Sozialgericht Stade
Beschl. v. 01.07.2011, Az.: S 34 SF 7/11
Gericht kann im Rahmen der Überprüfung der Festsetzung von Gebühren durch den Urkundsbeamten trotz Verböserungsverbots eine niedrigere Gesamtfestsetzung vornehmen; Niedrigere Gesamtfestsetzung durch das Gericht im Rahmen der Überprüfung der Festsetzung von Gebühren durch den Urkundsbeamten trotz Verböserungsverbots; Bemessung einer Einigungsgebühr und Terminsgebühr bei einer Rechtssache von durchschnittlicher Bedeutung
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 01.07.2011
- Aktenzeichen
- S 34 SF 7/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 24178
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2011:0701.S34SF7.11.0A
Rechtsgrundlagen
- Nr. 1008 VV RVG
- Nr. 3103 VV RVG
- Nr. 3106 VV RVG
- § 3 RVG
- § 14 RVG
Tenor:
Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Stade vom 7. März 2011 geändert. Die aus der Landeskasse an den Erinnerungsführer zu erstattenden Kosten werden auf 631,89 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Gründe
Streitig ist die Höhe der aus der Landeskasse als Prozesskostenhilfe zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren. Der Erinnerungsführer macht die Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG geltend, nachdem das Verfahren durch Vergleich im schriftlichen Verfahren seine Erledigung gefunden hat.
Im Rahmen des Erinnerungsverfahrens kann das Gericht grundsätzlich alle von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festgesetzten Gebühren überprüfen. Insbesondere kann das Gericht im Rahmen der vorzunehmen Gesamtbetrachtung hinsichtlich der im Einzelnen festgesetzten Gebühren zu dem Ergebnis gelangen, dass die Gebühr tatsächlich niedriger festzusetzen ist als von dem Urkundsbeamten festgesetzt. Das Gericht kann lediglich - sofern ausschließlich der Rechtsanwalt als Erinnerungsführer Erinnerung eingelegt hat - insgesamt keine Verböserung der Festsetzung vornehmen. Eine niedrigere Festsetzung einzelner Gebühren ist jedoch dann möglich, wenn insgesamt dennoch eine höhere Gesamtfestsetzung erfolgt.
Zutreffend und antragsgemäß hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle eine Verfahrensgebühr nach Nrn 3103, 1008 VV RVG iHv 221,- EUR festgesetzt.
Die festgesetzte Einigungsgebühr, die mit 228,- EUR unter der beantragten Höhe von 280,- EUR verbleibt, erweist sich dagegen als zu hoch. Geltend gemacht werden kann lediglich eine Einigungsgebühr in Höhe der Mittelgebühr, d.h. iHv 190,- EUR.
Nach §§ 3, 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Rahmengebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und der Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Das Haftungsrisiko ist zu berücksichtigen, § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG. Wenn die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
Ausgangspunkt bei der Bemessung der Gebühr ist die sogenannte Mittelgebühr, das heißt die Mitte des gesetzlichen Gebührenrahmens, die anzusetzen ist bei Verfahren durchschnittlicher Bedeutung, durchschnittlichen Schwierigkeitsgrades und wenn die vom Rechtsanwalt/Beistand geforderte und tatsächlich entwickelte Tätigkeit ebenfalls von durchschnittlichem Umfang war. Denn nur so wird eine einigermaßen gleichmäßige Berechnungspraxis gewährleistet. Abweichungen nach unten oder oben ergeben sich, wenn nur ein Tatbestandsmerkmal des § 14 RVG fallbezogen unter- oder überdurchschnittlich zu bewerten ist, wobei das geringere Gewicht eines Bemessungsmerkmals das überwiegende Gewicht eines anderen Merkmals kompensieren kann (Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 18. Auflage 2008, § 14 Rn 11).
