Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.06.2012, Az.: 5 TaBV 27/12

Austausch; Beschwerde; Streitgegenstand; Kostenübernahme

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
12.06.2012
Aktenzeichen
5 TaBV 27/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 18287
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2012:0612.5TABV27.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Göttingen - 25.01.2012 - AZ: 3 BV 9/11

Amtlicher Leitsatz

Begehrt der Betriebsrat erstinstanzlich die Klärung der Erforderlichkeit der Betriebsratschulung zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt und an einem ganz bestimmten Ort, ist er sodann unterlegen und legt er Beschwerde ein, verbunden mit dem Ziel die Erforderlichkeit einer an einem anderen Ort und zu einem anderen Zeitpunkt stattfindenden Betriebsratsseminares zu klären, dann ist die Beschwerde unzulässig und gemäß § 89 Abs. 3 ArbGG zu verwerfen. Denn dann hat der Betriebsrat den Streitgegenstand ausgetauscht und es damit verabsäumt, die erstinstanzlich erfahrene Beschwer zweitinstanzlich beseitigen zu wollen. Dies führt zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels.

Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Göttingen vom 25.01.2012, AZ: 3 BV 9/11, wird als unzulässig verworfen.

Gründe

1

I. Erstinstanzlich hat der Betriebsrat einen Antrag gestellt, der die Klärung des in der Zeit vom 26. bis 30.03.2012 stattgefundenen Seminares "Fit für den Vorsitz Teil 3" in Berlin zum Gegenstand hatte. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 25.01.2012 diesen Antrag abgewiesen. Mit seiner Beschwerde begehrt der Betriebsrat die Klärung der Freistellung seiner Mitglieder sowie die Kostenübernahme für ein Seminar gleichen Themas am 09.10. bis zum 12.10.2012 in Boppard/Rhein, hilfsweise eines solchen in Lübeck stattfindenden Seminares vom 20.11. bis 23.11.2012.

2

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gesamte Beschwerdeakte verwiesen.

3

II. Die Beschwerde des Betriebsrates war gemäß § 89 Abs. 3 ArbGG ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden allein als unzulässig zu verwerfen. Denn der Beschwerde fehlt es an der gesetzlichen Form oder Frist im Sinne des § 89 Abs. 3 Satz 1 ArbGG.

4

1. Die im Gesetz genannte Formulierung "ist die Beschwerde nicht in der gesetzlichen Form oder Frist eingelegt oder begründet, so ist sie als unzulässig zu verwerfen" ist nach allgemeiner Auffassung umfassend zu verstehen. Jede Beschwerde, die aus welchen Gründen auch immer unzulässig ist, ist als unzulässig zu verwerfen, ohne dass es auf die Gründe im Einzelnen ankommt. Die Vorschrift des § 89 Abs. 3 ArbGG ist über ihren Wortlaut hinaus weit auszulegen.

5

2. Es fehlt der Beschwerde unter besonderer Berücksichtigung der mit der Beschwerde angekündigten Anträge das Ziel, die erstinstanzliche Beschwer zu beseitigen.

6

a) Jedes Rechtsmittel setzt als allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzung die Beschwer voraus. Sie stellt sich für den Rechtsmittelkläger als eine besondere Erscheinungsform des Rechtsschutzinteresses dar. Sie besteht in dem rechtlichen Nachteil, den eine Partei durch eine Entscheidung in der Hauptsache erfahren hat. Ziel des Rechtsmittelklägers muss es sein, diese Benachteiligung in der angefochtenen Entscheidung im Rechtsmittelverfahren zu beseitigen.

7

Eine Beseitigung der erstinstanzlichen Beschwer begehrte der Rechtsmittelführer nicht, wenn er die durch die erstinstanzliche Entscheidung erfahrene Beschwer hinnimmt und stattdessen zweitinstanzlich ausschließlich einen anderen Streitgegenstand geltend macht. Der Rechtsmittelführer muss wenigstens die in erster Instanz gestellten Anträge teilweise weiter verfolgen. Er darf nicht nur im Wege der Klageänderung einen neuen bisher nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellen (BAG, Urteil vom 10.02.2005, AZ: 6 AZR 183/04 - NZA 2005, 597, LAG Rheinland Pfalz, Urteil vom 17.04.2012, AZ: 3 Sa 622/11 - Juris).

