Sozialgericht Stade
Beschl. v. 15.08.2011, Az.: S 28 AS 546/11 ER
Abstrakte Möglichkeit zur Kündigung eines Mietvertrages reicht für die Bewilligung von Leistungen für eine Unterkunft im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht aus; Bewilligung von Leistungen für eine Unterkunft im einstweiligen Rechtsschutzverfahren aufgrund der abstrakten Möglichkeit zur Kündigung eines Mietvertrages; Voraussetzungen für eine vorläufige Zahlungseinstellung von Sozialleistungen nach dem SGB II
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 15.08.2011
- Aktenzeichen
- S 28 AS 546/11 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 26985
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2011:0815.S28AS546.11ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 22 Abs. 1 SGB II
- § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II
- § 331 SGB III
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über die Zulässigkeit der vorläufigen Einstellung bewilligter Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Antragsteller bezieht gemeinsam mit seinen zwei Kindern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von dem Antragsgegner. Mit Bescheid vom 17. März 2011 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller und seinen Kindern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung für die zum 01. April 2011 angemietete Wohnung "C. Straße 11, D. " für die Zeit vom 01. April 2011 bis zum 31. August 2011.
In der Zeit vom 01. Juni 2011 bis zum 23. Juni 2011 führte der Außendienst des Antrags-gegners sechs Hausbesuche bei dem Antragsteller durch, um zu prüfen, ob sich der Antragsteller dauerhaft in der Wohnung "C. Straße 11, D. " aufhält. Der Antragsteller wurde nicht angetroffen. Am 25. Juli 2011 teilte die Polizei D. dem Beklagten mit, dass der An-tragsteller nicht unter der gemeldeten Adresse ausfindig gemacht werden könne. Die Polizei habe ihn mehrfach aufgesucht, allerdings nicht angetroffen. Dem Antragsteller wurde dazu am 03. Juni 2011, 29. Juni 2011 und 28. Juli 2011 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Am 28. Juli 2011 stellte der Antragsgegner die Zahlung der Leistungen für Unterkunft und Heizung ab August 2011 vorläufig ein. Hierüber informierte er den Antragsteller mit Schreiben vom 28. Juli 2011 und gab ihm Gelegenheit, sich zu der Angelegenheit zu äu-ßern.
Der Antragsteller hat am 01. August 2011 den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Er begehrt Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Wohnung "C. Straße 11, D. " über den 31. Juli 2011 hinaus.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig (dazu unter 1.), hat aber in der Sache keinen Erfolg (dazu unter 2.).
1.
Der Antrag ist nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und zuläs-sig erhoben.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann, wenn ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen. Voraussetzung ist, dass die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anord-nungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint.
Ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG liegt nicht vor. Es handelt sich bei den dort aufgezählten Fällen um Anfechtungssituationen, in denen über die sofortige Vollziehbarkeit vor Ende des Hauptsacheverfahrens zu entscheiden ist. Vorliegend wendet sich der Antragsteller mit seinem Begehren auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die sog. "Sperrung" der Leis-tung, die der Sache nach eine vorläufige Zahlungseinstellung gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 331 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) darstellt. Die richtige Klage-art in der Hauptsache gegen eine vorläufige Zahlungseinstellung ist die isolierte Leis-tungsklage. Die Anfechtungsklage ist hingegen nicht statthaft, da die Zahlungseinstellung nicht durch Verwaltungsakt erfolgt. In der mit Schreiben vom 28. Juli 2011 mitgeteilten "Sperrung" bzw. vorläufigen Zahlungseinstellung ist kein Verwaltungsakt zu sehen. Das Schreiben des Antragsgegners vom 28. Juli 2011 stellt lediglich eine Mitteilung über ei-nen Realakt dar. § 331 Abs. 1 SGB III sieht ausdrücklich vor, dass die Zahlungen "ohne Erteilung eines Bescheides" vorläufig eingestellt werden können. Die Zahlungseinstellung setzt keine Erklärung gegenüber dem Leistungsberechtigten voraus, um wirksam zu wer-den. Sie ist vielmehr nachträglich mitzuteilen, vgl. § 331 Abs. 1 Satz 2 SGB III. Eben dies hat der Antragsgegner mit Schreiben vom 28. Juli 2011 getan (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26.10.2010 - L 15 AS 253/10 B ER -; SG Reutlingen, Beschluss vom 16.10.2007 - S 12 AS 3730/07 ER - zitiert nach [...]).
