Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.02.2012, Az.: 12 Sa 597/11
Arbeitszeit einer teilzeitbeschäftigten pädagogischen Mitarbeiterin einer Schulklasse auf Klassenfahrt; Klage auf Gutschrift von Überstunden bei unsubstantiierten Darlegungen der Arbeitgeberin zu arbeitsfreien Zeiten während des Tages
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 10.02.2012
- Aktenzeichen
- 12 Sa 597/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 12233
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2012:0210.12SA597.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Osnabrück - 30.03.2011 - AZ: 4 Ca 323/10
Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs. 3 TV-L
- § 8 Abs. 2 TV-L
- § 9 Abs. 1 S. 3 TV-L
- § 138 Abs. 3 ZPO
- § 138 Abs. 4 ZPO
Fundstellen
- SchuR 2012, 115
- SchuR 2013, 52-53
- ZTR 2012, 287-289
Amtlicher Leitsatz
1. Ohne die ausdrückliche arbeitgeberseitige Anordnung auf Basis einer entsprechenden Dienstvereinbarung fallen vergütungspflichtige Bereitschaftsdienste/Bereitschaftszeiten i.S.v. § 7 Abs. 3, § 9 TV-L grundsätzlich nicht an. Soweit der klagende Arbeitnehmer im Ausnahmefall geltend macht, Bereitschaftsdienste seien ihm aufgrund der faktischen Arbeitsorganisation konkludent aufgezwungen, so trifft ihn hierfür eine gesteigerte Darlegungslast.
2. Wenn eine teilzeitbeschäftigte pädagogische Mitarbeiterin eine Schulklasse auf Klassenfahrt begleitet, sind die vom Wecken der Kinder bis zum Beginn der Nachtruhe anfallenden pädagogischen und pflegerischen Tätigkeiten abzüglich der gesetzlichen Pausenzeiten insgesamt als Arbeitszeit zu werten.
3. Wenn der Arbeitgeber einwendet, dass im Tagesablauf auf der Klassenfahrt erhebliche Zeiten anfallen, in denen die Kinder ausschließlich von Lehrkräften beaufsichtigt sind oder sich selbst überlassen werden konnten, so trifft ihn im Rahmen einer gestuften Darlegungslast die Obliegenheit vorzutragen, aus welchem Anlass und zu welcher zeitlichen Lage solche arbeitsfreien Zeiten angefallen sein sollen.
4. Aufgrund des unterschiedlichen Arbeitszeitregimes der beiden Berufsgruppen kann die für angestellte Lehrkräfte ergangene Rechtsprechung (BAG 22.08.2001, 5 AZR 108/00, AP Nr. 144 zu § 611 Lehrer, Dozenten; BAG 25.05.2005, 5 AZR 566/04, AP Nr 165 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten) zur arbeitszeitmäßigen Bewertung der Teilnahme an Klassenfahrten nicht auf pädagogische Mitarbeiterinnen übertragen werden.
Tenor:
Die Berufungen der Klägerin und des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts B-Stadt vom 30.03.2011 - 4 Ca 323/10 - werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 2/3 und das beklagte Land zu 1/3.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, wie die Teilnahme der Klägerin an einer Klassenfahrt arbeitszeitmäßig zu bewerten ist.
Die am 00.00.1963 geborene Klägerin ist seit 1986 bei C. als pädagogische Mitarbeiterin beschäftigt. Seit 1992 wird sie in der Förderschule an der A-Straße in B-Stadt eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TV-L Anwendung. Die letzte Bruttovergütung der Klägerin betrug 1.762,75 € pro Monat. Seit 1997 ist die Klägerin in Teilzeit beschäftigt. Im Zeitraum vom 01.08.2009 bis zum 31.07.2010 betrug die mit der Klägerin vereinbarte Regelstundenzahl 19,25 von 38,5 Wochenstunden (Bl. 55 d. A.). Da die Klägerin während der Schulferien von der Arbeitspflicht befreit ist, erhöht sich die von ihr in der Unterrichtszeit pro Woche zu leistende Arbeitszeit von 19,25 Stunden auf 22 Stunden. Nach einem Erlass des Kultusministeriums stehen dafür 4 Stunden für weitere Tätigkeiten (Vor- und Nachbereitung, Teilnahme an Konferenzen, Elternarbeit etc.) zur Verfügung. Somit ergibt sich eine wöchentliche Arbeitszeit von 18 Stunden "am Kind" (Bl. 56 d. A.).
