Landgericht Osnabrück
Urt. v. 30.10.2003, Az.: 1 O 1487/02
Antrag auf gerichtliche Feststellung der gesamtschuldnerischen Ersatzverpflichtung der Beklagten für die durch einen Reitunfall entstandenen und entstehenden materiellen und immateriellen Schäden; Tierhalterhaftung wegen Realisierung einer spezifischen Tiergefahr in der Schädigung; Mitverschulden des Klägers an den Unfallfolgen durch freiwillige Selbstgefährdung
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 30.10.2003
- Aktenzeichen
- 1 O 1487/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 33746
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2003:1030.1O1487.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 254 BGB
- § 823 Abs. 1 BGB
- § 828 Abs. 2 BGB
- § 833 BGB
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin 2/3 sämtlicher materiellen und immateriellen Schäden aus dem Reitunfall vom 28.9.2001 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
- 2.
Von den Gerichtskosten sowie den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte zu 1) 1/3 und die Klägerin 2/3. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) werden zu 1/3 der Klägerin auferlegt; 2/3 dieser Kosten trägt der Beklagte zu 1) selbst. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt die Klägerin.
- 3.
Für die Klägerin und die Beklagte zu 2) ist das Urteil jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Für den Beklagten zu 1) ist das Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten zu 1) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zu 1) zuvor Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die gerichtliche Feststellung der gesamtschuldnerischen Ersatzverpflichtung der Beklagten für die ihr auf Grund eines Reitunfalles vom 28.9.2001 entstandenen und entstehenden materiellen und immateriellen Schäden.
Die 17-jährige Klägerin, die sich zum Vorfallszeitpunkt im 2. Ausbildungsjahr zur Industriekauffrau befand, fuhr am späten Nachmittag des Unfalltages gemeinsam mit ihrem damaligen Freund G. in dessen Pkw, um einen Bekannten des G., R., zu besuchen. Dabei traf sie die Beklagte zu 2) sowie die W. mit ihren Pferden. In deren Begleitung befand sich auch R. mit seinem Mofa. Die Klägerin stieg aus dem Pkw aus, als sie die beiden Reiterinnen erreicht hatten. Sie fragte die damals 17-jährige Beklagte zu 2) danach, ob sie einmal auf ihrem Pferd aufsitzen dürfe, was die Beklagte zu 2) erlaubte. Das in Rede stehende Pferd befand sich im Eigentum des Vaters der Beklagten zu 2), also des Beklagten zu 1), der auch die Unterhaltskosten - wie zum Beispiel Futterkosten und Versicherungsprämien für die Tierhalterhaftpflicht versicherung - trug. Geritten wurde das Pferd vorwiegend von der Beklagten zu 2).
Die Klägerin stieg sodann auf das Pferd auf, wobei zwischen den Parteien Streit darüber herrscht, ob sie oder aber die Beklagte zu 2) die Zügel des Pferdes in Händen hielt. Einige Zeit später haben G. und R. die Klägerin mit dem Kopf auf der Straße liegend bewusstlos gefunden.
Die Klägerin wurde mit dem Rettungshubschrauber in die neurochirurgische Abteilung eines Krankenhauses transportiert. Sie war bei der Einlieferung dort ohne Bewusstsein. Unfallbedingt erlitt sie ein schweres gedecktes Schädel-Hirn-Trauma mit einem Subduralhämatom rechts-temporal, intracerebraler Blutung links-temporal, Kalottenfraktur rechts-temporal, Epiduralhämatom rechts-temporal und Hemiparese rechts mit einem organischen Psychosyndrom. Sie wurde in ein künstliches Koma versetzt und künstlich beatmet. Die Klägerin wies rund um den Schädelbereich herum, insbesondere auch im Hinterkopfbereich sowie im Gesichtsbereich, Verletzungen und Schürfwunden auf. Darüber hinaus erlitt sie über dem rechten Beckenkamm dorso-laterale Hautabschürfungen.
