Sozialgericht Stade
Urt. v. 30.03.2011, Az.: S 19 SO 7/07
Bei Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen umfasst Leistung auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung; Pflegeleistungen in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen als Teil von Leistungen der Eingliederungshilfe
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 30.03.2011
- Aktenzeichen
- S 19 SO 7/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 24127
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2011:0330.S19SO7.07.0A
Rechtsgrundlagen
- § 43a SGB XI
- § 53 Abs. 1 SGB XII
- § 55 S. 1 SGB XII
Fundstellen
- NZS 2011, 944
- ZfSH/SGB 2011, 615-617
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 28. Februar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. Dezember 2006 die der Klägerin entstandenen Kosten für das Anlegen von Kompressionsstrümpfen im Zeitraum 1. Oktober 2005 bis 31. März 2007 zu übernehmen. Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten für das Anlegen von Kompressionsstrümpfen.
Die am 19. November 1969 geborene Klägerin leidet unter einem Klippel-Trenaunay-Syndrom. Die Erkrankung geht einher mit ausgeprägten Wasseransammlungen im peripheren Gewebe. Zur Behandlung der Erkrankung wurde vom behandelnden Arzt eine Kompressionstherapie verordnet, welche das das tägliche Anlegen von Kompressionsstrümpfen durch eine ausgebildete Fachkraft erfordert.
Ab 2. Januar 1999 bis 23. Oktober 2009 lebte die Klägerin in einem von der Beigeladenen zu 1) betriebenen Wohnheim, einer Einrichtung, in der Behinderte vorübergehend, für längere Zeit oder auch auf Dauer leben, da sie behinderungsbedingt nicht zur selbst-ständigen Lebensführung in der Lage sind. Parallel dazu erfolgte eine teilstationäre Betreuung in den I. Werkstätten in J ... Die Kosten dieser Maßnahmen wurden durch den überörtlichen Träger der Sozialhilfe aus Mitteln der Eingliederungshilfe getragen.
Die von der Beigeladenen zu 1) betriebene Wohneinrichtung hielt kein ausgebildetes Fachpersonal vor, welches bei der Klägerin das Anlegen der Kompressionsstrümpfe übernehmen konnte. Infolgedessen beauftragte die Klägerin ab Oktober 2005 die Fa. Betreuungs- und Service gGmbH des K. J. mit der Ausführung der ärztlich verordneten Leistungen. Die hierfür abgerechneten Kosten beliefen sich auf ca 200,00 bis 600,00 EUR monatlich und wurden aufgrund einer mit der Klägerin abgeschlossenen Darlehens-vereinbarung vom 31. August 2009 bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens von der Beigeladenen zu 1) vorfinanziert.
Mit Schreiben vom 1. Dezember 2005 beantragte die Klägerin unter Bezugnahme auf verwaltungsgerichtliche Entscheidungen und ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 1. September 2005 (Az: 3 KR 19/04) beim Beklagten die Übernahme der anfallenden Kosten. Sie führte aus, seit Juli 2005 Kompressionsstrümpfe nicht mehr selbst anlegen zu können. Bei unsachgemäßem Anlegen könne es zu offenen Beinverletzungen kommen, deren Heilungsaussichten gering seien. Ihre Krankenkasse, die Beigeladene zu 2), komme für die Kosten seit 1. Oktober 2005 nicht mehr auf.
Der Beklagte lehnte den Antrag mit Schreiben vom 28. Februar 2006 ab mit der Begründung, das Anlegen von Kompressionsstrümpfen zähle zu den Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Diese sei den Pflegeleistungen im Sinne von § 55 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zuzuordnen, stelle keine Leistungen nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) dar und sei über die Rahmenleistungsbeschreibungen gemäß § 5 Landesrahmenvertrag (LRV) als direkte Leistung von der Einrichtung im Rahmen der bestehenden Vergütungsvereinbarungen zu erbringen. Dabei sei es der Einrichtung freigestellt, ob sie den Bedarf mit eigenem Personal decke oder Fremdleistungen beispielsweise durch Sozialstationen einkaufe.
