Sozialgericht Stade
Urt. v. 17.11.2011, Az.: S 28 AS 314/11

Absenkung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei Verweigerung der Aufnahme einer zumutbaren Arbeit

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
17.11.2011
Aktenzeichen
S 28 AS 314/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 34789
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2011:1117.S28AS314.11.0A

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine Absenkung ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Zeit vom 01. April 2011 bis zum 30. Juni 2011.

2

Die im Jahr 1973 geborene Klägerin bezog von dem Beklagten zusammen mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 14. Februar 2011 bewilligte der Beklagte ihnen Leistungen für die Zeit vom 01. März 2011 bis zum 31. August 2011.

3

Mit Vermittlungsvorschlag des Beklagten vom 09. Februar 2011 wurde der Klägerin eine Tätigkeit als Produktionshelferin bei der Firma G. GmbH - Personalvermittlung, Beratung, Zeitarbeit - in H. vorgeschlagen. Die Klägerin wurde schriftlich aufgefordert, sich umgehend über "arbeitsagentur.de" oder schriftlich zu bewerben. Alternativ habe sie sich umgehend persönlich vorzustellen. Als Anlagen bzw. Unterlagen seien beizufügen bzw. mitzubringen der Lebenslauf und Zeugnisse. Das Ergebnis ihrer Bemühungen habe sie dem Beklagten mitzuteilen. Die Klägerin wurde schriftlich darauf hingewiesen, dass das ihr zustehende Arbeitslosengeld II um einen Betrag in Höhe von 30 Prozent der für sie maßgebenden Regelleistung nach § 20 SGB II abgesenkt werde, wenn sie sich weigern sollte, die ihr mit diesem Vermittlungsvorschlag angebotene Arbeit aufzunehmen. Ein Pflichtverstoß liege auch vor, wenn sie Aufnahme der angebotenen Arbeit durch negatives Bewerbungsverhalten vereitele.

4

Die Klägerin nahm daraufhin Kontakt zu der Firma G. GmbH auf. Sie begab sich - nach eigenen Angaben am 12. Februar 2011 - in Begleitung ihres Ehemannes zu der Firma G. GmbH, wo ihr eine Mitarbeiterin Unterlagen zum Ausfüllen aushändigte.

5

Mit Schreiben vom 15. Februar 2011 erhielt die Klägerin sodann von der Firma G. GmbH eine schriftliche Einladung zum Vorstellungsgespräch am 23. Februar 2011.

6

Am 23. Februar 2011 erschien die Klägerin in Begleitung ihres Ehemannes bei der Firma G. GmbH. Sie wurde von einer Mitarbeiterin nach ihrem Personalausweis gefragt, den sie jedoch nicht dabei hatte. Die Mitarbeiterin der Firma G. GmbH teilte der Klägerin mit, dass der Personalausweis und die Arbeitsberechtigung benötigt würden. Die Klägerin und ihr Ehemann verließen daraufhin die Firma G. GmbH. Sie nahmen keinen weiteren Kontakt zu der Firma G. GmbH auf.

7

Per E-Mail teilte die Mitarbeiterin der Firma G. GmbH dem Beklagten bezüglich des Vorstellungsgespräches der Klägerin noch am 23. Februar 2011 Folgendes mit: "Kommt zum Vorstellungsgespräch ohne Personalausweis. Daraufhin wurde sie gebeten, mit gültigem Personalausweis und Arbeitsberechtigung wiederzukommen. Ihr Mann hat lautstark verkündet, dass sie nie wiederkommen und ihre Unterlagen vernichtet werden können."

8

Am 03. März 2011 fand ein persönliches Gespräch der Klägerin, die von ihrem Ehemann begleitet wurde, mit der Arbeitsvermittlung des Beklagten statt. Die Klägerin wurde zu dem Ablauf des Vorstellungsgespräches am 23. Februar 2011 angehört. Dazu erklärte der Ehemann der Klägerin, dass er bzw. seine Frau keinen Ausweis dabei gehabt hätten, aber gültige Führerscheine und einige weitere Unterlagen, allerdings ohne Lichtbildcharakter. Er sei weder laut geworden, noch habe er etwas bezüglich der Vernichtung der Unterlagen gesagt. Vielmehr habe die Sachbearbeiterin erklärt, die Vorlage des Führerscheins reiche nicht aus, da sie Ausländer seien.

