Sozialgericht Stade
Urt. v. 06.12.2011, Az.: S 28 AS 413/09
Ablehnung der Anrechnung von darlehensweise überlassenen Geldes als Einkommen
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 06.12.2011
- Aktenzeichen
- S 28 AS 413/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 34822
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2011:1206.S28AS413.09.0A
Rechtsgrundlage
- § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II
Tenor:
Der Bescheid des Beklagten vom 10. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2009 wird aufgehoben und der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 02. September 2008 bis zum 31. Oktober 2008 Leistungen nach demZweiten Buch Sozialgesetzbuch in gesetzlicher Höhe ohne Anrechnung eines Einkommens in Höhe von 356,67 EUR im September 2008 und in Höhe von 70,00 EUR im Oktober 2008 zu gewähren und die jeweiligen Nachzahlungsbeträge ab dem 01. Januar 2009 mit 4% zu verzinsen. Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Gewährung weiterer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 02. September 2008 bis zum 31. Oktober 2008. Er wendet sich gegen die Anrechnung ihm von Dritter Seite zugewandter Zahlungen in Höhe von insgesamt 426,67 EUR als Einkommen.
Der 1971 geborene Kläger betreibt zusammen mit seiner Vermieterin und Geschäftspartnerin, Frau G., die H ... Diese warf bisher keinen nennenswerten Gewinn ab. In der Vergangenheit finanzierte der Kläger seinen Lebensunterhalt - nach eigenen Aussagen - zunächst durch Ersparnisse. Für die Zeit von März bis August 2008 stellte ihm Frau I. - nach eigenen Aussagen darlehensweise - 3.590,00 EUR zur Verfügung.
Am 02. September 2008 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 20. September 2008 und 06. Oktober 2008 bat der Kläger den Beklagten sodann unter Schilderung seiner Notlage um die Ausstellung einer Bescheinigung über die erfolgte Antragstellung zur Vorlage bei der J. und ersuchte den Beklagten um die Gewährung eines Vorschusses.
Auf die Aufforderung des Beklagten, Nachweise über private Kredite von Verwandten und Freunden vorzulegen, reichte der Kläger am 08. Oktober 2008 eine schriftliche Darlehensbetätigung vom 05. Oktober 2008, unterzeichnet von Frau G., ein. Frau I. bestätigt damit, dass sie dem Kläger u.a. folgende Geldbeträge im Sinne eines zinslosen Darlehens überlassen bzw. gestundet hat: Am 01. September 2008 400,00 EUR für den Lebensunterhalt für 09/08 (4 Wochen) sowie 330,00 EUR für die Miete und Nebenkosten für 09/08 und am 01. Oktober 2008 100,00 EUR für den Lebensunterhalt für 10/08 (1 Woche). Rück-zahlbar seien die Beträge, sobald das gemeinsam betriebene Unternehmen Profit abwerfe bzw. der Kläger anderweitig zu seinen Lebensunterhalt übersteigenden Geldbeträgen komme. Ab sofort müsse sie die Darlehensgabe beenden, da sie über keine Reserven (Arbeitgeberabfindung) mehr verfüge. Die Miete für Oktober 2008 sei seit Ende September fällig. Sie sei dringend auf die Zahlung dieser angewiesen, da sie selbst ihren Zahlungsverpflichtungen für ihr Haus nachkommen müsse.
Mit Bescheid vom 17. Oktober 2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger zunächst vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 02. September 2008 bis zum 31. März 2009.
Mit Bescheid vom 10. November 2008 setzte der Beklagte die Leistungen für die Zeit vom 02. September 2008 bis zum 31. März 2009 endgültig fest. Er bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 02. - 30. September 2008 Leistungen in Höhe von 250,24 EUR und für die Zeit vom 01. - 31. Oktober 2008 in Höhe von 558,88 EUR. Der Beklagte rechnete auf den Bedarf des Klägers die erhaltenen Zuwendungen von Frau G., die für den Lebensunterhalt bestimmt waren, als Einkommen an. Für die Zeit vom 02. - 30. September 2008 rechnete der Beklagte ein Einkommen in Höhe von 386,67 EUR (= 400,00 EUR im Monat) und für die Zeit vom 01. - 31. Oktober 2008 ein Einkommen in Höhe von 100,00 EUR an.
