim Neubau des Regenwasserkanals seien ordnungsgemäß geschehen. Der Sachverständige hat darüber hinaus nicht nur die Arbeiten an der Y-Straße, sondern auch die Arbeiten an der X-Straße einbezogen.
Die maßgeblichen Grundlagen des Sachverständigengutachtens sind zutreffend gewählt, so dass die Anknüpfungstatsachen zutreffen. Der Sachverständige hat sich anhand der örtlichen Entwässerungsverhältnisse nach den Unterlagen der Beklagten mit den Arbeiten vertraut gemacht. Es kann nicht darum gehen, den Kanal insgesamt aufzugraben und diesen nach schadhaften Stellen abzusuchen. Der Sachverständige hat sich zuverlässig und überzeugend anhand der Druckprotokolle davon überzeugt, dass Undichtigkeiten nicht aufgetreten sind.
Der Sachverständige hat sich dahin geäußert, die Arbeiten aus den Jahren 1997 bis 1998 seien fachlich einwandfrei durchgeführt. Es gebe auch keine schadhaften Rohre. Es dringe auch kein Trinkwasser aus dem Leitungsnetz der Beklagten auf das Grundstück der Klägerin ein. Darüber hinaus gebe es keine nicht entfernten Rohre, durch die Grundwasser aufgenommen werden und auf das Grundstück der Klägerin eindringen könnte. Es sei fachlich geboten gewesen, die alten Kanalrohre auszubauen und zu entfernen. Der Sachverständige hat darüber hinaus ausgeführt, die Beklagte habe bei Verfüllung der Rohre fachlich einwandfreies Material verwendet und habe dabei auch nicht auf den Grundwasserstand eingewirkt. Eine signifikante Erhöhung des Grundwassers sei ohnehin nicht erkennbar. Auf die Fragestellung der Klägerin hin hat der Sachverständige darüber hinaus im Haupttermin vom 6. 8. 2003 überzeugend ausgeführt, es gebe keinen "Strömungskanal" in dem Sinne, dass aus dem Lehmboden eindringendes Wasser sich in dem Bereich, der die Rohre umgebe (Sandverfüllung) auf das Grundstück der Klägerin zubewege. Es könne in diesem Bereich - Sand, der die Rohre umgebe - Wasser entlang laufen. Vom umgebenden Lehm nehme dieser sandverfüllte Teil jedoch kein Wasser auf, weil Lehmboden nur unerheblich Wasser aufnehmen und abgeben könne. Darüber hinaus stoße Wasser an der X-Straße auf einen rechtwinklig abzweigenden Kanal, so dass ein Eindringen auf das Grundstück der Klägerin nicht stattfinde. Durch die Verlängerung des Kanals könne die Menge des Wassers - wenn es sich im Sandbett fortbewege - etwas größer geworden sein. Der schon genannte im rechten Winkel abzweigende Kanal auf der X-Straße nehme dieses Wasser aber auf.
Insgesamt hat der Sachverständige darüber hinaus überzeugend ausgeführt, das Grundstück der Klägerin liege in einem für Grundwasser relevanten Grenzbereich. Das Haus weise eine Drainage auf, ohne dass die Vorflut geschaltet war. Der Sachverständige hat das Eindringen von Wasser überzeugend dahin erklärt, dass die früher verwendeten Teeranstriche inzwischen ihre Funktion nicht mehr hätten erfüllen können.
Hiernach ist eine Haftung aus § 2 des Haftpflichtgesetzes nicht gegeben.
Auch ein Amtshaftungsanspruch kommt nicht in Betracht, denn es gibt keinen Vorwurf an Mitarbeiter der Beklagten, der mit Amtspflichten gegenüber den Anliegern der X-Straße zusammenhängen könnte. Der Sachverständige hat dazu überzeugend ausgeführt, die Planungsunterlagen der Beklagten seien ordnungsgemäß und fachlich einwandfrei. Die Arbeiten seien nach den Regeln der Technik ausgeführt. Nach den zugrundeliegenden Unterlagen habe es keinen Anlaß für die Beklagte gegeben, Hinweise in Bezug auf die auszuführenden Arbeiten zu geben. Da nach den vorhandenen Unterlagen kein Anhaltspunkt für irgendwelche Schäden bei Anliegergrundstücken und Gebäuden anzunehmen gewesen sei, habe die Beklagte weder das technisch Erforderliche unterlassen noch Informationspflichten verletzt.
Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen des erfahrenen Sachverständigen an. Hiernach ist die Klage unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet.