Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.08.2012, Az.: 8 Ta 367/12

Höhe der Rechtsanwaltsgebühren des beigeordneten Rechtsanwalts bei Abschluss eines Vergleichs über nicht rechtshängige Ansprüche

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
10.08.2012
Aktenzeichen
8 Ta 367/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 21373
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2012:0810.8TA367.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Lingen - 09.05.2011 - AZ: 1 Ca 575/11

Amtlicher Leitsatz

Der beigeordnete Rechtsanwalt, dem Prozesskostenhilfe für einen Vergleich auch über nicht rechtshängige Ansprüche bewilligt worden ist, kann für diese nur die Festsetzung einer 1,5 Einigungsgebühr, nicht auch eine Verfahrensdifferenzgebühr oder eine Terminsgebühr, verlangen.

Tenor:

Die Beschwerden des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen die Beschlüsse des Arbeitsgerichts Lingen vom 9. Mai 2011 und vom 23. Mai 2012 - 1 Ca 575/11 - werden zurückgewiesen.

Das Erinnerungs- und das Beschwerdeverfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

I. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wendet sich gegen die Kostenfestsetzung des Arbeitsgerichts Lingen mit Beschlüssen vom 9. und 23. Mai 2012, erweitert durch Beschluss vom 27. Juli 2012, mit denen nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV RVG und die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG für den Vergleichsmehrwert nicht berücksichtigt wurden, soweit es sich um nicht rechtshängige Ansprüche handelt.

2

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage gegen mehrere von der Beklagten ausgesprochene Kündigungen geführt und in einem weiteren Verfahren zur gleichen Zeit restliche Vergütung für die Monate November 2011 und Dezember 2012 begehrt. Das Arbeitsgericht hat dem Kläger durch Beschluss vom 5. März 2012 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bei einer monatlichen Ratenzahlung von 30 Euro für das Verfahren bewilligt. Die Verfahren haben durch Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO vom 2. April 2012 mit folgendem Inhalt geendet:

3

1. Die Parteien stellen außer Streit, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der ordentlichen und fristgerechten Kündigung der Beklagten vom 08.12.2011 mit Ablauf des 15.01.2012 geendet hat.

4

Die Beklagte hält gegenüber dem Kläger erhobene Vorwürfe nicht aufrecht.

5

2. Die Beklagte zahlt an den Kläger zum Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 3.250,00 € brutto.

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3. Die Beklagte zahlt an den Kläger restliche Vergütung für den Monat November 2011 in Höhe von 784,94 € netto sowie für den Monat Januar 2012 in Höhe von 818,52 € netto, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.

7

4. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der gesamte, dem Kläger zustehende Urlaub vollständig in natura gewährt und genommen worden ist.

8

5. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis, welches sich auf Führung und Leistung erstreckt und Leistung und Führung des Klägers mit "stets zu unserer vollen Zufriedenheit" bescheinigt.

9

6. Die Beklagte gibt die Lohnsteuerbescheinigung 2012 sowie die Sozialversicherungsnachweise 2011 und 2012 ausgefüllt an den Kläger heraus.

10

7. Damit sind sämtliche gegenseitigen finanziellen Ansprüche zwischen den Parteien, gleich aus welchem Rechtsgrund und ob bekannt oder unbekannt erledigt, insbesondere stehen der Beklagten keinerlei Schadensersatzansprüche gegenüber dem Kläger zu aus Gründen, wie etwa mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 02.02.2012 geltend gemacht.

11

8. Damit sind der vorliegende sowie der ebenfalls vor dem Arbeitsgericht Lingen zum Aktenzeichen 1 Ca 559/11 geführte Rechtsstreit erledigt.

12

9. Die Kosten des Rechtsstreites und des Vergleiches werden gegeneinander aufgehoben.

13

Den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit hat das Arbeitsgericht für das Verfahren auf 17.500,00 Euro und für den Vergleich unter Berücksichtigung der mitverglichenen Ansprüche und des Verfahrens 1 Ca 559/11 - Arbeitsgericht Lingen - auf 31.440,28 Euro festgesetzt. Durch Beschluss vom 22. Mai 2012 hat es sodann Prozesskostenhilfe auch für den Vergleichsmehrwert bewilligt.

14

Mit Antrag vom 7. Mai 2012 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Festsetzung der aus der Staatskasse gemäß § 55 RVG zu zahlenden Vergütung in Höhe von 1.884,96 Euro beantragt, die er folgendermaßen berechnet hat:

Bezeichnung

Vergütungs-Verzeichnis Nummer(n)

Gegenstandswert

EUR

Vergütung §§ 45,49 RVG

EUR

Verfahrensgebühr 1,3

3100

17.500,00

353,60

Verfahrensgebühr 0,8

3101

13.940,28

154,70

Terminsgebühr 1,2

3104

31.440,28

469,20

Einigungs-/Aussöhnungsgebühr 1,0

1003

17.500,00

272,00

Einigungsgebühr, -Obergrenze 1,5

1000

13.940,28

314,50

Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen

7002

Pauschale

20,00

Summe

1584,00

Umsatzsteuer auf die Vergütung

7008

300,96

Summe

1.884,96

zu zahlender Betrag

1.884,96

15

Das Arbeitsgericht hat die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers aus der Landeskasse zu zahlende Prozesskostenhilfevergütung zunächst auf 1.211,66 Euro festgesetzt. Den Vergleichsmehrwert hat es dabei gänzlich unberücksichtigt gelassen. Nach Erweiterung der Prozesskostenhilfe hat das Arbeitsgerichts mit Beschluss vom 23. Mai 2012 eine weitere Vergütung in Höhe von 293,50 Euro festgesetzt (1,5 Einigungsgebühr nach dem gesamtem Vergleichswert), jedoch die beantragte Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV RVG und die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG weiterhin ohne Berücksichtigung des Vergleichsmehrwertes gelassen.

16

Hiergegen wendet sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit seinen Beschwerden vom 18. und 25. Mai 2012. Nach geringfügiger Abhilfe mit Beschluss vom 30. Juli 2012 und Berechnung der Verfahrens- sowie Einigungsgebühr auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 19.690,28 Euro aufgrund der Einbeziehung des Verfahrens 1 Ca 559/11 ist die Sache nach Anhörung des Bezirksrevisors dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt worden. Das Arbeitsgericht hat sich der Auffassung des Vertreters der Landeskasse angeschlossen. Dieser hat ausgeführt: Dem auch für den Mehrvergleich beigeordneten Rechtsanwalt stehe lediglich die erhöhte Einigungsgebühr, aber keine Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG und keine erhöhte Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG auf den Vergleichswert zu, sofern nicht rechtshängige Ansprüche betroffen seien.

17

II. Die Beschwerden des Prozessbevollmächtigten des Klägers bleiben erfolglos. Sie sind zwar nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG zulässig; insbesondere ist der Beschwerdewert von 200,00 Euro erreicht. Sie sind aber nicht begründet. Zutreffend hat das Arbeitsgericht die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung insgesamt auf 1.560,92 Euro festgesetzt.

18

Der beigeordnete Rechtsanwalt des Klägers, dem Prozesskostenhilfe für einen Vergleich auch über nicht rechtshängige Ansprüche bewilligt wurde, kann für diese nur die Festsetzung einer 1,5-Einigungsgebühr - nicht auch eine Verfahrensdifferenzgebühr oder eine Terminsgebühr - verlangen.

19

1. Gemäß § 48 Abs. 1 RVG richtet sich der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwaltes gegen die Staatskasse nach der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe. Denn im Festsetzungsverfahren nach den §§ 45 ff., 55 RVG können - von dem hier nicht einschlägigen Anwendungsbereich des § 48 Abs. 3 RVG abgesehen - einem beigeordneten Rechtsanwalt ausschließlich diejenigen Gebühren aus der Staatskasse ersetzt werden, die vom sachlichen Umfang des Bewilligungsbeschlusses gedeckt sind (§ 48 Abs.1 RVG).

