Landgericht Osnabrück
Urt. v. 24.02.2003, Az.: 10 O 1647/02
Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen Verhängung einer Veränderungssperre für den Betrieb einer Fresseraufzucht; Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs; Zweck des Fleischhygienegesetzes (FlHG); Bestimmung des Schutzzwecks einer verletzten Amtspflicht
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 24.02.2003
- Aktenzeichen
- 10 O 1647/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 33942
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2003:0224.10O1647.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 839 BGB
- Art. 34 GG
- § 7 Abs. 2 FlHG
- § 58 SOG
- § 59 Abs. 1 SOG
Tenor:
Die Klage wird hinsichtlich des geltend gemachten Zahlungsanspruches bei einer gesamtschuldnerischen Haftung der Beklagten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägern allen weiteren Schaden aus den mit Verfügungen vom 29.06.1990 und 04.07.1990 angeordneten Bestandssperren und den daraus resultierenden Folgen zu zahlen.
Tatbestand
Die Kläger verlangen Schadensersatz auf Grund einer vom Beklagten zu 1) unter dem 29.06.1990 für den Betrieb der Fresseraufzucht der damaligen GbR erlassenen Veränderungssperre, die mit Widerspruchsbescheid des Beklagten zu 2) vom 15.05.1991 bestätigt wurde. Mit Urteil vom 15.09.2000 hat das Verwaltungsgericht Osnabrück festgestellt, dass der bezeichnete Bescheid rechtswidrig war. Weiterhin stützten die Kläger ihren Anspruch auf eine Verfügung des Beklagten zu 1) vom 04.07.1990, mit der auch für den vom Kläger zu 1) allein betriebenen Betriebszweig eine Veränderungssperre erging. Diese Verfügung wurde jedoch bereits mit Bescheid vom 26.09.1990 durch den Beklagten zu 1) wieder zurückgenommen.
Im Jahre 1972 übernahm der Kläger zu 1) den landwirtschaftlichen Betrieb seines Vaters, den er seither gemeinsam mit der Klägerin zu 2), seiner Ehefrau, bewirtschaftete. Im Zeitpunkt der Übernahme wurde der Betrieb als landwirtschaftlicher Mischbetrieb geführt. Der Kläger zu 1) erwarb bis zum Jahre 1990 weitere Grundflächen hinzu. Außerdem pachtete er zusätzliche Landflächen an. Im Jahre 1990 wurde von den Klägern insgesamt eine landwirtschaftliche Nutzfläche von ca. 100 ha bewirtschaftet.
In den 80iger Jahren spezialisierten die Kläger sich auf die Kälbermast. Im Jahre 1987 wurde der Betrieb aus steuerlichen Gründen in zwei Betriebszweige aufgeteilt. Die Kläger gründeten die X. GbR, deren Gesellschafter zu 60% die Klägerin zu 2) und zu 40% der Kläger zu 1) wurden. Bis zum Jahre 1987 hatten die Kläger ihren Betrieb ausschließlich als Milchkälbermastbetrieb geführt. Ab dem 01.08.1987 begannen die Kläger damit, sogenannte Aufzuchtkälber einzustallen. Ziel war es, die Kälber über ein Alter von 6 bis 8 Wochen hinaus zu mästen und in dieser Zeit an die Gabe von Raufutter zu gewöhnen, um sie dann im Alter von 16 bis 18 Wochen an Mäster zu veräußern. Nachdem die Kläger zunächst mit geringer Stückzahl diesen Betriebszweig aufgebaut hatten, wurde im Jahre 1988 die Kälberaufzucht erheblich erweitert. Die Stückzahl betrug zu diesem Zeitpunkt ca. 525 Plätze. Die Kälberaufzucht der älteren Tiere, sogenannter Fresser, wurde durch die GbR durchgeführt. Den Betriebszweig, der sich ausschließlich mit der Aufzucht der jüngeren Tiere, sogenannter Milchkälber, befasste, führte der Kläger zu 1) allein fort.