2.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.
Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist das Vorliegen eines die Eil-bedürftigkeit der Entscheidung rechtfertigenden Anordnungsgrundes sowie das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs aus dem materiellen Leistungsrecht. Sowohl der Anord-nungsanspruch als auch der Anordnungsgrund müssen gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht werden.
Bei seiner Entscheidung kann das Gericht grundsätzlich sowohl eine Folgenabwägung vornehmen als auch eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache anstellen. Drohen aber ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsach-verfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dann dürfen sich die Gerichte nur an den Er-folgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilver-fahren nicht möglich, so ist allein anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - zitiert nach [...]). Handelt es sich wie hier um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen und damit das Existenz-minimum absichern, muss die überragende Bedeutung dieser Leistungen für den Emp-fänger mit der Folge beachtet werden, dass ihm im Zweifel die Leistungen - gegebenen-falls auf das absolut erforderliche Minimum beschränkt - aus verfassungsrechtlichen Gründen vorläufig zu gewähren sind.
a)
Vorliegend fehlt es schon am Vorliegen eines die Eilbedürftigkeit der Entscheidung recht-fertigenden Anordnungsgrundes. Es ist nicht erkennbar, dass dem Antragsteller ohne eine Eilentscheidung wesentliche Nachteile drohen oder es ihm unzumutbar ist, die Ent-scheidung in einem Hauptsacheverfahren abzuwarten.
Dem Antragsteller droht kein unmittelbarer Wohnungsverlust. Der Antragsteller hat weder vorgetragen noch ist das aus der Akte ersichtlich, dass ihm ein Kündigungsschreiben oder eine Räumungsklage zugegangen ist. Die abstrakte rechtliche Möglichkeit, das Mietverhältnis nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu kündigen, reicht indes für die Bejahung der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren notwendigen Eilbedürftigkeit zur Bewilligung von Leistungen für die Unterkunft nicht aus (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.05.2008 - L 7 B 56/08 AS ER - zitiert nach [...]).
Zudem droht dem Antragsteller vorliegend auch deswegen keine Wohnungs- und Ob-dachlosigkeit, da er sich nach seiner eigenen Aussage vom 28. Juli 2011 gegenüber dem Antragsgegner sowieso kaum in seiner Wohnung sondern meistens bei seiner Tochter E. in F. aufhält.
b)
Unabhängig davon - und insoweit die Entscheidung selbständig tragend - ist auch kein Anordnungsanspruch gegeben.
Zwar hat der Antragsgegner den Bewilligungsbescheid vom 17. März 2011 bislang weder aufgehoben noch zurückgenommen, so dass der Antragsteller grundsätzlich aus diesem Bewilligungsbescheid einen Auszahlungsanspruch hat, ohne dass es darauf ankommt, ob ihm die dort gewährten Leistungen im streitgegenständlichen Zeitraum materiellrecht-lich (noch) zustanden oder nicht. Etwas anderes ergibt sich aber aus der Regelung des § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 331 SGB III.
Nach § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 331 SGB III kann der Antragsgegner die Zahlung einer laufenden Leistung ohne Erteilung eines Bescheides vorläufig einstellen, wenn er Kenntnis von Tatsachen erhält, die kraft Gesetzes zum Ruhen oder zum Wegfall des An-spruchs führen und wenn der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit aufzugeben ist. Soweit die Kenntnis nicht auf Angaben desjenigen beruht, der die laufende Leistung erhält, sind ihm unverzüglich die vorläufige Einstellung der Leistung sowie die dafür maßgeblichen Gründe mitzuteilen, und es ist ihm Gelegenheit zu geben, sich zu äußern. Gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II gilt § 331 SGB III mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsan-spruch führen. Die vorläufige Zahlungseinstellung kann ausweislich des Wortlautes des Gesetzes nur auf die "Kenntnis von Tatsachen", nicht hingegen auf einen reinen Ver-dacht gestützt werden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.01.2007 - L 5 B 1173/06 AS ER - zitiert nach [...]).
