Landgericht Osnabrück
Urt. v. 17.01.2003, Az.: 7 O 3125/00

Geltendmachung eines Verwendungsersatzanspruchs durch einen Erben nach den Grundsätzen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses; Ersatzfähigkeit gewöhnlicher Erhaltungskosten; Darlegungslast und Beweislast für die Gewöhnlichkeit von Erhaltungsmaßnahme; Begriff der "Verwendung" in sachenrechtlicher und in erbrechtlicher Hinsicht; Anspruch auf Erstattung von Schenkungssteuer; Beachtlichkeit eines Aufrechnungsgrundes; Erstattungsfähigkeit eines Säumniszuschlages

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
17.01.2003
Aktenzeichen
7 O 3125/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 33939
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2003:0117.7O3125.00.0A

Fundstellen

  • FamRZ 2003, 1694-1696 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 2003, 1373-1375 (Volltext mit amtl. LS)
  • NWB 2003, 3953
  • ZEV 2004, 68 (amtl. Leitsatz)

In dem Rechtsstreit
...
hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück
im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 ZPO
mit einer Erklärungsfrist bis zum 9.1.2003
am 17.1.2003
durch
den Richter am Landgericht ... als Einzelrichter
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 3.834,69 Euro ( 7.500 DM ) nebst 5% Zinsen seit dem 5.3.01 ( Rechtshängigkeit) zu zahlen.

Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: bis zum 15.1.01: bis 30.000 Euro ( 57.373,56 DM ) bis zum 16.2.01: bis 25.000 Euro ( bis 50.000 DM ) ab dem 16.2.01 bis 30.000 Euro ( bis 56.000 DM )

Tatbestand

1

Der Kläger macht Verwendungsersatz als Erbe geltend.

2

Die Erblasserin vermachte durch notariellen Vertrag vom 7.9.94 ( Bl. 10 ) der Beklagten das Haus ... der Kläger, Erbe und Sohn der Erblasserin, zog 1990 aus dem Elternhaus aus und hatte seit 1991 aus streitigen Gründen -. nach seinem Vortrag wegen berufsbedingter Ortsabwesenheit - keinen Kontakt mehr zur Erblasserin und erhielt später nur die Mitteilung, dass seine Mutter in einem Pflegeheim lebe. Seit 1999 stand die Erblasserin unter Betreuung. Kurz vor dem Tod der Erblasserin vom 15.7.1999 erteilte die Erblasserin mit Zustimmung des Betreuers mehrere Handwerker-Aufträge in Klagehöhe; lediglich die Dachdeckerfirma ... wurde von der Hausverwalterfirma ..., die von der Erblasserin beauftragt war, erst nach dem Tod der Erblasserin Auftragnehmerin. Die Arbeiten wurden sämtlich erst nach dem Tod der Erblasserin ausgeführt und aus dem Nachlass bezahlt. Der Betreuer und Testamentsvollstrecker hat den Kläger ermächtigt, die vorliegende Forderung einzuziehen.

3

Die Beklagte, die sich als Hausgehilfin um die Erblasserin jahrelang gekümmert haben will und die durch den Vertrag vom 7.9.94 die Grabpflege übernommen hat, hatte durch notariellen Vertrag vom 21.1.1994 ( BI.66 dA), der auf ein Vermächtnis vom 8.10.91 verweist, eine Eigentumswohnung in Nordhom ... erhalten, bei dem die Erblasserin sämtliche Kosten und Verkehrssteuern zu tragen hatte. Die Beklagte zahlte, nachdem sich der Kläger geweigert hatte, die vom Finanzamt festgesetzte und mit der Widerklage geltend gemachte Schenkungssteuer in Höhe von 7.500 DM nebst - bestritten - 75 DM Säumniszuschlag. Der Kläger erklärte nach Rechtshängigkeit ( 13.1.01 ) am 15.1.01 die Aufrechnung mit der streitgegenständlichen Forderung und den Rechtsstreit in Höhe von 7.500 DM für erledigt.