Der Kläger erhob am 11. Dezember 2008 Widerspruch gegen den Bescheid vom 10. November 2008. Das gewährte Darlehen stelle kein anrechenbares Einkommen dar. Trotz mehrfacher telefonischer und schriftlicher Schilderungen seiner Notlage und Bitte um einen Vorschuss sei keine Reaktion des Beklagten erfolgt. Er sei daher gezwungen gewesen, Frau I. um ein weiteres Privatdarlehen zu bitten, welches sie ihm unter der Voraussetzung der sofortigen Rückzahlung nach Erhalt der SGB II-Leistungen zur Verfügung gestellt habe.
Mit Schreiben vom 02. März 2009 teilte der Kläger dem Beklagten auf dessen Nachfrage und unter Übersendung von Quittungen mit, dass er im Januar 2009 mit der Rückzahlung begonnen habe. Jeweils zum 3. eines Monats zahle er 10,00 EUR in bar an Frau G ...
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2009 hob der Beklagte seinen Bescheid vom 10. November 2008 insoweit auf, als er nunmehr in den Monaten September und Oktober 2008 die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR monatlich berücksichtigte. Der Beklagte gewährte dem Kläger danach für den Monat September 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 280,24 EUR und für den Monat Oktober 2008 in Höhe von 588,88 EUR. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Eine darlehensbedingte Einnahme sei nur dann anrechnungsfrei, wenn die Rückzahlungsverpflichtung in denselben Bewilligungszeitraum wie die Darlehensauszahlung falle und die Rückzahlung (grundsätzlich in voller Höhe) auch tatsächlich erfolge, das gewährte Darlehen demnach also einkommensneutral sei. Darlehenszuwendungen seien als Einkommen zu berücksichtigen, wenn die Verpflichtung zur Rückzahlung außerhalb desselben Bewilligungszeitraumes beginne oder gar außerhalb des Leistungsbezuges liege. Für den Kläger bestehe derzeit augenscheinlich keinerlei Verpflichtung zur Rückzahlung der erhaltenen Beträge, da er über keinerlei seinen Lebensunterhalt übersteigende Geldbeträge verfüge. Im Übrigen sei zweifelhaft, inwieweit der vorgelegte Darlehensvertrag bzw. die darin niedergelegten Pflichten zwischen den Parteien überhaupt ernst gemeint seien.
Der Kläger hat am 15. Juni 2009 Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt.
Zur Begründung seiner Klage trägt er vor, dass er aus gesundheitlichen Gründen in der Zeit von März bis August 2008 nicht in der Lage gewesen sei, einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu stellen. Frau I. habe ihm daher für diese Zeit ein zinsloses Darlehen in Höhe von 3.590,00 EUR gewährt. Er habe dieses Darlehen zurückzuzahlen, sobald er wieder über finanzielle Mittel verfüge. Frau Hahn sei dringend auf die Rückzahlung der Darlehenssumme angewiesen, da sie die Darlehensbeträge aus ihrer Abfindung entnommen habe, die nunmehr aufgebraucht sei. Bei Antragstellung am 02. September 2008 habe er auf seine Notlage und die Dringlichkeit einer Entscheidung hingewiesen. Aufgrund der langen Bearbeitungsdauer sei er im September und Oktober 2008 ohne Einkommen gewesen. Sein Antrag auf Bescheinigung der Antragstellung und auf Gewährung eines Vorschusses sei unbeantwortet geblieben. Um die lange Bearbeitungsdauer zu überbrücken, habe Frau I. ihm im September und Oktober 2008 ein weiteres Darlehen über 830,00 EUR gewährt, damit er für seinen Lebensunterhalt und die Miete aufkommen konnte. Auch diesbezüglich sei eine Rückzahlung vereinbart worden. Auf Drängen des Beklagten sei die Darlehensvereinbarung am 05. Oktober 2008 schriftlich niedergelegt worden. Er habe auch bereits mit der Rückzahlung