Hiergegen legte die Klägerin am 20. September 2006 Widerspruch ein und trug vor, Leistungen der medizinischen Behandlungspflege würden von dem Wohnheim nicht angeboten. Die Einrichtung könne auch nicht verpflichtet sein, diese Leistung zu erbringen oder als Fremdleistung einzukaufen. Die Leistungen seien nicht Bestandteil des vereinbarten Heimentgeltes und könnten damit auch nicht zu den von der Pflegekasse abgegoltenen Aufwendungen zählen. Die medizinische Behandlungspflege stelle eine Maßnahme der Kranken- und nicht der Pflegeversicherung dar. Ein Anspruch gegenüber der Krankenkasse bestehe aber nicht, so dass der Sozialhilfeträger zur Kostenübernahme verpflichtet sei.
Im Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2006 führte der Beklagte aus, sowohl die Grundpflege als auch die hauswirtschaftliche Versorgung seien integraler Bestandteil der Leistungen, die im Rahmen der Vereinbarung nach §§ 75 ff SGB XII durch die Einrichtung erbracht würden. Für Pflegebedürftige in einer voll stationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen iSv § 71 Abs. 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) übernehme die Pflegekasse zur Abgeltung der in § 43 Abs. 2 SGB XI genannten Aufwendungen 10 vom Hundert des nach § 75 Abs. 3 SGB XII vereinbarten Heimentgeltes. Zu den in § 43 Abs. 2 SGB XI normierten Aufwendungen gehörten auch die Leistungen der medizinischen Behandlungspflege, so dass die Behandlungspflege den Pflegeleistungen i.S.d. § 55 SGB XII zuzuordnen sei. Sie stellten somit keine Leistungen nach dem SGB V dar und seien über die Rahmenleistungsbeschreibungen gem § 5 LRV als direkte Leistungen von der Einrichtung zu erbringen.
Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrer am 12. Januar 2007 erhobenen Klage. Sie trägt unter erneuter Berufung auf das Urteil des BSG vom 1. September 2005 (Az: 3 KR 19/04) vor, die pauschale Abgeltung der Pflegeleistungen nach § 43a SGB XI stehe dem Anspruch eines krankenversicherten Pflegebedürftigen auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege gem § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V nicht entgegen. Da der Anspruch auf Behandlungspflege gegen die gesetzliche Krankenversicherung vom Vorliegen eines eigenen Haushalts abhänge, bestehe jedenfalls bis zur Änderung der Vorschrift § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V zum 1. April 2007 kein Anspruch gegenüber der Krankenversicherung. Die Einrichtung habe nach dem Heimvertrag nur Hilfe bei der Inanspruchnahme ärztlich verordneter Leistungen zu erbringen, was durch die Vermittlung eines ambulanten Pflegedienstes erfolgt sei. Eine Verpflichtung der Einrichtung zur Erbringung von Behandlungspflege ergebe sich auch nicht aus der Rahmenleistungsbeschreibung gemäß § 5 RLV, da die Einbeziehung spezieller pflegerischer Erfordernisse in die Leistungspflicht der Einrichtungen hiernach gerade nicht verpflichtend, sondern freigestellt sei.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung am 30. März 2011 das Verfahren getrennt und die Leistungsansprüche der Klägerin für Zeiträume ab 1. April 2007 einem gesonderten Verfahren (Az: S 19 SO 26/11) zugewiesen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 28. Februar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2006 zu verurteilen, die ihr entstandenen Kosten für das Anlegen der Kompressionsstrümpfe im Zeitraum 1. Oktober 2005 bis 31. März 2007 zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die heimvertraglichen Regelungen zwischen der Klägerin und dem Träger des Wohnheims hätten ihm gegenüber keine Bindungswirkung, da sie privatrechtlicher Natur seien. Maßgeblich sei allein die Regelung von § 5 LRV und der daraus resultierenden Leistungsvereinbarung für das Wohnheim. Die danach zu erbringenden "direkten Leistungen" seien durch die Vergütungsvereinbarung umfasst. Die Kosten der medizinischen Behandlungspflege als "direkte Leistung" seien somit bereits abgegolten. Sofern sich das Wohnheim aufgrund der Pflegebedürftigkeit der Klägerin langfristig nicht in der Lage sehe, ihre Betreuung sicherzustellen, sei zu vereinbaren, dass die weitere Betreuung in einer anderen Einrichtung erbracht werden müsse.