4

Der Kläger meint unter Berufung auf die Kommentarstelle Staudinger-Otte ( BGB, § 2185 Rdnr.4 ): Vom Erblasser veranlasste Verwendungen, die erst nach dem Erbfall ausgeführt und bezahlt werden, seien im Zweifel vom Vermächtnisnehmer zu tragen. Entscheidend sei der Wille, ob der Vermächtnisnehmer vor weiteren Unkosten bewahrt werden solle. Die unter Betreuung stehende Erblasserin habe keinen eigenen Willen mehr fassen können, und der Wille des Betreuers sei nicht maßgeblich, zumal dieser sich nur auf die Reparatur bezogen habe.

5

Es habe sich um notwendige Verwendungen gehandelt. Die Beklagte habe die Erblasserin in Vermögensfragen beeinflusst und verleumde den Kläger.

6

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 57.373,56 DM

nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz abzüglich am 15.1.01 aufgerechneter 7.500 DM zu zahlen.

7

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung

und im Wege der Widerklage, den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 7.575 DM nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz zu zählen, wobei sie hilfsweise mit dem Widerklagebetrag die Aufrechnung erklärt.

8

Die Beklagte behauptet im wesentlichen: Nach Auszug der letzten Mieter hätte das Haus renoviert werden müssen, um eine Neuvermietung zu ermöglichen. Auch eine Generalüberholung stelle gewöhnliche Erhaltungskosten dar; zur Erhaltung des Gebäudes seien die Arbeiten nicht zwingend notwendig gewesen. Es habe gar kein Zweifel bestanden, dass die Kosten von der Erblasserin im Falle ihres vorzeitigen Todes getragen werden sollten ( Beweis: Betreuer ... - Den Säumniszuschlag von 75 DM habe sie zahlen müssen, da der Testamentsvollstrecker vom Kläger keine Zustimmung erreichen konnte.

Entscheidungsgründe

9

1)

Klage:

10

Die Klage ist unbegründet.

11

Gemäß § 2185 BGB kann der Beschwerte - hier: der Kläger - für die nach dem Erbfall auf die Sache gemachten Verwendungen Ersatz nach den Vorschriften über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis verlangen. Das Gesetz will für Verwendungen des Beschwerten diesen ( obwohl berechtigter Eigentümer ) wie einen nichtberechtigten Besitzer - hier: der Kläger - und den ( nur obligatorisch berechtigten ) Vermächtnisnehmer wie einen Eigentümer - hier: die Beklagte -behandelt wissen ( BGH NJW 1991/1736, 1737).

12

a)

Notwendigkeit ( der Verwendungen):

13

Hinsichtlich der gewöhnlichen Erhaltungskosten ordnet das Gesetz ( § 994 BGB i.V.m. § 2185 BGB ) an, dass der als Besitzer geltendende Beschwerte - hier: der Kläger -keinen Ersatz solcher Verwendungen verlangen kann, die als gewöhnliche Erhaltungskosten für diejenige Zeit angefallen sind, für welche dem

14

Besitzer - hier: dem Kläger - die Nutzungen verbleiben. Dem Beschwerten verbleiben gemäß § 2184 I 2 BGB die Nutzungen, so dass er - hier der Kläger - die gewöhnlichen Erhaltungskosten zu tragen hat.

15

Die Notwendigkeit der Verwendungen wird von der Beklagten nur aus terminologischen Gründen bestritten, indem die Beklagte, die "gewöhnlichen Erhaltungskosten" i.S.d. § 994 I 2 BGB nicht zu den notwendigen Verwendungen zählt. Dies ist falsch, wie sich schon aus dem Wort "jedoch" ergibt. Auch die Zitate des Beklagten ( auf Palandt, § 994 Rdnr. 2 und 3 ) sind nicht einschlägig, weil auch Palandt ( BGB, 61.Aufl., § 994 Rdnr 7 ) schreibt, dass der Besitzer nur Ersatz "solcher notwendiger Verwendungen verlangen (kann), die nicht gewöhnliche Erhaltungskosten sind, I 2". Entscheidend ist vorliegend daher in diesem Zusammenhang zunächst allein, ob die umfangreiche Hausreparatur, die über 50.000 DM gekostet, noch eine gewöhnliche Erhaltungsmaßnahme darstellt - was die Beklagte meint - oder ob es sich um eine darüber hinausgehende notwendige Verwendung oder sogar eine sog. Umgestaltungsaufwendung ( Palandt a.a.O. § 994 Rdnr. 4 ) handelt.