Am 23.04.1990 ließ der Beklagte zu 1) im Rahmen einer Routinekontrolle in den Betrieben der Kläger 40 Urinproben zur Untersuchung auf Hormonrückstände nehmen. 18 der Proben wurden im Betriebszweig der GbR, der Fresseraufzucht, gezogen. In diesem Bereich befanden sich zum damaligen Zeitpunkt 453 Tiere. Als Ergebnis der Untersuchung auf hormonwirksame Substanzen wurde in vier Proben aus dem Bereich der Fresseraufzucht nach Anwendung eines enzymimmunologischen Nachweisverfahrens durch das Untersuchungsamt X., das vom beklagten Land betrieben wird, ein eindeutig positiver Nachweis auf Diethylstilbestrol (DES) geführt. Die anderen Proben bewegten sich im DES-positiven Bereich. Die eindeutig DES-positiven Befunde bestätigte ein weiteres vom Land Niedersachsen betriebenenes Institut, Untersuchungsamt X., nach Anwendung eines Gaschromatographie-Massenspektrometrie-Verfahrens (GC-MS) für drei Probe. Für die vierte Probe verlief die Nachuntersuchung negativ. Daraufhin untersagte der Beklagte zu 1) der GbR der Klägerin mit der im Verwaltungsverfahren angefochtenen Verfügung vom 29.06.1990 gemäß § 7 Abs. 2 des Fleischhygienegesetzes (FlHG), aus dem Bestand des von der GbR betriebenen Aufzuchtzweiges ohne vorherige Zustimmung des Beklagten zu 1) Rinder abzugeben. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bei drei Tieren DES-Äquivalente in einer Menge von 1,3 - 2,6 mg/kg ermittelt worden seien.
Die Kläger haben gegen die Verfügung vom 29.06.1990 Widerspruch eingelegt und später Klage erhoben. In der Folgezeit wurden weitere Proben aus dem Fresseraufzuchtbetrieb der GbR gezogen. Insgesamt handelt es sich um 357 Proben, von denen 210 auf DES untersucht wurden. Die Entnahme der Proben erfolgte am 28.06., 04.07., 05.07, 09.07. und 13.07.1990 von Tieren unterschiedlicher Altersgruppen, die in verschiedenen Stallbereichen gehalten wurden. Dabei kam Untersuchungsamt X. mittels EIA zu 88 positiven, 80 fraglichen und 42 negativen Ergebnissen. Von diesen wurden 9 Proben einer Gegenprobe beim Staatlichen Untersuchungsamt Untersuchungsamt Y. unterzogen, und zwar einer massenspektrometrischen Untersuchung mit einer sogenannten Multiple lon Selection (MIS)-Technik. Dabei gelang bei fünf Proben der Nachweis von DES, während die Substanz in anderen Proben nicht nachweisbar war. Von den Proben wurden den Klägern teilweise Rückstellmuster hinterlassen, die die Kläger durch das labor Z. untersuchen ließen, wobei die Untersuchung durch HPLC sowie durch EIA erfolgte. In Z. ergaben alle untersuchten Proben negative Ergebnisse. Dies wurde den Beklagten unverzüglich mitgeteilt. Einige der in Z. untersuchten Proben ließen die Kläger darüber hinaus bei dem Institut für naturwissenschaftliche Dienste durch Herrn Prof. S. untersuchen. Auch diese Untersuchung verlief negativ. Auf Beklagtenseite wurde zur Bestätigung der in X. gefundenen Untersuchungsergebnisse das Staatliche Veterinäruntersuchungsamt A. hinzugezogen. Dieses kam in einigen Fällen ebenfalls zu positiven Ergebnissen. Nachdem die Bezirksregierung im Widerspruchsbescheid vom 15.05.1991 den unter dem 29.06.1990 ergangenen Bescheid des Landkreises bestätigte, erhoben die Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht. Dieses erklärte die Verfügung des Landkreises in der Form des Widerspruchsbescheides für rechtswidrig. Das Urteil des Verwaltungsgerichtes vom 15.09.2000 wurde von den Parteien nicht angefochten und erlangte deshalb Rechtskraft.