Bereits im Mai 2009 nahm die Klägerin an einer Klassenfahrt teil und erhielt dafür neben der Fortzahlung ihres Teilzeitentgelts gemäß einer schulinternen Regelung 30 Stunden als Freizeitausgleich gutgeschrieben. Weitere Nachforderungen hat die Klägerin für ihre Teilnahme an der Klassenfahrt im Mai 2009 nicht erhoben.
In der Zeit vom 24.08.2009 ab 8:00 Uhr bis zum 28.08.2009 15:30 Uhr hat die Klägerin als pädagogische Mitarbeiterin an einer Klassenfahrt nach Köln teilgenommen. Insgesamt haben an dieser Klassenfahrt 13 Schülerinnen und Schüler aus zwei Klassen teilgenommen. Die Schüler der Abschlussklasse hatten ein Alter von ca. 18 Jahren und wiesen unterschiedliche geistige Behinderungen auf. Diese beiden Schulklassen wurden einschließlich der Klägerin von zwei pädagogischen Mitarbeiterinnen sowie einer Lehrerin und einem Lehrer begleitet. Für die Teilnahme an der Klassenfahrt gewährte das beklagte Land der Klägerin einen Freizeitausgleich in Höhe von 30 Stunden.
Mit Schreiben vom 08.09.2009 hat die Klägerin gegenüber der örtlichen Schulleiterin, Frau S., beantragt, die geleisteten Überstunden während der Klassenfahrt nach Köln anzuerkennen. Die von der Klägerin beigefügte Anlage wies aufgegliedert auf die Wochentage von Montag bis einschließlich Freitag insgesamt 68 Stunden Arbeitszeit aus. Das Geltendmachungsschreiben enthält unter der Zeile "Ich bestätige den Wahrheitsgehalt von Frau St. Angaben." die Unterschrift des Klassenlehrers Qu.-L.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ihr seien weitere 29,375 Stunden als Überstunden anzuerkennen und durch Freizeit abzugelten. Dazu hat sich die Klägerin zur Berechnung der tagsüber geleisteten Arbeitszeit die Ausführungen des beklagten Landes im Schriftsatz vom 03.11.2010 (dort Seite 2 und 3) zu eigen gemacht, welche zu einer am Tage geleisteten Wochenarbeitszeit von 62 Stunden und 45 Minuten führen. Ferner seien die Zeiten in der Nacht zwischen 22 Uhr und 7:00 Uhr bzw. 7:30 Uhr zu berücksichtigen, da es sich aufgrund der besonderen Situation auf der Klassenfahrt um Bereitschaftsdienste im Sinne von § 9 Abs. 1 TV-L gehandelt habe. In diesen Zeiten habe sich die Klägerin am Arbeitsplatz - während der Klassenfahrt sei dies in der Nacht die Unterkunft - zur Verfügung halten müssen, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig aufzunehmen. Die sich ergebenden Bereitschaftszeiten von 37,25 Stunden seien tariflich mit 18,625 Stunden Arbeitszeit zu bewerten. Von den zu Gunsten der Klägerin zu berücksichtigenden 81,375 Stunden seien lediglich die vertragliche Arbeitszeit von 22 Stunden pro Woche und der gewährte Freizeitausgleich von 30 Stunden in Abzug zu bringen.