Die Voraussetzungen für eine vorläufige Zahlungseinstellung sind hier erfüllt. Der An-tragsgegner hat Kenntnis von Tatsachen erhalten, die zu einem geringeren Leistungsan-spruch führen. Der Antragsteller hat voraussichtlich keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung für die Wohnung "C. Straße 11, D. ", denn die Ermitt-lungen des Antragsgegners haben ergeben, dass er diese Wohnung nicht tatsächlich zu Wohnzwecken nutzt.
Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden die Kosten der Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht, soweit diese angemessen sind. Die tatsächliche Nutzung einer Wohnung ist dabei Voraussetzung für die Leistungsgewährung (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 01.07.2010 - L 11 AS 442/09 - zitiert nach [...]). Bloße tageweise Nutzung oder ausschließliche Nutzung am Wochenende reicht nicht aus. Urlaub, Krankenhausaufenthalte und gelegentliche Übernachtungen bei Dritten sind dagegen unschädlich (vgl. Frank in: GK-SGB II, § 22 Rn. 6).
Vorliegend nutzt der Antragsteller die Wohnung "C. Straße 11, D. " nach Auffassung der Kammer mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht tatsächlich zu Wohnzwecken, sondern allen-falls tage- bzw. stundenweise. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Der Außendienst des Antragsgegners hat in der Zeit vom 01. Juni 2011 bis zum 23. Juni 2011 sechs Hausbesuche unter der Anschrift "C. Straße 11, D. " durchgeführt, nachdem es Hinweise darauf gab, dass der Antragsteller nicht unter der genannten Adresse wohn-haft sein soll. Bei den sechs Hausbesuchen wurde der Antragsteller nicht angetroffen; niemand öffnete die Tür. Weder Klingel noch Briefkasten waren mit dem Namen des An-tragstellers beschriftet. Zwei Nachbarn teilten den Mitarbeitern des Außendienstes am 01. Juni 2011 mit, dass die Familie seit drei Wochen nicht mehr dort gewesen sei. Es seien ständig andere Leute dort gewesen, irgendwelche Asiaten. Die Familie des An-tragstellers habe wohl nur die ersten paar Wochen dort gewohnt und sei seitdem nur ge-legentlich mal dort. Sie, die Nachbarn, hätten das Küchenfenster immer wieder von au-ßen rangezogen, da sich dieses durch den Wind immer weit geöffnet habe. Anlässlich des Hausbesuches am 06. Juni 2011 teilte ein Nachbar mit, dass noch keiner wieder da gewesen sei. Am 20. Juni 2011 teilte ein Nachbar mit, dass der Antragsteller am Wo-chenende für eine Stunde in der Wohnung gewesen sei und seitdem wieder weg sei. Am 23. Juni 2011 teilte eine Nachbarin mit, dass jemand in letzter Zeit einmal dagewesen sei. Die Personen hätten etwas geholt und seien dann wieder gefahren.
Die Fotos, die bei den diversen Hausbesuchen durch die Fenster in Wohnung des An-tragstellers gefertigt wurden, zeigen, dass z.B. Bekleidungsgegenstände und Schuhe, die mitten im Raum lagen, während der Zeit vom 01. Juni bis 23. Juni 2011 nicht bewegt wurden. Die Bettdecke wies über Wochen hinweg dieselbe Falte auf, so als sei sie nicht benutzt worden. Getränkeflaschen und Teller wurden nicht bewegt.