Dem Urteil des Verwaltungsgerichtes war eine vom Verwaltungsgericht durchgeführte Beweisaufnahme vorangegangen. Gegenstand der Beweisaufnahme waren die von dem eingeschalteten Untersuchungsinstitut angewandten Untersuchungsmethoden. Das Verwaltungsgericht gelangte zu dem Ergebnis, dass alle beteiligten Institute fehlerhaft gearbeitet haben. Diese Auffassung stützt das Verwaltungsgericht auf die Ausführungen des Herrn Prof. Dr. S. Danach ist es bei den Untersuchungen durch die beteiligten Institute zu verschiedenen Fehlern gekommen. Der Sachverständige führt aus, dass es sich bei DES um eine sehr schwer nachzuweisende Substanz handele. Zwar werde DES in kristalliner Form angeboten. In der Analyse bestehe es aber aus zwei Bestandteilen. Um es mit Gewissheit nachweisen zu können, müsse sowohl trans-DES als auch cis-DES nachgewiesen werden. Unstreitig ist aber cis-DES nicht nachgewiesen worden. Dies stellt nach Auffassung des Sachverständigen bereits ein erhebliches Manko dar. Der schwerste Einwand des Gutachters gegen die Zuverlässigkeit der von den beteiligten Ämtern gewonnenen Erkenntnisse bezieht sich aber darauf, dass unstreitig keine internen Standards verwandt worden sind. Den von den beteiligten Ämtern gewonnenen Erkenntnissen fehlte deshalb nach Auffassung des Sachverständigen die erforderliche Zuverlässigkeit. Hieraus hat das Verwaltungsgericht geschlossen, dass sie nicht zur Grundlage der erlassenen Bescheide gemacht werden durften. Wegen der weiteren Einzelheiten des verwaltungsgerichtlichen Urteils wird auf die Ausführungen im Urteil Bezug genommen. Dieses wurde als Anlage K 10 von den Klägern mit der Klage überreicht.
Nachdem sich das Widerspruchsverfahren bezüglich der Verfügung vom 29.06.1990 erheblich in die Länge zog, gerieten die Kläger zunehmend in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die im Bestand vorhandenen Kälber konnten auf Grund ihres inzwischen erreichten Gewichtes und ihrer Größe nicht mehr untergebracht werden. Da die Stallungen hierfür nicht ausgelegt waren, entstanden bauliche Schäden. Die Kläger mussten erhebliche finanzielle Mittel aufwenden, um Gutachter und Anwälte zu bezahlen. Erlöse aus dem Betrieb blieben aus. Aus diesem Grunde waren Notverkäufe und die Aufnahme erheblicher Darlehen angezeigt. Insgesamt ergab sich für die Kläger eine wirtschaftlich bedrohliche Situation. Inzwischen haben die Kläger ihren Betrieb auf Hähnchenmast umgestellt. Die ursprüngliche GbR wurde aufgelöst. Der Betrieb wird nunmehr von den Klägern gemeinsam geführt.
Für das vorliegende Verfahren haben die Kläger sich wechselseitig bevollmächtigt mögliche Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten im eigenen Namen geltend zu machen und Zahlung an sich zu verlangen. Den aufgrund der Verfügungen 29.06.1990 und 04.07.1990 entstandenen Schaden beziffern die Kläger mit insgesamt 6.622.920,86 DM.
Die Kläger machen geltend, die genannten Verfügungen seien von Anfang an rechtswidrig gewesen. Dies hätten die Beklagten auch ohne Weiteres erkennen können. Schon beim Vorliegen der ersten Ergebnisse habe man feststellen müssen, dass DES positive Proben ausschließlich aus dem Bereich der Fresseraufzucht gezogen worden seien. Dies sei aus der Sicht eines Züchters widersinnig. Bei der Fresseraufzucht seien durch die Gabe von Hormonen für einen Züchter positive Effekte nicht zu erzielen. Die Gabe von Hormonen diene der Förderung der Fleischbildung. Dies sei bei Fressern nicht vorrangig. Es komme vielmehr darauf an, die Gesamtkonstitution der Tiere zu fördern. Auf Grund der geringen Konzentration der Hormone in den untersuchten Proben sei für alle Beteiligten klar gewesen, dass eine mögliche Hormongabe nicht durch die Verabreichung von Spritzen, sondern wenn überhaupt, nur über das Futter erfolgt sein könne. Einstiche wurden bei den Tieren der Kläger unstreitig nicht festgestellt. Auch die Gabe von Hormonen über das Futter aber müsse aus der Sicht eines Züchters als unsinnig angesehen werden, da die vorgefundene geringe Konzentration nicht zur Erhöhung des Gewichtes führe. Im Übrigen sei bei der Gabe von Hormonen über das Futter nach drei bis fünf Tagen ein Hormonnachweis nicht mehr zu führen. Dementsprechend hätten in den weiteren Proben Hormone nicht mehr festgestellt werden dürfen. Schließlich habe man bedenken müssen, dass bei zwei geschlachteten Tieren trotz der Feststellung von Hormonen im Urin ein weiterer Hormonnachweis in Blut und Fleisch nicht möglich gewesen sei. Auch habe man im weiteren Verfahren berücksichtigen müssen, dass die Untersuchungen in Z. durchgehend negativ verlaufen seien.