Die Klägerin hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, der Klägerin für die Teilnahme an der Klassenfahrt im August 2009 Überstunden in Höhe von 29,375 Stunden anzuerkennen und entsprechenden Freizeitausgleich zu gewähren.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat sich darauf berufen, dass der gewährte Freizeitausgleich von 30 Stunden einer vorher mit der Schulleitung getroffenen Vereinbarung entsprochen habe. Durch ihre widerspruchslose Teilnahme an der Klassenfahrt habe die Klägerin die entsprechende schulinterne Regelung zudem konkludent anerkannt. Auf die Klägerin als pädagogische Mitarbeiterin sei die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bezüglich der Teilnahme teilzeitbeschäftigter Lehrkräfte an Klassenfahrten anzuwenden. Dementsprechend stehe der Klägerin maximal die Vollzeitvergütung oder ein entsprechender Freizeitausgleich bis zur Vollbeschäftigung zu. Die tariflichen Voraussetzungen für einen Bereitschaftsdienst lägen nicht vor. Es gebe keine Anordnung dieser Dienste und auch keine entsprechende Dienstvereinbarung mit dem Personalrat.
Mit Urteil vom 30.03.2011 hat das Arbeitsgericht B-Stadt der Klage hinsichtlich der von der Klägerin noch verlangten Tagarbeitszeiten im Umfange von 10,75 Stunden teilweise stattgegeben. Einen Anspruch der Klägerin auf Vergütung von Bereitschaftszeiten hat das Arbeitsgericht verneint. Das Urteil des Arbeitsgerichts B-Stadt ist am 12.04.2011 an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin und das beklagte Land zugestellt worden. Die dagegen gerichtete Berufungsschrift der Klägerin ist am 28.04.2011 und diejenige des beklagten Landes am 10.05.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Am 07.07.2011 ging die Berufungsbegründung der Klägerin und am 13.07.2011 die Berufungsbegründung des beklagten Landes beim Landesarbeitsgericht ein. Die für beide Parteien verlängerte Berufungsbegründungsfrist ist erst am 14.07.2011 abgelaufen.
In ihrer Berufungsbegründung vertritt die Klägerin die Ansicht, dass sie während der Nachtzeit auf der Klassenfahrt insgesamt 37,25 Stunden Bereitschaftszeiten im Sinne von § 9 TV-L geleistet habe. Dieser Bereitschaftsdienst sei gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a) zu TV-L mit 18,625 Stunden zu bewerten. Das Fehlen einer entsprechenden Dienstvereinbarung stehe der Berücksichtigung der geleisteten Bereitschaftszeiten nicht entgegen, da die Bereitschaftszeiten tatsächlich angefallen seien. Es sei dem Arbeitgeber, welcher faktisch Bereitschaftsdienst abfordere, verwehrt, sich hinsichtlich der zu zahlenden Vergütung darauf zu berufen, dass er keine Dienstvereinbarung abgeschlossen habe. Im Rahmen ihrer Berufungserwiderung führt die Klägerin aus, dass sie eine individuelle Vereinbarung, nach der der zusätzliche Zeitaufwand im Rahmen von Klassenfahrten pauschal mit 30 Stunden auszugleichen sei, mit der Schule oder dem beklagten Land nicht getroffen habe. Insbesondere habe sie nicht auf etwaige Vergütungs- oder Freizeitausgleichsansprüche verzichtet.
Die Klägerin beantragt,
das beklagte Land unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts B-Stadt vom 30.03.2011 - 4 Ca 323/10 - zu verurteilen, der Klägerin für die Teilnahme an der Klassenfahrt im August 2009 Überstunden in Höhe von weiteren 18,625 Stunden anzuerkennen und entsprechenden Freizeitausgleich zu gewähren.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen sowie das Urteil des Arbeitsgerichts B-Stadt vom 30.03.2011 - 4 Ca 323/10 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des beklagten Landes zurückzuweisen.
