Sozialgericht Stade
Beschl. v. 17.01.2011, Az.: S 34 SF 4/11 E

Ausgangspunkt bei Bemessung einer Gebühr ist die sog. Mittelgebühr; Sog. Mittelgebühr als Ausgangspunkt bei der Bemessung einer Gebühr

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
17.01.2011
Aktenzeichen
S 34 SF 4/11 E
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 24125
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2011:0117.S34SF4.11E.0A

Tenor:

Die Erinnerung gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Stade vom 17. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Gründe

1

Streitig ist die Höhe der aus der Landeskasse als Prozesskostenhilfe zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren. Der Erinnerungsführer macht insoweit für das mit dem Verfah-ren S 8 AS 741/07 verbundene Verfahren S 8 AS 602/08 eine höhere Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG geltend. Darüber hinaus macht er in dem nach der Verbindung führenden Verfahren S 8 AS 741/07 sowohl eine höhere Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG als auch eine höhere Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG geltend.

2

Die zulässige Erinnerung ist unbegründet.

3

Zutreffend hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hinsichtlich der Angelegenheit mit dem früheren Aktenzeichen S 8 AS 602/08 eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG in Höhe der Mittelgebühr, d.h. iHv 170,- EUR festgesetzt.

4

Nach §§ 3, 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Rahmengebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und der Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Das Haftungsrisiko ist zu berücksichtigen, § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG. Wenn die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

5

Ausgangspunkt bei der Bemessung der Gebühr ist die sogenannte Mittelgebühr, das heißt die Mitte des gesetzlichen Gebührenrahmens, die anzusetzen ist bei Verfahren durchschnittlicher Bedeutung, durchschnittlichen Schwierigkeitsgrades und wenn die vom Rechtsanwalt/Beistand geforderte und tatsächlich entwickelte Tätigkeit ebenfalls von durchschnittlichem Umfang war. Denn nur so wird eine einigermaßen gleichmäßige Berechnungspraxis gewährleistet. Abweichungen nach unten oder oben ergeben sich, wenn nur ein Tatbestandsmerkmal des § 14 RVG fallbezogen unter- oder überdurchschnittlich zu bewerten ist, wobei das geringere Gewicht eines Bemessungsmerkmals das überwiegende Gewicht eines anderen Merkmals kompensieren kann (Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 18. Auflage 2008, § 14 Rn 11).

6

Vorliegend kann lediglich die Bedeutung der Rechtssache für die Klägerin als überdurchschnittlich angesehen werden. In dem zugrunde liegenden Verfahren S 8 AS 602/08 ging es um die Gewährung von Arbeitslosengeld II, d.h. von existenzsichernden Leistungen, für einen Zeitraum von mehreren Monaten. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit stellt sich dagegen nicht als überdurchschnittlich dar, denn in dem genannten Verfahren wurde lediglich die Klagebegründung von vier Seiten verfasst. Sowohl nach Aktenlage als auch nach dem Vortrag des Erinnerungsführers ist nicht erkennbar, dass weitere Umstände zu berücksichtigen sein könnten. Die Schwierigkeit der Rechtssache kann als durchschnittlich bezeichnet werden, denn in der Sache war das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft und damit das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft i.S.d. Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) streitig. Bei dieser Fragestellung handelt es sich um ein Standardproblem im Bereich des SGB II. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin sind ohne Zweifel als deutlich unterdurchschnittlich anzusehen. Nach alledem sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, von der Mittelgebühr abzuweichen. Die von dem Erinnerungsführer geltend gemachte Verfahrensgebühr iHv 320,- EUR erweist sich demzufolge als unbillig.

7

Auch hinsichtlich des Verfahrens S 8 AS 741/07 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zutreffend die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG iHv 170,- EUR festgesetzt. Hinsichtlich der Bedeutung der Rechtssache, der Schwierigkeit der Rechtssache und der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin gelten obige Ausführungen auch insoweit, denn auch dieses Verfahren betraf die Gewährung von Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung der Streitfrage, ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt oder nicht. Lediglich der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit stellt sich in diesem Verfahren als etwas höher dar, da neben der Klagebegründung noch drei weitere kürzere Schriftsätze gefertigt worden sind. Unter Berücksichtigung aller Kriterien des § 14 RVG kann jedoch auch in diesem Verfahren nicht davon ausgegangen werden, dass ein Abweichen von der Mittelgebühr nach oben - wie vom Erinnerungsführer geltend gemacht - gerechtfertigt ist. Die geltend gemachte Verfahrensgebühr iHv 320,- EUR erweist sich daher als unbillig.

8

Auch die vom Urkundsbeamten festgesetzte Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG iHv 200,- EUR, d.h. ebenfalls in Höhe der Mittelgebühr, ist nicht zu beanstanden.

9

Im Rahmen der Festsetzung der Terminsgebühr kommt dem Kriterium des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit eine entscheidende Bedeutung zu. Richtungweisend kann in diesem Zusammenhang regelmäßig die Dauer des durchgeführten Gerichtstermins bzw. der durchgeführten Gerichtstermine sein. Die Kammer geht davon aus, dass von einem durchschnittlichen Gerichtstermin in einem sozialgerichtlichem Verfahren bei einer Dauer von 30 Minuten auszugehen ist. Insoweit ist jedoch kein zu starrer Maßstab anzulegen, sodass ohne weiteres auch bei einer Terminsdauer von 15-45 Minuten noch von einem durchschnittlichen sozialgerichtlichen Termin auszugehen ist, der regelmäßig hinreichend vergütet ist mit der Mittelgebühr nach Nr. 3106 VV RVG. Nach Auffassung der Kammer kann regelmäßig ab Überschreitung der Grenze von 45 Minuten für jede weitere Viertelstunde Terminsdauer eine Erhöhung der Mittelgebühr um (weitere) 20% ausgehend von der Mittelgebühr als gerechtfertigt angesehen werden. Dies hat zur Folge, dass im Regelfall eine Terminsdauer von 45-60 Minuten eine Terminsgebühr rechtfertigt von der Mittelgebühr zuzüglich eines Zuschlags von 20%, bei einer Terminsdauer bis 75 Minuten von der Mittelgebühr zuzüglich eines Zuschlags von 40%, bei einer Terminsdauer bis 90 Minuten von der Mittelgebühr zuzüglich eines Zuschlags von 60%, bei einer Terminsdauer bis 105 Minuten von der Mittelgebühr zuzüglich eines Zuschlags von 80%, bei einer darüber hinaus gehenden Terminsdauer von der Höchstgebühr. Unter Berücksichtigung der weiteren Kriterien des § 14 RVG können allerdings Abweichungen von diesen Maßgaben gerechtfertigt sein.

10

Vorliegend dauerte die mündliche Verhandlung, die nach der Verbindung der Vorverfahren beide genannten Verfahren umfasste, insgesamt etwa 40 Minuten. Unter Berücksichtigung obiger Ausführungen ist daher ein Abweichen von der Mittelgebühr nach oben nicht zu rechtfertigen. Die von dem Erinnerungsführer geltend gemachte Terminsgebühr iHv 380,- EUR erweist sich mithin als unbillig.

11

Die Entscheidung ist unanfechtbar, § 197 Abs. 2 SGG.