Entscheidend für die Würdigung des Ergebnisses der Proben sei, dass man bei der Urinuntersuchung grundsätzlich zwischen dem Urin von Milchkälbern und Fressern hätte unterscheiden müssen. Die Gabe von Raufutter führe bei Fressern dazu, dass die Urinkonsistenz eine andere sei. Im Urin der Fresser seien Substanzen, die dem angeblich nachgewiesenen DES sehr ähnlich seien. Es könne deshalb sehr schnell zu Verwechslungen kommen. Nach Auffassung der Kläger hätten beide Beklagte in einer Gesamtschau feststellen müssen, dass eine Vielzahl von Argumenten gegen die Hormongabe an Tiere im Betrieb der Kläger sprechen. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte habe man keinesfalls zu dem Ergebnis gelangen können, dass Tatsachen, wie in § 7 Abs. 2 des Fleischhygienegesetzes gefordert, zuverlässig auf die verbotene Gabe von Hormonen schließen ließen. Im Übrigen seien die Untersuchungen nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Hierzu verweisen die Kläger auf die Feststellungen im Verwaltungsgerichtsverfahren.
Die Kläger beantragen,
- a)
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 6.622.920,86 DM nebst Jahreszinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes seit dem 23.06.2001 zu zahlen,
- b)
festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägern allen weiteren Schaden aus den mit Verfügungen vom 29.06.1990 und 04.07.1990 angeordneten Bestandssperren und den daraus resultierenden Folgen zu zahlen.
Die Streitverkündete schließt sich den Anträgen der Kläger an.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte zu 1) ist der Auffassung, dass der unter dem 29.06.1990 erlassene Bescheid zunächst rechtmäßig ergangen ist. Nach Auffassung des Beklagten zu 1) haben sich im Laufe des weiteren Verfahrens Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Verdacht einer Hormongabe an die Tiere im Betrieb der GbR sich nicht bestätigen würde. Nach Auffassung des Beklagten zu 1) war der Landkreis zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr in der Lage, selbst die Entscheidung vom 29.06.1990 zu verändern. Der Beklagte zu 1) weist darauf hin, dass durch den Widerspruch der Kläger die Entscheidungsbefugnis bei der Bezirksregierung lag. Im übrigen macht der Beklagte zu 1) geltend, er sei von der Bezirksregierung sowie vom Ministerium angewiesen worden, den Bescheid vom 29.06.1990 nicht zurückzunehmen. Hinsichtlich des Bescheides vom 04.07.1990 gelte ebenfalls, dass man auf Weisung der Bezirksregierung gehandelt habe. Man habe ständig auf neue Gesichtspunkte hingewiesen und darauf gedrängt, diesen Bescheid aufheben zu dürfen. Dies sei dann mit der Verfügung vom 26.09.1990 frühestmöglich geschehen. Letztendlich liege die Verantwortung für den Gesamtkomplex deshalb nicht beim beklagten Landkreis. Dieser habe sich in ständiger Absprache mit der Bezirksregierung darum bemüht, einen Schaden für die Kläger zu verhindern. Dem Landkreis seien aber weitgehend wegen der Weisungslage die Hände gebunden gewesen.