16

Die Beklagte trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Gewöhnlichkeit der Erhaltungsmaßnahme, da sie als Eigentümerin behandelt wird und der Eigentümer für die Ausnahme des § 994 I 2 BGB die Beweislast trägt ( Palandt a.a.O. § 994 Rdnr. 7). Dazu trägt sie keinerlei Einzelheiten vor. Sie meint lediglich aus Rechtsgründen, dass auch die Generalüberholung noch eine "gewöhnliche Erhaltungsmaßnahme" sei, indem sie auf die Entscheidung OLG Celle NJW-RR 1995, 1527 [OLG Celle 10.11.1994 - 10 U 26/94] verweist. Hätte der Beklagtenvertreter die offenbar bei Palandt ( a.a.O. Rdnr.5 ) gefundene Entscheidung auch nur im Leitsatz.nachgelesen, so hätte er schon im Leitsatz 4 gelesen, dass die von einem Gebrauchtwagenkäufer getätigten Verwendungen zur "Runderneuerung" eines altersschwachen Pkws, die dessen Fahrbereitschaft erst wiederherstellen (zß Instandsetzung von Elektrik, Beleuchtung und Bremsanlage), zwar als nützliche Verwendungen im Sinne des BGB § 996 angesehen werden können, aber - gemessen an dem bereits heruntergekommenen Gesamtzustand des Fahrzeuges - nicht notwendige Verwendungen im Sinne des BGB § 994, um eine weitere Verschlechterung der Sache zu verhindern, sind. Erst recht können sie dann keine gewöhnlichen Erhaltungsverwendungen i.S.d. § 994 I 2 BGB sein.

17

Auch ansonsten gibt es keinerlei Anhaltspunkte, dass die Verwendungen nicht notwendig und zudem bloß gewöhnliche Erhaltungsverwendungen waren. Denn auch die Beklagte schreibt, dass die Verwendungen zur Erhaltung der Vermietbarkeit notwendig waren. Der Begriff der Notwendigkeit Bei einem Erhaltungsaufwand von über 50.000 DM gehen die Aufwendungen weit über das hinaus, was der Eigentümer eines normalen Einfamilienhauses üblicherweise aufzuwenden pflegt. Selbst das Neudecken eines Daches verursacht nur Kosten in der Größenordnung von 30.000 DM. "Normale Reparaturen" infolge Verschleißes sind zwar gewöhnliche Erhaltungsmaßnahmen ( OLG Oldenburg DAR 1993/467; Palandt § 994 Rdnr. 7), aber - um bei dem von der Beklagten gewählten Beispiel eines Kfzs zu bleiben - nicht mehr der Einbau eines Austauschmotors ( Palandt a.a.O.), der eine notwendige Verwendung i.S.d. § 994 I 1 BGB darstellt; Reparaturen stellen Verwendungen dar ( BGH NJW 2002/2875; BGHZ 34, 122, 129) [BGH 21.12.1960 - VIII ZR 89/59]. Die Frage der grundlegenden Veränderung einer Sache ( Palandt a.a.O. § 994 Rdnr.4 ) ist nicht gestellt und liegt auch nicht nahe.

18

Mithin ist die Notwendigkeit nicht bezweifelbar und lediglich aus anderen Gründen zu prüfen, ob ausnahmsweise überhaupt keine Verwendung i.S.d. § 994 BGB bzw. keine im Sinne des § 2185 BGB vorliegt:

19

b)

Verwendung

20

aa)

allgemeiner Verwendungsbegriff gemäß § 994 BGB

21

Verwendungen sind Vermögensaufwendungen, die der Sache zugute kommen (sog. weiter Begriff des RGZ 152/100,102; Erman, BGB, 10.Aufl.2000, vor § 994 Rdnr. Baur, Sachenrecht. 17.Aufl. 1999, § 11 C IV 2, Rdnr. 55 ), indem sie der Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung der Sache dienen ( sog. enger Begriff des BGH BGHZ 10/171,177; kombinierend BGH BGHZ 87/104 = NJW 1983/1479 und BGH NJW 1990, 447,447 [BGH 18.10.1989 - IVb ZR 82/88]; Palandt a.a.O. § 994 Rdnr. 2 ).

