Landgericht Osnabrück
Urt. v. 28.10.2003, Az.: 7 O 1414/02

Vorliegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung bei einer stillschweigenden Duldung von Scheckreiterei seitens der Hausbank eines Unternehmens; Duldung der Scheckreiterei durch die Hausbank zur Vermeidung eigener Schäden; Entstehen eines Schadens durch Abgabe eines Bonitätschreibens über den Zustand des scheckreitenden Unternehmens seitens der Hausbank an eine neue Bank; Nichtigkeit von Scheckbegebungsvorgängen aufgrund der Förderung einer verschleierten Kreditverschaffung seitens der Hausbank; Verstoß gegen die guten Sitten durch Duldung einer erkannten Scheckreiterei seitens der Hausbank; Kenntnis der Hausbank von der Gefahr einer Nichteinlösung laufender Schecks

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
28.10.2003
Aktenzeichen
7 O 1414/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 33834
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2003:1028.7O1414.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 15.07.2002

Verfahrensgegenstand

Schadensersatz i.H.v. über 800.000,-- EUR zugunsten einer niederländischen Bank gegen eine deutsche Bank wegen Duldung der "Scheckreiterei"

Tenor:

  1. 1.

    Das Versäumnisurteil des Landgerichts Osnabrück vom 15.07.2002 wird in Höhe von 822.077,06 Euro aufrecht erhalten. Im übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

  2. 2.

    Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 3/5 und die Beklagte 2/5 zu tragen.

  3. 3.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar; die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von der Beklagten wegen behaupteter sittenwidriger Schädigung Ersatz von Schäden, die ihr nach ihrer Behauptung durch eine von der X- Firmengruppe in den Niederlanden und in Deutschland begangene sogenannte "Scheckreiterei" entstanden sind, von der die Beklagte bereits Ende des Jahres 2000 Kenntnis gehabt soll und die sie geduldet haben soll, um eigene Schäden zu vermeiden.

2

Die Beklagte war bzw. ist die Hausbank verschiedener Firmen der X- Firmengruppe, die im Rohrleitungsbau in Deutschland und in den Niederlanden tätig war. In den Niederlanden gab es eine X- Nederland B.V., die der X- Firmengruppe nahe stand und deren Geschäftsführer die gleichen Handelnden wie in Deutschland waren. Über das Vermögen sowohl der X- Nederland B.V. als auch der Unternehmensgruppe in Deutschland ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Beklagte hatte der X- Firmengruppe in Deutschland zuletzt einen Kreditrahmen in Höhe von 15 Mio. DM eingeräumt. Bereits zu diesem Zeitpunkt aber auch später kam es häufig zu einer Ausschöpfung, zum Teil zur Überschreitung des Kreditrahmens. Im Herbst 1999 eröffnete die X- Nederland B.V. bei der Klägerin ein Geschäftskonto. Ein Kreditrahmen wurde der Firma X nicht zur Verfügung gestellt und erst nach einiger Zeit eine Kontobelastung durch Ausstellung von Schecks zugelassen. Bei Kontoeröffnung wurde der Klägerin nach ihrer Behauptung als Referenz ein Schreiben der Beklagten, in der die Integrität und Bonität der Geschäftsführer als "gut" bezeichnet wurde. Auch wurde bescheinigt, dass finanzielle Verpflichtungen erfüllt würden. Auf dem bei Klägerin, einer niederländischen Bank, geführten Konto erfolgten Zahlungseingänge fast ausschließlich durch Vorlage von Schecks bezogen auf die Beklagte. Die Schecks waren von verschiedenen Firmen der X- Firmengruppe in Deutschland ausgestellt worden. Nach einiger Zeit gestattete die Klägerin der X- Nederland B.V., ihre Lieferanten bzw. Subunternehmer - ebenfalls Firmen der X- Firmengruppe - mit Schecks (bezogen auf die Klägerin) zu bezahlen. Diese Schecks waren durch die Gutschrift des zuvor eingegangenen Schecks auf dem Bankkonto der X- Nederland B.V. gedeckt.