Hinsichtlich des Bescheides vom 04.07.1990 verweist der beklagte Landkreis darauf, dass dieser nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens war. Nach Auffassung des Landkreises ist deshalb insoweit eine Rechtswidrigkeit nicht festgestellt worden. Der beklagte Landkreis beruft sich darauf, dass die wechselseitige Bevollmächtigung der Kläger zur Geltendmachung des Schadens nicht ausreiche. Es fehle deshalb an der Aktivlegitimation. Wegen der zwei Betriebszweige der Kläger könne ein Schaden nicht eindeutig zugeordnet werden. Dies führe auch zu Unklarheiten hinsichtlich der Person des Anspruchsberechtigten. Schließlich beruft der beklagte Landkreis sich auf den Eintritt der Verjährung. Er verweist darauf, dass die zugrundeliegenden Bescheide im Jahre 1990 erlassen wurden. Nach Auffassung des Landkreises hat das verwaltungsgerichtliche Verfahren die Verjährung nicht unterbrochen. Die dreijährige Verjährungsfrist ist deshalb nach Auffassung des Landkreises verstrichen.
Das beklagte Land widerspricht den Ausführungen des beklagten Kreises teilweise. Nach Auffassung des Landes hat es zu keiner Zeit eine bindende Weisung gegeben. Das Land führt hierzu aus, es hätten lediglich intensive Kontakte zwischen der Bezirksregierung, dem Ministerium und dem Landkreis stattgefunden. Ziel der Kontakte sei eine jederzeitige Abstimmung aller Maßnahmen gewesen. Dem Landkreis seien aber keinerlei Vorgaben gemacht worden. Soweit der Landkreis gehandelt habe, treffe ihn deshalb hierfür auch die Verantwortung. Hinsichtlich des Bescheides vom 04.07.1990 beruft das beklagte Land sich darauf, dass insoweit die Bezirksregierung nicht tätig geworden sei. Der Landkreis habe den entsprechenden Bescheid in eigener Verantwortung erlassen und zurückgenommen. Hinsichtlich der Verjährung schließt das beklagte Land sich den Ausführungen des Landkreises an. Im übrigen machen beide Beklagte geltend, dass der von den Klägern verlangte Schaden wesentlich überhöht sei. Die Beklagten bestreiten die einzelnen Schadenspositionen und führen hierzu aus, dass eine adäquat kausale Verursachung der geltend gemachten Schadenspositionen in weiten Bereichen nicht erkennbar sei.
Wegen der weiteren Ausführungen der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze aller Beteiligten nebst der überreichten Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und dem Grunde nach gerechtfertigt. Da über die Höhe des geltend gemachten Schadens eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig werden wird, erschien es angezeigt, gem. § 304 Abs. 1 ZPO zunächst über den Grund der Klage zu entscheiden.
Die Kläger sind nach Auffassung des Gerichts aktivlegitimiert, alle im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Schadensersatzansprüche in eigenem Namen einzuklagen. Eine entsprechende Berechtigung ergibt sich aus § 167 BGB. Die Erteilung der Vollmacht ist unstreitig. Einer besonderen Form bedurfte es nicht. An der Wirksamkeit bestehen deshalb nach Auffassung der Kammer keine Zweifel.
Das beklagte Land haftet für den den Klägern entstandenen Schaden aus § 839 BGB i.V. mit Art. 34 GG.
Soweit es um den Bescheid vom 29.06.1990 geht, ist die Bezirksregierung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens tätig geworden. Sie hat unter dem 15.05.1991 den Bescheid des Landkreises vom 29.06.1990 bestätigt. Da die Bezirksregierung als Landesbehörde gehandelt hat, ist das Land für einen möglicherweise aus dem Bescheid vom 29.06.1990 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 15.05.1991 entstandenen Schaden verantwortlich.
Gestützt waren beide Verfügungen auf § 7 Abs. 2 des Fleischhygienegesetzes. Das Fleischhygienegesetz dient nach allgemeiner Auffassung nicht dem Schutz des einzelnen Tierhalters, sondern dem Interesse der Verbraucher an durch Schadstoffe unbelastetem Fleisch. Ein Ersatzanspruch nach § 839 BGB besteht jedoch nur, wenn eine Amtspflicht gerade gegenüber dem Anspruchsteller verletzt worden ist (BGHZ 106, 323, 331) [BGH 26.01.1989 - III ZR 194/87]. Maßgebend ist dabei der Schutzzweck, dem die Amtspflicht nach den sie begründenden und umreißenden Bestimmungen und nach der besonderen Natur des Amtsgeschäftes dienen soll. Unabhängig hiervor besteht jedoch eine allgemeine Amtspflicht des Inhaltes, dass jeder Amtsträger verpflichtet ist, bei den ihm obliegenden Amtsgeschäften sorgfältig und gewissenhaft unter Berücksichtigung der zugrundeliegende Bestimmungen zu entscheiden (Palandt-Thomas, 61. Aufl., § 839 Rdnr. 32). In diesem Rahmen kann es keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass eine Amtspflichtverletzung gegenüber einem geschädigten Landwirt auch dann besteht, wenn unter Berufung auf § 7 Abs. 2 des Fleischhygienegesetzes eine im Ergebnis unzutreffende und unrichtige Entscheidung gefällt worden ist (vgl. hierzu OLG Celle, Urteil vom 29.10.2002, Az.: 16 U 103/02).