Gegen etwa 22.00 Uhr verschlechterte sich der Zustand der Klägerin in lebensbedrohendem Maße. Es wurde eine deutliche basale Hirnschwellung festgestellt sowie operativ eine Dekompression mit Anlage einer Hirndruckmessung durchgeführt. Nach 12 Tagen konnte die Hirndrucksonde entfernt werden. Die Klägerin wurde aus dem künstlich herbeigeführten Komazustand herausgenommen und die künstliche Beatmung wurde beendet.
Ca. 5 Wochen später wurde die Klägerin in die Abteilung für medizinische Rehabilitation des Krankenhauses verlegt. Dort blieb sie bis Anfang Januar 2002.
Unter einem interdisziplinären Behandlungskonzept, bestehend aus aktivierender Pflege, Ergotherapie, Physiotherapie, Logopädie, Neuropsychologie und Recreationstherapie konnte die Klägerin mobilisiert werden, so dass sie bei der Entlassung mehrere Stunden pro Tag im Rollstuhl sitzen und mit Hilfe einer Begleitperson zu ebener Strecke gehen konnte. Die Grundpflege sowie die Nahrungsaufnahme konnte sie zum Zeitpunkt der Entlassung ohne fremde Hilfe verrichten.
Zur Durchführung weiterer notwendiger Rehabilitationsmaßnahmen wurde die Klägerin danach stationär im Neurologischen Reha-Zentrum in X. aufgenommen. Die dortige Behandlung ist zwischenzeitlich beendet. Seitdem wird die Klägerin unter einem interdisziplinären Behandlungskonzept ambulant betreut.
Die Klägerin behauptet, der Beklagten zu 2) gesagt zu haben, lediglich aufsitzen nicht jedoch reiten zu wollen. Dementsprechend habe die Beklagte zu 2) das Pferd mit der rechten Hand direkt am Zaumzeug festgehalten und das Pferd einige Meter mit der aufsitzenden Klägerin geführt. Plötzlich sei das Pferd losgetrabt, wobei die Beklagte zu 2) zunächst nebenhergelaufen sei. Nachdem das Pferd immer schneller geworden sei, habe die Beklagte zu 2) das Zaumzeug losgelassen, woraufhin das Pferd mit der aufsitzenden Klägerin durchgegangen sei. Die Beklagte zu 2) sei hinter dem durchgehenden Pferd hergelaufen und habe diesem laut "Steh!" zugerufen. Hierauf habe das durchgehende Pferd jedoch nicht reagiert. Vielmehr sei es im schnellen Galopp die Straße heruntergelaufen. Dabei sei es von W. mit ihrem Pferd verfolgt worden. Nach ca. 50 Metern sei die Klägerin kurz hinter einer Kurve von dem durchgehenden Pferd abgeworfen worden, wobei sie mit dem Kopf auf die Straße aufgeschlagen, im Steigbügel hängen geblieben und vom Pferd noch mitgeschleift bzw. getreten worden sei, wodurch sie sich die - unstreitigen - schwersten Schädelverletzungen zugezogen habe.
