Landgericht Osnabrück
Urt. v. 02.07.2003, Az.: 10 O 3127/02
Schadensersatz wegen Schäden an verschiedenen Streifenwagen der Polizei infolge einer unerlaubten Autofahrt eines Minderjährigen; Erforderliche Einsicht eines 12- Jährigen zum Fahren eines BMW ohne Fahrerlaubnis; Mitverschulden eines Landes nach § 254 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bei Flucht vor der Polizei
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 02.07.2003
- Aktenzeichen
- 10 O 3127/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 33948
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2003:0702.10O3127.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 254 BGB
- § 823 Abs. 1 BGB
- § 828 Abs. 2 BGB
Tenor:
Der Beklagten zu 1. bis 3. werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.252,64 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2001 zu zahlen. Die Beklagten zu 1. und 3 werden als Gesamtschuldner verurteilt, weitere 4.167,90 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2001 an die Klägerin zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten tragen die Beklagten zu 1. und 3. jeweils zu 1/3, die Klägerin zu 2/9 und der Beklagte zu 2. zu 1/9. Die Klägerin trägt 2/3 der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten zu 1. und 3. jeweils zu 1/3 und der Beklagte zu 2. zu 1/9. Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zu 2. vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe erbringt.
Tatbestand
Das klagende Land Niedersachsen verlangt von den Beklagten Schadensersatz auf Grund von zwei Verkehrsunfällen, die sich am 31.08.2001 nach 22.00 Uhr im Raum Merzen/Bramsche bei einer Verfolgungsfahrt ereignet haben.
Der Fahrer des PKW, der Beklagte zu 1., war zu dieser Zeit 12 Jahre alt. Er nahm am Abend des 31.08.2001 die Schlüssel zu dem Pkw BMW (7er Serie) seines Stiefvaters an sich. Dieser ist Beklagter zu 2. als Halter des Pkw, der bei der Beklagten zu 3. versichert ist. Der Beklagte zu 1. schob den Wagen auf die Straße, startete ihn dort und befuhr verschiedene Straßen in Richtung Kettenkamp. Nachdem seine Mutter bemerkt hatte, dass ihr Sohn mit dem Auto verschwunden war, benachrichtigte sie die Polizei. Das daraufhin eingesetzte Polizeifahrzeug Teuto 27/20 verfolgte den Beklagten zu 1., der sich mit hoher Geschwindigkeit entfernte. Die Besatzung des verfolgenden Funkstreifenwagens bat ihre Kollegen mit dem Funkstreifenwagen Teuto 30/21, die Zeugen A. und B., um Unterstützung. Dieses Fahrzeug fuhr mit eingeschaltetem Blaulicht, Signalhorn und Beleuchtung "STOPP POLIZEI" vor dem Beklagten zu 1. her und versuchte, ihm den Weg zu versperren. Der Beklagte zu 1. beschleunigte den BMW, überholte den Funkstreifenwagen rechts und prallte gegen dessen rechten vorderen Kotflügel.
Der Beklagte zu 1. geriet mit dem BMW leicht ins Schleudern, setzte seine Fahrt aber mit erhöhter Geschwindigkeit fort. Beide Funkstreifenwagen nahmen die weitere Verfolgung auf. Diese führte über die B 218 durch die Ortschaft Ueffeln in Richtung Hesepe und von dort auf die B 68 in Richtung Osnabrück. Der Wagen Teuto 27/20 meldete per Funk, dass der BMW nach rechts in Richtung "Naturfreundehaus" abgebogen sei. Daraufhin wendete der Zeuge A. den Funkstreifenwagen Teuto 30/21 auf der B 68, fuhr entgegengesetzt in die Auffahrt der B 218 zur B 68 und bog nach links in den Zitterweg ein, um dem BMW von unten den Weg zu versperren. Dort kam es zu einer weiteren Kollision zwischen dem BMW und dem Funkstreifenwagen, deren nähere Umstände streitig sind. Unstreitig befand sich der Beklagte zu 1. im Zeitpunkt der Kollision nicht mehr in dem Wagen. Er hatte den Wagen verlassen und war in einen Graben geflüchtet, wo er gestellt wurde.