3

Die Klägerin behauptet, es habe sich lediglich um Scheckeinreichungen zum Zwecke der Erzielung von Kredit gehandelt. Denn den Scheckbegebungen hätten keine wirklichen Zahlungsvorgänge zugrunde gelegen. In der Zeit vom 23.01.2001 bis zum 27.02.2001 wurden Schecks im Gesamtwert von 1.794.441,42 EUR von Firmen der X--Gruppe in Deutschland ausgestellt, dem Konto der Firma X- Nederland B.V. unter einfachen Vorbehalt gutgeschrieben und in der Zeit vom 1.3.2001 bis zum 5.3.2001 von der Beklagten zurückgegeben und nicht eingelöst, da die Beklagte die Geschäftsverbindung mit der X- Firmengruppe in Deutschland zum Ende des MonX- Februar 2001 gekündigt hatte.

4

Bei einer Scheckgutschrift im Zusammenhang mit dem ausländischen Zahlungsverkehr - wie hier - werden dem niederländischen Geschäftskunden Schecks unter einfachem Vorbehalt gutgeschrieben und die Klägerin gibt solche Schecks versehen mit einem Indossamentstempel und dem Datum der Einreichung zu ihrer Zentrale. Diese schreibt den Scheck sodann auf einem Zwischenkonto der versendenden lokalen Bank gut. Die lokale Bank kann den Scheckwert unmittelbar auf dem Konto des Kunden verbuchen, so dass dieser zeitnah nach Scheckeinreichung über die Geldmittel verfügen und nicht erst bis zur Erteilung der Deckungsmitteilung der bezogenen ausländischen Bank warten muss. Die niederländische Bank schickt den Scheck sodann unter Einschaltung einer Landeszentralbank in der Bundesrepublik Deutschland zur Auszahlung bei der Bank in Deutschland, auf die der Scheck bezogen ist. Sofern alles korrekt verläuft, wird der niederlänischen Bank sodann der Gegenwert überwiesen und die vorläufige Gutschrift hat endgültig Bestand. Dieser Vorgang nimmt mehr Zeit in Anspruch als inländische Scheckeinlösungen. Die Firma X- Nederland nutzte die vorläufigen Scheckgutschriften und nahm Verfügungen über ihr Konto vor, so dass der genannte Betrag auf dem Konto der X- Nederland nach Behauptung der Klägerin nicht von ihr ausgeglichen wurde.

5

Die Klägerin behauptet, der Vorstand der Beklagten habe spätestens im November/Dezember 2000 von den Umständen einer in großem Umfang betriebenen "Scheckreiterei" Kenntnis gehabt und diese geduldet, um nicht selbst höhere Schäden zu erleiden. Die Hauptakteure der X- Firmengruppe Deutschland hätten einen Kreditsachbearbeiter der Beklagten bestochen und ihn durch fortlaufende Geldzahlungen dazu gebracht, die ihm bekannte "Scheckreiterei" zu dulden, wenn nicht sogar zu unterstützen. Die X- Firmengruppe Deutschland habe bereits 1999 hohe Verluste gemacht und habe sich mit einem System von gegenseitigen Scheckziehungen über Wasser zu halten versucht.

6

Die Beklagte hat dem fraglichen Mitarbeiter gekündigt und sich von diesem in einem Arbeitsgerichtsverfahren getrennt. Nach Aufdeckung der Vorgänge löste sie ihn zum 01.10.2000 von der Bearbeitung der Kreditangelegenheit ab und beauftragte einen anderen Mitarbeiter, der für schwierige Kreditengagements zuständig war, mit der Bearbeitung der Kreditangelegenheiten der X--Firmengruppe in Deutschland.

7

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte sich das Verhalten auch des Kreditsachbearbeiters zurechnen lassen müsse, er sei als Vertreter im Sinne von § 31 BGB verfassungsgemäß berufener Vertreter der Beklagten gewesen.

