Sozialgericht Stade
Beschl. v. 09.09.2011, Az.: S 28 AS 597/11 ER

Antragsteller hat Anspruch auf Bewilligung höherer Kosten der Unterkunft und Heizung auf Grundlage der tatsächlichen Kosten nicht glaubhaft gemacht; Glaubhaftmachung des Anspruchs auf Bewilligung höherer Kosten der Unterkunft und Heizung auf Grundlage der tatsächlichen Kosten

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
09.09.2011
Aktenzeichen
S 28 AS 597/11 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 29153
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2011:0909.S28AS597.11ER.0A

Redaktioneller Leitsatz

1.

Die Angemessenheit der Höhe der Kosten der Unterkunft ist im SGB II unabhängig von der Angemessenheit der Heizkosten zu beurteilen.

2.

Entscheidend für die angemessene Höhe der Unterkunftskosten ist das Ergebnis aus der Quadratmeterzahl und der Miete je Quadratmeter.

3.

Zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten nach § 22 SGB II kann nicht auf die Tabelle zu § 12 WoGG abgestellt werden, es sei denn, dass Erkenntnismöglichkeiten im lokalen Bereich nicht weiterführen.

4.

Der Grundsicherungsträger ist nicht verpflichtet, über die Angabe des von ihm als angemessen anzusehenden Mietpreises hinaus dem Leistungsempfänger im Einzelnen aufzuzeigen, auf welche Weise er die Kosten der Unterkunft senken oder welche Wohnungen er anmieten kann.

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners, ihm vorläufig für den Zeitraum vom 01. Mai 2011 bis zum 31. Oktober 2011, hilfsweise ab Antragstellung bei Gericht, Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe der tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten von 544,40 EUR, hilfsweise in gesetzlicher Höhe, zu gewähren. Hilfsweise begehrt der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung neu zu bescheiden.

2

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bleibt ohne Erfolg.

3

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann, wenn wie hier ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen. Voraussetzung ist, dass die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer solchen Regelungsanordnung ist das Vorliegen eines die Eilbedürftigkeit der Entscheidung rechtfertigenden Anordnungsgrundes sowie das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs aus dem materiellen Leistungsrecht. Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund müssen gemäߧ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht werden.

4

Vorliegend hat der Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch (dazu unter 1.) noch einen Anordnungsgrund (dazu unter 2.) glaubhaft gemacht.

5

1.

Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Bewilligung höherer Kosten der Unterkunft und Heizung auf der Grundlage der tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von 544,40 EUR nicht glaubhaft gemacht. Er hat daneben auch keinen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts glaubhaft gemacht. Die vom Antragsgegner in dem Bewilligungsbescheid vom 06. April 2011 in der Gestalt Widerspruchsbescheids vom 20. Juli 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. August 2011 getroffene Entscheidung, dem Antragsteller für die Zeit vom 01. Mai 2011 bis zum 31. Oktober 2011 Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 321,20 EUR und Heizkosten in Höhe von monatlich 66,79 EUR, d.h. insgesamt 387,99 EUR zu gewähren, erweist sich sowohl hinsichtlich der Kosten der Unterkunft (dazu unter a)) als auch hinsichtlich der Heizkosten (dazu unter b)) als rechtmäßig.

6

a) Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Die Angemessenheit der Höhe der Kosten der Unterkunft (Grundmiete und Nebenkosten) ist imSGB II dabei unabhängig von der Angemessenheit der Heizkosten zu beurteilen (vgl. BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R - zitiert nach [...]).