Den Fahrzeugschaden, der an dem Funkstreifenwagen 30/21 entstanden ist, beläuft sich einschließlich Nutzungsausfall und Sachverständigengutachten auf 4511,32 EUR (Reparaturaufwand DM 7458,09, Sachverständigengutachten 821,28 DM, Nutzungsausfall 504,00 DM, Unkostenpauschale 40,00 DM). Den bei der ersten Kollision entstanden Schaden beziffert die Klägerin aufgrund einer abstrakten Schadensberechnung mit 1.903, 61 EUR.
Am 20.12.2001 richtete die Beklagte zu 3. ein Schreiben an die Klägerin, in dem es unter anderem heißt: "Zum anderen können wir Ihre Rechtsauffassung nicht teilen. Bezüglich des ersten Rammmanövers bestehen bei uns keine Bedenken. Jedoch beim zweiten Rammmanöver (...) Unter Auf- bzw. Anrechnung des ersten Rammschaden an Ihrem Fahrzeug mit dem Schaden, der durch das nicht mehr nötige Rammen an unserem Kundenfahrzeug entstanden ist, ergibt sich unsere Forderung von 816,23 DM. Wir bitten daher um Erstattung (...)".
Der in dem Funkstreifenwagen 30/21 befindliche Polizeihauptmeister B. war vom 03.09.2001 bis zum 05.09.2001 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die von dem Dienstherrn beglichenen Heilbehandlungskosten belaufen sich auf 20,11 DM. Für die Zeit seiner 3-tägigen Arbeitsunfähigkeit entstand durch die Gehaltsfortzahlung ein Schaden in Höhe von 661,29 DM.
Der Fahrer des Funkstreifenwagens A. war vom 03.09.2001 bis zum 19.09.2001 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Dem Dienstherrn entstand infolge der Gehaltsfortzahlung ein Schaden in Höhe von 1.560,83 EUR.
Mit Schreiben vom 26.10.2001 forderte die Klägerin die Beklagte zu 3. unter Fristsetzung bis zum 30.11.2001 vergeblich zur Zahlung auf.
Die Klägerin trägt vor:
Der Beklagte zu 2. habe die Fahrt des Beklagten zu 1. schuldhaft ermöglicht, indem er die Fahrzeugschlüssel in unzulänglicher Weise verwahrt habe. Es sei ausgeschlossen, dass der Beklagte zu 1. ein solches Fahrmanöver habe bewältigen können, ohne zuvor Fahrkenntnisse zu haben. Jedenfalls könnten solche Kenntnisse den Eltern nicht verborgen geblieben sein. Sie meint, für das Verschulden des Beklagten zu 2. spreche schon ein Anscheinsbeweis. Hinsichtlich der Haftung für den bei der ersten Kollision entstandenen Schaden enthalte das Schreiben vom 20.12.2001 ein Anerkenntnis der Beklagten zu 3.
Was die zweite Kollision angehe, sei der BMW bei der Kollision in Bewegung gewesen. Er sei auf den Funkstreifenwagen zugefahren und habe ihn vorne links gerammt. Anschließend sei er nach rechts in einen Straßengraben gerollt.
Die Polizisten A und B. seien bei den Kollisionen verletzt worden. Die Arbeitsunfähigkeit sei auf die Kollisionen zurückzuführen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 6.420,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basisdiskontsatz seit dem 01.12.2001 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie tragen vor: Bei der zweiten Kollision habe der BMW gestanden. Die Polizisten hätten ihn absichtlich gerammt, um den Beklagten zu 1. an der Weiterfahrt zu hindern. Hierzu habe keinerlei Anlass bestanden, nachdem der Beklagte zu 1. das Fahrzeug bereits verlassen habe.
Die Beklagten zu 2. und 3. tragen darüber hinaus vor, der Beklagte zu 2. habe ebenso wenig wie die Mutter des Beklagten zu 1. davon gewusst, dass der Beklagte zu 1. über Fahrkenntnisse verfüge. Sie hätten damit auch nicht rechnen können.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmungen der Polizeibeamten A und B., des Beklagten zu 1. und seiner Mutter als Zeugen sowie des Beklagten zu 2. als Partei. Ferner hat es ein mündlich erstattetes Sachverständigengutachten des Sachverständigen W.