8

Sie bestreitet, von den Vorgängen seinerzeit Kenntnis gehabt zu haben. Sie habe (erst) im Februar 2001 anlässlich einer Routinekontrolle bemerkt, dass in den ersten Wochen des neuen Jahres Kontobewegungen in Höhe von annähernd 30 Mio HFL zu verzeichnen waren und deshalb am 20.02.2001 Kontakt mit einem Prüferteam der Bank aufgenommen, das die Vorgänge genauer untersucht habe. Zu diesem Zeitpunkt seien die Transaktionen auf dem streitgegenständlichen Konto der X- Nederland noch gedeckt gewesen. Das Ergebnis der Überprüfung sei negativ gewesen . Deshalb sei die Situation zunächst unproblematisch gewesen. Die Klägerin habe aber die Geschäftsführer der niederländischen Firma zu einem Gespräch gebeten. Diese hätten den Gesprächstermin jedoch nicht eingehalten. Die Bewegungen auf dem Konto der X- Nederland seien fortan besonders beobachtet worden. Erst am Mittwoch, den 28.02.2001 habe das Konto erstmals keine ausreichende Deckung für die noch eingegangenen, auf die Klägerin bezogenen Schecks mit einem Gesamtbetrag von 3 Mio hfl. bestanden.

9

Das Gericht hat am 15.07.2002 im schriftlichen Vorverfahren ein Versäumnisurteil mit folgenden Inhalt gegen die Beklagte erlassen:

"1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.794.441,42 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 25.03.2002 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert beträgt 1.794.441,42 Euro."

10

Gegen dieses Versäumnisurteil, das der Beklagten am 22.07.2002 zugestellt wurde, hat die Beklagte mit dem am 23.07.2002 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt.

11

Die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.

12

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

13

Sie bestreitet, Kenntnis von einer sogenannten "Scheckreiterei" gehabt zu haben; auch ihr Mitarbeiter habe eine solche Kenntnis weder gehabt noch eine "Scheckreiterei" geduldet. Sie bestreitet, dass der Klägerin im Zusammenhang mit der Kontoeröffnung als Referenz ein Schreiben der Beklagten vom 08.10.1999 vorgelegt worden sei. Das Schreiben gebe im übrigen auch keine ausreichende Auskünfte, auf die die Klägerin sich habe verlassen dürfen. Das habe die Klägerin auch nicht getan, weil sie zunächst nicht einmal eine Kontoüberziehung geduldet habe noch Kontobelastungen mit Schecks zugelassen habe. Außerdem datiere das Schreiben bereits aus dem Jahre 1999, so dass ein Vertrauenstatbestand Anfang des Jahres 2001 nicht mehr gegeben gewesen sei. Die Beklagte habe die Geschäftsbeziehungen zu allen Unternehmen der X--Firmengruppe gekündigt, nachdem ihr erstmals am 28.02.2001 bekannt geworden sei, dass die Scheckeinreichungen einer Kreditbeschaffung gedient hätten und die Firmengruppe erheblich überschuldet sei.

14

Die (eigene) Annahme der Beklagten, ihr Mitarbeiter habe Schmiergelder von Mitgliedern der X-Firmengruppe in Deutschland erhalten, hätte sich im Arbeitsgerichtsverfahren nicht belegen lassen, so dass es zu einer einvernehmlichen Lösung des Arbeitsverhältnisses gekommen sei. Auch meint die Beklagte, dass ihr Mitarbeiter nicht verfassungsgemäß berufener Vertreter der Beklagten gewesen sei. Er sei nicht als leitender Angestellter einzustufen.

15

Auch bestreitet die Beklagte den geltend gemachten Schadensumfang mit Nichtwissen und beruft sich auf ein Mitverschulden der Klägerin. Diese habe schon am 20. Februar 2001 erhebliche Bedenken gegen die Bonität der X- Nederland B.V. gehabt und deshalb eine Untersuchung eingeleitet. Sie habe es schuldhaft versäumt, die Schecks, die nach dem 20. Februar 2001 ausgestellt wurden, nicht mehr einzulösen und damit Schaden zu vermeiden; zumindest für alle nach dem 20. Februar 2001 ausgestellten Schecks scheide eine Haftung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt eines überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin aus.