8

b) Um eine derartige Fallkonstellation geht es im vorliegenden Beschwerdeverfahren. Der Betriebsrat als Beschwerdeführer verfolgt den erstinstanzlich abschlägig beschiedenen Antrag zweitinstanzlich nicht weiter, er macht ausschließlich einen anderen Streitgegenstand geltend und nimmt damit die durch die erstinstanzliche Entscheidung erfahrene Beschwer hin.

9

Insbesondere liegt auch eine Veränderung des Streitgegenstandes vor.

10

Nach allgemeiner Auffassung gilt im allgemeinen Zivilprozess und auch im Arbeitsgerichtsverfahren ein zweigliedriger Streitgegenstand. Dieser wird definiert durch einen konkreten Klageantrag einerseits und andererseits durch den hierzu vorgetragenen Lebenssachverhalt, den sogenannten Klagegrund.

11

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren hat der Betriebsrat eindeutig eine Klageänderung gemäß § 263 ZPO vorgenommen. Geändert worden ist nicht nur der konkrete Antrag sonder auch der zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt.

12

Ein gegen den Arbeitgeber gerichtetes Beschlussverfahren kann der Betriebsrat nur dann erfolgreich führen, wenn er zuvor einen ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss trifft, ein solches Verfahren zu führen. Darüber hinaus darf der Betriebsrat nur Betriebsratsmitglieder entsenden, wenn er zuvor einen konkreten Beschluss diesbezüglich getroffen hat, wobei der Betriebsratsbeschluss eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung darstellt. Wie die Beschwerdeschrift bereits auf Bl. 2 (dort I) aufzeigt, hat der Betriebsrat als Beschwerdeführer nunmehr einen neuen Betriebsratsbeschluss getroffen, das nächst angebotene, hilfsweise das darauffolgende Seminar zu besuchen. Auf diese neue Tatsache wird der in der zweiten Instanz geänderte Antrag (u. a. auch) gestützt.

13

Darüber hinaus kommt es für die Beurteilung eines konkreten Betriebsratsseminares nicht nur abstrakt und im Allgemeinen auf das Thema der Schulung an. Zeitpunkt und Ort der Schulung sind vielmehr neben ihrem Inhalt für die Frage von Bedeutung, ob der Betriebsrat die Schulung nach § 37 Abs. 6 BetrVG für erforderlich halten darf (BAG, Beschluss vom 12.01.2011, AZ: 7 ABR 94/09 - Juris). Um die Erforderlichkeit eines konkreten Seminares beurteilen zu können, ist auch die Beurteilung der Lage der zeitlichen und örtlichen Lage eines Seminares erforderlich. Dies hat der Beschwerdeführer im Übrigen selbst zutreffend in seinem ergänzenden Schriftsatz vom 31.05.2012 (dort Bl. 1) ausgeführt.

14

Aus den vorgenannten Gründen kommt es auch nicht darauf an, ob die Fiktion des § 264 ZPO dazu führt, eine Ausnahme von dem allgemeinen anerkannten Grundsatz zuzulassen, die Änderung eines Antrages dürfe nicht ausschließlich Ziel eines Rechtsmittels sein. Denn die Grundvoraussetzung des § 264 ZPO ist nicht gegeben. Jede dort im Einzelnen enumerativ aufgelistete Fallvariante setzt immer die fehlende Änderung des Klagegrundes voraus. Bereits hieran fehlt es, wie oben aufgezeigt. Der erneute Betriebsratsbeschluss sowie die geänderten Tatsachen, die sich aus der zeitlichen und örtlichen Verschiebung des möglicherweise inhaltsgleichen Betriebsratsseminares ergeben, sind eine rechtlich relevante Änderung des Klagegrundes, welcher der Annahme und Bejahung des § 264 ZPO von vornherein entgegenstehen.

15

Nach alldem war die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

16

III. Eine Kostenentscheidung ist im Beschlussverfahren nicht erforderlich. Gegen diese Entscheidung findet gemäß § 89 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz kein Rechtsmittel statt. Sie ist unanfechtbar.