Entscheidungsgründe
Die Klägerin kann Ersatz des gesamten geltend gemachten Schadens in Höhe von 6.420,54 EUR von den Beklagten zu 1. (1.) und 3. (3.) verlangen. Der Beklagte zu 2. hat nur den bei der 1. Kollision entstandenen Schaden in Höhe von 2.252,64 EUR zu ersetzen (2.).
1.
Der Beklagte zu 1. ist der Klägerin gemäß § 823 Abs. I BGB zum Ersatz des gesamten entstandenen Schadens verpflichtet. Seine Haftung ist nicht gemäß § 828 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Bei einem Zwölfjährigen kann davon ausgegangen werden, dass er die erforderliche Einsicht hat, zu erkennen, dass er nicht ohne Fahrerlaubnis einen BMW fahren kann, und dass es zur Gefährdung von Personen und Sachen kommen kann, wenn er dies doch tut.
Der Beklagte zu 1. hat den Schaden schuldhaft verursacht, ein Mitverschulden des beklagten Landes gemäß § 254 BGB scheidet aus. Denn die deliktische Haftung greift auch ein, wenn jemand einen anderen vorwerfbar zu selbstgefährdendem Verhalten herausfordert, sofern der Willensentschluß des anderen auf einer billigenswerten Motivation beruht. Insbesondere im Fall der Flucht vor Polizeibeamten ist dies anerkannt (BGH, VersR 1991, 111 m.w.N.). Aus diesem Grund haftet der Verfolgte, wenn Polizeibeamte zur Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben ein fliehendes Fahrzeug verfolgen und es bei der Verfolgungsfahrt zu einer Kollision zwischen den beteiligten Fahrzeugen kommt, selbst dann, wenn der Fahrer des Polizeifahrzeuges diese Kollision zum Zwecke der Gefahrenabwehr vorsätzlich herbeiführt, um das fliehende Fahrzeug zum Anhalten zu zwingen (OLG Hamm, NJW-RR 1998, 815 [OLG Hamm 08.12.1997 - 3 U 80/97]). Dann ist auch ein Mitverschulden im Sinne von § 254 BGB ausgeschlossen.
Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der ersten Kollision zweifelsfrei gegeben. Nachdem den Polizeibeamten durch die Mutter des Beklagten zu 1. bekannt gegeben war, dass es sich bei dem Fahrer des 7-er BMW um einen Zwölfjährigen handelte, mussten die Polizeibeamten alles Erdenkliche tun, um das jedenfalls teilweise mit hoher Geschwindigkeit fahrende Fahrzeug zu stoppen. Diesen Aspekt lassen die Beklagten unberücksichtigt, indem sie sogar vortragen lassen, erst durch die Verfolgung sei der Beklagte zu 1. zu seiner Fahrweise herausgefordert worden. Dabei wird außer Acht gelassen, dass von dem Beklagten zu 1. ein ganz erhebliches Gefährdungspotential ausging und es vordringlichste Aufgabe der Gefahrenabwehr war, das Fahrzeug zu stoppen. Der Beklagte zu 1. hat auch vorwerfbar gehandelt. Denn daß es zu einem Einschalten der Polizei und zu einer Verfolgung kommen könnte, war für den Beklagten zu 1. auch unter Berücksichtigung seines jugendlichen Alters zumindest erkennbar.
Auch hinsichtlich der zweiten Kollision steht für das Gericht völlig außer Zweifel, daß diese von dem Beklagten zu 1. schuldhaft herausgefordert wurde. Die Beweisaufnahme hat den Vorwurf der Beklagten, die Polizeibeamten seien in das bereits stehende Auto absichtlich hineingefahren, um es an einer Weiterfahrt zu hindern, nicht bestätigt. Es kann dahinstehen, ob sogar in diesem Fall eine Haftung des Beklagten zu 1. anzunehmen wäre. Zur Überzeugung des Gerichts steht nämlich fest, daß der BMW in Bewegung war, als es zur Kollision kam. Dabei hat es sich um ein verfolgungsspezifisches Risiko gehandelt, auch wenn das Fahrzeug führerlos war, weil die Kollision Folge einer gesteigerten Gefahrenlage war.