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2. Danach kann der Prozessbevollmächtigte des Klägers für die mitverglichenen Ansprüche, die nicht rechtshängig waren, weder eine Termins- noch eine Verhandlungsgebühr von der Landeskasse beanspruchen. Die bewilligte Prozesskostenhilfe erstreckt sich zwar vorliegend ausdrücklich auf den Vergleichsmehrwert. Sie erfasst damit aber nicht die durch den Vergleich ausgelöste Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG und die Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3101 VV RVG. Das gilt jedenfalls für Ansprüche, die vor dem Arbeitsgericht nicht anhängig waren und für die eine vollständige Prozesskostenhilfeprüfung deshalb nicht erfolgt ist.

21

a) Der einen sogenannten Mehrvergleich betreffende Erweiterungsbeschluss wird in der Praxis meist nicht begründet, sondern beschränkt sich in aller Regel auf das vom Arbeitsgericht verwendete Tenorierungsmuster (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage, RVG, § 48 Rn.120). Ein derartiger Erweiterungsbeschluss bedarf der Auslegung (vgl. etwa OLG Köln v. 08.01.2008 - 10 WF 28/07, AGS 2008, 247; OLG Düsseldorf v. 29.01.2009, 10 WF 30/08, FamRZ 2009,1087; Müller-Rabe aaO.). Das gilt insbesondere deshalb, weil im Festsetzungsverfahren eine Überprüfung der maßgebenden Bewilligungsentscheidung(en) in der Sache nicht stattgefunden hat (vgl. OLG München v. 23.06.2003 - 11 W 1489/03, NJW-RR 2004, 65; Müller-Rabe, aaO., Rn. 33 zu Nr. 3335 VV).

22

b) Die Frage, in welchem Umfang die Staatskasse die Gebühren eines Rechtsanwaltes für solche in einem Vergleich miterledigten Ansprüche ersetzen muss, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Einheitliche Bewertungskriterien haben sich bis heute nicht durchsetzen können. Das gilt insbesondere für Fälle wie den vorliegenden, in dem das Arbeitsgericht nach dem Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 Satz 1, 1. Alt. ZPO Prozesskostenhilfe auch für den Vergleichsmehrwert bewilligt hat (vgl. die Übersichten in OLG Bamberg v. 07.11.2007 - 2 WF 54/07, FamRZ 2008, 2142; v. 08.05.2009 - 7 WF 41/09, JurBüro 2009, 592;OLG Bamberg v. 21.03.2011 - 4 W 42/10, FamRZ 2011, 1605; OLG Stuttgart v. 08.01.2008 - 8 WF 12/08, FamRZ 2008, 1010; OLG Koblenz v. 15.10.2008 - 7 WF 803/08, FamRZ 2009, 143).

23

aa) Teilweise wird vertreten, entsprechend den Grundsätzen des Bundesgerichtshofs (Beschluss v. 08.04.2004 - VI ZB 49/03, NJW 2004, 2595 [BGH 08.06.2004 - VI ZB 49/03] ff.) sei nur die Einigungsgebühr aus dem Wert der in den Mehrvergleich einbezogenen Ansprüche erstattungsfähig (vgl. etwa OLG Bamberg v.07.11.2007 - 2 WF 54/07, FamRZ 2008, 2142).

