Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 14.06.2007, Az.: L 13 B 4/06 AS SF
Vergütung eines beigeordneten Rechtsanwalts im Rahmen der Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein erstinstanzliches Klageverfahren um Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II); Festsetzung der Terminsgebühr durch das Gericht deutlich unterhalb der Mittelgebühr; Möglichkeit einer Beschwerde an das Landessozialgericht (LSG) gegen eine Entscheidung des Sozialgericht (SG) im Vergütungsfestsetzungsverfahren; Streit um die Festsetzung der Vergütung nach Bewilligung von PKH
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 14.06.2007
- Aktenzeichen
- L 13 B 4/06 AS SF
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 34001
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2007:0614.L13B4.06AS.SF.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Oldenburg - 03.08.2006 - AZ: S 10 SF 130/06
Rechtsgrundlagen
- § 178 S. 1 SGG
- § 197 Abs. 1 S. 1 SGG
- § 33 Abs. 3 RVG
- § 55 RVG
- § 56 Abs. 2 S. 1 RVG
Fundstelle
- RVGreport 2007, 384 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
Tenor:
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 3. August 2006 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der Vergütung des Beschwerdeführers, der als Rechtsanwalt im Rahmen der Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) im Rahmen eines erstinstanzlichen Klageverfahrens um Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) beigeordnet war. Das Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg ist am 14. März 2006 ohne mündliche Verhandlung entschieden worden; die Berufung gegen das Urteil wurde zugelassen und ist unter dem Aktenzeichen L 7 AS 173/06 anhängig.
Der Beschwerdeführer begehrt die Festsetzung einer Vergütung i. H. v. 629,88 EUR, die sich u.a. aus einer Verfahrensgebühr, einer Terminsgebühr nach Nr. 3106 Vergütungsverzeichnis (VV) des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) i. H. v. 200,00 EUR und einer Post- und Telekommunikationspauschale zuzüglich Umsatzsteuer zusammensetzen. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat unter dem 29. Mai 2006 die Vergütung auf insgesamt 513,88 EUR festgesetzt, wobei die Gebühr nach Nr. 3106 VV RVG mit 100,00 EUR angesetzt worden ist. Die hiergegen fristgerecht eingelegte Erinnerung des Beschwerdeführers hat der zuständige Richter des SG Oldenburg mit Beschluss vom 3. August 2006 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Gebühr von 100,00 EUR erscheine als Terminsgebühr im vorliegenden Falle angemessen. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen ein Termin zur mündlichen Verhandlung gar nicht stattgefunden habe, sei zu prüfen, welchen Arbeitsumfang ein Termin zur mündlichen Verhandlung voraussichtlich gehabt hätte, wenn auf seine Durchführung nicht verzichtet worden wäre. Im vorliegenden Verfahren sei davon auszugehen, dass ein solcher Termin zur mündlichen Verhandlung nicht besonders aufwendig gewesen wäre, da die abweichenden Rechtsauffassungen im schriftlichen Verfahren bereits hinreichend dargelegt worden seien, so dass in einer mündlichen Verhandlung praktisch nur noch die Anträge hätten gestellt werden müssen und über eine Rechtsfrage zu entscheiden gewesen sei. Dies rechtfertige eine Terminsgebühr deutlich unterhalb der Mittelgebühr.
Gegen diese Entscheidung hat der Beschwerdeführer am 4. September 2006 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens sowie des Verfahrens L 7 AS 173/06 ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Oldenburg vom 3. August 2006 ist unzulässig.
Gem. § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) findet gegen die Entscheidungen des SG mit Ausnahme der Urteile die Beschwerde statt, soweit nicht im SGG anderes bestimmt ist. Nach § 178 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht endgültig, wenn gegen eine Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle das Gericht angerufen wird. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Der Beschwerdeführer hat gegen die Festsetzung des Urkundsbeamten vom 29. Mai 2006 Erinnerung eingelegt, über die das SG Oldenburg mit Beschluss vom 3. August 2006 entschieden hat. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angegriffen werden, weil das SG "endgültig" entschieden hat.
Die nach den Gründen und der Rechtsmittelbelehrung des angegriffenen Beschlusses mögliche Beschwerde gegen einen richterlichen Beschluss im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG steht dem Beschwerdeführer nicht zu.