Auf Grund der durch den Reitunfall erlittenen Verletzungen, insbesondere des Schädel-Hirn-Traumas, leide sie unter erheblichen Einschränkungen im logopädischen Bereich; sie habe deutliche Wortfindungsstörungen; die Spontansprache sei nicht ausreichend und stereotypisch. Darüber hinaus bestünden bei ihr unfallbedingt deutliche Arbeitsgedächtnisstörungen; sie sei insgesamt antriebsarm und verlangsamt. Auf Grund unfallbedingter Lähmungserscheinungen im rechten Bein sowie im rechten Arm könne sie auch kürzeste Strecken nur mit Hilfe einer Begleitperson zurücklegen. Sie weise ein schiefes Gangbild auf, wobei sie das rechte Bein auf Grund der Lähmungserscheinungen nachziehe. Insgesamt fehle ihr die grobe Kraft im rechten Bein sowie im rechten Arm. Das Schädel-Hirn-Trauma habe eine erhebliche Wesensveränderung bewirkt. Sie sei insgesamt im Denkablauf verlangsamt und in ihren geistigen Fähigkeiten erheblich eingeschränkt. Bereits jetzt stehe fest, dass die Klägerin auf Grund der Schwere des erlittenen Schädel-Hirn-Traumas einen Dauerschaden erlitten habe. Derzeit sei allerdings ungewiss, ob und gegebenenfalls wann die Klägerin, die seit dem Unfalltage vollständig arbeitsunfähig sei, ihre Ausbildung zur Industriekauffrau fortsetzen könne. Möglich sei, dass sie im Hinblick auf die bestehenden körperlichen und geistigen Behinderungen keine reguläre Berufsausbildung werde absolvieren können. Mithin sei zu befürchten, dass sie auf Grund der vorfallsbedingt bestehenden und zu erwartenden körperlichen und geistigen Behinderungen auf Dauer in erheblicher Weise erwerbsgemindert sein werde. Es sei nicht absehbar, ob sich ihr gesundheitlicher Zustand im Rahmen der weiteren Rehabilitationsmaßnahmen verbessern, verschlechtern oder aber es beim heutigen Zustand verbleiben werde.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass nicht nur der Beklagte zu 1) als Eigentümer des in Rede stehenden Pferdes, sondern auch die Beklagte zu 2) als Halterin i. S. des § 833 BGB zu qualifizieren sei und für die Unfallfolgen hafte. Ihre Haltereigenschaft sei dadurch begründet, dass sie das Pferd versorgt und betreut sowie eigenverantwortlich mehrfach wöchentlich mit ihm Ausritte unternommen habe.
Zudem hafte die Beklagte zu 2) auch gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Sie habe nämlich gegen eine ihr obliegende Verkehrspflicht verstoßen, als sie der Klägerin gestattet habe, auf dem Pferd aufzusitzen. Der Beklagte zu 1) habe der Beklagten zu 2) immer wieder gesagt, dass sie auf dem in Rede stehenden Pferd keine fremden Personen reiten lassen dürfe. Das Pferd habe nämlich eine die allgemeine Tiergefahr erhöhende besondere Neigung zum "Durchgehen" gehabt. Auf diese Unart habe die Beklagte zu 2) die Klägerin zumindest ausdrücklich hinweisen müssen, was jedoch nicht geschehen sei. Dadurch, dass sie die Klägerin dennoch habe reiten lassen, habe sie sich ihr gegenüber gemäß § 823 BGB schadenersatzpflichtig gemacht.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen,dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Reitunfall zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie verweisen zunächst darauf, dass die Feststellungsklage ihrer Auffassung nach unzulässig ist. Da - zumindest zum Teil - bereits ein Schaden eingetreten sei, sei insoweit Leistungsklage, nicht jedoch Feststellungsklage zu erheben gewesen.
Weiter tragen sie vor, dass die Beklagte zu 2) nicht passivlegitimiert sei. Halter des Tieres sei nämlich ausschließlich der Beklagte zu 1). Die Tatsache, dass die Beklagte zu 2) das Tier zu Ausritten nutze, begründe keine Haltereigenschaft im Rechtssinne.