Das der BMW noch in Bewegung war, folgt aus den in jeder Hinsicht glaubhaften Aussagen der Polizisten A. und B.. Beide haben übereinstimmend ausgesagt, das Fahrzeug sei führerlos auf sie zugefahren. Zu diesem Zeitpunkt hätten sie allerdings nicht erkennen können, dass das Fahrzeug führerlos war. Es habe sich um einen Unfall gehandelt. Gleiche Angaben haben die Polizisten auch in den vorangegangenen Zivilverfahren betreffend ihre eigenen Schmerzensgeldansprüche gemacht. Sie haben keinerlei Anlass, die Unwahrheit zu sagen. Denn selbst wenn der Vortrag der Beklagten zuträfe, kann man mit guten Gründen ein solches Handeln der Polizei als verhältnismäßig ansehen. Dabei ist nämlich mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass die Polizisten wegen der lange andauernden Verfolgungsjagd mit allen Mitteln versuchen mussten, den Beklagten zu 1. zu stoppen. Dabei ist von der Einschätzung durch die beteiligten Polizisten ex ante und nicht etwa im Sinne einer ex-post-Betrachtung auszugehen. In dem Moment, als es zur Kollision kam, konnten die Polizisten auf Grund der Dunkelheit nicht erkennen, dass sich niemand mehr im Fahrzeug befand.
Im übrigen decken sich die Angaben der Zeugen mit den Ausführungen des Sachverständigen Weber. Dessen nachvollziehbaren Ausführungen zufolge, denen sich das Gericht anschließt, gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der BMW bei der Kollision gestanden hätte. Dies folgert er daraus, dass an der Kollisionsstelle keine Splitter und keine Spuren in der Grasnarbe ersichtlich sind. Zwar hat der Sachverständige auf die unzureichende Spurensicherung hingewiesen. Für die Vermutung der Beklagten, der BMW sei nach der Kollision durch die beteiligten Polizeibeamten noch bewegt worden ist, gibt es aber keine Anhaltspunkte.
Soweit der als Zeuge vernommene Beklagte zu 1. ausgesagt hat, er sei 100%ig aus dem stehenden Fahrzeug ausgestiegen, hält das Gericht diese Angaben für unglaubhaft. Zum einen liegt der gesamte Vorgang fast zwei Jahre zurück. Für den Beklagten zu 1. hat es sich mit Sicherheit um ein einschneidendes Erlebnis gehandelt, das für ihn hoffentlich spürbare Konsequenzen gehabt hat. Das bedeutet, dass der gesamte Vorfall vielfach thematisiert worden ist, so dass nicht auszuschließen ist, dass sich die Erinnerung des jugendlichen Zeugen insoweit überlagert hat. Das Gericht hat auch Zweifel aufgrund der vehementen Sicherheit, mit der der Beklagte zu 1. angegeben hat, er habe den Hebel auf "P" gestellt und das Fahrzeug habe gestanden. Dies steht nämlich im Widerspruch zu seinen damaligen Angaben vor der Polizei, wonach er "rechts abgebogen und aus dem Auto rausgesprungen" ist. Es drängt sich der Eindruck auf, daß der Beklagte zu 1. beeinflußt von der Verteidigungslinie der übrigen Beklagten um die eigene Rechtfertigung bemüht ist, indem die Verantwortlichkeit für das gesamte Ereignis in nicht nachvollziehbarer Weise den handelnden Polizeibeamten zugeschoben werden soll.
Die Schadenshöhe ist hinsichtlich der Beschädigung der beiden Fahrzeuge unstreitig.