7

Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten ergibt sich aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und der nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Miete ("Produkttheorie"). Entscheidend ist also das Ergebnis aus der Quadratmeterzahl und der Miete je Quadratmeter, so dass der Hilfebedürftige sich bei einer besonders günstigen Miete auch eine größere Wohnung leisten oder Ausstattungsmerkmale mit gehobenem Wohnstandard durch andere Elemente ausgleichen kann, wenn die Unterkunftskosten im Ergebnis noch angemessen sind (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.04.2007 - L 7 AS 494/05 - zitiert nach [...]). Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf der Grundlage eines schlüssigen Konzepts zu ermitteln, das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiederzugeben und das die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" hinreichend nachvollziehen lässt. Ein schlüssiges Konzept liegt nur dann vor, wenn der Grund-sicherungsträger planmäßig vorgegangen ist im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich ort- und zeitbedingter Tatsachen im maßgeblichen Vergleichsraum sowie für sämtliche Anwendungsfälle und nicht nur punktuell im Einzelfall (vgl.BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - zitiert nach [...]).

8

Ein solches schlüssiges Konzept des Antragsgegners liegt hier - unstreitig - nicht vor. Auch liegt für den Wohnort des Antragstellers - D. im Landkreis E. - kein Mietspiegel im Sinne der §§ 558c und 558d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vor. Der vom Antragsteller eingereichte Mietspiegel wurde ausweislich der eindeutigen Überschrift lediglich für F., die Kreisstadt des Landkreises, aufgestellt; Kirchlinteln liegt rund 10 km von G. entfernt. Der Antragsgegner stützt sich stattdessen bei der Prüfung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts allein auf die Tabellenwerte zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG). Durch dieses Vorgehen missachtet er zwar die höchstrichterlichen Vorgaben zur Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft. Die für die Erstellung eines sog. schlüssigen Konzepts erforderlichen Ermittlungen können jedoch im vorliegenden Eilverfahren weder von der Kammer selbst noch mittels Heranziehung des Antragsgegners nachgeholt werden (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.06.2011 - L 11 AS 475/11 B ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 13.09.2010 - L 11 AS 1015/10 B ER -).

9

Die Kammer ermittelt die Angemessenheit der Unterkunftskosten daher mangels anderer Erkenntnismöglichkeiten anhand der Werte der rechten Spalte der Tabelle zu § 12 WoGG unter Berücksichtigung eines Zuschlags von 10% vom ermittelten Tabellenwert. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Zwar hat das Bundessozialgericht zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten nach§ 22 SGB II ausgeführt, dass grundsätzlich nicht auf die Tabelle zu § 12 WoGG abgestellt werden kann. Dennoch hat das Bundessozialgericht zugleich ausgeführt, dass ein Rückgriff auf die Tabelle zu § 12 WoGG in Betracht kommt, soweit Erkenntnismöglichkeiten im lokalen Bereich nicht weiterführen (vgl.BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 15/09 R - zitiert nach [...]; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - zitiert nach [...]; BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - zitiert nach [...]). Die Wohngeldtabelle weist für Kirchlinteln in der Mietstufe I für eine Person einen Betrag von 292,00 EUR aus. Der ermittelte Tabellenwert ist noch um 10% zu erhöhen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird ein "Sicherheitszuschlag" zum jeweiligen Tabellenwert im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses auf Sicherung des Wohnraumes als erforderlich angesehen. Denn es könne beim Fehlen eines schlüssigen Konzeptes nicht mit Sicherheit beurteilt werden, wie hoch tatsächlich die angemessene Referenzmiete war (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - zitiert nach [...]; BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - zitiert nach [...]; BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 15/09 R - zitiert nach [...]). Die Kammer veranschlagt für den "Sicherheitszuschlag" vorliegend 10% (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.06.2011 - L 11 AS 475/11 B ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.05.2011 - L 15 AS 44/11 B ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 13.09.2010 - L 11 AS 1015/10 B ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 13.07.2010 - L 7 AS 1258/09 B ER -). Es ergibt sich danach für die Angemessenheit der Unterkunftskosten ein Betrag von 321,20 EUR. Diesen Betrag hat der Antragsgegner dem Antragsteller ausweislich des Änderungsbescheides vom 29. August 2011 gewährt.