9

Mit Bescheid vom 14. März 2011, gerichtet an die Klägerin, senkte der Beklagte den der Klägerin zustehenden Anteil des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 01. April 2011 bis zum 30. Juni 2011 monatlich um 30 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung ab. Daraus ergebe sich eine Absenkung in Höhe von 96,90 EUR monatlich. Die Entscheidung beruhe auf § 31 Abs. 1 Nr. 1 c) und Abs. 6 SGB II. Der Klägerin sei am 23. Februar 2011 eine zumutbare Arbeit als Produktionshelferin bei der Firma G. GmbH angeboten worden. Trotz Belehrung über die Rechtsfolgen habe sie sich am 23. Februar 2011 geweigert, die o. g. Tätigkeit, die ihr unter Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit und ihrer persönlichen Verhältnisse zumutbar gewesen wäre, aufzunehmen. Laut Mitteilung des Arbeitsgebers sei sie ohne Personalausweis zum Vorstellungsgespräch erschienen. Sie sei dann vom Arbeitgeber gebeten worden, mit gültigem Personalausweis und Arbeitsberechtigung wiederzukommen. Daraufhin habe ihr anwesender Ehegatte lautstark verkündet, dass sie nieder wiederkommen und ihre Unterlagen vernichtet werden können. Diese Gründe hätten nicht als wichtig im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II anerkannt werden können.

10

Die Klägerin erhob am 29. März 2011 Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. März 2011. Der von dem Beklagten dargestellte Sachverhalt sei unzutreffend. Sie sei weder bei dem persönlichen Besuch am 12. Februar 2011 bei der Firma G. GmbH noch in dem Einladungsscheiben vom 15. Februar 2011 darauf hingewiesen worden, dass sie zum Vorstellungsgespräch einen gültigen Personalausweis und eine Arbeitsberechtigung mitzubringen habe. Am 23. Februar 2011 sei sie kurz vor Beginn des Vorstellungsgespräches gebeten worden, einen gültigen Personalausweis vorzulegen. Da sie diesen ver-gessen hatte, habe sie angeboten, ihren Führerschein vorzulegen. Dies sei von der Mitarbeiterin zurückgewiesen worden mit dem Hinweis, dass bei Ausländern ein Ausweis sowie eine Arbeitserlaubnis vorgelegt werden müsse. Sie habe daraufhin die Geschäftsräume der Firma G. GmbH verlassen müssen. Ein Hinweis, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt mit gültigem Personalausweis und Arbeitsberechtigung zurückkommen solle, sei nicht erfolgt. Sie habe nicht gewusst, wie sie sich in dieser Situation weiter verhalten sollte. Sie habe durch ihr Verhalten nicht dazu beigetragen, dass eine Tätigkeit nicht angenommen wurde. Wenn sie von der Firma G. GmbH über die mitzubringenden Unterlagen aufgeklärt worden wäre oder wenn ihr die Gelegenheit gegeben worden wäre, zu einem weiteren Termin zu erscheinen, wäre das Missverständnis nicht geschehen.

11

Mit Widerspruchsbescheid vom 05. April 2011 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Klägerin habe die mit dem Vermittlungsvorschlag vom 09. Februar 2011 angebotene Arbeit nicht angenommen. Das Nichtzustandekommen eines Arbeitsvertrages beruhe auf dem Verhalten der Klägerin, nämlich auf der Tatsache, dass sie auf Verlangen ihren Ausweis nicht habe vorlegen können und sich geweigert habe, einen neuen Vorstellungstermin zu vereinbaren. Nach den Angaben der G. GmbH habe die Klägerin auf die Bitte seitens der Firma, den Personalausweis zu holen und einen neuen Termin zu vereinbaren, derart reagiert, dass ihr Ehemann lautstark mitgeteilt habe, dass sie nicht wiederkämen und dass die Unterlagen vernichtet werden könnten. Diesem Vortrag werde gefolgt; es seien keine Gründe ersichtlich, die an der Mitteilung des Arbeitgebers zweifeln ließen. Da der Klägerin die angebotene Tätigkeit auch zumutbar gewesen sei, sei der Tatbestand des§ 31 Abs. 1 Nr. 1 c) SGB II erfüllt. Die Klägerin habe keinen wichtigen Grund für ihr Verhalten nachgewiesen. Daher werde das Arbeitslosengeld II um 30% der Regelleistung abgesenkt. Es werde dabei diejenige Regelleistung zugrunde gelegt, die bei Erlass des Sanktionsbescheides bewilligt gewesen sei; dies seien hier 323,00 EUR.