Die Beigeladene zu 1) ist der Auffassung, zur medizinischen Behandlungspflege auf eigene Kosten nicht verpflichtet zu sein. Bei dem von ihr betriebenen Wohnheim handele es sich um keine Pflegeeinrichtung, sondern um eine Eingliederungshilfeeinrichtung mit eindeutig pädagogischer Grundausrichtung. Dementsprechend stehe medizinisch geschultes Personal nicht zur Verfügung. Im Falle einer rechtlichen Verpflichtung dürfte in kleineren und mittleren Einrichtungen der von ihr betriebenen Art ausschließlich medizinisch qualifiziertes Personal eingesetzt werden, um ggf. notwendige medizinische Behandlungspflege durchführen zu können. Dies widerspreche der seit Jahrzehnten von den Kostenträgern propagierten Ausrichtung der Behindertenwohneinrichtungen an Werkstätten für behinderte Menschen als Orte zur individuellen (pädagogischen) Förderung.
Die Beigeladene zu 2) vertritt die Auffassung, die Pflegekasse beteilige sich durch den pauschalen Zuschuss gem § 43a SGB XI am Versorgungsaufwand der Betroffenen. Abgedeckt seien damit auch die Kosten für medizinische Behandlungspflege einschließlich des dafür erforderlichen Personalaufwandes. Die Einrichtungen hätten entsprechendes Personal vorzuhalten und die Leistungen umfänglich zu erbringen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Beteiligten, auf das Sitzungsprotokoll sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte des Beklagten, die das Gericht beigezogen hat, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Gegenstand dieses Verfahrens sind nach erfolgter Trennung ausschließlich Ansprüche der Klägerin für den Zeitraum 1. Oktober 2005 bis 31. März 2007.
Der Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Kosten für das Anlegen der Kompressionsstrümpfe während ihres Aufenthalts in dem von der Beigeladenen zu 1) betriebenen Wohnheim im streitrelevanten Zeitraum findet seine Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1 i.V.m. § 55 Satz 1 SGB XII. Nach dieser Vorschrift erhalten Personen, die durch eine Behinderung iSv § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und so lange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Bei Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen iSv § 43a SGB XI umfasst die Leistung auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung. Die Klägerin gehört - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist und sich auch aus der Übernahme der Kosten für die Betreuung im Wohnheim und in den Schwingewerkstätten aus Mitteln der Eingliederungshilfe durch den überörtlichen Träger der Sozialhilfe ergibt - zum Personenkreis derjenigen, welche Leistungen der Eingliederungshilfe gem §§ 53ff SGB XII beanspruchen können.
Die Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen gemäß § 55 Satz 1, 2. Halbsatz SGB XII die Pflegeleistungen in der Einrichtung und damit auch die mit der medizinischen Behandlungspflege verbundenen Kosten eines ambulanten Pflegedienstes (vgl. BSG, Urteil vom 1. September 2005, Az: B 3 KR 19/04 R - [...] Rn. 22; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. April 2009, Az: L 8 SO 1/07 - [...] Rn. 21f). Zur Behandlungspflege gehören alle Pflegemaßnahmen, die nur durch eine bestimmte Krankheit verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten und Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder von Laien erbracht werden (krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, vgl. BSG, Urteil vom 10. November 2005, Az: B 3 KR 42/04). Das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen gehört als Leistung der Behandlungspflege zu den Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege i.S.d. Verzeichnisses verordnungsfähiger Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege (Anlage zur häuslichen Krankenpflege-Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V). Die Klägerin hat einen entsprechenden Bedarf an medizinischer Behandlungspflege, da nach der Verordnung des behandelnden Arztes Dr. Spreckels vom 14. November 2005 ihre Erkrankung eine Kompressionstherapie erfordert, welche jedenfalls im streitrelevanten Zeitraum das Anlegen von Kompressionsstrümpfen durch eine hierfür ausgebildete Fachkraft notwendig machte.