Schließlich bestreiten sie die Unfallschilderung der Klägerin. Vielmehr sei es so gewesen, dass die Klägerin die Beklagte zu 2) ausdrücklich darum gebeten habe, auf dem Pferd reiten und nicht etwa nur aufsitzen zu dürfen. Sie habe darauf verwiesen, bereits über Reiterfahrung zu verfügen, da sie an einem Reitercamp teilgenommen habe. Insgesamt habe sie sich als geübte Reiterin dargestellt. Dementsprechend habe die Beklagte zu 2) keine Bedenken gehabt, der Klägerin das Pferd für einen kurzen Ausritt zu überlassen. Sofort nach dem Aufsteigen durch die Klägerin habe die Beklagte zu 2) das Pferd losgelassen. Dieses sei auch ganz normal im Schritt losgegangen. Wahrscheinlich habe die Klägerin das Pferd dann veranlasst, in den Trab zu gehen. Es sei nicht durchgegangen. Die Ursache des Sturzes sei offensichtlich in einem Fehlverhalten der Klägerin zu finden. Damit aber scheide eine Haftung der Beklagten aus. Dies gelte insbesondere auch deshalb, da der Klägerin das Pferd aus reiner Gefälligkeit überlassen worden sei. Schließlich habe die Klägerin eine grobe und vermeidbare Selbstgefährdung an den Tag gelegt, indem sie trotz mangelnder reiterlicher Erfahrung geritten sei und - unstreitig - nicht einmal eine Reitkappe getragen habe. Damit aber wiege das Eigenverschulden der Klägerin so schwer, dass gemäß § 254 BGB kein Platz für eine Haftung der Beklagten bleibe.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen G., R., W., P. und Y. sowie durch Einholung eines neurologischen Fachgutachtens.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig. Zwar könnte der Schadensersatzanspruch, dessen sich die Klägerin berühmt, bereits teilweise beziffert werden. Dies gilt zumindest im Hinblick auf die der Klägerin bisher entstandenen unfallbedingten Aufwendungen. Auch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung war die Behandlung der Klägerin jedoch noch nicht abgeschlossen. Ausweislich des neurologischen Fachgutachtens ist noch nicht abzusehen, ob die Klägerin unfallbedingt erwerbsgemindert sein wird. Auch die Intensität des sicher zu erwartenden Dauerschadens ist nach Darstellung des Gutachters Prof. Dr. Mokrusch derzeit noch nicht sicher zu beurteilen. Ist mithin noch keine sichere Aussage über den Gesamtschaden möglich, befindet sich der anspruchsbegründende Sachverhalt vielmehr noch in der Fortentwicklung, so ist die Feststellungsklage insgesamt zulässig, auch wenn der Anspruch - wie vorliegend - bereits teilweise beziffert werden könnte (vgl. Zöller - Greger, ZPO, 23. Auflage, § 256, Rdnr. 7a m.w.N.).
II.
Die Klage ist zum Teil begründet.
1.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 1) gemäß § 833 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz von 2/3 des ihr durch den Reitunfall entstandenen materiellen und immateriellen Schadens. Sie ist durch ein Reitpferd, dessen Halter unstreitig - zumindest - der Beklagte zu 1) war, an Körper und Gesundheit geschädigt worden. Unfallbedingt erlitt sie u.a. ein schweres gedecktes Schädel-Hirn-Trauma mit einem Subduralhämatom rechts-temporal, intracerebraler Blutung links-temporal, Kalottenfraktur rechts-temporal, Epiduralhämatom rechts-temporal und Hemiparese rechts mit einem organischen Psychosyndrom. Ausweislich des Neurologischen Fachgutachtens von Prof. Dr. T. ist die Klägerin weiterhin verletzungsbedingt arbeitsunfähig. Es bestünden deutliche Arbeitsgedächtnisstörungen sowie eine Hemiparese. Die Klägerin sei aufgrund der Unfallschäden insgesamt antriebsarm und verlangsamt Der Vorfall habe zu einem Dauerschaden geführt, dessen Intensität noch nicht feststehe. Die Parteien haben diese gut begründeten und nachvollziehbaren gutachterlichen Feststellungen nicht angegriffen.
In der Schädigung hat sich eine spezifische Tiergefahr verwirklicht, die sich in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbständigen Verhalten (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH NJW 1999, 3119; BGB NJW 1992, 2474; BGH NJW 1982, 763) geäußert hat. Nach der eigenen Darstellung der Beklagten zu 2) im Rahmen ihrer Anhörung gemäß § 141 ZPO war es nämlich so, dass die Klägerin schon kurz nach dem Aufsteigen auf das Pferd keine Kontrolle mehr über dieses hatte. Die Klägerin habe angefangen zu schreien und zu rufen, dass sie sich nicht mehr halten könne und vom Pferd falle. Daraufhin will die Beklagte zu 2) die Klägerin aufgefordert haben, die Zügel strammer zu halten. Dennoch ist es der Klägerin nicht gelungen, das Pferd unter Kontrolle zu bringen, so dass sich die Beklagte zu 2) veranlasst sah, zum einen selbst hinter dem Pferd hinterher zu laufen zum anderen ihre Freundin W. aufzufordern, hinterher zu reiten. Diese Schilderung hat die Zeugin W. in ihrer Vernehmung bestätigt. Dies aber bedeutet, dass sich das Pferd der Kontrolle durch die Klägerin entzogen hat. Mit diesem Verhalten des Pferdes hat sich eine spezifische Tiergefahr verwirklicht, womit der Beklagte zu 1) grundsätzlich für die Folgen des Sturzes einzustehen hat.
