Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 27.10.2009, Az.: 13 W 46/09

Gegenstandswert der Anwaltsgebühren bei gerichtsnaher Mediation

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
27.10.2009
Aktenzeichen
13 W 46/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 26144
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2009:1027.13W46.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 08.09.2009 - AZ: 12 O 693/07

Fundstellen

  • FamRZ 2010, 400
  • HRA 2009, 6-7
  • JurBüro 2010, 93-94

Amtlicher Leitsatz

1. Die Einführung des § 15a RVG stellt eine Gesetzesänderung im Sinne von § 60 Abs. 1 RVG dar.

2. Wird in einem Verfahren der gerichtsnahen Mediation eine Einigung auch über nicht rechtshängige Ansprüche erzielt und insoweit Prozesskostenhilfe für den Vergleichsabschluss bewilligt, kann bezogen auf den höheren Streitwert lediglich eine Einigungsgebühr, nicht aber eine Verfahrens- oder Terminsgebühr festgesetzt werden.

Tenor:

Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 08.09.2009 wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I.

Die Klägerin verlangte von dem Beklagten Zahlung von 6000 ?. Hierfür wurde ihr Prozesskostenhilfe bewilligt. In einem gerichtlichen Mediationsverfahren schlossen die Parteien am 08.05.2009 einen Vergleich, der neben dem bereits rechtshängigen Zahlungsanspruch die Auseinandersetzung einer gemeinsamen Immobilie zum Gegenstand hatte. Der Streitwert wurde mit Beschluss vom 13.05.2009 für das Verfahren auf bis zu 6000 € und für den Vergleich auf bis zu 35.000 € festgesetzt. Mit Beschluss vom 10.07.2009 bewilligte das Landgericht Osnabrück der Klägerin nachträglich Prozesskostenhilfe für den (Mehr) Vergleich. Wegen des Sachverhalts wird im Übrigen auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

2

Mit Beschluss vom 06.08.2009 setzte das Landgericht Osnabrück die Vergütung des Rechtsanwalts auf 1.303,51 € fest. Dabei rechnete es auf die Verfahrensgebühr die hälftige außergerichtliche Geschäftsgebühr an und ging für die Verfahrens und Terminsgebühr nur von dem Verfahrensstreitwert von 6000 ?, für die Einigungsgebühr dagegen von 35.000 € aus. Die dagegen gerichtete Erinnerung wies die 12. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück mit dem angefochtenen Beschluss zurück.

3

Hiergegen wendet sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit seiner Beschwerde. Er errechnet einen Vergütungsanspruch von 1979,19 € und hält daran fest, dass eine Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nach der am 05.08.2009 in Kraft getretenen Bestimmung des § 15a RVG nicht mehr zulässig sei. Diese Vorschrift sei auch auf Verfahren anzuwenden, bei denen die Beauftragung des Anwalts bereits vor dem 05.08.2009 erfolgt sei. Sowohl die (ungekürzte) Verfahrens als auch die Terminsgebühr seien nach einem Streitwert von 35.000 € zu bemessen.

4

Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Osnabrück hat zu der Beschwerde Stellung genommen.

5

II.

Die Beschwerde ist gemäß §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 und 4 RVG zulässig. Insbesondere ist der Beschwerdewert von 200 ? erreicht. Sie ist jedoch unbegründet. Die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr ist zu Recht erfolgt (1.). Für die nicht rechtshängigen Ansprüche fällt nur eine Einigungsgebühr an (2.).

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1. Die teilweise Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV zum RVG entspricht für die Zeit vor dem 05.08.2009 der herrschenden Rechtsprechung, der auch der Senat folgt (vgl. im Einzelnen BGH Beschluss vom 22.01.2008 - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323 ff.). Eine solche Geschäftsgebühr ist aufgrund der außergerichtlichen Aufforderung vom 24.11.2006 auch entstanden und ihr Ersatz mit dem Klageantrag zu Ziff. 2 verlangt worden. Auf die Begründung in dem angefochtenen Beschluss wird insoweit Bezug genommen.

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An der Anrechnung ändert auch die Einführung des § 15a RVG für sogenannte 'Altfälle' nichts, weil insoweit § 60 Abs. 1 RVG Anwendung findet, wonach die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen ist, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung erteilt worden ist. Der Senat hat bereits für das Kostenfestsetzungsverfahren entschieden, dass die Einführung des § 15a RVG durch das am 23. April 2009 beschlossene Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen Berufsrecht eine Gesetzesänderung im Sinne des§ 60 Abs. 1 RVG darstellt (Beschluss des Senats vom 07.10.2009 - 13 W 43/09. vgl. auch OLG Celle, OLGR 2009, 749. OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.08.2009 - 12 W 91/09. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.08.2009 - 20 W 62/09. OLG Hamm, Beschluss vom 22.06.2009 - 6 WF 154/09), und hält hieran auch für das Verfahren der Vergütungsfestsetzung gemäß § 55 RVG fest.

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2. Für die nicht rechtshängigen Ansprüche, die Gegenstand des geschlossenen Vergleichs waren, hat das Landgericht zu Recht nur die Einigungsgebühr festgesetzt. Gemäß § 48 Abs. 1 RVG ist der Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe maßgeblich für den Vergütungsanspruch. Die Bewilligung ist nach dem Beschluss vom 10.07.2009 ausdrücklich nur auf den Abschluss des (Mehr) Vergleichs bezogen und erfasst damit nur die Einigungsgebühr. Vergleichbar ist die Sachlage mit dem Abschluss eines Vergleichs im Verfahren der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO. Insoweit hat der Senat bereits entschieden, dass dann, wenn die Bewilligung nur für den Abschluss des Vergleichs im Prüfungsverfahren erfolgt, aufgrund des Bewilligungsbeschlusses lediglich eine Einigungsgebühr festgesetzt werden kann (Beschluss vom 25. 05.2009 - 13 WF 87/09, OLGR 2009, 705 f. = Rpfleger 2009, 514 f.). Diese Erwägungen gelten gleichermaßen, wenn - wie hier - im gerichtlichen Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche zum Gegenstand eines Vergleichs gemacht werden. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen solchen Vergleich mag aus verfahrensökonomischen Erwägungen zulässig sein. Sie darf aber nicht dazu führen, dass das vorgesehene Verfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe, insbesondere die Prüfung der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung, insgesamt umgangen wird, indem Ansprüche erst im Termin erhoben und sodann zum Gegenstand eines Vergleichs gemacht werden (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 15.09.2009 - 1 WF 121/09). Erfahrungsgemäß handelt es sich gerade in Mediationsverfahren nicht immer um Ansprüche, die gerichtlich durchsetzbar sind und für die demzufolge die Erfolgsaussicht ohne Weiteres angenommen werden könnte. So liegen die Dinge auch hier. Es ist eine Einigung über die Auseinandersetzung hinsichtlich einer gemeinsamen Immobilie erfolgt, die zwar für die Parteien sehr sinnvoll sein mag, auf die aber kein einklagbarer Rechtsanspruch bestand.

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3. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ist für das Festsetzungsverfahren gemäß § 55 RVG nicht eröffnet (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 6 S. 4 i.V.m. Abs. 3 S. 3 RVG).