Dem Anspruch auf Eingliederungshilfe steht nicht entgegen, dass Ansprüche gegenüber der Pflegekasse bereits aufgrund der pauschalen Abgeltung der Pflegeleistungen für Pflegebedürftige in einer vollstationären Einrichtung nach § 43a SGB XI nicht bestehen. Die pauschale Abgeltung nach dieser Vorschrift steht dem Anspruch eines krankenversicherten Pflegebedürftigen auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege gem § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V ebenso wenig entgegen wie der Übernahme von Kosten der medizinischen Behandlungspflege durch den Sozialhilfeträger nach §§ 53, 55 SGB XII (vgl BSG, Urteil vom 1. September 2005, Az: B 3 KR 19/04 R).
Der Anspruch ist auch nicht durch Zahlung der vereinbarten Vergütung für die Unterbringung der Klägerin im Wohnheim der Beigeladenen zu 2) erfüllt. Eine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung iSv § 75 Abs. 3 SGB XII, in welcher Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen festgelegt ist, bestand jedenfalls für den hier relevanten Zeitraum nicht. Anzuwenden auf das Leistungsverhältnis sind daher die Regelungen des Niedersächsischen Landesrahmenvertrages nebst der dort vereinbarten Rahmenleistungsbeschreibungen, welche das Land Niedersachsen als überörtlicher Träger der Sozialhilfe mit den kommunalen Spitzenverbänden in Niedersachsen und den in der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen zusammengeschlossenen Spitzenverbänden abgeschlossen hat und dem die Beigeladene zu 1) beigetreten ist. Nach der danach geltenden Rahmenleistungsbeschreibung (Leistungstyp 2.2.3.1 "Wohnen für Menschen mit geistiger Behinderung") ist Ziel der Leistung, die Intentionen und Vorgaben des SGB XII zur Eingliederung von Menschen mit geistigen Behinderungen in die Gesellschaft zu verwirklichen (Ziffer 3.1 "Ziel der Leistungen"). Spezielle pflegerische Erfordernisse, welche von der Einrichtung für die Betroffenen sicherzustellen sind, sind hingegen weder als direkte Leistungen noch als indirekte Leistungen verpflichtend vorgeschrieben. Vielmehr ist unter Ziffer 3.3.1 ("Direkte Leistungen", Buchstabe G "Hilfen zur Gesundheitsförderung und -erhaltung") geregelt, dass für spezielle pflegerische Erfordernisse eine Regelung eingefügt werden kann. Dem ist im Umkehrschluss zu entnehmen, dass für den Regelfall dieses Einrichtungstyps die Erbringung spezieller pflegerischer Maßnahmen wie beispielsweise Behandlungspflege nicht vorgesehen ist, sofern keine ausdrückliche Regelung hierzu mit dem Einrichtungsträger getroffen wird. Der nachvollziehbare Grund für die unterbliebene Verpflichtung in der Rahmenleistungsbeschreibung für den Leistungstyp: 2.2.3.1 "Wohnen für Menschen mit geistiger Behinderung" (Erwerbs- und Seniorenalter) liegt offensichtlich darin, dass es sich bei diesen Einrichtungen um keine Pflegeeinrichtungen iSv § 71 Abs. 2 SGB XI handelt, in der Pflegebedürftige unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft gepflegt werden, sondern die von ihrer Grundausrichtung her einem anderen Zweck als der Pflege dienen (so die Begründung zu § 71 Abs. 4 SGB XI in BT-Drucks 13/3696 S 15). Insbesondere kleine und mittelgroße Einrichtungen dieser Art verfügen häufig weder über die erforderliche Ausstattung noch über das erforderliche Personal, um spezielle Pflegeerfordernisse der in den Einrichtungen wohnenden Menschen abdecken zu können.