12

Die Klägerin hat am 05. Mai 2011 Klage erhoben und einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt.

13

Zur Begründung ihrer Klage trägt sie vor, dass sie sich nicht geweigert habe, eine zumutbare Tätigkeit aufzunehmen. Vielmehr sei das Verhalten der Firma G. GmbH ihr gegenüber insgesamt unzumutbar gewesen. Die Klägerin wiederholt insoweit ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, dass sie sich ordnungsgemäß habe ausweisen können, da sie als Lichtbildausweis den Führerschein dabei gehabt habe. Auch ihr Ehemann habe sich ausweisen können. Zudem habe sie ihren gesamten Ordner mit Unterlagen des Jobcenters bei sich geführt. Sie habe nicht gewusst, dass die Arbeitserlaubnis vorzulegen war; das Formular der Firma G. GmbH habe keinen dementsprechenden Hinweis enthalten.

14

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 14. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 05. April 2011 aufzuheben.

15

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

16

Er erwidert: Hinsichtlich des Ablaufs des Vorstellungsgesprächs und den Gründen für die ergebnislose Beendigung der Vorsprache der Klägerin bei der Firma G. GmbH lägen unterschiedliche Darstellungen des Ablaufs und des Inhaltes des Gespräches vor. Unstreitig sei die Klägerin ohne Pass erschienen. Dieser sei jedoch benötigt worden, was ihr auch mitgeteilt worden sei. Die Klägerin habe das Gespräch jedoch einfach abgebrochen und sei nicht bereit gewesen, die Unterlagen nachträglich vorzulegen.

17

Mit Beschluss der Kammer vom 24. August 2011 ist der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt worden.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, sowie auf das Protokoll zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 17. November 2011 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

20

Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Beklagten vom 14. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. April 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Zu Recht hat der Beklagte die Leistungen der Klägerin zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Zeit vom 01. April 2011 bis zum 30. Juni 2011 um monatlich 96,90 EUR abgesenkt.

21

Anwendbar ist vorliegend § 31 SGB II in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung (im Folgenden:§ 31 SGB II a.F.). Denn nach § 77 Abs. 12 SGB II in der ab dem 01. April 2011 geltenden Fassung ist § 31 in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden für Pflichtverletzungen, die vor dem 01. April 2011 begangen worden sind. Dies ist hier der Fall.

22

Rechtsgrundlage ist vorliegend § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c) SGB II a. F ...

23

Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c) SGB II a.F. wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 in einer ersten Stufe um 30 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, eine mit einem Beförderungszuschuss nach § 16a geförderte Arbeit, ein zumutbares Angebot nach § 15a oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen. Dies gilt nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist. Nach § 31 Abs. 6 SGB II a.F. treten Absenkung und Wegfall mit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der die Absenkung oder den Wegfall der Leistung feststellt, folgt. Absenkung und Wegfall dauern drei Monate.

24

Die Klägerin hat sich geweigert, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen.

25

Bei der von dem Beklagten der Klägerin angebotenen Arbeit als Produktionshelferin bei der Firma G. GmbH in H. handelte es sich um eine zumutbare Arbeit nach § 10 SGB II. Insbesondere hat die Klägerin nicht dargelegt, dass sie körperlich, geistig oder seelisch nicht zu der Arbeit in der Lage gewesen sei.