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Ein Anspruch des Antragstellers auf Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft ergibt sich vorliegend nicht im Hinblick auf § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II. Nach der genannten Vorschrift sind die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft, soweit sie - wie hier - den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft solange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

11

Die Zumutbarkeitsregelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II soll verhindern, dass der Leistungsberechtigte sofort (bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit) gezwungen wird, seine bisherige Wohnung aufzugeben. Dem Schutzzweck ist jedoch genüge getan, wenn der Leistungsbezieher auf die unangemessenen Kosten aufmerksam gemacht wurde. Kennt der Hilfebedürftige seine Obliegenheit zur Senkung der Kosten seiner Unterkunft und sind Kostensenkungsmaßnahmen sowohl zumutbar als auch möglich, kann er die Erstattung seiner Aufwendungen nur noch in Höhe der Referenzmiete, also der Aufwendungen für eine angemessene Wohnung verlangen. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II stellt keine sonstigen erhöhten inhaltlichen oder formellen Anforderungen an die Erklärung des Grundsicherungsträgers. Bei einem solchen Hinweis und ggf. der Aufforderung zur Kostensenkung handelt es sich lediglich um eine Information mit Aufklärungs- und Warnfunktion, damit der Hilfebedürftige Klarheit über die aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft und ggf. die Heizung erhält. Unter diesem Blickwinkel genügt regelmäßig die Angabe des aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Mietpreises. Eine Verwaltungsaktqualität ist in der Regel nicht gegeben (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - zitiert nach [...]; BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - zitiert nach [...]; BSG, Urteil vom 01.06.2010 - B 4 AS 78/09 R - zitiert nach [...]).

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Nach diesen Maßstäben ist vorliegend von einer ausreichenden Information des Antragstellers durch den Hinweis des Antragsgegners in dem Schreiben vom 18. November 2010 auszugehen. Der Antragssteller ist mit dem Schreiben des Antragsgegners darauf hingewiesen worden, dass die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung für die von ihm bewohnte Unterkunft unter Berücksichtigung der örtlichen Vergleichsmieten und der einschlägigen Rechtsprechung 335,00 EUR betragen würden. Die zurzeit tatsächlich entstehenden Kosten für Unterkunft und Heizung würden längstens bis zum 30. April 2011 berücksichtigt. Der Antragsteller ist durch die Angabe der aus Sicht des Antragsgegners angemessenen Unterkunftskosten grundsätzlich hinreichend informiert worden. Unerheblich ist insoweit, ob die Mietobergrenze, auf die der Antragsgegner den Antragsteller mit seiner Kostensenkungsaufforderung hingewiesen hat, sachlich-inhaltlich richtig ist (vgl. BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R - zitiert nach [...]) und dass die Kostensenkungsaufforderung den Antragsteller lediglich auf eine Seitens des Antragsgegners für angemessen erachtete Bruttowarmmiete hingewiesen hat, ohne zwischen Grundmiete, "kalten" Nebenkosten und Heizkosten zu differenzieren (vgl. BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R - zitiert nach [...]; BSG, Urteil vom 19.03.2008 - B 11b AS 43/06 R - zitiert nach [...]). Hält der Grundsicherungsempfänger die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Kosten für nicht zutreffend bzw. nicht einschlägig, so ist der Streit hierüber bei der Frage auszutragen, welche Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II angemessen sind. Insoweit stellt die Kostensenkungsaufforderung seitens des Grundsicherungsträgers ein "Angebot" dar, in einen Dialog über die angemessenen Kosten der Unterkunft einzutreten. Insbesondere trifft den Grundsicherungsträger nicht von vornherein eine weitergehende Verpflichtung, den Hilfeempfänger im Einzelnen darüber aufzuklären, wie und in welcher Weise die Kosten auf den seiner Auffassung nach angemessenen Betrag gesenkt werden können. Der Grundsicherungsträger ist nicht verpflichtet, über die Angabe des von ihm als angemessen anzusehenden Mietpreises hinaus den Leistungsempfänger "an die Hand zu nehmen" und ihm im Einzelnen aufzuzeigen, auf welche Weise er die Kosten der Unterkunft senken bzw. welche Wohnungen er anmieten kann. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II normiert keine umfassende Beratungs- und Aufklärungspflicht des Grundsicherungsträgers. Es ist im Regelfall ausreichend, wenn der Grundsicherungsträger den Leistungsempfänger darauf hinweist, dass die von ihm geltend gemachten Kosten der Unterkunft unangemessen hoch sind und welche Kosten nach Ansicht des Grundsicherungsträgers angemessen wären (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - zitiert nach [...]; BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R -zitiert nach [...]).