Denn im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG ist die Beschwerde an das LSG gegen die Entscheidung des SG gesetzessystematisch ausgeschlossen. Der Senat folgt insoweit der neueren Rechtsprechung des 8. Senates des erkennenden Gerichts sowie der Rechtsprechung des LSG Berlin (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.12.2006 - Az.: L 8 B 4/06 SO SF, NdsRpfl 2007, 136; LSG Berlin, Beschlüsse vom 14.10.2003 - Az. L 5 B 14/02 RJ - und vom 28.02.2005 - Az. L 9 B 166/02 KR, zitiert nach juris). Im Geltungsbereich des SGG sind auf eine Erinnerung ergangene Beschlüsse des SG unanfechtbar. Weil die Sonderfälle der §§ 189 Abs. 1 und 197 Abs. 2 SGG bei einem Streit um die Festsetzung der Vergütung nach Bewilligung von PKH nicht gegeben sind, bleibt es insoweit bei der Grundregelung des § 178 Satz 1 SGG (vgl. zur Gesetzessystematik LSG Berlin, a.a.O.). Diese abschließenden Regelungen des SGG lassen für eine Anwendung der Beschwerderegelungen des RVG (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG) keinen Raum. Ein solcher Rückgriff ist nur in Verfahrensordnungen denkbar, die diese Beschwerdemöglichkeit nicht ihrerseits ausgeschlossen haben, denn das RVG ist für Fragen der Statthaftigkeit von Rechtsbehelfen im sozialgerichtlichen Verfahren nur das allgemeinere Gesetz und kann daher in seinem verfahrensrechtlichen Teil nicht eine Gebührennachprüfungsinstanz schaffen, die es als solche in der Sozialgerichtsbarkeit nicht gibt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.03.1990 - Az.: L 11 S (Ka) 32/89, Leitsatz in juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.12.2006, a.a.O.; LSG Berlin, Beschluss vom 14.10.2003, a.a.O.).
Die von der Antragsgegnerin angeführten Entscheidungen des LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 01.02.2007 - Az. L 12 B 8/06 AS, V.n.b.) und des Sächsischen LSG (Beschluss vom 21.06.2005 - Az. L 6 B 73/04 RJ/KO, NZS 2006, 612 f.) überzeugen demgegenüber nicht. Dem Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen ist keinerlei Begründung für die angenommene Zulässigkeit der eingelegten Beschwerde zu entnehmen. Das Sächsische LSG verweist darauf, dass über die Kosten eines unterlegenen Klägers, dem PKH bewilligt worden ist, zuvor keine gerichtliche Entscheidung getroffen worden sei, so dass der Kläger diese Kosten selbst zu tragen habe. Damit gebe es keine Auslagen oder Kosten, die aufgrund einer Kostenentscheidung dem Kläger zu "erstatten" seien. Der Wortlaut des § 197 Abs. 1 Satz 1 SGG kann aber auch dahingehend ausgelegt werden, dass es im Falle der vorherigen Bewilligung von PKH um die nicht dem Kläger, sondern seinem Bevollmächtigten von der Staatskasse "zu erstattenden Kosten" geht, die der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle festsetzt. Auch der Wortlaut des § 197 Abs. 1 Satz 1 SGG spricht demnach nicht gegen die hier vertretene Rechtsauffassung.
Der Ausschluss der Beschwerde in Fällen wie dem vorliegenden dient schließlich auch der Einheitlichkeit des Verfahrens. Nur so können unterschiedliche Entscheidungen im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 SGG und im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach §§ 56, 56 RVG vermieden werden. Es ist kein vernünftiger Grund dafür erkennbar, dass im Kostenfestsetzungsverfahren gegen den unterlegenen Verfahrensgegner das SG endgültig über die Kosten entscheidet, im Verfahren über die Festsetzung der Vergütung des Rechtsanwalts gegenüber seinem Mandanten oder der Staatskasse aber seine Entscheidung mit der Beschwerde überprüfbar sein soll (ebenso LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.12.2006, a.a.O.; LSG Berlin, Beschluss vom 14.10.2003, a.a.O.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.03.1990, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG, 193 Abs. 1 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).