Landgericht Osnabrück
Urt. v. 22.12.2003, Az.: 10 O 2489/03
Anspruch einer Gemeinde auf Rückübertragung eines Grundstücks aufgrund des Ablaufs der Bebauungsfrist; Kaufvertragliche Verpflichtung des Käufers zur Bebauung eines von der Gemeinde übertragenen Grundstücks mit einem Wohnhaus innerhalb einer Frist von zwei Jahren; Vorliegen einer kaufvertraglich zugesicherten Eigenschaft über die Erstattung von durch die Rückübertragung entstandenen Schäden; Unbeachtlichkeit einer von Mitarbeitern der verkaufenden Gemeinde gegebenen Zusage hinsichtlich des Verkaufs eines Nachbargrundstücks; Sittenwidrigkeit einer Zusage über das Nichtvorhandensein von Russlanddeutschen in der Nachbarschaft; Unvereinbarkeit einer Zusage mit dem Diskriminierungsverbot
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 22.12.2003
- Aktenzeichen
- 10 O 2489/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 33841
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2003:1222.10O2489.03.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 3 Abs. 3 GG
- § 138 Abs. 1 BGB
- § 139 BGB
- § 313 S. 2 BGB a.F.
- § 428 BGB
- § 463 S. 1 BGB a.F.
Tenor:
Die Beklagten werden verurteilt, zu erklären, dass
- 1)
der im Grundbuch des Amtsgerichts Bersenbrück von ....., mit der Katasterbezeichnung Gebäude- und Freifläche, ...... , an die Klägerin übertragen wird,
- 2)
das Eigentum an dem unter Ziff. 1) genannten Grundbesitz auf die Klägerin übergeht und die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch bewilligt wird Zug-um-Zug gegen Zahlung von EUR 23.928,89 an die Beklagten als Gesamtgläubiger gemäß § 428 BGB.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten mit der Übertragung und Auflassung gemäß 1) seit dem 10.05.2003 in Verzug befinden.
Die Beklagten tragen die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Rückübertragung des im Tenor genannten Grundstücks, das sie mit Vertrag vom Februar 2000 an die Beklagten verkauft hat.
Dem Vertragsabschluss gingen Verkaufsgespräche zwischen den Beklagten und einem Mitarbeiter der Klägerin voraus. Die Beklagten beabsichtigten, nicht nur das im Tenor genannte Grundstück, sondern auch das Nachbarflurstück zu erwerben. Ihre Bewerbung um dieses Grundstück lehnte der Rat der Klägerin jedoch ab und teilte den Beklagten die Absage mit.
Gemäß § 5 Ziff. 1 des notariellen Vertrages vom verpflichteten sich die Beklagten gegenüber der Klägerin, das Grundstück innerhalb von zwei Jahren ab Eintragung der Eigentumsänderung mit einem Wohnhaus zu bebauen. Weiter heißt es in dem Vertrag:
" Der Gemeinde ........ wird hiermit seitens der Käufer das selbständige Recht eingeräumt, die Übertragung des Grundstücks an die Gemeinde zu Bedingungen des heutigen Vertrages zu verlangen, wenn die Bebauungsfrist nicht eingehalten wird. Zinsen, Wertverbesserungen und sonstige Kosten werden den heutigen Käufern bei einer solchen Übertragung nicht erstattet. Auch die Notar- und Gerichtskosten der Übertragung und die hierdurch entstehenden Steuern gehen zu Lasten der heutigen Käufer."
Im August 2000 wurden die Beklagten als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.
Die Beklagten haben das Grundstück bis heute nicht bebaut. Daraufhin richtete die Klägerin im November 2002 ein Schreiben an die Beklagten, in dem sie ankündigte, von ihrem Recht auf Rückübertragung des Grundstücks Gebrauch machen zu wollen. Es kam zu diversen telefonischen Kontakten und schließlich zu einem Schreiben an die Beklagte zu 2., in dem ein Termin für den Vertragsschluss für Freitag, dem 09.05.2003, genannt wurde. Ein gleichlautendes Schreiben richtete die Klägerin am 25.04.2003 an den Beklagten zu 1.