Zur Begründung seiner Berufung führt das beklagte Land aus, dass die vom Arbeitsgericht zugrunde gelegten 62,75 Stunden Arbeitszeit tagsüber - anders als vom Arbeitsgericht angenommen - nicht unstreitig seien. Diese von der Klägerin angegebenen Zeiten bestreite das beklagte Land mit Nichtwissen. Der bisherige Vortrag der Klägerin genüge nicht der bei der Geltendmachung von Mehrarbeit maßgeblichen Darlegungs- und Beweislastverteilung. Da die Klassenfahrt von insgesamt vier Betreuungspersonen begleitet worden sei, hätten diese sich gegenseitig ablösen können. Auch hätten Zeiten anfallen können, in denen die Schüler nicht hätten beaufsichtigt werden müssen. Etwaige im Rahmen der Klassenfahrt anfallende Mehrarbeit sei pauschal mit einer Zeitgutschrift von 30 Stunden abgegolten worden. Die Klägerin sei mit einer Fortführung dieser Vereinbarung einverstanden gewesen. Auf etwaige darüber hinausgehende Ansprüche auf Zeitausgleich habe die Klägerin durch schlüssiges Handeln verzichtet, indem sie sich in Kenntnis der Regelung freiwillig zur Teilnahme an der Klassenfahrt bereit erklärt habe. Wenn sie nun nachträglich einen weiteren Zeitausgleich verlange, verstoße sie gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens. Die Klägerin könne keine über die Vergütung einer Vollzeitkraft hinausgehenden Ansprüche geltend machen. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Teilnahme teilzeitbeschäftigter Lehrer an einer Klassenfahrt sei auf die Klägerin entsprechend anwendbar. Der Klägerin werde derzeit mit vier Stunden wöchentlich pauschal ein Arbeitszeitanteil vergütet, über den sie ohne konkrete Nachweise frei verfügen könne. Diese Zeiten dienten auch der Kompensation für eine etwaige Mehrbelastung im Rahmen einer Klassenfahrt. Die Klägerin hätte konkret darlegen müssen, wofür sie diese vier zusätzlichen Stunden aufwende und welche etwaige konkret im Rahmen der Klassenfahrt geleistete Mehrarbeit hiervon nicht abgedeckt sei. Zur Berufungserwiderung macht das beklagte Land geltend, die Klägerin könne Zeitausgleich weder für Bereitschaftsdienst noch für Rufbereitschaft verlangen, da entsprechende Dienste vom Land gegenüber der Klägerin nicht angeordnet worden seien. Die Tätigkeit der Klägerin sei nicht dadurch geprägt, dass regelmäßig in nicht unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten anfallen würden. Schließlich fehle es für die Anordnung von Bereitschaftszeiten an der erforderlichen Dienstvereinbarung.
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift vom 10.02.2012 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufungen sind zulässig aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Fall zutreffend entschieden.
I. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet, weil für sie während der Klassenfahrt vom 24.08. bis zum 28.08.2009 nachts keine Bereitschaftszeiten im Sinne von § 8 TV-L angefallen sind.
1. Die Voraussetzungen für die Anordnung und die Faktorisierung von Bereitschaftszeiten sind in dem vorliegend anzuwendenden TV-L geregelt. Bereitschaftszeiten dürfen nur vereinbart werden, wenn die Organisation der Dienststelle sie erfordern (§ 9 Abs. 1 Satz 3 TV-L). Die entsprechende Organisationsmaßnahme darf nicht nur vorübergehend angelegt sein. Die Vereinbarung von Bereitschaftszeiten ist nach § 8 Abs. 2 TV-L im Geltungsbereich eines Personalvertretungsgesetzes nur unter der Voraussetzung zulässig, dass eine einvernehmliche Dienstvereinbarung darüber zustande gekommen ist. Nur wenn eine Dienstvereinbarung nicht einvernehmlich zustande gekommen ist, kann eine Regelung in einem landesbezirklichen Tarifvertrag getroffen werden, wenn der Arbeitgeber ein Letztentscheidungsrecht hat (Sponer/Steinherr, TVöD Gesamtausgabe, § 9 TV-L Rn. 4 f.). Zu den Bereitschaftszeiten gehören alle Zeiten, in denen der Beschäftigte die Arbeit selbständig oder auf Anordnung aufnehmen und in denen er sich am Arbeitsplatz oder an einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss (aaO. Rn. 2).