24

bb) Dagegen wird eingewandt, die Entscheidung des BGH sei nicht einschlägig (OLG Koblenz v. 06.06.2005 - 14 W 328/06, FamRZ 2006, 1691; OLG München v. 18.03.2009 - 11 WF 812/09, NJW-RR 2009, 1367 [OLG München 18.03.2009 - 11 WF 812/09]; Musielak/Fischer, 7. Aufl., Rn. 6 zu § 118 ZPO). Sie betreffe einen anders gelagerten Sachverhalt und sei auf die vorliegende Konstellation nicht zu übertragen. Der Beschluss behandele die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Rahmen eines Bewilligungsverfahrens, in dem die Parteien gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO zur mündlichen Erörterung geladen wurden und dort einen Vergleich geschlossen haben. Zutreffend sei nur, dass für ein Prozesskostenhilfeverfahren Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden könne, weil Gegenstand der Erörterung nach § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO der Prozesskostenhilfeantrag, nicht aber der angekündigte Sachantrag sei. Insofern sei nachvollziehbar, dass im Rahmen dieses Verfahrens ausschließlich für den Vergleichsschluss selbst und nicht für das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt werde.

25

Das sei vorliegend anders. Deshalb könne neben der Einigungsgebühr die Festsetzung einer Verfahrensdifferenzgebühr von der Staatskasse verlangt werden (OLG München v. 18.03.2009 - 11 WF 812/09, FamRZ 2009, 1779; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, aaO. § 48 Rn. 120) oder sogar die Terminsgebühr aus dem Wert der in den Mehrvergleich einbezogenen Ansprüche (OLG Koblenz v. 06.06.2006 - 14 W 328/06 - aaO.; OLG Karlsruhe v. 09.07.2009 - 2 WF 33/09 - FamRZ 2009, 2114 ff.).

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Einige Gerichte differenzieren hier weiter und sprechen neben der Einigungs- und der 0,8 Verfahrensgebühr nur bei Mitwirkung des Gerichts am Vergleichsschluss eine 1,2-fache Terminsgebühr zu (vgl. etwa LAG Baden-Württemberg v. 07.09.2010 - 5 Ta 132/10, n.v. zit. n. juris; LAG Schleswig-Holstein v. 18.11.2011 - 1 Ta 191/11, n.v. zit. n. juris)

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cc) Weiter wird vertreten, dass im Anwendungsbereich des § 48 Abs. 3 RVG die durch die Vereinbarung selbst angefallenen Gebühren von einem Erweiterungsbeschluss umfasst seien, zu denen die mit der Einigungsgebühr "untrennbar verbundene" Verfahrensgebühr zählt (OLG München v. 18.03.2009 - 11 WF 812/09, NJW-RR 2009, 1367 [OLG München 18.03.2009 - 11 WF 812/09]). Deshalb müsse auch außerhalb des Geltungsbereichs des § 48 Abs. 3 RVG (vgl. OLG Stuttgart, aaO.; OLG Koblenz, NJW 2009 aaO.) die den Mehrvergleich betreffende Nachbewilligung insbesondere unter Berücksichtigung der Interessenlage und des Empfängerhorizonts des Rechtsanwaltes und seiner Partei weit ausgelegt werden (OLG Düsseldorf v. 29.01.2009, 10 WF 30/08, aaO.; OLG Bamberg v. 26.02.2010, n.v.). Bei der Auslegung eines den Vergleichsmehrwert betreffenden Beschlusses, mit dem Prozesskostenhilfe bewilligt werde, könne grundsätzlich auch auf die im Rahmen des Erinnerungsverfahrens ergangene Entscheidung des Prozessgerichts zurückgegriffen werden (OLG Köln v. 08.01.2008 - 10 WF 28/07, aaO.; OLG Bamberg v. 26.02.2010).

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c) Die erkennende Kammer folgt der Auffassung des OLG Bamberg (Beschluss v. 21.03.2011 - 4 W 42/10, aaO.; so schon: OLG Oldenburg v. 27.10.2009 - 13 W 46/09, FamRZ 2010, 400 und OLG Celle v. 21.01.2011 - 10 WF 6/11, MDR 2011, 324 = NJW 2011, 1296 [OLG Celle 21.01.2011 - 10 WF 6/11]). Anderenfalls würde die nach § 114 ZPO für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche Prüfung der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung umgangen werden können (OLG Celle v. 21.01.2011 - 10 WF 6/11, aaO.).