Hinsichtlich der Personenschäden kann das klagende Land infolge der Lohnfortzahlung den Schadensersatzanspruch wegen Verdienstausfalls gemäß § 95 NBG geltend machen. Dabei kommt es hier nicht darauf an, ob die Beamten tatsächlich infolge des Unfalls erkrankt sind. Daß die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im Zusammenhang mit dem Unfall erstellt worden sind, ergibt sich schon aus dem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall und ist von den Beklagten nicht substantiiert bestritten worden. Der Rechtsprechung des BGH zufolge darf sich der Unternehmer für den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit auf vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verlassen, wenn nicht tatsächliche Umstände ernsthaft Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Inhalts des ärztlichen Zeugnisses begründen (BGHZ 149, 63). Diese Grundsätze sind auch hier anwendbar. Für den öffentlichen Dienstherrn kann nichts Anderes gelten als für den privaten Arbeitgeber.
Der Anspruchsübergang erstreckt sich auch auf die geltend gemachten Heilbehandlungskosten.
2.
Im Hinblick auf die zweite Kollision scheidet ein Anspruch gegen den Beklagten zu 2. gemäß § 7 Abs. 3S. 1StVG aus (a). Dagegen haftet er für die bei der ersten Kollision entstandenen Schäden wegen des Anerkenntnisses der Beklagten zu 3. (b).
a) Der Beklagte haftet gemäß § 7 Abs. III S. 1 StVG nicht für die zweite Kollision, weil die Klägerin den insoweit ihr obliegenden Beweis für sein Verschulden nicht geführt hat. Zwar ist für die Haftung des Halters für Schäden aus Schwarzfahrten anerkannt, dass der Halter eines Pkw bis zur Grenze des unabwendbaren Zufalls alles tun muss, um die unbefugte Benutzung seines Fahrzeugs zu verhindern (OLG Hamm, NJW-RR 1990, 289 [OLG Hamm 02.10.1989 - 32 U 45/88]). Gleichzeitig geht die Rechtsprechung aber davon aus, dass diese Anforderungen nicht überspannt werden dürfen, sobald es um die Sorgfaltspflichten gegenüber Familienangehörigen geht. Der Kfz-Halter muß nur dann Schlüssel vor Familienangehörigen versteckt halten, wenn Umstände vorliegen, die befürchten lassen, diese würden das Fahrzeug in Betrieb nehmen. Denn eine den Zugriff von Familienangehörigen ausschließende Verwahrung der Fahrzeugschlüssel wäre oft nur unter unzumutbaren Schwierigkeiten möglich (OLG Düsseldorf, VersR 1984, S. 895; OLG Oldenburg, VersR 1999, 428).
Insoweit hat die Beweisaufnahme nicht zweifelsfrei ergeben, dass für die Eltern Anzeichen für eine mögliche Schwarzfahrt des Beklagten zu 1. bestanden haben. Zwar spricht der Umfang, in dem der Beklagte zu 1. das Fahrzeug beherrschte, dafür, dass er zuvor schon einmal Auto gefahren ist. Dies läßt jedoch nicht zwingend den Schluss zu, dass auch die Eltern davon wussten oder es sich ihnen hätte aufdrängen müssen. Die Mutter des Beklagten zu 1. hat ausgesagt, sie habe nie gesehen, dass der Beklagte zu 1. sich auch nur an das Steuer eines Autos gesetzt habe. Allerdings sei der Beklagte zu 1. schon häufiger Kart gefahren und verfüge möglicherweise daher über Fahrkenntnisse. Niemals hätte sie zugelassen, dass der Beklagte zu 1. ein Fahrzeug führe. Sie sei von dem Ereignis völlig überrascht worden. Die Aussage der Mutter des Beklagten zu 1. ist verwertbar, obgleich sie entgegen § 455 Abs. I ZPO als Zeugin vernommen wurde, weil die Parteien übereinstimmend auf eine Rüge verzichtet haben. Der Verfahrensverstoß ist damit gemäß § 295 Abs. I ZPO geheilt (Zöller/Greger, ZPO, 21. Aufl., § 295 Rz. 3).
Der Beklagte zu 2. hat als Partei ausgesagt, auch für ihn habe es keinerlei Anhaltspunkte gegeben, dass der Beklagte zu 1. sich seines Pkws bemächtigen könnte. Der Beklagte zu 1. verfüge über eine Play Station, mit der er Fahrverhalten simulieren könne und sich damit wohl die Fahrkenntnisse angeeignet habe.