Auch bei dem von der Beigeladenen zu 1) betriebenen Wohnheim, in welchem die Klägerin in dem hier relevanten Zeitraum lebte, handelt es sich um kein Pflegeheim iSv § 71 Abs. 2 SGB XI, sondern um eine vollstationäre Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen iSv § 71 Abs. 4 SGB XI. Eine über die Rahmenleistungsvereinbarung hinausgehende Vereinbarung über die Erbringung von speziellen pflegerischen Leistungen liegt nicht vor, so dass eine entsprechende Verpflichtung der Beigeladenen zu 1) nicht besteht. Auch ergibt sich eine derartige Verpflichtung nicht aus dem zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) abgeschlossenen Heimvertrag.
Der Anspruch der Klägerin scheitert schließlich auch nicht am Nachranggrundsatz der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII). Ein Anspruch der Klägerin gegen die Pflegekasse nach den Vorschriften des SGB XI scheidet wie bereits dargelegt aus, weil für Pflegebedürftige in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen iSv § 71 Abs. 4 SGB XI die Pflegekasse ihre Leistungsverpflichtung durch Zahlung eines Pauschalbetrages iHv maximal 256,00 EUR monatlich erfüllt, § 43a SGB XI. Ferner besteht jedenfalls für den hier streitigen Zeitraum bis 31. März 2007 kein Anspruch auf Übernahme der Kosten gegen die Beigeladene zu 2), da nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der bis zum 31. März 2007 geltenden Fassung Behinderte, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe wohnten und dort Kost und Logis als Leistungen der Eingliederungshilfe erhielten, keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege gegen ihre Krankenkasse hatten, weil sie dort keinen eigenen Haushalt führten (vgl BSG, Urteil vom 1. September 2005, Az: B 3 KR 19/04 R).
Schließlich steht der Übernahme der hier streitigen Kosten auch nicht die Regelung § 55 Satz 2 SGB XII entgegen. Danach vereinbaren - wenn der Träger der Einrichtung feststellt, dass der behinderte Mensch so pflegebedürftig ist, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann - der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistungen in einer anderen Einrichtung erbracht wird. Zwar konnten bei der Klägerin die erforderlichen Pflegeleistungen von dem Wohnheim selbst nicht erbracht werden, da hierfür erforderliches Fachpersonal nicht zur Verfügung stand. Abgesehen davon, dass § 55 Satz 2 SGB XII einer Übernahme von Kosten der medizinischen Behandlungspflege nicht entgegensteht, sondern das Verfahren zum Wechsel der Pflegeeinrichtung regelt, könnte sich der Beklagte als Träger der Sozialhilfe vorliegend schon deswegen nicht darauf berufen, weil er trotz Kenntnis der fehlenden Möglichkeit zur Erbringung der erforderlichen Pflege durch die Einrichtung nicht darauf hingewirkt hat, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird. Ob unter Berücksichtigung der angemessenen Wünsche der Klägerin (§ 55 Satz 2, 2. Halbsatz SGB XII) die Betreuung in einer anderen Einrichtung überhaupt möglich gewesen wäre, bedarf angesichts dessen keiner Entscheidung.
Der Anspruch ist auch nicht dadurch untergegangen, dass die der Klägerin entstandenen Kosten von der Beigeladenen zu 1) getragen wurden, da es sich insoweit um eine darlehensweise Vorfinanzierung gehandelt hat. Die Übernahme durch den Beklagten hat infolgedessen dergestalt zu erfolgen, dass die Klägerin von ihrer Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Beigeladenen zu 1) freigestellt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.