22

Die Freiwilligkeit wird zwar bei § 994 BGB - im Unterschied zu § 2185 ( Soergel, BGB, 12.Aufl., § 2185 Rdnr.2 bei Fn.1;) - meist nicht als Definitionsmerkmal genannt ( Erman a.a.O.; MüKo, BGB, 2.Aufl. 86, § 994 Rdnr.6; Soergel, BGB, 12. Aufl., § 994 Rdrn. 2; aber Staudinger, BGB, 13.Aufl, 1996, vor § 994 Rdnr. 2). Dies beruht indessen darauf, dass das in dieser Definition enthaltene Merkmal der Vermögens"aufwendung" seinerseits als "freiwillige Aufopferung von Vermögenswerten im Interesse eines anderen" definiert wird ( BGH NJW 1989/2816, 2818 m.w.N; Palandt a.a.O., § 256 Rdnr. 1; Staudinger a.a.O. § 994 Rdnr. 2 und § 256 Rdnr. 4; Soergel a.a.O. § 256 Rdnr. 3; Erman a.a.O. § 256 Rdnr. 1; vgl. RGRK, BGB, 12.Aufl. 1979, § 994 Rdnr 2 ). Im übrigen könnte dies auch damit zusammenhängen, dass bei der vertraglichen Verpflichtung zur Vermögensaufwendung - beispielsweise beim Reparaturvertrag - der aufwendende Besitzer zum Besitz berechtigt ist und deshalb nach einhelliger Meinung ( Palandt a.a.O., vor § 987 Rdnr. 2 ; BGHZ 34/127 = NJW 1961/499 ) mangels Vindikationslage die §§ 987 ff BGB unanwendbar sind. So ist man sich seit jeher darüber einig, dass der vertragliche Erwerbspreis keine Verwendung darstellt (BGH BGH NJW 1980/2245, 2247 m.w.N; BGH NJW 1990/447; Soergel a.a.O., § 994 Rdnr. 21; Palandt a.a.O. § 994 Rdnr.3; Erman a.a.O. vor § 994 Rdnr. Sdiejenige Aufwendung, die man zu zahlen verpflichtet ist und die man dahe im eigenen Interesse eingeht, kann man natürlich nicht als Verwendung zurückverlangen.

23

Vorliegend war der Kläger verpflichtet, die Handwerkerlöhne zu bezahlen, weil es sich um Erblasserschulden handelte. Er war auch - unbeschadet seines Kündigungsrechts - verpflichtet, die Ausführung der Gewerke zu dulden und diese abzunehmen ( § 640 BGB). Mithin liegt mangels Freiwilligkeit und mangels Handeln im fremden Interesse keine Aufwendung im Sinne des § 994 BGB vor, die er von der Beklagten zurückverlangen könnte.

24

bb)

Verwendung i.S.d. § 2185 BGB:

25

aaa)

Die einhellige Meinung ( BGH a.a.O. NJW 1991/1736; Palandt a.a.O. § 2185 Rdnr. 1; MüKo, BGB, 3.AufL 1997, § 2185 Rdnr. 4 ; Staudinger, BGB, 13.Aufl. 1996, § 2185 Rdnr 3 ) verweist auf den allgemeinen Verwendungsbegriff des § 994 BGB. Soweit Kommentatoren den Verwendungsbegriff selbständig definieren ( Palandt a.a.O. § 994 Rdnr. 2) benutzen sie die zu § 994 BGB entwickelte Definition. Soergel (a.a.O. § 2185 Rdnr. 2 bei und in Fn 7 ) verweist auf seine Erläuterung § 994 BGB, fügt aber ausdrücklich hinzu, dass Verwendungen die der Sache zugute kommenden "freiwilligen Aufwendungen" sind.