Die Haftung des Beklagten zu 1) ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Klägerin sich auf das ihr gefälligkeitshalber überlassene Pferd gesetzt und damit die von dem Tier ausgehende Gefahr freiwillig auf sich genommen hat. Der Auffassung der Beklagten, dem Reiter werde diese Gefahr nicht aufgezwungen, so dass auf ihn der Grundgedanke der Gefährdungshaftung nicht zutreffe, kann das Gericht nicht beitreten. Der Tierhalter hat haftungsrechtlich dafür einzustehen, dass er andere erlaubtermaßen mit den Gefahren, die von Tieren ganz allgemein ausgehen, belastet. Auch Schäden, die der Reiter durch das Pferd erleidet, sind die Folgen eben derjenigen Gefahren, die die Rechtsgemeinschaft hinnehmen muss. Die Überlassung eines Reitpferdes an einen anderen liegt im Rahmen der sozialüblichen Nutzung eines solchen Tieres. Der Reiter stellt sich daher dadurch, dass er sich aus eigenem Interesse auf das Pferd setzt, nicht außerhalb des Schutzzwecks der Haftungsnorm. Jedenfalls hat der Gesetzgeber ein solches Verhalten nicht zum Anlass genommen, den Reiter von dem Schutz der Gefährdungshaftung auszunehmen.
Die Klägerin trifft jedoch ein Mitverschulden an den Unfallfolgen (§ 254 BGB). Ein solches ist zunächst darin zu sehen, dass sie sich nach ihrer eigenen Darstellung ohne ausreichende Reitkenntnisse auf das Pferd gesetzt hat. Zwar hat die Klägerin vorgetragen, dass sie lediglich aufsitzen, nicht jedoch reiten wollte. In Gefahr begibt sich jedoch nicht erst derjenige, der auf einem Pferd ausreiten will. Vielmehr birgt bereits das Aufsteigen und Aufsitzen - zumindest für einen ungeübten Reiter - eine deutliche Gefahr in sich. Denn zum einen ist nicht auszuschließen, dass ein Pferd den ungewohnten und sich ungeschickt verhaltenen Reiter abwerfen will; zum anderen befindet sich bereits der Aufsteigende, wenn er keine ausreichenden Reitkenntnisse hat, in einer Situation, in der er das weitere Geschehen nicht ausreichend kontrollieren kann. Dies gilt vorliegend umso mehr deshalb, da die Klägerin nach ihrer eigenen Schilderung nicht lediglich auf dem Pferd sitzen, sondern dieses offenbar auch noch geführt werden wissen wollte. Dieses ist daraus zu schließen, dass sie nicht mitgeteilt hat, sich gegenüber der Beklagten zu 2) gegen das Führen des Pferdes ausgesprochen zu haben. Mithin hat sie sich freiwillig in eine Situation begeben, die eine deutliche Gefahrenerhöhung mit sich brachte. Dieses ist ihr als Mitverschulden anzurechnen.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass sie keine Reitkappe mit Kopfschutz getragen hat. Die Klägerin hat ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Normalerweise könnten solche Verletzungen beim Sturz von einem Pferd vermieden werden, wenn der Reiter eine gut sitzende Schutzkappe trägt. Das hätte man auch von der Klägerin erwarten können und müssen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beklagte zu 2) und die Zeugin W. - leichtsinnigerweise - keine solche Kappe trugen.