29

Die Erfolgsaussicht ist nicht in jedem Fall eines Vergleichsschlusses zwingend zu bejahen. Regelmäßig nimmt das Gericht nur eine pauschalierte Prüfung vor, um Ansprüche dem Streit zu entziehen und schnell eine Gesamtlösung zu finden. Oftmals wollen die Parteien auch unstreitige Ansprüche in dem Vergleich geregelt wissen, so dass ihre Einigung tatsächlich kein gegenseitiges Nachgeben betrifft. Dennoch wird aus prozessökonomischen Gründen großzügig Prozesskostenhilfe für den Vergleichsmehrwert bewilligt. Das gilt umso mehr im vorliegenden Rechtsstreit, in dem Prozesskostenhilfe für den Mehrwert nach Abschluss des Verfahrens bewilligt worden ist. Es wäre verfehlt, die Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht in das Kostenfestsetzungsverfahren zu verlagern.

30

d) Zu Recht weist das OLG Bamberg in dem soeben unter c) zitierten Beschluss zudem darauf hin, die Vorgaben der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes vom 08.04.2004 (VI ZB 49/03, aaO.) zu den Voraussetzungen und Rechtswirkungen einer begrenzten Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines Vergleiches im PKH-Verfahren (§ 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO) seien entsprechend heranzuziehen. Sie würden von der Gegenauffassung nicht konsequent umgesetzt, jedenfalls nicht genügend berücksichtigt.

31

aa) Schon in der Entscheidung vom 30.05.1984 hat der Bundesgerichtshof (VIII ZR 298/83, NJW 1984, 2106 = BGHZ 91, 311) den Grundsatz aufgestellt, eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Prüfungsverfahren selbst scheide aus. Demzufolge könne Prozesskostenhilfe nur für den Vergleich selbst gewährt werden, der in einem Erörterungstermin nach § 118 Abs.1 Satz 3 ZPO zustande gekommen ist. Daraus ergibt sich zwingend, dass dem beigeordneten Anwalt nur ein Anspruch auf Erstattung der Vergleichsgebühr (jetzt Einigungsgebühr) erwächst. Entsprechendes gilt auch im vorliegenden Fall.

32

Beantragt die bedürftige Partei nach bewilligter Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines Vergleichs Prozesskostenhilfe auch für den Mehrwert, wird dadurch ein neues - auf die Streitmasse der nicht anhängigen (wechselseitigen) Ansprüche bezogenes - Prozesskostenhilfeverfahren eingeleitet. Die durch den Ergänzungsantrag eingetretene Verfahrenslage stellt sich damit nicht wesentlich anders dar als die in dem Bewilligungsverfahren, auf das die Ausnahmeregelung des § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO zugeschnitten ist (OLG Bamberg v. 21.03.2011 - 4 W 42/10, aaO.).

33

bb) Für eine unterschiedliche Behandlung beider Verfahrenskonstellationen ist ein sachlicher Grund nicht erkennbar (OLG München v. v. 18.03.2009 - 11 WF 812/09, aaO.; OLG Nürnberg v. 19.10.2005 - 2 W 2190/05, aaO.; Pentz NJW 1982, 1269 [BGH 17.12.1981 - VII ZB 8/81]), so dass für den Ergänzungsantrag die vom Bundesgerichtshof erkannte Wertung entsprechend heranzuziehen ist.