Des Weiteren hat die Polizei D. dem Antragsgegner am 25. Juli 2011 telefonisch mitge-teilt, dass der Antragsteller nicht unter der gemeldeten Anschrift ausfindig gemacht wer-den könne. Die Polizei habe ihn mehrfach aufgesucht, allerdings nicht angetroffen. Darüber hinaus teilte Frau G. von der Polizei D. mit, dass die Wohnung ihrer Einschätzung nach offensichtlich nicht bewohnt werde und Briefkasten und Klingel nicht beschriftet sei-en.
Hinzu kommt, dass die Post des Antragstellers unter der Adresse "C. Straße 11, D. " nicht zugestellt werden kann. Ein Schreiben des Antragsgegners kam am 15. Juli 2011 mit dem Vermerk "Empfänger/Firma unter angegebener Anschrift nicht zu ermitteln" zurück. Der Antragsteller hat selbst erklärt, dass er einen Nachsendeauftrag bei der Post gestellt habe, damit die Post zu seiner Tochter in F. geschickt wird. Auch die Mahnungen der EWE werden mittlerweile an die Adresse der Tochter des Antragstellers in Bremer-vörde geschickt.
Der Antragsteller ist diesen vom Antragsgegner ermittelten Tatsachen nicht mit überzeu-genden Argumenten entgegengetreten.
In seiner ersten Anhörung am 03. Juni 2011 teilte der Antragsteller mit, dass er zwei Wo-chen lang bei seiner schwerkranken Mutter in H. gewesen sei. Dies wiederholt er in sei-ner Antragsschrift an das Gericht. Aufgrund seiner schon am 03. Juni 2011 gemachten Angaben muss davon ausgegangen werden, dass die zweiwöchige Abwesenheit den Zeitraum Mitte bis Ende Mai 2011 betrifft. Dies erklärt daher nicht seine Abwesenheit in der Zeit vom 01. Juni bis 23. Juni 2011 und den folgenden Wochen.
In seiner zweiten Anhörung am 29. Juni 2011 gab der Antragsteller an, dass er weiterhin in der Wohnung wohne, regelmäßig aber nur nachts da sei. Er sei tagsüber häufig bei seiner Tochter E. in F. zur Unterstützung bei den Kindern bzw. bei seiner erkrankten Mut-ter in H ... Auch habe er derzeit noch keine Küche, so dass er nicht zu Hause essen könne und daher des Öfteren aufgrund der Entfernung bei seiner Tochter schlafe. Er beabsich-tigte, in naher Zukunft eine Wohnung gemeinsam mit seiner Tochter zu beziehen. Die Aussage des Antragstellers, dass er sich regelmäßig nachts in der Wohnung "C. Straße 11, D. " aufhalte, erscheint vor dem Hintergrund der beim Hausbesuch gefertigten Fotos - unveränderte Position der Bettdecke - als auch den Aussagen der Nachbarn unglaub-würdig. Vielmehr ist anzunehmen, dass der Antragsteller nicht nur gelegentlich bei seiner Tochter in F. übernachtet, sondern regelmäßig, was zur Folge hat, dass nicht mehr von einer tatsächlichen Nutzung der Wohnung "C. Straße 11, D. " ausgegangen werden kann. Dies wird unterstützt durch die bekundete Absicht des Antragstellers, in naher Zu-kunft mit seiner Tochter zusammenzuziehen.
In seiner dritten Anhörung am 28. Juli 2011 wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass seine Post nicht zugestellt werden könne. Der Antragsteller gab an, dass er derzeit kaum in der Wohnung sei und sich meistens bei seiner Tochter E. in F. aufhalte. Post könne auch dorthin geschickt werden. Er habe sowieso einen Nachsendeauftrag bei der Post gestellt. Insoweit macht der Antragsteller selbst deutlich, dass er sich kaum in der Wohnung "C. Straße 11, D. " aufhält, sondern meistens bei seiner Tochter. Soweit er nun in seiner Antragsschrift an das Gericht ausführt, er sei (lediglich) mehrere Tage bei seiner Tochter geblieben, da seine Enkelkinder krank gewesen seien, widerspricht dies den Aussagen im Verwaltungsverfahren vom 29. Juni 2011 und 28. Juli 2011, wonach er sich dort meistens aufhält. Auch der Umstand, dass er seine Post an die Adresse seiner Tochter schicken lässt, verdeutlicht, dass er dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Soweit der Antragsteller in seiner Antragsschrift ausführt, dass die Post nur deswegen zurückgegangen sei, weil sein Nachbar ihm aus nicht ersichtlichen Gründen ständig das Namensschild seiner Haustür abgerissen habe, obwohl er es bestimmt schon 15x neu angebracht habe, und dass er allein deswegen einen Nachsendeauftrag gestellt habe, erscheint dies unglaubwürdig. Bei den vom Antragsgegner durchgeführten sechs Haus-besuchen und auch nach Auskunft der Polizei D. wurde niemals ein Namensschild vorge-funden.