des Darlehens begonnen; seit Januar 2009 zahle er monatliche Raten à 10,00 EUR an Frau Hahn. Aufgrund dieser Umstände sei das Darlehen nicht als Einkommen anzusehen. Als Einkommen nicht zu berücksichtigen seien nämlich darlehensweise zufließende Geldmittel, die von vornherein einer Rückzahlungsverpflichtung unterlägen. Eine Veränderung der Vermögenssituation des Hilfebedürftigen trete dann nämlich nicht ein. Das Bestehen einer Rückzahlungsverpflichtung werde vorliegend sowohl durch die Darlehensbestätigung als auch durch die Aufnahme der Darlehensrückzahlung deutlich. Ein fester Rückzahlungstermin sei nicht erforderlich; ebenso müsse das Darlehen nicht im laufenden Bewilligungsabschnitt zurückzuzahlen sein. Entscheidend sei, dass überhaupt eine Rückzahlung vereinbart worden sei. Er und Frau I. seien davon ausgegangen, dass das gemeinsame Unternehmen gewinnbringend arbeiten werde und sich die finanzielle Situation verbessern werde. Gerade deswegen habe Frau Hahn ihm bei eigener finanziell angespannter Lage das Darlehen gewährt. Frau Hahn habe insbesondere nicht billigend in Kauf genommen, dass eine Rückzahlungsverpflichtung auf lange Zeit nicht besteht. Sie sei vom Erfolg des Unternehmens überzeugt gewesen. Zudem sei ergänzend vereinbart worden, dass er ab Januar 2009 monatlich 10,00 EUR zurückzahle.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 10. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 02. September 2008 bis zum 31. Oktober 2008 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch in gesetzlicher Höhe ohne Anrechnung eines Einkommens in Höhe von 356,67 EUR im September 2008 und in Höhe von 70,00 EUR im Oktober 2008 zu gewähren und die jeweiligen Nachzahlungsbeträge ab dem 01. Januar 2009 mit 4% zu verzinsen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er erwidert: Im September und Oktober 2008 seien dem Kläger Zahlungen in Höhe von 400,00 EUR (für 09/08) und 100,00 EUR (für 10/08) zugewandt worden. Diese Darlehen seien als Einkommen zu berücksichtigen. Aufgrund der Rückzahlungsvereinbarung sei das Darlehen rückzahlbar, sobald das gemeinsam betriebene Unternehmen Profit abwerfe bzw. der Kläger anderweitig zu seinen Lebensunterhalt übersteigenden Geldbeträgen komme. Es sei damit keine Rückzahlungsvereinbarung getroffen worden, die eine Veränderung der Vermögenssituation des Klägers ausschließe. Zunächst sei eine Verbesserung der Vermögensposition des Klägers eingetreten. Der Darlehensbestätigung sei nicht zu entnehmen, dass Frau I. dringend auf die Rückzahlung des gesamten Darlehens angewiesen sei; vielmehr werde auf die Dringlichkeit hinsichtlich der Miete für Oktober 2008 hingewiesen. Bezogen auf das Darlehen für den Lebensunterhalt, welches leistungsmindernd berücksichtigt worden sei, bestehe keine konkrete Verpflichtung, dieses Darlehen zurückzuzahlen. Es sei kein konkretes Datum für die Rückzahlung vereinbart worden. Die Vermögensverbesserung sei daher nicht lediglich von kurzer Dauer. Das Unternehmen des Klägers habe bislang keinen nennenswerten Gewinn erwirtschaftet und der Kläger stehe noch im Leistungsbezug. Damit sei das Darlehen entsprechend der Rückzahlungsvereinbarung noch nicht rückzahlbar. Ob die Voraussetzungen für das Eintreten der Rückzahlungsvereinbarung überhaupt je erfüllt würden, sei nicht absehbar. Eine konkrete Rückzahlungsverpflichtung stehe nicht fest. Frau I. habe billigend in Kauf genommen, dass möglicherweise eine Rückzahlungsverpflichtung des Klägers auf lange Sicht, eventuell sogar überhaupt nicht, besteht.
