Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 21.01.2011, Az.: 10 WF 6/11
Gebühren des beigeordneten Rechtsanwalts bei Abschluss eines Vergleichs über nicht anhängige Ansprüche
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 21.01.2011
- Aktenzeichen
- 10 WF 6/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 10561
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2011:0121.10WF6.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 12.12.2010 - AZ: 622 F 3168/10
Rechtsgrundlage
- § 48 Abs. 1 RVG
Fundstellen
- AGS 2011, 551-553
- FamRZ 2011, 835-836
- FuR 2011, 238-239
- JurBüro 2011, 196
- MDR 2011, 324-325
- NJW 2011, 1296-1297
- NJW 2011, 8
Amtlicher Leitsatz
Der beigeordnete Rechtsanwalt kann, wenn Prozess/Verfahrenskostenhilfe für einen Vergleich auch über nicht rechtshängige Ansprüche bewilligt wurde (hier: Umgangsvereinbarung in einem Gewaltschutzverfahren), insofern nur die Festsetzung einer 1,5 Einigungsgebühr - nicht auch einer Verfahrensdifferenzgebühr oder einer Terminsgebühr - verlangen.
Tenor:
Die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 22. Dezember 2010 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 12. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrte im Wege der einstweiligen Anordnung eine Unterlassungsanordnung nach dem Gewaltschutzgesetz. In der persönlichen Anhörung am 13. Oktober 2010 schlossen die Beteiligten eine Vereinbarung über den Verfahrensgegenstand und darüber hinaus zum Umgangsrecht des Antragsgegners. Das Amtsgericht bewilligte den Beteiligten Verfahrenskostenhilfe auch für den abgeschlossenen Vergleich. Außerdem setzte das Amtsgericht den Gegenstandswert für das Verfahren auf 1.500 € und den Gegenstandswert für den Vergleich auf 4.500 € fest.
Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2010 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung gemäß § 55 Abs.1 S.1 RVG. Dabei sind zunächst geltend gemacht worden:
Gegenstandswert: | 1.500 € |
---|---|
1,3 Geschäftsgebühr | 136,50 € |
1,2 Terminsgebühr | 126,00 € |
Gegenstandswert: | 3.000 € |
0,8 Verfahrensgebühr | 139,10 € |
Gegenstandswert: | 4.500 € |
1,0 Einigungsgebühr | 212,00 € |
Post und Telekommunikationspauschale | 20,00 € |
Umsatzsteuer | 120,38 € |
Summe | 753,98 € |
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 22. Oktober 2010 unter Nichtberücksichtigung der 0,8 Verfahrensgebühr und unter Berücksichtigung einer 1,5 Einigungsgebühr in Höhe von 318 € sowie entsprechender Anpassung der Umsatzsteuer insgesamt 714,60 € festgesetzt. Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer am 9. November 2010 Erinnerung eingelegt und dabei seinen Festsetzungsantrag dahin korrigiert, dass nunmehr geltend gemacht werden:
Gegenstandswert: | 1.500 € |
---|---|
1,3 Geschäftsgebühr | 136,50 € |
Gegenstandswert: | 4.500 € |
1,2 Terminsgebühr | 244,80 € |
Gegenstandswert: | 3.000 € |
0,8 Verfahrensgebühr | 139,10 € |
Gegenstandswert: | 4.500 € |
1,5 Einigungsgebühr | 318,00 € |
Post und Telekommunikationspauschale | 20,00 € |
Umsatzsteuer | 163,80 € |
Summe | 1.021,38 € |
Das Amtsgericht hat die Erinnerung durch Beschluss vom 10. Dezember 2010 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 22. Dezember 2010, mit der er die Festsetzung einer weiteren Vergütung in Höhe von 306,78 € begehrt.
II. Die - form und fristgerecht eingelegte - Beschwerde ist zulässig, insbesondere betrifft sie auch einen 200 € übersteigenden Beschwergegenstand. Zwar bleibt die angegriffene Festsetzung vom 22. Oktober 2010 rechnerisch nur 39,38 € hinter dem ursprünglichen Antrag des Beschwerdeführers. Der Festsetzungsantrag ist jedoch im Rahmen der Erinnerung bezüglich der Streitposition ´1,2 Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV, § 49 RVG´ nach einem Gegenstandswert von 4.500 € statt 1.500 € korrigiert worden. Die unterbliebene Festsetzung betrifft diese Streitposition sowie die Streitposition ´0,8 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3101 VV, §§ 49, 15 III RVG´ nach einem Gegenstandswert von 3.000 € und macht nunmehr einen Betrag von insgesamt 306,78 € aus.
