Sozialgericht Stade
Beschl. v. 01.12.2011, Az.: S 34 SF 37/11 E

Frage nach Anrechnung der Eigenheimzulage auf den Anspruch auf SGB II-Leistungen i.R.e. Festsetzung der Anwaltsvergütung

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
01.12.2011
Aktenzeichen
S 34 SF 37/11 E
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 34991
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2011:1201.S34SF37.11E.0A

Tenor:

Die Erinnerung gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Stade vom 27. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Gründe

1

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Höhe der aus der Landeskasse als Prozesskostenhilfe zu erstattenden Auslagen und Gebühren. Der Erinnerungsführer macht für den Rechtsstreit S 28 AS 12/08 der mit den Verfahren S 28 AS 296/08 und S 28 AS 297/08 zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung verbunden worden war, eine höhere Verfahrensgebühr sowie für die beiden genannten mit diesem Rechtsstreit verbundenen Verfahren Auslagen und Gebühren geltend.

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Die zulässige Erinnerung ist unbegründet.

3

Der Erinnerungsführer kann für den Rechtsstreit S 28 AS 12/08 eine höhere Verfahrens-gebühr nachNr. 3103, 1008 VV RVG nicht geltend machen. Die von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festgesetzte Gebühr erweist sich bereits als zugunsten des Erinnerungsführers überhöht, eine darüber hinausgehende Festsetzung kommt keinesfalls in Betracht. Zutreffend wollte offenbar auch der Urkundsbeamte im vorliegenden Verfahren die Mittelgebühr festsetzen. Diese hätte unter Berücksichtigung der Gebührenziffer 3103 VV RVG 170,00 EUR betragen, wobei im Hinblick auf die vier weiteren Auftraggeber nach Nr. 1008 VV RVG 204,00 EUR dazugekommen wären, so dass insgesamt 374,00 EUR, nicht hingegen 475,00 EUR festzusetzen gewesen wären.

4

Nach §§ 3, 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Rahmengebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und der Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Das Haftungsrisiko ist zu berücksichtigen, § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG. Wenn die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

5

Ausgangspunkt bei der Bemessung der Gebühr ist die sogenannte Mittelgebühr, das heißt die Mitte des gesetzlichen Gebührenrahmens, die anzusetzen ist bei Verfahren durchschnittlicher Bedeutung, durchschnittlichen Schwierigkeitsgrades und wenn die vom Rechtsanwalt/Beistand geforderte und tatsächlich entwickelte Tätigkeit ebenfalls von durchschnittlichem Umfang war. Denn nur so wird eine einigermaßen gleichmäßige Berechnungspraxis gewährleistet. Abweichungen nach unten oder oben ergeben sich, wenn nur ein Tatbestandsmerkmal des § 14 RVG fallbezogen unter- oder überdurchschnittlich zu bewerten ist, wobei das geringere Gewicht eines Bemessungsmerkmals das überwiegende Gewicht eines anderen Merkmals kompensieren kann (Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 18. Auflage 2008, § 14 Rn 11).

6

Im vorliegenden Verfahren erweist sich der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit als durchschnittlich. Der Erinnerungsführer hat lediglich vier kurze Schriftsätze gefertigt. Diese waren zum Teil auch nur deshalb erforderlich, weil die Klagebegründung unzureichend gewesen ist und das Gericht weitere Nachfragen gestellt hat. Anhaltspunkte dafür, dass der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit als überdurchschnittlich angesehen werden könnte, sind damit nicht ersichtlich. Die Schwierigkeit der Rechtssache erweist sich als durchschnittlich. In dem Verfahren ging es ausschließlich um eine einzelne Rechtsfrage, nämlich um die, inwieweit in diesem Einzelfall die Eigenheimzulage auf den Anspruch aufSGB II-Leistungen anzurechnen war. Zu dieser Rechtsfrage gibt es bereits umfangreiche Rechtsprechung insbesondere des BSG, so dass von einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit nicht gesprochen werden kann. Die Bedeutung der Rechtssache kann als allenfalls leicht überdurchschnittlich angesehen werden, da es um einen begrenzten Zeit-raum ging und nur um einen auf den Monat gesehen überschaubaren Leistungsbetrag, keineswegs um die grundsätzliche Gewährung existenzsichernder Leistungen in voller Höhe. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger sind ohne Zweifel unter-durchschnittlich.