Die Höhe der Einigungsgebühr ist grundsätzlich unabhängig von der Höhe der Verfahrensgebühr bzw. Terminsgebühr nach Maßgabe des § 14 RVG zu bestimmen. Vorliegend handelt es sich um eine Rechtssache durchschnittlicher Bedeutung für die Kläger. In dem Verfahren ging es nicht um die Gewährung laufender Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), d.h. es ging nicht um die Gewährung existenzsichernder Leistungen im laufenden Leistungsbezug. Stattdessen waren Gegenstand des Verfahrens mehrere Rückforderungsbescheide. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit kann nicht als überdurchschnittlich angesehen werden. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die erzielte Einigung. Der Vergleichsvorschlag wurde im Wesentlichen vom Gericht unterbreitet, es ist nicht ersichtlich, dass die Beteiligten umfangreiche Vergleichsgespräche geführt haben. Soweit der Erinnerungsführer vorträgt, er habe Telefonate mit dem Beklagten geführt, um einzelne Punkte des Vergleichsvorschlags im Detail zu ändern, so wird dieser Aspekt bereits mit der ebenfalls beantragten Terminsgebühr hinreichend berücksichtigt. Eine doppelte Berücksichtigung allein dieser geführten Telefonate kommt nicht in Betracht. Anhaltspunkte dafür, dass die Schwierigkeit der Rechtssache sich als überdurchschnittlich darstellt, sind weder ersichtlich noch vorgetragen worden. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Schwierigkeit der Rechtssache durchschnittlicher Natur gewesen ist. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger stellen sich als deutlich unterdurchschnittlich dar. Nach alledem kommt eine Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG ausschließlich in Höhe der Mittelgebühr, d.h. iHv 190,- EUR in Betracht. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass offenbar auch der Erinnerungsführer - ausgehend von der unzutreffenden Nr. 1005 VV RVG - die Mittelgebühr zugrunde legen wollte.
Der Erinnerungsführer kann darüber hinaus eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG geltend machen. Insofern verweist der Erinnerungsführer nachvollziehbar auf die Vorbemerkung 3 Abs. 3. Nach dem Vortrag des Erinnerungsführers ist davon auszugehen, dass über einzelne Details des Vergleichs in Telefongesprächen mit dem Beklagten ohne Hinzuziehung des Gerichts gesprochen wurde. Hinsichtlich der insoweit entstandenen Terminsgebühr kann von einer Durchschnittlichkeit allerdings nicht ausgegangen werden. Zu berücksichtigen ist, dass der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit insoweit nicht durchschnittlichen Anforderungen genügt. Es ist nicht ersichtlich und nicht nachvollziehbar, dass der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit über ggf. zwei kürzere Telefonate hinaus ging. Die Bedeutung der Rechtssache ist diesbezüglich ebenfalls als unterdurchschnittlich anzusehen, da es lediglich darum ging sicherzustellen, dass neben der Tilgung von monatlichen Raten à 50,- EUR keine weiteren Tilgungsraten für Darlehensforderungen aufzubringen sind. Da es insoweit lediglich um die Höhe der monatlich zu erbringenden Raten ging, ist auch die Schwierigkeit der Rechtssache als unterdurchschnittlich anzusehen. Im Übrigen ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die wesentliche Arbeit durch die vom Gericht gemachte Vorgabe (Vergleichsvorschlag) erfolgt ist. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger sind unterdurchschnittlich. Nach alledem hält das Gericht eine Terminsgebühr in Höhe der halben Mittelgebühr für gerechtfertigt. Die Bestimmung der Gebühr durch den Rechtsanwalt erweist sich als unbillig.
Nach alledem berechnen sich die zu erstattenden Auslagen und Gebühren wie folgt:
Verfahrensgebühr Nrn 3103, 1008 VV RVG 221,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 100,00 EUR Einigungsgebühr Nr. 1005, 1000 VV RVG 190,00 EUR Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Zwischensumme 531,00 EUR 19% Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 100,89 EUR Gesamtbetrag 631,89 EUR.
Über diesen Betrag hinausgehende Ansprüche kann der Erinnerungsführer nicht geltend machen.
Die Entscheidung ist unanfechtbar, § 197 Abs. 2 SGG.