2. Keine der genannten Voraussetzungen liegen - wie das Arbeitsgericht schon zutreffend festgestellt hat - im vorliegenden Fall vor. Weder gibt es eine entsprechende Dienstvereinbarung noch erfordert die Organisation der Dienststelle dauerhaft die Einrichtung von Bereitschaftszeiten. Die Klägerin hat auch keine explizite Anweisung des beklagten Landes bzw. der Schule behauptet, wonach sie sich während der Nachtstunden zur Arbeitsleistung bereit zu halten gehabt hätte. Die Klägerin hat für den Zeitraum der Klassenfahrt vom 24.08. bis zum 28.08.2009 auch keine konkreten Vorkommnisse vorgetragen, welche ihre Arbeitsleistung in den Nachtstunden erfordert haben sollen. Soweit die Klägerin mit der Berufungsbegründung rügt, dass das beklagte Land sich treuwidrig verhalte, wenn es mit Rücksicht auf eine fehlende Dienstvereinbarung die Bezahlung von Bereitschaftszeiten verweigere, so übersieht die Klägerin, dass sie zur von ihr behaupteten "faktischen Anordnung des Bereitschaftsdienstes" nicht ausreichend vorgetragen hat. In der mündlichen Verhandlung am 10.02.2012 hat die Klägerin vorgetragen, dass ihr Kollege (ein Lehrer) direkt bei zweien der sechs betreuungsbedürftigen Schüler geschlafen habe. Dass der Klägerin gegenüber Entsprechendes angeordnet worden sein soll oder dass ein selbständiger Einsatz der Klägerin nachts aus sachlichen Gründen unabweisbar erforderlich gewesen sein soll, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Aufgrund des unterschiedlichen Arbeitszeitregimes von pädagogischen Mitarbeitern und Lehrkräften (vgl. dazu unten II.) wird das beklagte Land etwaige in den Nachtstunden im Einzelfall notwendige Arbeitszeiten sinnvoller Weise durch die Lehrkräfte leisten lassen. Mangels der ausdrücklichen Anordnung von Bereitschaftszeiten gegenüber der Klägerin und wegen des Fehlens der übrigen formellen Voraussetzungen hat die Klägerin keinen Anspruch darauf, dass zu ihren Gunsten weitere 18,625 Stunden als Freizeit gutgeschrieben werden.
II. Die Berufung des beklagten Landes ist ebenfalls unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht das beklagte Land dazu verurteilt, der Klägerin für die Teilnahme an der Klassenfahrt im August 2009 Überstunden in Höhe von weiteren 10,75 Stunden anzuerkennen und entsprechenden Freizeitausgleich zu gewähren.
1. Die Klägerin hat hinreichend schlüssig dargelegt, dass sie während der Dauer der Klassenfahrt tagsüber insgesamt 62,75 Stunden Arbeitszeit geleistet hat. Das beklagte Land ist diesem Vorbringen nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Dem beklagten Land ist zwar zuzugestehen, dass es mit seinem Vorbringen im Schriftsatz vom 03.11.2010 (dort Seite 2 und 3) eine von der Klägerin geleistete Gesamtarbeitszeit von 62 Stunden und 45 Minuten nicht unstreitig gestellt hat. Die entsprechenden Darlegungen des beklagten Landes zielen lediglich darauf, deutlich zu machen, dass die auf eine noch längere Wochenarbeitszeit zielenden Berechnungen der Klägerin nicht schlüssig sind. Ein ausdrückliches Eingeständnis, dass die Klägerin tatsächlich 62 Stunden und 45 Minuten tagsüber auf der Klassenfahrt gearbeitet, ist darin nicht zu sehen.