Soweit der Antragsteller schließlich in seiner Antragsschrift ausführt, dass er selbst noch einmal für zwei Tage im Krankenhaus gewesen sei, ist dies für das vorliegende Verfah-ren nicht von Bedeutung, denn auch diese 2-tägige "unschädlich" Abwesenheit vermag nicht zu bewirken, dass noch von einer tatsächlichen Wohnnutzung ausgegangen wer-den kann. Insbesondere vermag auch die abschließende Erklärung des Antragstellers in der Antragsschrift, er sei "ca. von Juli an nicht dagewesen, nur jeweils für 1-2 Tage, um nach dem Rechten zu sehen und nach der Post", keinesfalls erklären, warum er im Juni 2011 nicht in seiner Wohnung angetroffen werden konnte. Für die Abwesenheit während dieses Zeitraums liefert der Antragsteller keine Erklärungsversuche.
Nach alledem ist davon auszugehen, dass der Antragsteller seinen Lebensmittelpunkt zu seiner Tochter nach F. verlegt hat und er die Wohnung "C. Straße 11, D. " nicht mehr tatsächlich zu Wohnzwecken nutzt. Er hält sich dort offensichtlich nur noch gelegentlich auf.
Im Übrigen ist noch Folgendes anzumerken: Die Angemessenheit der Kosten der Unter-kunft setzt voraus, dass die Entstehung der Kosten überhaupt erforderlich ist, um den Bedarf des Hilfeempfängers auf Wohnraum zu decken. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, denn der Bedarf des Antragstellers ist hier bereits durch das mietfreie Wohnen bei seiner Tochter gedeckt. Der Wunsch des Antragstellers, die Wohnung "C. Straße 11, D. " für eine Nutzung beibehalten zu können, ist zwar möglicherweise nachvollziehbar, die Kos-ten hierfür können jedoch vom Grundsicherungsträger nicht verlangt werden, weil die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II den Zweck haben, das Existenzminimum des Hilfeempfängers zu sichern. Das Existenzminimum des Antragstellers ist bereits durch die Unterkunft bei seiner Tochter und durch die (weiteren) Leistungen des An-tragsgegners gesichert (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 08.10.2007 - L 7 AS 249/07 ER - zitiert nach [...]). Die Kosten werden grundsätzlich nur für eine einzige Un-terkunft anerkannt, selbst wenn der Hilfebedürftige über mehrere Unterkünfte verfügen kann. Abzustellen ist dann auf die vorrangig tatsächlich genutzte Unterkunft (vgl. Thürin-ger LSG, Beschluss vom 15.04.2008 - L 9 AS 1438/07 ER - zitiert nach [...]; Bayerisches LSG, Urteil vom 01.07.2010 - L 11 AS 442/09 - zitiert nach [...]; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.06.2006 - L 10 B 488/06 AS ER - zitiert nach [...]). Der Antragsteller nutzt vorrangig tatsächlich die Wohnung seiner Tochter zu Wohnzwecken.
Die Kostenentscheidung folgt aus dem entsprechend anzuwendenden § 193 SGG; es entspricht der Billigkeit, von einer Erstattung der außergerichtlichen Kosten des unterlie-genden Antragstellers abzusehen.