Das Handeln des beklagten Landes war auch rechtswidrig. Dies ist durch das Urteil des Verwaltungsgerichtes vom 28.06.1990 festgestellt worden. Zwar war das beklagte Land nicht Partei des fraglichen Verfahrens. Allerdings sind rechtskräftige Entscheidungen der Verwaltungsgerichte für spätere Haftungsprozesse auch gegenüber nicht Verfahrensbeteiligten als verbindlich anzusehen (Palandt, 61. Auflage, § 839 Rdnr. 86).
Das Land hat auch schuldhaft gehandelt. Durch das Verwaltungsverfahren und die dort durchgeführte Beweisaufnahme steht fest, dass das Untersuchungsamt X. wie auch das Untersuchungsamt Y. bei der Untersuchung der Proben fehlerhaft gehandelt haben. Es wurden elementare Grundsätze bei der Durchführung der Untersuchungen nicht beachtet. Hierauf hat der Gutachter im Verwaltungsverfahren eindringlich hingewiesen. Die entsprechenden Feststellungen haben die Parteien im vorliegenden Rechtsstreit nicht bestritten. Für den Bescheid vom 29.06.1990 kommt hinzu, dass sich bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides am 15.05.1991 zahlreiche weitere Anhaltspunkte ergaben, die Zweifel hinsichtlich der Gabe von Hormonen begründen mussten. Zutreffend weisen die Kläger darauf hin, dass zu keinem Zeitpunkt Einstiche bei den Tieren der Kläger festgestellt wurden. Alle Beteiligten sind deshalb davon ausgegangen, dass eine mögliche Hormongabe nur über das Futter der Tiere erfolgt sein könnte. Insoweit haben die Kläger unbestritten vorgetragen, dass ein Hormonnachweis bei der Gabe über das Futter nur innerhalb von drei bis vier Tagen möglich sei. Ausgehend hiervon wäre es in der Tat kaum erklärlich, dass auch in den weiteren in der Zeit vom 28.06. bis 13.07.1990 genommenen Proben Hormonrückstände festgestellt worden sein sollen. Ebenfalls von den Beklagten unbestritten weisen die Kläger darauf hin, dass bei zwei geschlachteten Tieren trotz angeblicher Hormonrückstände im Urin weder im Blut noch im Fleisch der Tiere Hormone nachgewiesen wurden. Hinzu kam, dass die Untersuchungsergebnisse für sämtliche den Klägern überlassene Gegenproben negativ ausgefallen sind. All dies hätte die Bezirksregierung veranlassen müssen, von dem Bescheid vom 29.06.1990 Abstand zu nehmen und diesen aufzuheben. Da sie dies nicht getan hat, hat sie gem. § 839 BGB i.V. mit Art. 34 GG für den eingetretenen Schaden aufzukommen.
Dies gilt im Ergebnis auch hinsichtlich des weiteren Bescheides vom 04.07.1990. Insoweit kann offen bleiben, ob die Bezirksregierung auf den beklagten Kreis Einfluss genommen und diesen zum Erlass des Bescheides angewiesen hat. Eine Haftung des beklagten Landes für mögliche Schäden aus dem Bescheid vom 04.07.1990 ergibt sich bereits deshalb, weil auch für diesen Bescheid die Untersuchungsergebnisse des Untersuchungsamts X. sowie des Untersuchungsamts Y. maßgeblich waren. In beiden Instituten aber sind bei der Untersuchung der Proben erhebliche Versäumnisse vorgekommen. Schon dies führt zu einer Haftung des beklagten Landes nach den genannten Normen.