Im Rahmen der hier anzuwendenden gestuften Darlegungslast und vor dem Hintergrund des unzulässigen Bestreitens seitens des beklagten Landes mit "Nichtwissen" gelangt jedoch die Kammer zum gleichen Ergebnis wie das Arbeitsgericht: Die Klägerin hat vorgetragen, dass sie am Montag von 8.00 Uhr bis 22:00 Uhr gemeinsam mit den Kindern unterwegs gewesen sei. Dabei lässt sie sich 45 Minuten Pause abziehen. Am Dienstag habe sie die Kinder von 7:30 Uhr bis 22:00 Uhr betreut, wobei die Klägerin sich ebenfalls 45 Minuten Pause abziehen lässt. Am Mittwoch sei eine Betreuung der Kinder von 7:00 Uhr bis 22:00 Uhr notwendig gewesen, die Klägerin lässt sich auch hier 45 Minuten Pause anrechnen. Am Donnerstag habe ihr Einsatz von 7:30 Uhr bis 22:00 Uhr gedauert, die Klägerin lässt sich hier 45 Minuten Pause anrechnen. Am Freitag schließlich habe sich die Klägerin von 7:15 Uhr bis 15:30 Uhr um die Kinder gekümmert, wobei sie sich eine Pause von 30 Minuten anrechnen lässt. Aufgrund der Struktur der zu betreuenden Klasse und des geistigen Entwicklungsstandes der Kinder der Förderklasse sei eine zeitlich lückenlose Betreuung erforderlich gewesen. Weitergehende Pausenzeiten seien ihr weder von den begleitenden Lehrkräften zugewiesen worden noch wären sie nach den tatsächlichen Abläufen möglich gewesen. Obwohl die zu betreuenden Schülerinnen und Schüler bereits ein Alter von ca. 18 Jahren erreicht hätten, hätten sie aufgrund der vorliegenden geistigen Behinderungen durchgehend intensiv betreut werden müssen. Diesen besonderen Betreuungsbedarf hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 10.02.2012 am Beispiel eines Schülers, der die Aufmerksamkeit der Erwachsenen auf sich zu ziehen sucht, indem er sich auch in unbekannter Umgebung versteckt, sehr anschaulich geschildert. Die Klassenfahrt der Förderschule an der A-Straße führte in die Großstadt Köln.
Den Vortrag der Klägerin, dass sie auf dieser Klassenfahrt insgesamt 62,75 Stunden Arbeit tagsüber geleistet habe, hat das beklagte Land in seiner Berufungserwiderung mehrfach mit "Nichtwissen" bestritten. Dies ist jedoch nach der zu § 138 Abs. 4 ZPO ergangenen Rechtsprechung nicht zulässig. Der Gesetzeswortlaut regelt zwar nur, dass eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig ist, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Die Rechtsprechung stellt jedoch Vorgänge im eigenen Geschäfts- oder Verantwortungsbereich den "eigenen" Handlungen oder Wahrnehmungen im Sinne von§ 138 Abs. 4 ZPO gleich: Die Partei kann sich nicht durch arbeitsteilige Organisation ihres Betätigungsbereiches ihren prozessualen Erklärungspflichten entziehen, sondern muss innerhalb desselben Erkundigungen anstellen. Dies entspricht der Vergewisserungspflicht und folgt aus einer teleologischen Auslegung des § 138 Abs. 4 ZPO. Die Erkundigungspflicht darf deshalb auch nicht weiter ausgedehnt werden, als zum Ausgleich des durch die Arbeitsteilung bewirkten Verlustes an eigener Erkenntnis erforderlich ist. Daher muss sich beispielsweise der Inhaber eines Großunternehmens bei seinen Fachabteilungen kundig machen (Zöller/Greger, ZPO 27. Aufl. § 138 Rn. 16). Im vorliegenden Fall hätte das beklagte Land handelnd durch die Landesschulbehörde über die zuständige Schulleiterin Frau M. S. und die die Klassenfahrt begleitenden Lehrer die Möglichkeit nutzen können und müssen, die Arbeitszeitaufstellung der Klägerin substantiiert zu bestreiten. So hätte das beklagte Land - wenn es denn so gewesen wäre - konkret vortragen können, während welcher Zeiträume der Klassenfahrt die begleitenden Lehrkräfte die Betreuung alleine übernommen und der Klägerin Freizeit zugewiesen haben. Trotz der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 10.02.2012 wiederholten Behauptung, dass es solche Zeiten nicht gegeben habe, ist ein entsprechender substantiierter Gegenvortrag des beklagten Landes nicht erfolgt. Angesichts des von der Klägerin konkret geschilderten Betreuungsbedarfes der geistig behinderten Kinder will es sich der Kammer auch nicht erschließen, wie sich das beklagte Land bzw. die Landesschulbehörde unbeaufsichtigte Zeiten dieser Kinder in einer Großstadt wie Köln vorstellt. Soweit es den begleitenden Lehrkräften möglich gewesen sein sollte, die Kinder phasenweise ohne Unterstützung der pädagogischen Mitarbeiterinnen zu betreuen, so wäre vom beklagten Land vorzutragen gewesen, in welchen konkreten Zeiträumen dies der Fall gewesen sein soll. Auf ein bloßes Bestreiten mit Nichtwissen kann sich das beklagte Land nicht zurückziehen. Folge ist, dass die von der Klägerin für die Klassenfahrt vorgetragenen tagsüber geleisteten Arbeitszeiten als unstrittig im Sinne von § 138 Abs. 3 ZPO anzusehen sind.