Die Klägerin trägt vor, irgendwelche Zusicherungen außerhalb des notariellen Kaufvertrages habe sie nicht abgegeben.
Sie beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagten haben die Klageanträge zu Ziff. 1. und 2. mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2003 anerkannt, allerdings Zug-um-Zug gegen Zahlung von 27.358,67 EUR an die Beklagten als Gesamtgläubiger gemäß § 428 BGB, und beantragen im übrigen,
die Klage abzuweisen.
Sie tragen vor: Sie hätten von Anfang an vorgehabt, nicht nur das erworbene Grundstück, sondern auch das Nachbargrundstück zu erwerben. Dies habe der Mitarbeiter der Klägerin ihnen als sicher in Aussicht gestellt. Nur aus angeblich "taktischen" Gründen hätte eine Bewerbung über das Nachbarflurstück erst später erfolgen sollen. Mit einer Ablehnung dieses Antrags hätten sie überhaupt nicht gerechnet.
Des Weiteren hätten sie ausdrücklich erklärt, dass sie teuer und komfortabel bauen wollten und deshalb die Nachbarschaft entsprechend sein müsse. Insbesondere hätten sie ausdrücklich Wert darauf gelegt, dass kein Russlanddeutscher ihr Nachbar sein dürfe. Es sei bekannt, dass Preise von Neubauten dramatisch fielen, wenn die Nachbarschaft entsprechend ausgerichtet sei.
Unstreitig ist das Nachbargrundstück bereits im Jahr 2000 an eine Aussiedlerfamilie verkauft worden, wovon die Beklagten spätestens im November 2000 Kenntnis erlangt haben.
Die Beklagten verlangen die Rückzahlung weiterer 3.429,45 EUR, die sie aus folgenden Positionen herleiten:
Notariatskosten für den Kaufvertrag | 631,42 DM |
---|---|
Gebühr des Landkreises Osnabrück | 50,00 DM |
Teilungsgenehmigung | 304,00 DM |
Gerichtskosten für die Umschreibung im Grundbuch | 305,00 DM |
Grundabgaben | 43,32 DM |
Grundbescheid | 46,96 DM |
Vermessungskosten | 395,08 DM |
Grunderwerbssteuer | 1.020,00 DM |
Allgemeine Unkosten nebst Anteil an der sicherlich eingetretenen Werterhöhung | 2.000,00 EUR |
Mit der Rückübertragung hätten sie sich nicht im Verzug befunden. Denn sie hätten zunächst abklären müssen, was sie durch die Rückübertragung des Grundbesitzes von der Klägerin erhalten würden. Dies sei jedoch erst mit Schreiben des Notars X. vom 26.05.2003 geklärt worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist vollen Umfangs begründet.
Das von den Beklagten abgebene Anerkenntnis ist als inhaltlich eingeschränktes Anerkenntnis für das Gericht bindend (vgl. BGH, BGHZ 107, 142). Aus diesem Grund war eine streitige Entscheidung nur hinsichtlich der von den Beklagten zusätzlich geltend gemachten Schadensersatzpositionen zu treffen.
Die Anfechtung des Vertrags haben die Beklagten nicht erklärt, sie wäre auch verfristet.
Aus dem schriftlichen Vertrag können die Beklagten Ansprüche auf die von ihnen geltend gemachten Positionen nicht herleiten. Hinsichtlich des Betrags unter Ziff. 9. für "allgemeine Unkosten incl. einer sicherlich eingetretenen Werterhöhung" ist ein Anspruch schon der Höhe nach nicht substantiiert dargetan. Im Übrigen trifft § 5 Ziff. 1. des notariellen Vertrages eine eindeutige Regelung dahingehend, dass im Fall der Rückübertragung Zinsen, Wertverbesserungen und sonstige Kosten den Käufern nicht erstattet werden. Diese Klausel erfasst sämtliche von den Beklagten geltend gemachten Positionen.