26

Die Klägerin hat sich nach Auffassung der Kammer geweigert, diese zumutbare Arbeit aufzunehmen. Erforderlich ist insoweit ein vorwerfbares Verhalten des Hilfebedürftigen, durch welches die Ablehnung, eine bestimmte Handlung vorzunehmen oder zu unterlassen, deutlich wird. Die Weigerung kann ausdrücklich erklärt werden. Es genügt auch, wenn der Hilfebedürftige durch konkludentes Verhalten zum Ausdruck bringt, dass er zu den geforderten Handlungen nicht bereit ist. Maßgebend ist insoweit das Gesamtverhalten des Hilfebedürftigen im Einzelfall. Aus dem Verhalten des Hilfebedürftigen muss der Schluss gezogen werden können, dass er nicht bereit ist, eine bestimmte Arbeit auszuüben. Die Weigerung kann auch gegenüber Dritten, insbesondere potenziellen Arbeitgebern, zum Ausdruck gebracht werden. Es genügt auch, wenn der Hilfebedürftige die Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgesprächs, durch sein Verhalten verhindert. Der Hilfebedürftige muss sich entsprechend dem Erscheinungsbild eines interessierten Beschäftigungssuchenden verhalten und von sich aus etwas unternehmen, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (vgl. A. Loose in: GK-SGB II, § 31 Rn. 9 f. und 40 f.).

27

Vorliegend hat die Klägerin nach Überzeugung der Kammer die Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses durch ihr Verhalten verhindert. Dies ergibt sich aus Folgendem: Die Klägerin hat sich am 23. Februar 2011 entsprechend der Einladung vom 15. Februar 2011 zu der Firma G. GmbH begeben. Dort ist sie - unstreitig - von der Zeugin I. nach ihrem Personalausweis/Pass sowie der Arbeitserlaubnis gefragt worden. Die Klägerin hatte - ebenfalls unstreitig - ihren Personalausweis/Pass und ihre Arbeitserlaubnis nicht dabei. Dies stellt für sich genommen nach Auffassung der Kammer noch kein vorwerfbares Verhalten dar. Denn nach der Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung ist offen geblieben, ob die Klägerin vor dem Termin am 23. Februar 2011 bei der Firma G. GmbH wusste bzw. hätte wissen müssen, dass die Vorlage des Personalausweises/Passes und der Arbeitserlaubnis erforderlich war. Dies kann jedoch auch dahinstehen. Denn - wiederum unstreitig - ist die Klägerin jedenfalls in dem Termin am 23. Februar 2011 von der Zeugin I. darauf hingewiesen worden, dass die Vorlage des Personalausweises/Passes und der Arbeitserlaubnis erforderlich sei und dass die Vorlage des Führerscheins nicht ausreiche. Die Klägerin hat darauf dahingehend reagiert, dass sie das Gespräch abgebrochen und die Räume der Firma G. GmbH verlassen hat. Sie war insbesondere nicht bereit, den Personalausweis/Pass und die Arbeitserlaubnis nachzureichen. Dies ergibt sich deutlich aus den Aussagen der Klägerin und ihres Ehemannes, des Zeugen J., in der mündlichen Verhandlung. Die Klägerin hat dazu in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie nicht nach einem neuen Termin gefragt habe. Sie habe nicht noch mal zu der Firma G. GmbH kommen wollen. Sie habe keinen neuen Termin gewollt. Ihr Ehemann, der Zeuge J., hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er auf den Hinweis der Zeugin I., dass die Vorlage des Führerscheines nicht ausreichend sei, zu seiner Ehefrau, der Klägerin, gesagt habe: "Komm, dann gehen wir einfach!". Die Klägerin hat durch dieses Verhalten deutlich gemacht, dass sie nicht zu weiteren Mitwirkungshandlungen bereit war. Ein ernsthaft interessierter Beschäftigungssuchender in der Lage der Klägerin wäre nach Überzeugung der Kammer jedoch bereit gewesen, die geforderten Dokumente so schnell wie möglich nachzureichen. Die Kammer ist insoweit auch der Überzeugung, dass für die Klägerin tatsächlich die Möglichkeit bestand, die Dokumente nachzureichen. Die Zeugin I. hat dazu in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Klägerin gebeten wurde, die fehlenden Dokumente im Laufe des Tages vorzulegen. Dies entspricht auch ihrem schriftlich niedergelegten Vermerk vom 23. Februar 2011, d.h. vom Tag des Vorstellungsgesprächs. Vor dem Hintergrund, dass die Zeugin I. bei Niederlegung des schriftlichen Vermerks keinerlei persönliches Interesse an einer falschen Schilderung der Ereignisse hatte, folgt die Kammer dieser Schilderung. Die Aussage des Zeugen J. in der mündlichen Verhandlung, ihnen sei keine Gelegenheit gegeben worden, noch einmal wiederzukommen, erscheint der Kammer insoweit wenig glaubhaft, zumal auch die Klägerin deutlich erklärt hat, dass sie nicht noch einmal wiederkommen wollte. Aus dem Verhalten der Klägerin kann somit nach Überzeugung der Kammer der Schluss gezogen werden, dass die Klägerin nicht (mehr) bereit gewesen ist, eine Arbeit bei der Firma G. GmbH aufzunehmen bzw. sich um die Aufnahme einer Arbeit bei der Firma G. GmbH ernsthaft zu bemühen.

