Landgericht Osnabrück
Urt. v. 19.12.2003, Az.: 12 O 1292/03

Streit über den Fortbestand von Pachtverträgen über Flächen zur Abfalldeponie; Nutzungsbeendigung durch baurechtliche Abnahme der Abdichtung der Deponie zur Rekultivierung; Gesetzliche Anforderungen an die Rekultivierung einer Mülldeponie

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
19.12.2003
Aktenzeichen
12 O 1292/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 33747
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2003:1219.12O1292.03.0A

Fundstelle

  • JWO-MietR 2004, 28

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 179.116,74 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz auf 89.558,37 EUR seit dem 03.01.2003 und auf weitere 89.558,37 EUR seit dem 02.07.2003 zu zahlen.

  2. 2.

    Es wird festgestellt, dass der Pachtvertrag vom 22.06.1990 über die Verpachtung des Grundstücks Gemarkung Haste Flur 1 Flurstück 11/1 nicht zum 31.12.2002 beendet wurde.

    Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

  3. 3.

    Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 16% und die Beklagte zu 84%.

  4. 4.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darum, ob die zwischen ihnen geschlossenen Pachtverträge über Flächen zur Abfalldeponie mit Ablauf des Jahres 2002 beendet wurden, oder ob sie noch weiter bestehen.

2

Die Beklagte pachtete mit Vertrag vom 17.07.1975 von dem Vater des Klägers als dessen Rechtsvorgänger das Flurstück..., Gemarkung Haste, auf dem im Zusammenhang mit weiteren Flächen anderer Eigentümer die Mülldeponie Piesberg eingerichtet wurde. Vor Abschluss des Pachtvertrages war die Fläche als Steinbruch genutzt worden, davor als forstwirtschaftliche Fläche.

3

Gemäß § 7 dieses Vertrages sollte dieser nach Durchführung der Rekultivierungsmaßnahmen, spätestens am 31.12.1989 enden.

4

Dieser Vertrag wurde durch Nachtragsvertrag vom 22.06.1990 unter Abänderung verschiedener Punkte über den 31.12.1989 hinaus verlängert. In § 6 des Nachtragsvertrages (Rekultivierung und Rückgabe) wurde u.a. folgendes geregelt:

"(1)
Die Stadt wird das von ihr gepachtete Gelände nach Maßgabe gesetzlicher oder behördlicher Verpflichtungen rekultivieren.

(2)
Die Rekultivierung ist zügig durchzuführen und spätestens zwei Jahre nach Verfüllung des Deponievolumens abzuschließen.

(3)
Der Pachtgegenstand ist nach durchgeführter Rekultivierung so zurückzugeben, daß die der Müllablagerung vorhergegangene forstwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks gewährleistet ist."

5

Zur Vertragsdauer wurde in § 7 bestimmt, dass der Vertrag nach Durchführung der Rekultivierungsmaßnahmen gemäß § 6 endet.

6

Mit weiterem Nachtragspachtvertrag aus dem Jahr 1996 pachtete die Beklagte eine weitere Fläche zur Größe von ca. 17.000 qm für die Zeit vom 01.01.1996 bis nach Durchführung der Rekultivierungsmaßnahmen. In § 4 dieses Vertrages ist geregelt, dass im übrigen die Bestimmungen aus den Verträgen vom 17.07.1975 und 26.06.1990 unverändert in Kraft bleiben.

7

Die Beklagte teilte Anfang 2002 mit, dass man von einer Beendigung des Pachtvertrages zum 31.12.2002 ausgehe. Eine weitere Verfüllung der Deponie werde nicht mehr vorgenommen, die Rekultivierung der Deponie werde mit Ablauf des Jahres abgeschlossen sein.

8

Inzwischen erfolgte, soweit das Gelände als Deponie genutzt wurde, eine Abdichtung mit einer Oberflächendichtung aus Kunststoffdichtungsbahnen, einer Sickerschicht und einer Bodenschicht in einer Stärke von ca. 50 cm. Weiter wird von der Beklagten eine Anlage zum Auffangen der Deponiegase betrieben.

9

Die 1996 hinzugepachtete Fläche wurde nicht als Deponie genutzt. Diese Fläche befindet sich außerhalb des ansonsten eingezäunten Deponiegeländes.