16

Die Akten des Arbeitsgerichts Lingen und die Ermittlungsakten der Staanwaltschaft Oldenburg wurden beigezogen.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Klage ist zum Teil begründet. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Osnabrück vom 15.07.2002 ist in Höhe von 822.077,06 EUR aufrecht zu erhalten. Im Übrigen ist das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

18

Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB), da sie spätestens ab Dezember 2000 darüber informiert war, dass die Firmengruppe X- in Deutschland in erheblichem Umfang durch Scheckbegebungen unter Einschaltung der Bank in den Niederlanden sich in großer Zahl Kredit verschaffte. Das Handeln der Beklagten, die der verschleierten Kreditverschaffung Vorschub geleistet hat, war/ist sittenwidrig und die Scheckbegebungsvorgänge nichtig. Ein Kreditinstitut, das eine solche Scheckreiterei erkennt und duldet, indem es ein solchen Zwecken dienendes Konto führt und die auf das Konto gezogenen Schecks als in Ordnung bezeichnet, verstößt wie hier gegen die guten Sitten. Geschieht dies in dem Bewusstsein, dass Scheckbeteiligte geschädigt werden können, weil jederzeit mit der Aufdeckung des Scheckaustausches und der Nicht-Einlösung der laufenden Schecks zu rechnen ist und wird dies wie hier in Kauf genommen, so haftet das Kreditinstitut aus unerlaubter Handlung, § 826 BGB (BGH Urteil vom 27.01.1969, Wertpapiermitteilungen 1969, Seite 334). So ist es hier.

19

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Vorstand der Beklagten spätestens im Dezember 2000 Kenntnis darüber hatte, dass die Firmengruppe X/Deutschland sich in erheblichem Umfang durch Scheckbegebungen in großer Zahl Kredit verschafft, indem sie u.a. gegenseitig das Konto bei der Klägerin und Konten bei der Beklagten unter Beteiligung der niederländischen X-Gruppe nutzte.

20

Die Revisionsabteilungen der Beklagten waren bereits seit dem Sommer 2000 damit befasst, die Zahlungsvorgänge der X--Gruppe zu untersuchen. Spätestens im November 2000 erkannte der für schwierige Geschäftsengagements eingesetzte Mitarbeiter der Beklagten, dass erheblicher Aufklärungsbedarf hinsichtlich der wechselseitigen Scheckbegebungen zwischen ausländischen und inländischen Firmen/Konten bestand. Den Hintergrund der Zahlungen hielt er für erklärungsbedürftig, insbesondere stellte er die Frage, weshalb anstatt Überweisungen Scheckzahlungen erfolgten. In einer Übersicht ermittelte er Scheckumsätze, die in einem vielfachen Verhältnis zum Betriebsumsatz standen. Diesen Umstand fand er so bemerkenswert, dass er die zusammengefassten Ergebnisse jeweils mit 4 Ausrufezeichen versah und feststellte, dass eine Firma der Gruppe Scheckgutschriften erhielt, die dem 3,5fachen Betriebsumsatz entsprachen, eine andere Firma Scheckgutschriften erhielt, die dem 1,9fachen Betriebsumsatz entsprachen und dass die ein drittes Mitglied der Firmengruppe Scheckgutschriften entsprechend dem 1,1fachen Betriebsumsatz erhielt. Dementsprechend teilte er dem Vorstand der Beklagten, der auch vorher schon informiert war, per e-Mail mit, dass zur "Entlastung" der Inanspruchnahme wieder einmal Schecks gezogen auf die X- Nederland im Volumen von rund 494.000 EUR eingereicht worden seien. Dazu merkte er an: "Die X- Nederland scheint offensichtlich in Liquidität zu schwimmen, mal sehen, wann die Rückbelastungen erfolgen". Diese Äußerung und die weitere Äußerung vom gleichen Tage ("Leider wurden heute noch Schecks (ausgestellt an X- Nederland) in Höhe von ca. 600 TDM belastet. (...) Damit bewegt sich die Gruppe weiterhin über 15 Mio DM Inanspruchnahme) zeigt, dass von Seiten des Mitarbeiters der Beklagten und damit auch seitens des informierten Vorstandes Ende 2000 klar war, dass Scheckeinreichungen benutzt wurden, um Kredit zu schöpfen. Bei dem großen Volumen der Scheckeinreichungen und den festgestellten mehrfachen Überschreitungen der Schecksummen gegenüber den Betriebsumsätzen muss die Beklagte Kenntnis zumindest zum Ende des Monats Dezember 2000 davon gehabt haben, dass hier eine "Scheckreiterei" betrieben wurde. Der Zeuge hat schließlich auch eingeräumt, einem Geschäftsführer der Firmangruppe aufgrund dieser Erkenntnisse Ende Januar 2001 vorgehalten zu haben, dass eine "Scheckreiterei" vorliege. Die Erklärungen des Zeugen zu diesen Äußerungen, er habe alles nicht so ernst gemeint und relativ lockere Formulierungen gebraucht, auch die Erklärung dazu, er habe 4 Ausrufezeichen bei der Darstellung der Scheckumsätze gegenüber den Betriebsumsätzen gewählt, ohne dem besondere Bedeutung beizumessen, ist unglaubwürdig. Die Aussage des Zeugen zeigte, dass er sehr genau Vorgänge zu erfassen versteht. Das Gericht glaubt ihm daher nicht, dass die von ihm verfassten Schreiben nicht ernst gemeint waren, zumal der von ihm zu untersuchende Vorgang große geschäftliche Brisanz hatte. Die Schreiben dienten der Information des Vorstandes der Beklagten.