Die Beschwerde ist jedoch in der Sache nicht begründet. Das Amtsgericht hat zu Recht die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung ohne Berücksichtigung der Terminsgebühr nach Nr. 3104 des Vergütungsverzeichnisses und der Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3101 Vergütungsverzeichnisses für das in den Vergleich einbezogene Umgangsrecht festgesetzt.
Es ist zwar zutreffend, dass für den in einem Verhandlungstermin an einem Vergleich mitwirkenden Rechtsanwalt ein Anspruch gegen den Auftraggeber auf eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 des Vergütungsverzeichnisses, eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 des Vergütungsverzeichnisses und eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 des Vergütungsverzeichnisses entsteht, und zwar auch aus den einbezogenen Gegenständen, die bis dahin nicht in dem Verfahren geltend gemacht wurden (so genannter Mehrvergleich).
Unabhängig vom Entstehen der Gebührenansprüche als solcher bestimmt sich der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse aber gemäß § 48 Abs. 1 RVG nach dem Beschluss, durch den die Verfahrenskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Der beigeordnete Rechtsanwalt erhält nach § 48 Abs. 4 S. 1 RVG für mit dem Hauptverfahren zusammenhängende Angelegenheiten nur insoweit eine Vergütung aus der Staatskasse, als er für sie ausdrücklich beigeordnet ist.
Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass neben der Einigungsgebühr von der Staatskasse die Festsetzung einer Verfahrensdifferenzgebühr verlangt werden kann (vgl. OLG München, Beschluss vom 18. März 2009 - 11 WF 812/09 - FamRZ 2009, 1779 f.. MüllerRabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage, § 48 Rdn. 120). Nach anderer Auffassung umfasst die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Vergleich neben der Vergleichsgebühr und der Verfahrensgebühr auch die Terminsgebühr aus dem Wert der in den Mehrvergleich einbezogenen Ansprüche (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 6. Juni 2006 - 14 W 328/06 - FamRZ 2006, 1691. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Juli 2009 - 2 WF 33/09 - FamRZ 2009, 2114 ff.). Ferner wird vertreten, dass der beigeordnete Rechtsanwalt nur die Festsetzung einer Einigungsgebühr verlangen kann, wenn Prozesskostenhilfe für einen Vergleich über nicht rechtshängige Ansprüche bewilligt wurde (BGH, Beschluss vom 8. Juni 2004 - VI ZB 49/03 - VersR 2005, 289. OLG Bamberg, Beschluss vom 8. Mai 2009 - 7 WF 41/09 - JurBüro 2009, 592 f.. OLG Oldenburg, Beschluss vom 27. Oktober 2009 - 13 W 46/09 - FamRZ 2010, 400).
Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Anderenfalls würde die nach § 114 ZPO für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe erforderliche Prüfung der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung umgangen werden können. Die Erfolgsaussicht ist auch nicht in jedem Fall eines Vergleichsschlusses zwingend zu bejahen, weil die Beteiligten häufig zwischen ihnen unstreitige Sachverhalte protokolliert haben möchten, so dass ihre Einigung tatsächlich eine bloße Feststellung und kein gegenseitiges Nachgeben darstellt.
Außerdem ist der Beschluss des Amtsgerichts, mit dem Verfahrenskostenhilfe für einen abgeschlossenen Vergleich bewilligt wird, jedenfalls dann einschränkend dahingehend auszulegen, dass Verfahrenskostenhilfe nur für die Einigungsgebühr bewilligt wird, wenn - wie hier - das Umgangsrecht mitverglichen wird. Nach § 78 Abs. 2 FamFG erfolgt in Verfahren, in denen die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist, die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe nur noch dann, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Sach und Rechtslage erforderlich erscheint. Diese Anforderungen dürfen nicht dadurch umgangen werden, dass eine Umgangsregelung, für die ein Anwaltszwang nicht besteht, erst im Termin geltend gemacht und sogleich vergleichsweise mit erledigt wird.
Das Amtsgericht hat den Beteiligten durch Beschluss vom 13. Oktober 2010 Verfahrenskostenhilfe für den abgeschlossenen Vergleich bewilligt. Aus dem Wortlaut ergibt sich demnach, dass sich die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe und die Beiordnung auf die Einigungsgebühr nach dem gesamten Gegenstandswert des abgeschlossenen Vergleichs, den das Amtsgericht auf 4.500 € festgesetzt hat, erstreckt. Verfahrenskostenhilfe sollte im Zweifel aber nur für die Einigungsgebühr bewilligt werden, nicht für die weiteren durch den Vergleichsschluss entstehenden Gebühren. Das Amtsgericht hat den Beteiligten gerade nicht Verfahrenskostenhilfe für das bis dahin nicht verfahrensgegenständliche Umgangsrecht sondern nur für den abgeschlossenen Vergleich bewilligt.
Diese Entscheidung ist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG unanfechtbar.