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Sind Kostensenkungsmaßnahmen nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar, werden die tatsächlichen (höheren) Aufwendungen zunächst übernommen, nach dem Gesetzes-wortlaut "in der Regel jedoch längstens für sechs Monate". Die Norm sieht damit selbst bei Vorliegen von Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit vor, dass "in der Regel" spätestens nach sechs Monaten nur noch die Aufwendungen in Höhe der Referenzmiete erstattet werden sollen (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R -zitiert nach [...]). Die gesetzliche sechsmonatige "Übergangsfrist" ist eine Regelhöchstfrist, keine strikte Such- und Überlegungsfrist, die der Hilfeempfänger nach freiem Belieben ausschöpfen kann; sie kann abgekürzt werden (vgl. Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 68). Vorliegend hat der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheid vom 25. November 2010 für die Zeit vom 01. November 2010 bis zum 30. April 2011, d.h. sechs Monate, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft (und Heizung) gewährt und ihn zugleich mit Schreiben vom 18. November 2010 auf die unangemessenen Kosten aufmerksam gemacht. Der Antragsteller hatte insoweit 5 1/2 Monate Zeit, sich um eine Kostensenkung zu bemühen. Dies erscheint angemessen. Nach Auffassung der Kammer liegt hier auch kein Fall der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Kostensenkung vor, der einen Ausnahmefall und damit eine zeitlich darüber hinausgehende Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft rechtfertigen würde.

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Der Antragsteller kann sich nicht darauf berufen, dass eine kostenangemessene Unterkunftsalternative nicht vorhanden sei bzw. dass der Antragsgegner eine konkrete Unterkunftsalternative nicht nachgewiesen habe. Zwar darf der Grundsicherungsträger die Angemessenheitsprüfung nicht darauf beschränken, ausgehend vom Bedarf des Hilfebedürftigen mit Blick auf die örtlichen Verhältnisse zu bestimmen, welcher Kostenaufwand für die Unterkunft an sich (abstrakt) angemessen wäre. Da der Hilfebedürftige einen Anspruch auf Deckung seines Unterkunftsbedarfs hat, muss sich die Angemessenheitsprüfung in einem solchen Fall auch auf die Frage erstrecken, ob dem Hilfeempfänger im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich ist. Das Aufzeigen einer konkreten Unterkunftsalternative durch den Leistungsträger kann aber dann unterbleiben, wenn der Hilfebedürftige seiner sich aus§ 22 SGB II ergebenden Pflicht, sich ernsthaft und intensiv um eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung zu bemühen, nicht nachgekommen ist. Denn § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II normiert eine Verpflichtung des Hilfebedürftigen zu Bemühungen um eine Kostensenkung (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 23.07.2007 - L 9 AS 91/06 ER - zitiert nach [...]; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.02.2007 - L 8 AS 6425/06 ER B - zitiert nach [...]). Der Hilfebedürftige hat sich intensiv unter Zuhilfenahme aller ihm zumutbar erreichbaren Hilfen und Hilfsmittel (z.B. Einschaltung des Wohnungsamtes; Durchsicht von Zeitungs- und Internetanzeigen; Kontaktaufnahme mit örtlichen "Großvermietern", etwa Wohnungsbaugenossenschaften) um eine kostenangemessene Unterkunft zu bemühen und jede ihm erreichbare, zumutbare, bedarfsgerechte, kostenangemessene Unterkunft anzumieten. Der Hilfebedürftige muss hinreichende Kostensenkungsbemühungen substantiiert darlegen, wenn er geltend machen will, dass binnen der zugebilligten Übergangsfrist eine bedarfsgerechte kostenangemessene Unterkunft nicht anzumieten, eine Kostensenkung durch Umzug mithin unmöglich gewesen sei. Die Kostensenkungsaufforderung selbst muss insbesondere nicht mit dem konkreten Nachweis kostenangemessener Unterkunftsalternativen verbunden werden; ein solcher Nachweis ist erst dann erforderlich, wenn der Grundsicherungsträger an der Übernahme nur der angemessenen anstatt der tatsächlichen Kosten festhält, obwohl der Hilfebedürftige aufgrund eigener ausreichender Suchbemühungen den Nachweis geführt hat, dass es zu dem abstrakt angemessenen Mietzins im konkreten zeitlichen und räumlichen Rahmen keine Wohnungen anzumieten gibt (vgl. Berlit in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 69, 71). Vorliegend hat der Antragsteller bereits nicht vorgetragen, dass er überhaupt eine Suche nach alternativem Wohnraum begonnen hätte. Es wurden keine konkreten Bemühungen um eine Kostensenkung vorgetragen. Der Antragsteller hat keinerlei Nachweise erbracht, dass er sich um eine kostengünstigere Wohnung bemüht hat. Das vor-sorgliche Bestreiten einer solchen Wohnungsgelegenheit genügt insoweit nicht.