Mit Beschluss der Kammer vom 11. August 2009 ist dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, sowie auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
Der Bescheid des Beklagten vom 10. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2009 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Zu Unrecht hat der Beklagte die dem Kläger von Frau I. in den Monaten September und Oktober 2008 zur Verfügung gestellten Geldbeträge bei der Leistungsberechnung als Einkommen angerechnet. Der Kläger hat für die Zeit vom 02. September 2008 bis zum 31. Oktober 2008 einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in gesetzlicher Höhe ohne Anrechnung eines Einkommens in Höhe von 356,67 EUR im September 2008 und in Höhe von 70,00 EUR im Oktober 2008 (dazu unter 1.). Er hat des Weiteren einen Anspruch auf Verzinsung der jeweiligen Nachzahlungsbeträge ab dem 01. Januar 2009 mit 4% (dazu unter 2.).
1.
Der Kläger hat für die Zeit vom 02. September 2008 bis zum 31. Oktober 2008 einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung eines Einkommens in Höhe von 356,67 EUR im September 2008 und in Höhe von 70,00 EUR im Oktober 2008. Der Beklagte hat bei der Leistungsberechnung auf den Bedarf des Klägers zu Un-recht die erhaltenen Zuwendungen des Klägers von Frau G., die für den Lebensunterhalt bestimmt waren, als Einkommen angerechnet.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der im Jahr 2008 geltenden Fassung sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden. Dabei ist Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2010 - B 14 AS 46/09 R - zitiert nach [...]).
Aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II folgt keine weitergehende Definition dessen, was Einkommen ist. Lediglich die im zweiten Satzteil genannten Leistungen sind von vornherein von der Berücksichtigung ausgenommen. Im Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 SGB II kann nach Sinn und Zweck der Norm eine von einem Dritten lediglich vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung nicht als Einkommen qualifiziert werden. Nur der "wertmäßige Zuwachs" stellt Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II dar; als Einkommen sind nur solche Einnahmen in Geld oder Geldeswert anzusehen, die eine Veränderung des Vermögensstandes dessen bewirken, der solche Einkünfte hat. Dieser Zuwachs muss dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleiben, denn nur dann lässt er seine Hilfebedürftigkeit dauerhaft entfallen. Ein Darlehen, das an den Darlehensgeber zurückzuzahlen ist, stellt damit als nur vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung kein Einkommen dar, auch wenn es als "bereites Mittel" zunächst zur Deckung des Lebensunterhalts verwandt werden könnte. Auf eine "faktische" Bedarfsdeckung, die die Hilfebedürftigkeit entfallen lässt, kommt es nicht an; entscheidend ist allein, ob im Bedarfszeitraum Einkommen in bedarfsdeckender Höhe tatsächlich und zur end-gültigen Verwendung zur Verfügung steht. Aus diesem Grund ist bei der Qualifizierung einer Darlehenszahlung als Einkommen nicht danach zu unterscheiden, ob es sich um eine "Nothilfeleistung" des Dritten handelt (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2010 - B 14 AS 46/09 R - zitiert nach [...]).
Eine Differenzierung danach, ob die durch den Darlehensvertrag vereinbarte Verpflichtung zur vollständigen Rückerstattung in denjenigen Bewilligungsabschnitt fällt, in dem die Darlehenssumme dem Hilfebedürftigen zugeflossen ist, scheidet ebenfalls aus. Weil Hilfebedürftigkeit als Leistungsvoraussetzung über den Bewilligungszeitraum hinaus und unabhängig von einer (erneuten) Antragstellung vorliegen kann, ist der Bewilligungsabschnitt als solcher weder geeigneter "Verteilzeitraum" für einmalige Einnahmen, noch kommt es für die Prüfung von Hilfebedürftigkeit darauf an, ob diese bis zum Ende des bei Antragstellung in Blick genommenen Bewilligungsabschnitts oder darüber hinaus fortbesteht (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2010 - B 14 AS 46/09 R - zitiert nach [...]).