21

Nach den hier gegebenen Umständen muss das Gericht davon ausgehen, dass der Vorstand der Beklagten wie auch in der e-Mail des Zeugen X zum Ausdruck kommt, die Vorgänge hat weiter laufen lassen, um nicht selbst großen Schaden zu erleiden. Sie hätte die Geschäftsverbindung mit der X--Gruppe sofort kündigen und weitere Scheckbegebungen verhindern müssen oder die Bank darüber informieren müssen, dass große Zweifel an der Liquidität der X- Firmengruppe bestünden und den Scheckeinreichungen keine oder nur geringe betriebliche Umsätze zugrunde lägen und diese nur dazu benutzt wurden, um weiter Kredit zu schöpfen. Infolge dieses Verhaltens konnte die Beklagte darauf hoffen, eigenen zukünftigen Schaden zu verringern, in dem sie nämlich erreichte, dass die Klägerin Schecks weiterhin gutschrieb, so dass Schulden der X- Unternehmensgruppe in Deutschland auf diese Weise verringert würden. Damit verlagerte sie das Risiko der Insolvenz der X- Unternehmensgruppe zumindest teilweise auf die Klägerin.

22

Demzufolge muss die Beklagte der Klägerin dem Grunde nach den Schaden erstatten, der ihr aus der im Vertrauen auf die Richtigkeit der Scheckbegebungsvorgänge entstandenen Schaden erwachsen ist. Nach der überzeugenden Aussage des Zeugen T. hat die Klägerin den in der Klageschrift genannten Schaden erlitten. Die Schecks mit den auf Seiten 18/19 der Klageschrift eingereichten Beträgen sind zu den dort genannten Ausstellungsdaten nicht mehr eingelöst worden, so dass, da sie von der Klägerin bereits vorläufig gutgeschrieben waren und über die Guthaben verfügt wurde, der Klägerin ein Schaden entstanden ist.

23

Jedoch hat die Klägerin nur Anspruch auf Erstattung der bis zum 23.01.2001 ausgestellten (nicht eingelösten) Schecks mit einem Gesamtvolumen von 822.077,06 EUR.

24

Denn für alle nach diesem Zeitpunkt ausgestellten Schecks hätte die Klägerin eine vorläufige Gutschrift nicht mehr erteilen dürfen und muss die weitergehenden Nachteile selbst tragen (§ 254 BGB).

25

Sie war nämlich bereits im Februar 2001 darauf aufmerksam geworden, dass ungewöhnlich hohe Umsätze auf dem Konto geführt wurden. Zwar ließ sich zunächst kein konkreter Verdacht erhärten. Das interne Untersuchungsteam der Klägerin riet ihr aber, ein Gespräch mit den Geschäftsführern wegen dieser ungewöhnlichen Umsätze zu führen. Diese nahmen den Gesprächstermin jedoch nicht wahr. Das hätte die Klägerin veranlassen müssen, die vorläufige Gutschrift der Schecks zu unterlassen, denn der Umstand, dass diese erbetene Auskünfte offensichtlich - infolge Nichtwahrnehmung des Termins - nicht geben wollten, hätte die Klägerin hinreichend warnen müssen und sie hätte von weiteren vorläufigen Scheckgutschriften Abstand nehmen müssen, zumal ihr bewusst war, dass im ausländischen Zahlungsverkehr durch Ausschöpfung von Fristen und vorzeitigen Ablaufs von Fristen erhebliche Risiken bestanden.