26

Somit liegt aus dem oben genannten Grund keine Verwendung vor, weil weder die Bezahlung noch die Werksausführung freiwillig, sondern aufgrund vertraglicher Verpflichtung geschah.

27

bbb)

Als (nahezu ) einziger Kommentar wirft Staudinger (a.a.O. § 2185 Rdnr. 4; vgl. MüKo a.a.O. § 2185 Fn. 3 ) in der vom Kläger zitierten Stelle ausdrücklich die Frage auf - und bejaht sie im Zweifel -, ob vom Erblasser veranlasste, aber erst vom Beschwerten bezahlte Kosten erstattungspflichtig sind. Palandt ( a.a.O. § 2185 Rdnr. 2) meint dagegen, dass Rückstände ( von Lasten ) nicht vom Vermächtnisnehmer zu tragen sind. Zur Begründung führt Staudinger-Otte (a.a.O. ) an, dass die Verwendungen "nach dem Erbfall" gemacht werden, wenn der Erblasser den Beschwerten vor weiteren unvermeidlichen Unkosten bewahren wolle. Man könne entgegen einer Vorauflage des Kommentars ( Staudinger-Seybold, 11.Aufl. 1954, § 2185 Rdnr. 4 ) nicht erfolgreich anführen, dass es sich um Nachlassverbindlichkeiten handele; denn Nachlassverbindlichkeiten seien auch Schulden, die der Erbe wegen einer Verwendung eingehe, und ferner Lasten aus der Zeit zwischen Erbfall und Vermächtniserfüllüng.

28

Der erkennende Richter vermag der Auffassung von Staudinger-Otte nicht zu folgen. Die von Staudinger-Otte benutzte Formel, ob der Beschwerte vor weiteren Unkosten bewahrt werden solle oder ob dem Vermächtnisnehmer der Wert des Vermächtnisgegenstandes ungeschmälert zukommen solle, ist nämlich kein eigenständiges Kriterium, sondern nur die tautologische Umschreibung der Rechtsfolgenfrage, wer die Erblasserschuld bezahlen soll. Die Formel ist also eine Leerformel für das gewünschte oder unerwünschte Ergebnis. Zudem ist das Kriterium des Erblasserwillens nicht tauglich. Denn die Ermittlung des Willens des Erblassers kann nur dann erfolgen, wenn der Erblasser einen solchen Willen geäußert hat, nicht aber, wenn es um den bloß mutmaßlichen Willen geht. Der bloß mutmaßliche Wille kann zwar im Erbrecht berücksichtigt werden, aber nur dann, wenn die Willensrichtung des Erblassers erkennbar ist und es somit für den mutmaßlichen Willen zumindest einen geringen Anhaltspunkt ( im Testament ) gibt (Palandt a.a.O. § 2984 Rdnr. 9 ). Läßt sich aus dem Vermächtnis entnehmen, dass der Erblasser wollte, dass der Erbe die Kosten zu zahlen hat, so beschwert er den Beschwerten ( deklaratorisch ) mit der Kostentragung. Lässt sich aus dem Vermächtnis entnehmen, dass der Vermächtnisnehmer die Kosten tragen soll, so vermindert der Erbe den Wert des Vermächtnisgegenstandes ( konstitutiv ) um die Kosten der notwendigen Verwendung. Ist also ein Wille erkennbar, so entsteht überhaupt kein Problem. Erst wenn kein Wille erkennbar ist, muss es Rechtsregeln wie die des § 2185 BGB geben. Deshalb taugt die Formel von Staudinger-Otte nichts, wenn sie zur Lösung des ( angeblichen ) Rechtsproblems, wer die Kosten von erst nach dem Erbfall zu bezahlenden Verpflichtungen zahlen soll, herangezogen werden soll. Denn die Formel gibt (als unzulässige petitio principii) in die Rechtsvoraussetzungen des § 2185 BGB dasjenige ein, was im Ergebnis herauskommen soll.