7

Die Kammer folgt nicht der vom Erinnerungsführer vertretenen Rechtsauffassung, dass die Tatsache, dass dieser über die Qualifikation des Fachanwalts für Sozialrecht verfügt, sich gebührenerhöhend auswirken müsse, z.B. durch die daraus folgende Höherbewertung der Schwierigkeit der Rechtssache. Für eine solche Rechtsauffassung fehlt jeglicher Anhalt (ebenso Thüringer LSG, Beschluss vom 25. Oktober 2010 - L 6 SF 652/10 B). Ergänzend nimmt die Kammer Bezug auf die Ausführungen des BSG in der Entscheidung vom1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R - BSGE 104, 30:

"Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist vorliegend durchschnittlich. Die vom Umfang zu unterscheidende Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit meint die Intensität der Arbeit (Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, RdNr. 16). Ausgehend von einem objektiven Maßstab ist auf einen Rechtsanwalt abzustellen, der sich bei der Wahrnehmung des Mandats darauf beschränken kann und darf, den Fall mit den einschlägigen Rechtsvorschriften, gegebenenfalls unter Heranziehung von Rechtsprechung und Kommentarliteratur, zu bearbeiten. Dies beinhaltet aber auch, dass hierfür spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten in eingeschränktem Umfang erforderlich sein können (BVerwG, Urteil vom17.8.2005 - 6 C 13/04 = [...] RdNr. 28). Damit ist auf der einen Seite unerheblich, ob der Rechtsanwalt wegen geringer Berufserfahrung Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Aufgabe hat. Andererseits spielt es keine Rolle, dass der Anwalt z.B. auf Grund vertiefter Fachkenntnisse oder Erfahrung das Mandat leichter als andere Rechtsanwälte bewältigen kann (vgl. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, RdNr. 16). Hinsichtlich der Einordnung, ob die rechtliche Schwierigkeit durchschnittlich, über- oder unter-durchschnittlich ist, hält es der Senat hingegen nicht für angebracht, nach einzelnen Rechtsgebieten zu differenzieren (aA Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, RdNr. 16; Jungbauer in Bischof, RVG, 2. Aufl. 2007, RdNr. 26 ff). Ohne Aussagekraft ist daher auch, ob hierfür ein Fachanwaltstitel erworben werden kann (aA Jungbauer in Bischof, RVG, 2. Aufl. 2007, RdNr. 31). Von einer nur durchschnittlich schwierigen anwaltlichen Tätigkeit ist dann nicht mehr auszugehen, wenn der zu bearbeitende Fall unter Berücksichtigung des aufgezeigten Maßstabs von einem Normal- bzw. Routinefall abweicht; und zwar bezogen auf jedes Rechtsgebiet (z.B. Sozialrecht), nicht aber jedes Teilrechtsgebiet (z.B. Sozialhilferecht). Damit ist gewährleistet, dass in Rechtsgebieten, die gemeinhin nur deshalb als schwierig empfunden werden, weil kein Fall dem anderen gleicht, überwiegend eine überdurchschnittliche Schwierigkeit angenommen werden kann. Der Routinefall auf dem Gebiet des Sozialrechts ist danach etwa die Darlegung eines Anspruchs auf Leistungen mittels Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Rechtsvorschriften, aber ohne umfangreichere Beweiswürdigung und eingehende Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur. In einer Anfechtungssituation wäre dies die vergleichbare Begründung, warum die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage, auf die sich der Leistungsträger stützt, nicht vorliegen. Dass eine Teilrechtsmaterie einer sehr dynamischen Entwicklung unterliegt, besagt dann für sich aber noch nicht, dass die rechtliche Schwierigkeit überdurchschnittlich ist (aA OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.8.2008 - 1 Verg 1/08 = [...] RdNr. 5). Auch das Tätigwerden in einem "neuen Teilrechtsgebiet", mithin die Anwendung von Normen kurz nach ihrem Inkrafttreten, genügt für sich allein nicht, eine mehr als durchschnittliche rechtliche Schwierigkeit anzunehmen."