34

Die Begrenzung der sachlichen Reichweite einer auf den Vergleichsschluss selbst beschränkten Bewilligungsanordnung nach § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO entspricht nicht nur dem Ausnahmecharakter dieser Regelung (OLG Bamberg v. 21.03.2011 - 4 W 42/10, aaO.). Sie erfährt ihre innere Rechtfertigung dadurch, dass in dem durch § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO eröffneten Bewilligungsrahmen eine Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht (§ 114 Satz 1 ZPO) zwar nicht von vornherein entbehrlich ist, sich aber aus prozessökonomischen Gründen jedenfalls darauf beschränken darf, den Umfang der Vergleichsbereitschaft des Antragsgegners nachzuvollziehen (Baumbach/Lauterbach/Albers-Hartmann, ZPO, 69. Aufl. 2011, § 114 Rn. 43, Rn. 104 Stichwort "Vergleich"). Sind aber insoweit die sachlichen Bewilligungsschranken gegenüber den Regelanforderungen deutlich abgesenkt, so spricht die hierfür maßgebende Zielsetzung des Gesetzes zugleich dafür, dass in einem solchen Ausnahmefall die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht die gleiche Anordnungsqualität haben kann wie die einer vollen Sachprüfung nach § 114 Satz 1 ZPO.

35

cc) Dieser Gesichtspunkt hat noch stärkeres Gewicht, wenn es um die vorliegende Fallgestaltung einer Nachbewilligung wegen Einbeziehung bisher nicht anhängiger Ansprüche in einem Prozessvergleich geht (so offenbar auch Baumbach/Lauterbach/Albers-Hartmann, aaO., § 114 Rn. 43). Denn häufig, wenn nicht regelmäßig, ist der Sach- und Streitstand durch die Parteien, nicht ausreichend aufbereitet, als dass er einer Prüfung der Erfolgsaussichten iSd § 114 Satz 1 ZPO genügte.

36

3. Es ist auch nicht widersprüchlich, wenn eine Partei trotz Bewilligung von Prozesskostenhilfe und trotz Prozesskostenarmut der Inanspruchnahme auf nicht erfasste gesetzliche Gebühren ausgesetzt ist (vgl. LAG Niedersachsen v. 30.09.2009 - 12 Ta 161/09, n.v.). Denn weder steht fest, dass die Parteien über den mitverglichenen Streitgegenstand ein gerichtliches Verfahren geführt hätten, noch ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass hierfür Prozesskostenhilfe bewilligt worden wäre. Insbesondere in dem vorliegend einbezogenen Schadensersatzanspruch in Höhe von 10.000,00 Euro muss davon ausgegangen werden, dass die Partei vor einer Klage zunächst prüfen wird, ob sie sich dem Prozessrisiko in vollem Umfang aussetzen will.

37

4. Jedenfalls aber ist der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 22. Mai 2012, mit dem Prozesskostenhilfe für den abgeschlossenen Vergleich bewilligt worden ist, einschränkend dahingehend auszulegen, dass Prozesskostenhilfe nur für die Einigungsgebühr bewilligt worden ist. Denn es wurden Ansprüche aufgrund außergerichtlicher Verständigung der Parteien mitverglichen, die dem Gericht nach Grund und Höhe unbekannt waren. Der als Anlage eingereichte Schriftsatz der Beklagten vom 02.02.2012 gibt nur einen groben Überblick. Auch seinem Wortlaut ist zu entnehmen, dass sich die Bewilligung der Prozesskostenhilfe im Zweifel nur auf die Einigungsgebühr hinsichtlich des Vergleichswertes erstrecken sollte.

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5. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers Entscheidungen heranzieht, die zu § 48 Abs. 3 RVG ergangen sind, steht dies nicht entgegen. § 48 Abs. 3 RVG sieht ausdrücklich vor, dass sich die Beiordnung in einer Ehesache auf den Abschluss eines Vertrages im Sinne der Nummer 1000 des Vergütungsverzeichnisses erstreckt. Der vorliegend geltend gemachte Anspruch beruht auf § 48 Abs. 1 RVG. Dieser enthält eine entsprechende Regelung nicht.

39

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG.

40

IV. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt (§ 33 Abs. 4 Satz 3 RVG). Gegen diesen Beschluss ist daher gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG iVm § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG kein Rechtsmittel gegeben. Er ist unanfechtbar.