Entscheidend für die Abgrenzung ist damit allein, ob ein Darlehensvertrag entsprechend § 488 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zivilrechtlich wirksam abgeschlossen worden ist. Um der Gefahr eines Missbrauchs von Steuermitteln entgegenzuwirken, ist es allerdings geboten, an den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit eines Darlehensvertrages - insbesondere unter Verwandten - strenge Anforderungen zu stellen. Dies setzt voraus, dass sich die Darlehensgewährung auch anhand der tatsächlichen Durchführung klar und eindeutig von einer verschleierten Schenkung oder einer verdeckten, auch freiwilligen Unterhaltsgewährung abgrenzen lässt. Weil und soweit der für den Hilfebedürftigen günstige Umstand, dass ein nachgewiesener Zufluss gleichwohl als Einkommen nicht zu berücksichtigen ist, seine Sphäre betrifft, obliegen ihm bei der Aufklärung der erforderlichen Tatsachen Mitwirkungspflichten; die Nichterweislichkeit der Tatsachen geht zu seinen Lasten. Bei der vorzunehmenden Prüfung, ob überhaupt ein wirksamer Darlehensvertrag geschlossen worden ist, können einzelne Kriterien des sog. Fremdvergleichs herangezogen und bei der abschließenden, umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles mit eingestellt werden. Die Wahrung von im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten (wie der Vereinbarung der in § 488 Abs. 1 BGB genannten weiteren Vertragspflichten) kann damit als ein Indiz dafür gewertet werden, dass ein Darlehensvertrag tatsächlich geschlossen worden ist. Demgegenüber spricht es etwa gegen die Glaubhaftigkeit einer solchen Behauptung, wenn der Inhalt der Abrede (insbesondere die Darlehenshöhe sowie die Rückzahlungsmodalitäten) und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht substanziiert dargelegt werden oder ein plausibler Grund für den Ab-schluss des Darlehensvertrages nicht genannt werden kann. Es ist aber nicht erforderlich, dass sowohl die Gestaltung (z.B. Schriftform, Zinsabrede oder Gestellung von Sicherheiten) als auch die Durchführung des Vereinbarten in jedem Punkte dem zwischen Fremden - insbesondere mit einem Kreditinstitut - Üblichen zu entsprechen hat (vgl. BSG, Urteil vom17.06.2010 - B 14 AS 46/09 R - zitiert nach [...]).
Die Kammer ist nach der Durchführung der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei den dem Kläger von Frau I. zur Verfügung gestellten Geldbeträgen in Höhe von 400,00 EUR im September 2008 und 100,00 EUR im Oktober 2008 nicht um berücksichtigungsfähiges Einkommen im Sinne des § 11 SGB II handelt. Es handelt sich um eine von Frau I. lediglich vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung, die dem Kläger nicht zur endgültigen Verwendung verbleibt und die daher nicht als Einkommen qualifiziert werden kann. Nach übereinstimmender und glaubwürdiger Darstellung des Klägers und der Zeugin Frau I. in der mündlichen Verhandlung handelt es sich um ein Darlehen, das an Frau I. als Darlehensgeberin zurückzuzahlen ist. Der Kläger und Frau I. haben nach Auffassung des Gerichts den Grund für die Gewährung des Darlehens plausibel geschildert: Der Kläger verfügte in den Monaten September und Oktober 2008 nicht über finanzielle Mittel, um seinen Lebensunterhalt zu sichern; insbesondere hat der Beklagte ihm auf seinen Antrag vom 02. September 2008 erst mit Bescheid vom 17. Oktober 2008 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bewilligt. Frau Hahn hat ihm in dieser Situation ausgeholfen, indem sie ihm gewissermaßen die Leistungen vorgestreckt hat. Der Kläger und Frau I. haben zur Überzeugung des Gerichts übereinstimmend geschildert, dass sie insoweit mündlich vereinbart hätten, dass die Leistungen zurückzuzahlen seien, sobald der Beklagte die Leistungen erbringe. In dieser mündlichen Abrede erblickt die Kammer eine wirksame Rückzahlungsverpflichtung; die Beteiligten waren sich darüber einig, dass eine Rückzahlung zu dem Zeitpunkt der Leistungsbewilligung zu erfolgen hat. Es