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Weiterhin können zwar auch unzutreffende Angaben des Grundsicherungsträgers zur Angemessenheit des Wohnraums einen Anspruch auf Übernahme zu hoher Kosten der Unterkunft auf Grund des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II begründen. Eine objektiv fehlerhafte Angabe zur Höhe der Referenzmiete führt aber nur dann zu einer subjektiven Unmöglichkeit der Kostensenkung mit der Folge des Weiterbestehens der Verpflichtung zur Übernahme der unangemessenen Kosten der Unterkunft, wenn der Grundsicherungsträger die Wohnungssuche des Hilfebedürftigen durch falsche oder irreführende Angaben erschwert hat und dadurch bewirkt wird, dass der Hilfebedürftige seine Suche aufgrund der unzutreffenden Angabe in wesentlichem Umfang beschränkt und gerade deshalb keine angemessene Wohnung findet, wenn also gerade die falsche oder irreführende Angabe ursächlich dafür war, dass es dem Hilfebedürftigen unmöglich war, unangemessen hohe Mietkosten z.B. durch Umzug in eine angemessene Wohnung zu senken (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - zitiert nach [...]; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 05.08.2009 - L 7 AS 302/09 B ER-). Vorliegend war die Angabe zur Höhe der Referenzmiete in dem Schreiben des Antragsgegners vom 18. November 2010 zwar falsch. Es ist aber nicht festzustellen, dass diese Fehlinformation zu einer subjektiven Unmöglichkeit der Kostensenkung geführt hat. Der Antragsteller hat bereits nicht vorgetragen, dass er überhaupt eine Suche nach alternativem Wohnraum begonnen hätte. Er hat ersichtlich auf die Kostensenkungsaufforderung überhaupt nicht reagiert.