Auch aus einer mündlich abgegebenen Zusicherung können die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch herleiten. Zwar hat die Klägerin die Einrede der Verjährung nicht erhoben. Auch wäre die Formunwirksamkeit einer mündlichen Zusicherung mit der Auflassung und der Eintragung in das Grundbuch geheilt worden, § 313 S. 2 BGB a.F. Ein Anspruch aus § 463 S. 1 BGB a.F. scheitert aber schon daran, daß der Kaufsache in dem gemäß § 463 S. 1 BGB a.F. maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufs eine zugesicherte Eigenschaft nicht gefehlt hat. Zu dieser Zeit war der Verkauf des Nachbargrundstücks nämlich noch offen. In Betracht käme aber ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung wegen der Nichteinhaltung der vorgetragenen Zusagen.
Hinsichtlich des Erwerbs des zweiten Grundstücks scheitert ein solcher Anspruch schon daran, dass die Klägerin nach dem Vortrag der Beklagten eine bindende Zusage nicht abgegeben hat. Den Beklagten war nach ihrem eigenen Vortrag bewusst, dass der Rat der Klägerin die Entscheidung über die Bewerbung hinsichtlich des zweiten Flurstücks zu treffen hatte. Damit war ihnen bekannt, dass der Mitarbeiter der Klägerin keine bindenden Zusagen abgeben konnte. Dass die Entscheidung mit einer gewissen Unsicherheit behaftet war, räumen die Beklagten selbst ein, indem sie vortragen, dass die Bewerbung aus "taktischen" Gründen später abgegeben wurde.
Ebenso wenig war darüber Beweis zu erheben, ob der Mitarbeiter der Klägerin ausdrücklich zugesichert hat, dass der Nachbar der Beklagten kein Russlanddeutscher sein werde. Auch insoweit konnten die Beklagten nicht davon ausgehen, dass der Mitarbeiter der Klägerin bindende Zusagen abgeben konnte. Ihnen war bekannt, dass die Entscheidung über die Zusage der Grundstücke der Rat der Klägerin zu treffen hatte.
Selbst wenn der Mitarbeiter der Klägerin eine derartige Aussage getroffen hätte, könnten die Beklagten hieraus keine Rechte herleiten. Eine derartige Zusicherung der Klägerin wäre nämlich gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit als im Sinne von § 139 BGB abgrenzbarer Teil nichtig gewesen. Hierbei ist zu bedenken, dass die Klägerin, wenn sie Baugebiete ausweist und diese verkauft, den Regeln des Verwaltungsprivatrechts und damit den sich aus dem öffentlichen Recht ergebenden Bindungen und Beschränkungen unterliegt (Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 242 Rz. 11). Insbesondere ist sie an das Grundgesetz gebunden, dessen Wertmaßstäbe bei der Auslegung des Begriffs der "guten Sitten" im Sinne von § 138 BGB heranzuziehen sind (Palandt/Heinrichs a.a.O.., § 138 Rz. 4). Eine Zusicherung dergestalt, dass in der Nachbarschaft keine Russlanddeutschen wohnen, wäre mit Art. 3 Abs. 3 GG, dem Diskriminierungsverbot, nicht vereinbar. Eine solche Zusicherung dürfte nämlich anders zu beurteilen sein als eine Zusage der Gemeinde, aus Integrationsgründen eine gewisse prozentuale Zusammensetzung eines Baugebiets zu gewährleisten. Keinesfalls kann sich eine solche Zusicherung auf die konkrete Nachbarschaft des Bauwilligen beziehen. Andernfalls würden Gruppen von Menschen als weniger wünschenswerte Nachbarschaft eingestuft und damit diskriminiert. Ebensowenig könnte die Klägerin zusagen, den Beklagten eine Nachbarschaft von Schwarzen, Behinderten oder kinderreichen Familien fernzuhalten.
Weitere Ansprüche sind nicht ersichtlich.
Schließlich war dem Feststellungsantrag der Klägerin stattzugeben. Denn sie hat die Beklagten spätestens mit dem Schreiben vom 28.04.2003 unmissverständlich zu der Rückübertragung aufgefordert und damit eine Mahnung im Sinne von § 284 BGB ausgesprochen. Spätestens seit dem 10.05.2003 haben sich die Beklagten damit in Verzug befunden.