handelte sich um ein sog. Überbrückungsdarlehen. Eine solche mündliche Abrede ist auch wirksam, insbesondere ist eine Schriftform nicht erforderlich. Soweit die Darlehensbestätigung vom 05. Oktober 2008 in der Formulierung von dieser mündlichen Vereinbarung abweicht, indem dort die Rede davon ist, dass die Beträge rückzahlbar seien, sobald das gemeinsam betriebene Unternehmen Profit abwerfe bzw. der Kläger anderweitig zu seinen Lebensunterhalt übersteigenden Geldbeträgen komme, beruht dies offenbar auf einer unbewusst schlechten Formulierung durch den Kläger und Frau Hahn. Der Kläger und Frau I. haben übereinstimmend geschildert, dass die Formulierung in der Darlehensbestätigung "sobald der Kläger anderweitig zu seinen Lebensunterhalt übersteigenden Geldbeträgen komme" so gemeint sei, dass die Beträge dann zurückgezahlt werden sollten, sobald der Beklagte die Leistungen bewilligt habe. Dass es letztlich nicht zu der ursprünglich - mündlich - vereinbarten Rückzahlung gekommen ist, beruhte letztlich auf Umständen, die der Kläger und Frau I. nicht berücksichtigt hatten, nämlich der Tatsache, dass der Beklagte dem Kläger nur Leistungen in geminderter Höhe unter Anrechnung eines Einkommens gewährt hat. Der Kläger und Frau I. haben insoweit plausibel geschildert, dass sie sich sodann auf eine ratenweise Rückzahlung in Höhe von monatlich 10,00 EUR ab Januar 2009 geeinigt haben. Sie haben zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass der Kläger seit dem Januar 2009 monatlich 10,00 EUR an Frau I. zurückzahlt. Frau I. hat dazu das entsprechende Quittungsheft vorgelegt. Sie hat klargestellt, dass sie auf eine vollständige Rückzahlung bestehe, dass der Kläger jedoch zurzeit nicht mehr zahlen könne. Insbesondere auch vor dem Hintergrund der - mittlerweile zumindest teilweise erfolgten - Rückzahlung der Beträge an Frau I. ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass Frau I. dem Kläger lediglich vorübergehend Leistungen zur Verfügung gestellt hat und diese mit einer wirksamen Rückzahlungsverpflichtung belastet sind, so dass es sich nicht um berücksichtigungsfähiges Einkommen handelt.
2.
Der Beklagte hat dem Kläger die sich aus Ziffer 1. ergebenden Nachzahlungsbeträge ab dem 01. Januar 2009 mit 4% zu verzinsen.
Nach § 44 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4% zu verzinsen. Die Behörde hat nach dem Wortlaut des § 44 SGB I über einen etwaigen Zinsanspruch des Leistungsempfängers daher auch ohne besonderen Antrag von Amts wegen zu entscheiden, was der Rechtsnatur der Zinsen als akzessorische Nebenleistung entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 11.09.1980 - 5 RJ 108/79 - zitiert nach [...], m.w.N.). Da der Beklagte deutlich gemacht hat, dass eine Verzinsung von Amts wegen nicht erfolgen wird, ist die vorliegende gerichtliche Entscheidung notwendig.
Die Verzinsung beginnt nach § 44 Abs. 2 SGB I frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung. Der Beginn der Verzinsung nach der 2. Alternative ist auch dann maßgebend, wenn zwar ein Antrag vorliegt, die 2. Alternative aber gegenüber der 1. Alternative zu einem früheren Beginn der Verzinsung führt (vgl. SG Karlsruhe, Urteil vom 22.09.2008 - S 5 AS 5380/07 - m.w.N.; SG Lüneburg, Gerichtsbescheid vom 11.12.2006 - S 28 AS 1266/06 -).
Letzteres ist hier der Fall. Ausgehend von einer Bekanntgabe des angefochtenen Bescheides vom 10. November 2008 am 13. November 2008 (vgl. § 37 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) beginnt die Verzinsung hier am 01. Januar 2009.
Weitere Anspruchsgrundlagen für die Übernahme von Zinsen existieren nicht. Die zivil-rechtlichen Vorschriften über Ansprüche auf Verzugszinsen gemäß § 288 BGB und auf Prozesszinsen gemäß § 291 BGB finden in sozialrechtlichen Streitigkeiten keine entsprechende Anwendung. Die Regelung des § 44 SGB I ist abschließend (vgl. SG Braunschweig, Urteil vom 27.08.2009 - S 25 AS 3138/08 - m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.