Die Beweislast für die Nichterweislichkeit der Kenntnis oder fahrlässigen Unkenntnis des Beklagten zu 2. trägt die Klägerin. Denn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen von § 7 Abs. III StVG sind anspruchsbegründende Tatsachen (OLG Karlsruhe, NJW-RR 1992, 1506 [OLG Karlsruhe 04.08.1992 - 18 a U 81/92] m.w.N.). Es kann nicht Sache des Fahrzeughalters sein, das Fehlen aller erdenklichen Anzeichen bei Familienangehörigen darzulegen und ihre Abwesenheit nachzuweisen (OLG Düsseldorf a.a.O.). Aus diesem Grunde kann nicht von einem Anscheinsbeweis ausgegangen werden.
Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Aufsichtspflicht besteht nicht. Es kann dahinstehen, ob den Beklagten zu 2. als Stiefvater eine Aufsichtspflicht trifft, da jedenfalls ein Verschulden hier nicht erkennbar ist.
Ebenso scheitert ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 14 Abs. 1 S. 2StVO. Denn auch insoweit läßt sich ein Verstoß des Beklagten zu 2. gegen die Sorgfaltspflichten bei der Sicherung der Fahrzeugschlüssel nicht nachweisen.
b) Dagegen hat die Beklagte zu 3. hinsichtlich der ersten Kollision mit dem Schreiben vom 20.12.2001 ein deklaratorisches Anerkenntnis für den dabei entstandenen Schaden abgegeben, das zumindestens zu einer Beweislastumkehr führt. Dieses Anerkenntnis muß sich der Beklagte zu 2. als Versicherungsnehmer zurechnen lassen. Es ist eine Frage der Auslegung, ob in einer Erklärung ein Anerkenntnis zu sehen ist (BGH, BGHZ 66, 250). Voraussetzung hierfür ist das Bestehen eines rechtsgeschäftlichen Bindungswillens auf Seiten der Beklagten zu 3. Zweifel daran ergeben sich, weil die Beklagte zu 3. offenbar die möglichen Einwendungen aus § 7 Abs. 3 StVG hinsichtlich der Halterhaftung und § 152 VVG hinsichtlich der Fahrerhaftung übersehen hat. Es muß jedoch berücksichtigt werden, daß es sich bei der Beklagten zu 3. um eine Versicherung handelt, bei der entsprechende Rechtskenntnisse erwartet werden können. Mit dem Schluß des Schreibens, in dem die Beklagte zu 3. aufrechnete und eine Restforderung ihrerseits bezifferte, gab sie zu erkennen, daß die rechtliche Beurteilung des Falls für sie abgeschlossen war. Hieran muß sie sich festhalten lassen, selbst wenn die Forderung in Wirklichkeit nicht bestanden hätte. Denn auch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis kann potentiell konstitutive Wirkung haben, sofern es zum Ausschluß bestehender Einwendungen führt. Selbst in der am wenigsten weitreichenden Form des Anerkenntnisses hat es eine Beweislastumkehr zur Folge (BGH a.a.O..). Der Umstand, daß die Beweisaufnahme kein hinreichend verläßliches Ergebnis hinsichtlich des Verschuldens des Beklagten zu 2. ergeben hat, führt damit für die erste Kollision zu seiner Haftung.
Ein Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung wegen des in der mündlichen Verhandlung vom 11.6.2003 gegebenen gegenteiligen rechtlichen Hinweises des Gerichts war nicht erforderlich. Denn das Gericht hat darauf hingewiesen, daß es nur eine vorläufige Einschätzung der Rechtslage abgegeben hat. Die Parteien haben im Anschluß nochmals Schriftsätze zur Frage des Anerkenntnisses gewechselt.
Hinsichtlich der Höhe hat die Klägerin die bei der ersten Kollision entstandenen Fahrzeugschäden mit 1.903,61 EUR beziffert, was die Beklagten nicht angegriffen haben. Anteilig kommen die Kosten für das Sachverständigengutachten, den Nutzungsausfall sowie die Unkostenpauschale hinzu. Gemäß § 287 I ZPO hat das Gericht den auf die erste Kollision entfallenden Anteil mit 50% geschätzt, was weitere 349,03 EUR ergibt (821,28 DM plus 504,00 DM plus 40,00 DM = 1365,28 DM = 698,06 EUR, davon 50% gleich 349,03 EUR).