29

Vor allem ist die Begründung, dass Nachlassverbindlichkeiten "auch" die vom Erben eingegangenen Schulden ( sog. Nachlasserbenschulden, s. Palandt a.a.O. § 1967 Rdnr. 8 ) und Lasten zwischen Erbfall und Vermächtniserfüllung sind, nicht stichhaltig. Bei diesen Nachlassverbindlichkeiten ist lediglich trivial, dass sie nach dem Erbfall entstanden sind und deshalb unproblematisch in den Anwendungsbereich des § 2185 BGB fallen. Dies besagt indessen überhaupt nichts darüber, wie die weiteren Nachlassverbindlichkeiten - nämlich die vor dem Erbfall entstandenen "vom Erblasser herrührenden Schulden" ( sog. Erblasserschulden ) und deren Bezahlung - zu behandeln sind. Staudinger-Otte hätte allenfalls lediglich vorwerfen dürfen, dass die Vorauflage Staudinger-Seybold nicht den weiten Begriff "Nachlassverbindlichkeit", sondern den engen Begriff "Erblasserschuld" hätte verwenden sollen. Richtig ist vielmehr, dass der durch das Vermächtnis Beschwerte die Erblasserschuld nicht freiwillig erfüllt und somit keine Verwendung i.S.d. § 2185 BGB macht; infolge der vertraglichen Bindung ist er bei der durch § 2185 BGB angeordneten Anwendung der §§ 987 ff BGB wie ein rechtmäßiger Besitzer, auf den eben nicht die §§ 987 ff BGB anzuwenden sind (s.o.), zu behandeln.

30

Hinzukommt, dass der Erblasser regelmäßig damit rechnet, dass er die von ihm begründeten Schulden auch in eigener Person bezahlen muss. Anders ist es allenfalls, wenn der Erblasser geschwächt ist und seinen nahen Tod voraussieht oder wenn die Erfüllung erst nach langer Zeit bewirkt werden soll. Deshalb ist es gerecht, dass der Nachlass die Kosten auch dann trägt, wenn unerwartet der Erblasser vor der geplanten Bezahlung stirbt.

31

Der Richter vermag daher nicht der vom Kläger für richtig geheißenen Auffassung von Staudinger-Otte zu folgen. Der Richter folgt vielmehr der Auffassung von Palandt ( a.a.O. § 2185 Rdnr. 2 - für Lasten ) und der 11.Auflage von Staudinger-Seybold (a.a.O. ).

32

ccc)

Selbst wenn man der materiellrechtlichen Auffassung von Staudinger-Otte folgen würde, so überzeugt seine weitere beweisrechtliche Auffassung nicht, dass "im Zweifel" wegen der Grundtendenz des § 2185 BGB anzunehmen sei, der Erblasser wolle den Erben über das Vermächtnis hinaus nicht mit den unvermeidbaren weiteren Kosten belasten.

33

Eine "Grundtendenz" des § 2185 BGB wird von Staudinger-Otte nicht aufgezeigt und ist für den Richter auch nicht erkennbar. § 2185 BGB wird teilweise als "Gegenstück" zu § 2184 BGB betrachtet ( Staudinger-Otte a.a.O. § 2185 Rdnr. 1; MüKo a.a.O. § 2185 Rdnr. 1 ), wonach der Vermächtnisnehmer die Früchte zu erhalten hat. Sicherlich ist es gerecht und entspricht dem in § 994 I 2 BGB zum Ausdruck gekommenen Gedanken, däss derjenige, dem die Nutzungen verbleiben, auch die gewöhnlichen Erhaltungskosten tragen soll. Für die nicht gewöhnlichen Erhaltungskosten gilt dies indessen nicht. Zudem und vor allem ordnet § 2184 BGB ausdrücklich an, dass der Vermächtnisnehmer nur die Früchte erhalten soll, während gemäß Satz 2 dieser Vorschrift die "Nutzungen, die nicht Früchte sind" nicht an den Vermächtnisnehmer erstattungspflichtig sind. Für Nutzungen, die nicht Früchte sind, besteht also keine "Gegenstück-Funktion". Es ist daher und auch ansonsten nicht erkennbar, weshalb der Beschwerte im Zweifel einen Erstattungsanspruch haben soll. Irgendeinen Anscheinsbeweis gibt es in dieser Hinsicht nicht.