10

Mit der Klage macht der Kläger die Pacht für das Jahr 2003 geltend und begehrt die Feststellung, dass das Pachtverhältnis nicht beendet sei.

11

Der Kläger ist der Ansicht, die jetzt vorhandene Abdichtung stelle nicht die im Vertrag vereinbarte Rekultivierung dar. Sie entspreche nicht der zum dauerhaften Verbleib vorgesehenen Abdichtung nach der TA Siedlungsabfall (TASI). Die derzeit laufende Stillegungsphase sei der Betriebsphase der Deponie zuzuordnen.

12

Soweit die später angepachtete Fläche nicht als Deponie genutzt worden sei, sei die Fläche nicht gesondert zu behandeln, sondern sie sei, wie sich aus dem Nachtragsvertrag ergebe unmittelbar als Erweiterungsfläche Gegenstand des Hauptvertrages und könne daher nicht gesondert zurückgegeben werden.

13

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn 106.206,74 EUR zzgl. 5% Zinsen über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 03.01.2003 und 106.206,74 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.07.2003 zu zahlen.

  2. 2.

    festzustellen, dass der Pachtvertrag vom 22.06.1990 über die Verpachtung des Grundstücks Gemarkung Haste Flur 1 Flurstück 11/1 und der Pachtvertrag aus 1996 über eine Fläche von ca. 17.000 qm auf dem Flurstück 11/2 der Flur Haste 1 nicht zum 31.12.2002 beendet wurden.

14

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

15

Sie ist der Ansicht, der Pachtvertrag sei zum 31.12.2002 beendet worden, da bereits seit 1998 kein Müll mehr verfüllt werde. Mit der baurechtlichen Abnahme der Abdichtung der Deponie am 15.09.2002 sei die Nutzung als Deponie endgültig beendet. Die Vereinbarung, dass die Rekultivierung spätestens zwei Jahre nach Verfüllung des Deponievolumens abzuschließen sei, habe den damaligen Rechtsvorschriften entsprochen, nach der eine Rekultivierung nach zwei Jahren möglich gewesen sei. Diese Rechtsvorschriften seien hier anzuwenden.

16

Bei der vom Kläger geforderten Rekultivierungsmaßnahme in Form der Ermöglichung einer forstwirtschaftlichen Nutzung handele es sich um einen objektiv nicht zu verwirklichenden Tatbestand.

17

Die Beklagte ist der Ansicht, sie sei allenfalls zu Schadensersatzleistungen dergestalt verpflichtet, dass die Beträge ersetzt würden, die sonst bei einer forstwirtschaftlichen Nutzung erwirtschaftet werden könnten.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist dem erkannten Umfang nach begründet.

19

I.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung des Pachtzinses in Höhe von 179.116,74 EUR gemäß dem Pachtvertrag über das Flurstück Gemarkung Haste für das Jahr 2003.

20

Dises Pachtverhältnis ist nicht beendet, weil zumindest eine entscheidende Voraussetzung des Vertrages, nämlich der Abschluss der Rekultivierung noch nicht vorliegt. Die Parteien haben im Vertrag ausdrücklich vereinbart, dass die Rekultivierung nach Maßgabe gesetzlicher oder behördlicher Verpflichtungen erfolgen sollte. Damit können nur die zum Zeitpunkt der Rekultivierung geltenden Vorschriften gemeint sein, da die Beklagte auf jeden Fall verpflichtet ist, diese einzuhalten. Wären die zum Zeitpunkt des Vertagsabschlusses geltenden Vorschriften gemeint gewesen, hätte es nahe gelegen, diese auch im Vertrag festzuschreiben. Im übrigen ist die Bestimmung auch im Nachtragsvertrag so erhalten geblieben, obwohl sich zu diesem Zeitpunkt bereits Änderungen ergeben hatten, da die TASI galt.