Die Kosten für Lohnfortzahlung und Heilbehandlung sind dagegen nicht von dem Beklagten zu 2. zu tragen, weil nicht feststeht, welche der beiden Kollisionen die Arbeitsunfähigkeit verursachte.
3.
Die Klägerin kann die Beklagte zu 3. gemäß § 3 Nr. 1 PflVG sowohl hinsichtlich der ersten Kollision (a.) als auch hinsichtlich der zweiten Kollision in Anspruch nehmen (b.).
a)
Hinsichtlich der ersten Kollision hat die Beklagte zu 3. wie oben ausgeführt ein Anerkenntnis abgegeben, das aufgrund der damit einhergehenden Beweislastumkehr zu ihrer Haftung für den Beklagten zu 2. als Halter führt.
b)
Für die zweite Kollision haftet die Beklagte zu 3. zwar nicht für den Beklagten zu 2. als Halter, wohl aber für den Beklagten zu 1. als Fahrer des bei ihr versicherten PKW gemäß §§ 3 Nr. 1 PflVG, 823 I BGB. Ein Leistungsausschluß gemäß § 152 VVG greift nicht ein. Allerdings gilt § 152 VVGüber seinen Wortlaut hinaus auch für den mitversicherten Dritten (BGH, NJW 1980, 1113 [BGH 24.04.1979 - Stb StR 1/79]; Prölss/Martin, VVG, § 152 Rz. 1; vgl. OLG Oldenburg, VersR 1999, 482 [OLG Oldenburg 29.04.1998 - 2 U 264/97]). Ein Vorsatz ist jedoch nicht nachweisbar, was zu Lasten der Beklagten zu 3. geht.
Vorsatz i.S. der genannten Bestimmung ist wie auch sonst im Zivilrecht das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs, wobei bedingter Vorsatz genügt. Der Täter muß demnach den Erfolg als möglich voraussehen und für den Fall des Eintritts gebilligt haben, wenn auch nicht in allen Einzelheiten (Prölss/Martin, VVG, 25. Aufl., § 152 Anm. 1; OLG Saarbrücken, VersR 1993, 1004 (1005) [OLG Saarbrücken 11.01.1992 - 5 U 24/92]). Für die erste Kollision wird man hiervon ausgehen können. Anders liegen die Dinge jedoch bei der zweiten Kollision. Insoweit geht das Gericht zwar - wie oben ausgeführt - davon aus, dass der Beklagte zu 1. aus dem fahrenden Fahrzeug gesprungen ist, das den Feststellungen des Sachverständigen zufolge jedenfalls im Kollisionszeitpunkt noch eine Geschwindigkeit von 15 bis 20 km/h aufwies. Was seine Vorstellung in diesem Moment angeht, ist zu bedenken, daß der Nachweis des Vorsatzes regelmäßig weitgehend aus dem objektiven Geschehensablauf geführt werden kann. Auch kann aus der Gefährlichkeit eines Tuns und der Intensität eines Angriffs indiziell auf eine Schädigungsabsicht geschlossen werden (OLG Köln, VersR 1994, 339 [OLG Köln 11.11.1993 - 5 U 271/92]). Hierbei ist aber das jugendlichen Alter des Beklagten zu 1. zu berücksichtigen. Es steht nicht mit Sicherheit fest, dass er in diesem Zeitpunkt noch mit der Möglichkeit weiterer Schäden rechnete und diese billigend in Kauf nahm. Denn es ist schon unsicher, ob er beim Aussteigen bemerkte, daß das Fahrzeug noch weiter rollte. Auch steht nicht fest, daß er das Polizeifahrzeug im Moment des Aussteigens sehen konnte und daher mit dessen Beschädigung rechnen mußte. Es ist ebensogut möglich, daß er lediglich fahrlässig handelte, weil er weitere Schäden nicht bedachte und nur noch seine Flucht vor Augen hatte, als er das Fahrzeug verließ.