34

Genauso gut und sachgerechter kann man argumentieren:* Wenn der Erblasser den Erben schon mit einem Vermächtnis beschwere, wolle er den Erben auch mit den ohnehin voraussehbaren unvermeidbaren Kosten beschweren, da der Erblasser ohne seinen ( nicht erwarteten ) Tod ohnehin alsbald hätte tragen müssen. Daher muss der Beschwerte die Voraussetzungen seines behaupteten Anspruchs nach allgemeinen Regeln beweisen.

35

Vorliegend rechtfertigt sich daher die Klageabweisung auch daraus, dass der Kläger keine Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt hat, wonach die Erblasserin den Willen hatte, den Kläger nicht mit den Kosten der Hausrenovierung zu belasten.

36

Im Gegenteil trägt der Kläger selbst vor, dass seine Mutter unter Betreuung stand und keinen eigenen Willen mehr habe fassen können. Auch trägt der Kläger vor, dass die Erblasserin auf Grund ihres Auftrages selbstverständlich für die Kosten aufkommen musste ( und wollte ) und sich keinerlei Gedanken darüber gemacht hat, dass sie kurzfristig abieben würde und wer dann die Kosten tragen solle.

37

Im übrigen ergibt sich aus dem vorangegangen Vermächtnis vom 21.1.94, dass die Erblasserin nicht nur die Vertragskosten, sondern auch die Verkehrssteuer, wozu auch die mit der Widerklage geltend gemachte Schenkungssteuer gehört, tragen wollte. Da die Erblasserin sogar die die Beklagte treffende Schenkungssteuer tragen wollte, spricht viel dafür, dass die Erblasserin erst recht die von ihr selbst veranlassten Werklöhne tragen wollte. Ein Umkehrschluss lässt sich hieraus nicht zum streitgegenständlichen Vermächtnis ziehen, weil dort die Kosten überhaupt nicht ( auch die Vertragskosten nicht ) erwähnt sind und vor allem, weil die Erblasserin nicht mit ihrem kurzfristigen Ableben rechnete. Der Kläger trägt selbst vor, dass die Erblasserin nicht mit "einem so kurzfristigen Ableben" rechnete und dass sie die Werkverträge zur Herstellung der Vermietbarkeit einging. Daher entspricht es dem Üblichen, dass die Erblasserin die alsbald fälligen Abschläge und Schlussrechnungen für die Werklöhne bezahlen wollte. Der Kläger hätte daher ein um die Werklöhne vermindertes Barkapital erhalten, wenn die Mutter nicht alsbald unerwartet verstorben wäre. Es ist daher auch materiell gerecht, dass die Werklöhne aus dem Nachlass bezahlt werden und die Klage abgewiesen wird.

38

c)

GoA:

39

Der Kläger stützt seinen Anspruch noch kurz auf eine Geschäftsführung ohne Auftrag.

40

Indessen legt der Kläger keine Fremdgeschäftsführerwillen dar ( §§ 687, 677 BGB ). Ein Wille, für die Beklagte ein Geschäft zu besorgen, ist auch nicht ersichtlich. Denn erstens hielt der Kläger das Vermächtnis für unwirksam und sich also für den unbeschwerten Eigentümer, so dass er ausschließlich sein eigenes Geschäft führen wollte. Außerdem liegt das erforderliche "objektiv fremde Geschäft" ( Palandt a.a.O., § 687 Rdnr. 2) deshalb nicht vor, weil die Ausführung und Bezahlung von Erblasserverpflichtungen gemäß obigen Ausführungen ausschließlich dem beschwerten Erben gebührt, der also ausschließlich ein eigenes Geschäft führt.

41

d)

Ergebnis:

42

Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

43

2)

Widerklage:

44

Die Widerklage ist im wesentlichen begründet.

45

a)

Schenkungssteuer, 7.500 DM:

46

Die Beklagte kann die Schenkungssteuer verlangen.

47

Hieran wird sie nicht durch die Aufrechnung des Klägers vom 15.1.01 gehindert. Nur wenn die Klageforderung ( in Höhe von wenigstens 7.500 DM ) begründet wäre, würde die Aufrechnung eine Erfüllung darstellen. Da die Klage aber unbegründet ist, hat die Beklagte nicht das Geld für die Bezahlung ( bzw. Erstattung ) erhalten.