8

Nach alledem sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, im vorliegenden Verfahren von der Mittelgebühr abzuweichen. Die von dem Erinnerungsführer geltend gemachte Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG in Höhe von 240,00 EUR erweist sich als unbillig. Es verbleibt somit bei der vom Urkundsbeamten festgesetzten Verfahrensgebühr nach Nrn 3103, 1008 VV RVG in Höhe von 475,00 EUR, da eine Anschlusserinnerung durch den Erinnerungsgegner nicht eingelegt worden ist, so dass eine Herabsetzung der Festsetzung nicht in Betracht kommt.

9

Zutreffend hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle Gebühren und Auslagen in den Verfahren S 28 AS 296/08 sowie S 28 AS 297/08 nicht festgesetzt. Denn in beiden Verfahren wurde zu keinem Zeitpunkt ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt. Entgegen der Rechtsauffassung des Erinnerungsführers ist aber ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich Voraussetzung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe (§ 114 S. 1 ZPO). Dies gilt auch für den Fall, dass mehrere Verfahren verbunden werden und dann ein (gemeinsamer) Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss ergeht. Dieser kann sich grundsätzlich nur auf die verbundenen Verfahren beziehen, in denen zu irgendeinem Zeitpunkt ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt worden ist. Insoweit ist zu beachten, dass auch in verbunden Rechtsstreitigkeiten die Voraussetzungen für die Aussicht auf Erfolg der Rechtsverfolgung oder -erteidigung i.S.d. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO gesondert zu prüfen sind (Sächsisches LSG, Beschluss vom 4. Januar 2010 - L 7 AS 73/09 B PKH). Die Verbindung von Klagen bewirkt nicht, dass aus mehreren Rechtsstreitigkeiten eine einzige Streitigkeit wird. Vorliegend bestand für das Gericht kein Anlass im Rahmen der Entscheidung über den ausschließlich im Verfahren S 28 AS 12/08 gestellten Prozesskostenhilfeantrag auch über einen etwaigen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe in den Verfahren S 28 AS 296/08 bzw. S 28 As 297/08 zu entscheiden. Denn es mangelte insoweit an einem Antrag. Insoweit hatte das Gericht auch keine Veranlassung die Erfolgsaussichten in diesen Verfahren zu überprüfen bzw. den Antrag für diese Verfahren ggf. abzulehnen.

10

Die Entscheidung ist endgültig, § 178 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz. Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar, weil das Normengefüge der §§ 172 ff SGG den Normen des RVG vorgeht (stRspr LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Dezember 2006 - L 8 B 4/06 SO SF; Beschluss vom 21. Februar 2007 - L 7 B 1/07 AL SF; Beschluss vom 1. März 2007 - L 4 B 66/05 KR; Beschluss vom 14. Juni 2007 - L 13 B 4/06 AS SF; Beschluss vom 26. Oktober 2007 - L 14 B 1/06 SF; Beschluss vom 17. Oktober 2008 - L 13 B 4/08 SF; Be-schluss vom 30. Oktober 2008 - L 1 B 2/08 R SF; Beschluss vom 9. Juni 2009 - L 13 B 1/08 SF; Beschluss vom 6. Juli 2009, - L 6 SF 44/09 B sowie Beschluss vom 29. September 2009 - L 6 SF 124/09 B).