21

Nach der TASI hat die Rekultivierungsschicht aus einer mindestens 1m dicken Schicht aus kulturfähigem Boden zu bestehen, die mit geeignetem Bewuchs zu bepflanzen ist. Unstreitig ist eine solche Schicht von der Beklagten noch nicht aufgebracht worden. Es kann daher dahinstehen, ob die Rekultivierung erst nach der Beendigung der Betriebsphase oder der Nachsorgephase entsprechend den Bestimmungen der Verordnung über Deponien und Langzeitlager und zur Änderung der Abfallablagerungsverordnug ( DepV) abgeschlossen ist, oder bereits früher.

22

Die Bestimmung des § 6 (2) des Vertrages, wonach die Rekultivierung spätestens zwei Jahre nach Verfüllung des Deponievolumens abzuschließen ist, kann sich die Beklagte nicht berufen, da sie diese Voraussetzungen nicht erfüllen kann.

23

Auch auf den Umstand, dass unmittelbar vor der Nutzung als Deponie schon keine Nutzung des Geländes zum forstwirtschaftlichen Betrieb mehr möglich war, kann es für die Beendigung des Pachtverhältnisses oder die Verpflichtung zur Zahlung des Pachtzinses nicht ankommen. Die Parteien haben sich nämlich in Kenntnis der Tatsache, dass das Gelände als Steinbruch genutzt worden war, auf die Rekultivierung zur forstwirtschaftlichen Nutzung geeinigt.

24

Der Zinsanspruch auf diesen Pachtzins ist begründet aus §§ 286, 288 BGB.

25

II.

Einen Anspruch auf Zahlung von Pachtzinsen auch für das später ab 1996 hinzugepachtete Gelände hat der Kläger jedoch nicht.

26

Insoweit besteht die Besonderheit, dass dieses Gelände nie zu Deponiezwecken genutzt wurde. Dementsprechend ist es auch nicht - wie das übrige Gelände - von der Beklagten mit einer Abdeckung versehen worden und eingezäunt worden.

27

Der Vertrag über diese ca. 17.000 qm große Fläche ist zwar als "Nachtragspachtvertrag" bezeichnet und nimmt im wesentlichen auf die vorangegangenen Verträge Bezug, sodass man von einem einheitlichen Pachtgegenstand ausgehen könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Beide Bereiche sind vielmehr unabhängig voneinander zu betrachten. Es handelt sich nämlich um eine Fläche, die bis zum Jahr 1996 von der Deponiefläche völlig unabhängig genutzt (oder auch wie der Kläger meint wegen der Lage nicht genutzt) werden konnte. Die Nutzungsmöglichkeit dieser Fläche stand jedenfalls vor der Anpachtung durch die Beklagte in keinem Zusammenhang mit dem Deponiebetrieb. Auch die Zufahrtsmöglichkeit war, wie der Kläger im Termin angegeben hat, vor der Verpachtung nicht anders als jetzt.

28

Der Kläger hat also zur Zeit die gleichen Möglichkeiten, das Gelände zu nutzen wie vorher.

29

Nach dem Vertag wäre zwar die Fläche auch von der Beklagten zur Nutzung als Forstfläche zu rekultivieren. Dabei haben die Parteien jedoch nicht berücksichtigt, was zu geschehen hat, wenn die Fläche gar nicht zur Deponie von Abfällen genutzt wurde.

30

Es bedarf insoweit einer ergänzenden Vertragsauslegung.

31

Diese führt dazu, dass das Grundstück ohne weitere Maßnahmen der Beklagten zurückgegeben werden kann. Eine Rekultivierung, wie vertraglich vorgesehen, setzt schon begrifflich eine vorangegangene Veränderung voraus, die es hier nicht gegeben hat. Es ist nicht davon auszugehen, dass es Wille der Parteien war, eine Herrichtung zu forstwirtschaftlichen Zwecken zu vereinbaren, bei der der Kläger zusätzlich zu der über Jahre erhaltenen Pacht noch eine Verbesserung seines Grundstücks erreicht hätte, ohne dass die Beklagte zuvor ihren Nutzen aus der Fläche dadurch gezogen hätte, dass sie dort Abfall lagerte.

32

III.

Der Feststellungsantrag ist wie erkannt begründet, da das Pachtverhältnis hinsichtlich der zunächst gepachteten Fläche nicht beendet ist. Auf die Ausführungen dazu wird Bezug genommen.