28

Die Klägerin hatte für ihr Verhalten auch keinen wichtigen Grund.

29

Es ist entscheidend, ob dem Hilfebedürftigen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit denen der Solidargemeinschaft bzw. der Allgemeinheit ein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Vorliegend wäre es der Klägerin zuzumuten gewesen, ihren Personalausweis/Pass und ihre Arbeitserlaubnis im Laufe des 23. Februar 2011 bei der Firma G. GmbH vorzulegen. Die Firma G. GmbH befindet sich ebenso wie die Wohnung der Klägerin in H., so dass eine erneute Vorsprache ohne große Umstände möglich gewesen wäre.

30

Schließlich wurde die Klägerin ordnungsgemäß über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung belehrt.

31

Die Festsetzung von Sanktionen nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II setzt voraus, dass der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung konkret, verständlich, richtig und vollständig belehrt worden ist. Die Rechtsfolgenbelehrung soll die Funktion haben, dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch die in § 31 Abs. 1 SGB II genannten Pflichtverletzungen haben werden. Die Belehrung soll zeitlich vor der Pflichtverletzung liegen. Im Hinblick auf die Sperrzeittatbestände hat das Bundessozialgericht entschieden, dass die Rechtsfolgenbelehrung als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit konkret, richtig, vollständig und verständlich sein muss und dem Arbeitslosen zeitnah im Zusammenhang mit einem Arbeitsangebot zutreffend erläutern muss, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch eine unbegründete Arbeitsablehnung haben kann. Die Rechtsfolgenbelehrung muss dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form er-läutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung, die angebotene Arbeitsgelegenheit anzutreten, für ihn ergeben, wenn für die Weigerung kein wichtiger Grund vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R - zitiert nach [...]; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - zitiert nach [...]; BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 53/08 R - zitiert nach [...]). Die Warn- und Steuerungsfunktion geht verloren, wenn der Grundsicherungsträger die Rechtsfolgenbelehrung derart standardisiert, dass sie lediglich verschiedene Arten von Maßnahmen aufzählt und die Arbeitsgelegenheit im Sinne von§ 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II als eine von mehreren möglichen Varianten benennt. Hinreichend belehrt wird der Adressat nämlich nur, wenn die konkrete Maßnahme, an deren Nichtteilnahme nachteilige Folgen geknüpft werden, ausdrücklich benannt wird und der Adressat sich damit direkt angesprochen fühlt. Nicht ausreichend ist es demgegenüber, wenn mehrere Varianten zur Auswahl gestellt werden und dem Hilfebedürftigen die Auswahl überlassen wird, ob eine der genannten Alternativen für ihn einschlägig ist (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - zitiert nach [...]).

32

Hier lag eine hinreichend konkrete Rechtsfolgenbelehrung in dem Vermittlungsvorschlag des Beklagten vom 09. Februar 2011 vor. Die Klägerin wurde schriftlich darauf hingewiesen, dass das ihr zustehende Arbeitslosengeld II um einen Betrag in Höhe von 30 Prozent der für sie maßgebenden Regelleistung nach § 20 SGB II abgesenkt werde, wenn sie sich weigern sollte, die ihr mit diesem Vermittlungsvorschlag angebotene Arbeit aufzunehmen. Ein Pflichtverstoß liege auch vor, wenn sie Aufnahme der angebotenen Arbeit durch negatives Bewerbungsverhalten vereitele.

33

Als Rechtsfolge war das Arbeitslosengeld II der Klägerin für drei Monate um 30% der für sie maßgebenden Regelleistung abzusenken.

34

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.