Neben der Haftung des Beklagten zu 2) ist auch ein Anspruch gegen den Beklagten zu 1) in vollem Umfange gegeben. Es kann dahinstehen, ob der beklagte Landkreis ebenfalls aus § 839 BGB i.V. mit Art. 34 GG haftet. Ein Anspruch gegen den Beklagten Landkreis ist zumindest aus den §§ 58, 59 SOG gegeben. Aus diesem Grunde bedurfte es keiner Prüfung des vom Beklagten zu 1) vorgebrachten Einwandes, er habe auf Weisung des Landes gehandelt. Dieser Einwand konnte eine Haftung des Landkreises aus § 839 BGB i.V.m. Art. 3666 GG ausschließen. Gem. § 58 Abs. 1 SOG haftet der beklagte Landkreis aber als einschreitende Ordnungsbehörde für den Schaden, der den Klägern aus der unrechtmäßigen Inanspruchnahme durch die Bescheide vom 29.06. und 04.07.1990 entstandenen ist. Hinsichtlich des Bescheides vom 29.06.1990 ist die Rechtswidrigkeit durch das Urteil des Verwaltungsgerichtes festgestellt worden. Der Tenor des verwaltungsgerichtlichen Urteils lässt keine Zweifel daran, dass auch der Bescheid vom 2906.1990 bereits rechtswidrig war und Rechtswidrigkeit nicht erst im Laufe des weiteren Verfahrens eingetreten ist. Der Bescheid vom 04.07.1990 muss nach Auffassung der Kammer ebenfalls als von Anfang an rechtswidrig angesehen werden. Der Bescheid vom 04.07.1990 stützte sich auf die Feststellungen, die bereits der Entscheidung vom 29.06.1990 zugrundelagen. Hieraus folgt, dass eine Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 29.06.1990 auch den Bescheid vom 04.07.1990 die Grundlage entzieht. Folglich muss auch er als rechtswidrig angesehen werden.
Damit steht den Klägern zumindest ein Anspruch aus den §§ 58, 59 SOG zu. Dieser ist zwar grundsätzlich nicht inhaltsgleich mit dem Entschädigungsanspruch aus § 839 BGB. Im vorliegenden Fall wird jedoch ein Vermögensschaden geltend gemacht, der gem. § 59 Abs. 1 SOG zu erstatten wäre. Dies erübrigt es, daneben Amtshaftungsansprüche zu prüfen.
Die Beklagten haften für den eingetretenen Schaden gesamtschuldnerisch. Verjährung ist nicht eingetreten. Die Verjährungsfrist beträgt gem. § 852 BGB drei Jahre. Entscheidend ist, zu welchem Zeitpunkt sie zu laufen begann. Hier ist nach Auffassung der Kammer das Urteil des Verwaltungsgerichtes als maßgeblicher Zeitpunkt anzusehen. Bis zum Erlass des Urteils bzw. dessen Rechtskraft bestand Unklarheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches. In besonderen Ausnahmefällen kann daneben auch eine rechtliche Klärung der Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches als maßgeblicher Zeitpunkt für den Verjährungsbeginn angesehen werden (Palandt, 61. Aufl., § 852 Rdnr. 4; BGH BB 74, 427). Hier ist nach Auffassung der Kammer eine solche Situation gegeben. Nachdem bereits vor der Durchführung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eine Vielzahl von Gutachtern tätig gewesen war, ist auch vor dem Verwaltungsgericht unter Hinzuziehung mehrerer Sachverständigen eingehend gestritten worden. Es konnte von den Klägern nicht verlangt werden, noch während dieser Zeit der Unklarheit einen Schadensersatzanspruch vor Gericht geltend zu machen. Eine verlässliche Grundlage für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches ergab sich erst, nachdem das Verwaltungsverfahren abgeschlossen war. Wenn aber das Urteil des Verwaltungsgerichtes für den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist zugrundezulegen ist, kann hier Verjährung bislang nicht eingetreten sein. Demzufolge scheitert der Schadensersatzanspruch der Kläger nicht an der Einrede der Verjährung. Ihm war vielmehr dem Grunde nach stattzugeben.