Landgericht Osnabrück
Urt. v. 18.11.2003, Az.: 1 O 1914/03
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 18.11.2003
- Aktenzeichen
- 1 O 1914/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 39646
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2003:1118.1O1914.03.0A
Fundstelle
- JWO-VerkehrsR 2004, 50
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreites.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die beklagte Stadt wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht in Anspruch.
Sie behauptet, am 6.12.2002 gegen 19.30 Uhr auf dem Parkplatz am Haupteingang der Realschule in Dissen einen Unfall erlitten zu haben. Nach Abstellen ihres Fahrzeuges auf dem Parkplatz sei sie über eine ca. 5 cm hohe Kante gestolpert, kopfüber nach vorne gestürzt und mit dem Kopf auf den Boden geprallt. Hierbei sei ihre neuwertige Brille zerbrochen. Der Brillennasenbügel habe sich in die rechte Stirnseite oberhalb der Augenbraue gebohrt. Zum Vorfallszeitpunkt sei es dunkel gewesen. Die Bordsteinkante sei farblich nicht gekennzeichnet und - trotz des unstreitig links neben dem hochgesetzten Kantstein in einem Beet befindlichen eingeschalteten Leuchtkörpers - dunkel gewesen. Infolgedessen habe sie die Kante nicht erkennen können.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, die Bordsteinkante deutlicher auszuleuchten. Indem sie dies nicht getan habe, habe sie ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt und sei der Kägerin demzufolge zum Schadensersatz sowie zur Zahlung von Schmerzensgeld verpflichtet. Den ihr entstandenen Schaden beziffert die Klägerin wie folgt:
Gleitsichtbrille 910,60 EUR
Aufwendungspauschale 25,00 EUR
Summe: 935,60 EUR
Die Wunde über dem Auge habe mit 5 Stichen genäht werden müssen. Die Fäden seien ca. 3 Wochen später gezogen worden. Während dieser Zeit habe sich die Klägerin auf Grund der erheblichen Folgen mit Bluterguss und Schwellungen nicht in der Öffentlichkeit aufhalten können. Die Verletzung habe eine Narbe im Stirnbereich von etwa 2 cm hinterlassen, die noch sichtbar sei.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 935,60 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basisdiskontsatz der Europäischen Zentralbank seit dem 21.3.2003 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in angemessener Höhe nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 21.3.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffasssung, dass es der Klägerin unter Beachtung normaler Sorgfalt ein Leichtes gewesen wäre, den behaupteten Unfall zu vermeiden. Die in Rede stehende Kante werde nämlich durch die daneben befindliche Bogenleuchte in ausreichendem Maße ausgeleuchtet. Schon auf Grund dessen scheide eine Haftung der Beklagten aus.
Nachdem die Klägerin zunächst Klage vor dem Amtsgericht Bad Iburg erhoben hatte, hat dieses den Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 1.7.2003 an das Landgericht Osnabrück verwiesen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der durch die Klägerin überreichten Lichtbilder Blatt 5 d. A. .
Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die gerichtliche Niederschrift vom 13.10.2003 (Bl. 36, 37 d.A.) verwiesen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird der Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze in Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld gemäß § 839 BGB i. V. mit Artikel 34 GG, § 10 NStrG zu.
Nach § 10 Abs. 1 i. V. mit § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Niedersächsischen Straßengesetzes obliegen der Bau und die Unterhaltung der öffentlichen Straßen einschließlich der Gehwege sowie die Überwachung ihrer Verkehrssicherheit den Organen und Bediensteten der damit befassten Körperschaften als Amtspflicht in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit. Diese öffentlich-rechtlich gestaltete Amtspflicht zur Sorge für die Verkehrssicherheit entspricht inhaltlich der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (vgl. BGHZ 60, 54). Ihr Umfang wird dabei von der Art und der Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seiner Bedeutung maßgebend bestimmt. Sie umfasst die notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Straßenbenutzer hinreihend sicheren Straßenzustandes. Grundsätzlich muss sich der Straßenbenutzer allerdings den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Der Verkehrssicherungspflichtige muss in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (BGH NJW 1980, 2193 (2194); BGH NJW 1979, 2043 (2044)). Dabei kann eine mit zumutbaren Mitteln nicht erreichbare völlige Gefahrlosigkeit nicht verlangt werden (Soergel-Zeuner, BGB, § 823 Rdnr. 161, 162 m. w. N. ; Geigel, Der Haftpflichtprozess, 23. Auflage, 14., Kapitel, Rdnr. 37).
Unter Anwendung dieser Grundsätze handelt es sich bei der - nach Darstellung der Klägerin nicht ausreichend ausgeleuchteten - Bordsteinkante nicht um eine Gefahrenstelle, deren mangelnde Beseitigung der Beklagten als Amtspflichtverletzung zur Last gelegt werden könnte. Denn die Kante zwischen dem Parkplatz und dem Gehweg zum Haupteingang der Realschule war ausweislich der durch die Klägerin selbst vorgelegten und in Augenschein genommenen Lichtbilder trotz der Dunkelheit auf Grund der seitlich im Beet aufgestellten Bogenleuchte - wenn auch nicht optimal - erkennbar. Grundsätzlich geht die Ausleuchtungspflicht des Verkehrssicherungspflichtigen nicht so weit, dass Fußwege oder Gehsteige derart auszuleuchten sind, dass keine dunklen Stellen verbleiben. Vielmehr ist es stets Sache des Gehwegbenutzers, sich bei Dunkelheit so vorsichtig fortzubewegen, dass er eventuelle Hindernisse jederzeit wahrnehmen kann. Der Gehwegbenutzer darf bei Eintritt in die Dunkelheit nicht blind darauf vertrauen, dass sich seinen Füßen nichts in den Weg stellt (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1995, 2172 (2173); OLG Koblenz, OLGR 1999, 105 (106)).
Mithin kann der beklagten Stadt eine zu schwache Beleuchtung der Bordsteinkante nicht als Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen werden. Eine Haftung scheidet aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.