Eine Berücksichtigung ihres Mitverschuldens scheitert nicht daran, dass die Klägerin zur Zeit des Unfalles noch minderjährig war. Die damals über 17-jährige Klägerin besaß die nach § 828 Abs. 2 BGB zur Kenntnis ihrer Verantwortlichkeit im Rahmen des § 254 BGB erforderliche Einsicht. Dies ist zum einen aus ihrem Alter, zum anderen aus der Tatsache abzuleiten, dass sie nach ihrer eigenen Darstellung im Termin zur mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat, bereits zwei bis drei Mal vor dem in Rede stehenden Unfall auf einem Pferd gesessen zu haben, womit sie die von Pferden ausgehenden Gefahren einschätzen konnte.
Es erscheint angemessen, das Mitverschulden der Klägerin insgesamt mit 1/3 zu bewerten. Dieser Mitverschuldensanteil ist insbesondere dadurch begründet, dass derartige Verletzungen, wie sie die Klägerin am Kopf erlitten hat, durch das Tragen einer gut sitzenden Schutzkappe entscheidend gemindert, wenn nicht gar vollständig vermieden werden können (vgl. BGH NJW 1993, 2611 (2612) [BGH 22.12.1992 - VI ZR 53/92]).
Dementsprechend ist festzustellen, dass der Beklagte zu 1) der Klägerin 2/3 des dieser entstandenen bzw. noch entstehenden materiellen Schadens zu ersetzen und darüberhinaus ein Schmerzensgeld zu zahlen hat, das unter Berücksichtigung der Mitverschuldensquote angemessen ist.
2.
Gegen die Beklagte zu 2) stehen der Klägerin hingegen keine Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldansprüche zu.
Eine Haftung der Beklagten zu 2) gemäß § 833 Satz 1 BGB scheitert daran, dass sie nicht Tierhalterin gewesen ist. Tierhalter ist, wer die Bestimmungsmacht über das Tier hat, aus eigenem Interesse für die Kosten des Tieres aufkommt, den allgemeinen Wert und Nutzen des Tieres für sich in Anspruch nimmt und das Risiko seines Verlustes trägt (BGH NJW-RR 1988, 655). Zwar mag es der Beklagten zu 2) seitens des Beklagten zu 1) gestattet gewesen sein, in einem gewissen Umfang über die Nutzung des Pferdes zu entscheiden. Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sie das Risiko des Verlustes des Pferdes getragen hat oder aber für die Kosten des Tieres - auch nur anteilig -. aufzukommen hatte. Vielmehr spricht alles dafür, dass sie das Pferd lediglich von ihrem Vater, dem Beklagten zu 1), zur Verfügung gestellt erhalten, jedoch keine wirtschaftliche Beziehung zu diesem hatte. Damit aber scheidet eine Haftung der Beklagten zu 2) als Tierhalterin aus.
Auch die Voraussetzungen einer Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB sind nicht erfüllt. Eine entsprechende Haftung käme allenfalls dann in Betracht, wenn feststünde, dass das in Rede stehende Pferd eine Neigung zum "Durchgehen" hatte und dies der Beklagten zu 2 ) bekannt war. Eine entsprechende Eigenschaft des Pferdes haben die Beklagten bestritten. Das zum Beweis der Tatsache, dass das betreffende Pferd tatsächlich dazu neigte, "durchzugehen", beantragte Sachverständigengutachten war nicht einzuholen. Denn es erscheint ausgeschlossen, dass ein Sachverständiger zum heutigen Zeitpunkt eine sichere Aussage dazu treffen kann, ob das in Rede stehende Pferd vor mehr als 2 Jahren die diskutierte Unart aufgezeigt hat. Weiteren Beweis für die behauptete Neigung des Pferdes zum "Durchgehen" hat die Klägerin nicht angeboten. Ist damit aber nicht feststellbar, dass die Beklagte zu 2) mit dem tatsächlich eingetretenen Geschehensablauf hätte rechnen können, so ist ihr keine schuldhafte Körperverletzung zum Nachteil der Klägerin mit der Folge einer Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB vorzuwerfen.