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Die vom Antragsteller geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Verlust des Mittel- und Ringfingers an der linken Hand mit Kraftminderung der Hand, Bewegungseinschränkung im Grundgelenk sowie Empfindungsstörung im Narbenbereich; Schulter-Engpasssyndrom links; wiederkehrende tiefsitzende Rückenschmerzen) führen nach Auffassung der Kammer ebenfalls nicht dazu, dass der Antragsteller gehindert wäre, die Kosten der Unterkunft - ggf. durch einen Umzug - zu senken. Zwar kann der Umstand der Einschränkung der Umzugsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen der Zumutbarkeit eines Umzugs entgegenstehen. So kann es auf Grund einer Erkrankung erforderlich sein, die bisherige Wohnung beizubehalten, weil sie etwa mit Hilfsmitteln ausgestattet ist, die auf die spezielle gesundheitliche Situation des betreffenden Hilfebedürftigen zugeschnitten sind (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - zitiert nach [...]). Derartige Umstände sind im konkreten Fall jedoch nicht glaubhaft gemacht worden. Warum die Erkrankungen und Beschwerden des Antragstellers, insbesondere die Einschränkungen im Bewegungsapparat, ein Verbleiben in der bisherigen Wohnung aus medizinischen Gründen erforderlich machen bzw. einen Umzug schlechthin ausschließen sollen, ist nach dem bisherigen Vorbringen nicht erkennbar geworden und ergibt sich auch nicht aus dem vorgelegten ärztlichen Gutachten der Deutschen Rentenversicherung vom 15. November 2010.

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b) Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für die Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller nach derzeitigem Sach- und Streitstand die tatsächlichen Heizkosten gewährt, so dass sich ein weitergehender Anspruch nicht ergibt. Nach der letzten vom Antragsteller vorgelegten Verbrauchsabrechnung der "Brunata" vom 10. Februar 2010 haben die tatsächlichen Heizkosten für das Abrechnungsjahr 2009 801,51 EUR betragen. Der Antragsgegner hat in dem Änderungsbescheid vom 29. August 2011 diesen Betrag mit dem Monatsbetrag von 66,79 EUR übernommen. Der Antragsteller hat bislang keine aktuelleren Abrechnungen eingereicht, aus denen sich tatsächlich höhere Heizkosten ergeben würden, und damit einen Anspruch auf Bewilligung höherer Heizkosten nicht glaubhaft gemacht.

18

2.

Unabhängig davon - und insoweit die Entscheidung selbständig tragend - hat der Antragsteller einen Anordnungsgrund, d.h. eine besondere Eilbedürftigkeit hinsichtlich der Bewilligung höherer Kosten der Unterkunft und Heizung auf der Grundlage der tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten nicht glaubhaft gemacht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht erforderlich, um eine gegenwärtig bestehende Notlage, die eine sofortige Entscheidung des Gerichts unumgänglich macht, abzuwenden. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm Wohnungs- oder Obdachlosigkeit droht, wenn die begehrten zusätzlichen Leistungen nicht gewährt werden. Die abstrakte Möglichkeit, ein bestehendes Mietverhältnis nach den Vorschriften des BGB zu kündigen, reicht für die Bejahung der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren notwendigen Eilbedürftigkeit zur Bewilligung von Leistungen für die Unterkunft nicht aus. Erforderlich ist der Zugang eines Kündigungsschreibens bzw. das Drohen einer Räumungsklage (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.05.2008 - L 7 B 56/08 AS ER -). Allein der Gesichtspunkt, Unannehmlichkeiten mit dem Vermieter vermeiden zu wollen, rechtfertigt es für sich genommen noch nicht, unter Vorwegnahme der Hauptsache gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Gerade bei streitigen Kosten der Unterkunft kann ein Anordnungsgrund nur dann bejaht werden, wenn ansonsten der Verlust der Unterkunft droht (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 05.05.2008 - L 13 AS 59/08 ER -). Dies ist hier aber weder behauptet, noch glaubhaft dargetan worden.

19

Hinsichtlich des Hilfsantrages, den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung neu zu bescheiden, fehlt es an einer Eilbedürftigkeit schon deshalb, weil dieser Antrag allein darauf gerichtet ist, dass überhaupt eine Entscheidung getroffen wird, egal mit welchem Inhalt. Das kann aber nicht im Rechtssinn eilbedürftig sein, weil nach § 86b Abs. 2 SGG eine gerichtliche Entscheidung zu treffen ist, wenn das zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig ist. Es ist daher nur ein Antrag auf eine vorläufig dringend notwendige Leistung möglich.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus dem entsprechend anzuwendenden § 193 SGG.