48

Der Kläger hat den Anspruch - abgesehen von den 75 DM Säumniskosten - mit Schreiben und Schriftsatz vom 15.1.01 sowie mit Schriftsatz vom 21.3.01 materiell anerkannt und lediglich aus prozessualen Gründen wegen der Aufrechnung und Erledigungserklärung die Abweisung beantragt. Dieses materielle Anerkenntnis ist auch zutreffend, da gemäß dem Schenkungsvertrag vom 21.1.94 die Erblasserin auch die "zu Erhebung kommenden Verkehrssteuern" ( Bl. 66 dA ) zu tragen hatte. Steuerrechtlich wird die Verkehrssteuer nach herrschender Ansicht zwar nicht als Verkehrssteuer, sondern als "Personensteuer eigener Art" angesehen ( BFH WM 1984, 113 m.w.N; str. ). Aber im nicht-steuerrechtlichen Verkehr kann die Schenkungssteuer als Verkehrssteuer angesehen werden, was die Erblasserin auch getan hat, wie der Kläger durch seine Schriftsätze im Ergebnis eingeräumt hat.

49

Die Erledigungserklärung des Klägers ( § 91a ZPO ) geht ins Leere, weil die Gegenforderung, zur Aufrechnungsforderung nicht besteht. Die Widerklage ist hinsichtlich der 7.500 DM Schenkungssteuer also begründet.

50

Die Zinsforderung ist gemäß § 288 BGB seit Rechtshängigkeit begründet, b) 75 DM Säumniszuschlag:

51

Der Erstattbarkeit des Säumniszuschlages kann der Kläger zwar nicht entgegensetzen, dass das Finanzamt von der Beklagten die Schenkungssteuer verlangte; denn gemäß dem Schenkungsvertrag hatte Erblasserin, die der Kläger beerbt hat, die Schenkungssteuer zu tragen und also vorzuschießen oder zu erstatten. Auch war die Beklagte entgegen der Ansicht des Klägers nicht zur Schadensminderung wegen der zu erwartenden Aufrechnung verpflichtet; denn die Aufrechnung geht ins Leere, weil die Beklagte die Hausrenovierungskosten nicht zu bezahlen braucht.

52

Aber die Beklagte hat nicht bewiesen, dass sie 75 DM Säumniszuschlag zahlen musste. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 21.3.01 ( BI.76 ) das "Vorhandensein eines etwaigen Säumniszuschlages" ausdrücklich bestritten. Die Beklagte hat daraufhin weder den Bescheid des Finanzamtes über den Säumniszuschlag noch einen Überweisungsbeleg vorgelegt. Die Beklagte hat sich zwar in der Widerklage auf das Zeugnis ihres Steuerberaters berufen. Dies ist indessen missbräuchlich. Denn die Beklagte könnte leicht die entsprechenden Belege ( notfalls eine Bestätigung des Finanzamtes ) vorlegen, ohne dass eine Beweisaufnahme mit hohen Beweisgebühren und hohen Zeugenauslagen notwendig wäre, die weit über die 75 DM hinausgingen. In derartigen Fällen ist der Zeugenbeweis unzulässig -ebenso wie zur Zinshöhe der Beweisantritt "Auskunft der Bank" unzulässig ist ( OLG Oldenburg 1 U 10/81).

53

Hinsichtlich der 75 DM Säumniskosten ist daher die Widerklage unbegründet. 3) Nebenentscheidungen:

54

Nach alledem ist die Klage unbegründet und die Widerklage im wesentlichen begründet, so dass der Kläger gemäß § 92 II ZPO die Kosten zu tragen hat. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

55

Der Streitwert beruht auf § 19 GKG.

56

Der Schriftsatz des Klägers vom 10.1.20003 ist erst nach Ablauf der 'Erklärungsfrist ( 9.1.2003 ) gefertigt und gibt keinen Anlass, die Verhandlung wieder zu eröffnen. Die gegenüber der Ärztin offenbarte Motivationslage beseitigt nicht die Unfreiwilligkeit und gibt keinen Aufschluss über die Renovierungskosten.