Von den von der Klägerin geleisteten 62,75 Stunden sind 22 Stunden durch ihre aktuelle Regelarbeitszeit und weitere 30 Stunden durch den gewährten Freizeitausgleich abgedeckt, so dass es bei den noch gutzuschreibenden 10,75 Überstunden (§ 7 Abs. 7 TV-L) verbleibt.
2. Es besteht kein Anlass, für die Klägerin als pädagogische Mitarbeiterin von den allgemeinen Arbeitszeitgrundsätzen des TV-L abzuweichen. Jede auf ausdrückliche oder konkludente Anordnung des Arbeitgebers geleistete Arbeitsstunde ist zu vergüten oder durch Freizeit auszugleichen. Die für angestellte Lehrerinnen und Lehrer geltenden arbeitszeitrechtlichen Sonderregelungen finden auf die Klägerin keine Anwendung. Soweit sich das beklagte Land auf die Entscheidungen des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 22.08.2001 (5 AZR 108/00, AP Nr. 144 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten) und die Entscheidung vom 25.05.2005 (5 AZR 566/04, NZA 2005, 981 bis 983) bezieht, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass in den dort entschiedenen Sachverhaltskonstellationen dem Klagbegehren der Lehrerinnen und Lehrer vollumfänglich stattgegeben worden ist. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Teilnahme an mehrtägigen Klassenfahrten für teilzeitbeschäftigte beamtete Lehrer keinen Anspruch auf zusätzliche Besoldung begründet, könne nicht auf angestellte Lehrer übertragen werden. Arbeite ein teilzeitbeschäftigter Lehrer vereinbarungsgemäß zeitweise über seine Teilzeitquote hinaus, so müsse diese zusätzliche Arbeitszeit bis zur Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers vergütet werden. Die in den beiden zitierten BAG-Entscheidungen klagenden Lehrkräfte haben indes eine Vergütung konkreter Überstunden über die Arbeitszeit eines Vollzeitlehrers hinaus nicht beantragt und daher nach dem Grundsatz ne ultra petitur nicht zuerkannt bekommen. Argumente, warum die Arbeitszeit auf Klassenfahrten daher auf die Arbeitszeit einer vollzeitbeschäftigten Lehrkraft zu beschränken ist, lassen sich den genannten Entscheidungen daher nur eingeschränkt entnehmen. Soweit das Bundesarbeitsgericht zur Entscheidung vom 25.05.2005 (5 AZR 566/04, NZA 2005, 981) den Orientierungssatz hat veröffentlichen lassen, dass eine Klassenfahrt nicht notwendig insgesamt mit Arbeitsleistung verbunden sei, da Pausen anfielen, wenn die Schüler zeitweise nicht beaufsichtigt werden müssen oder wenn mehrere Lehrer einander ablösen können, so ist dieser Gedanke auf den vorliegenden Fall nicht ohne Weiteres übertragbar. Aufgrund des erhöhten Betreuungsbedarfes der geistig behinderten Kinder bedurfte es während des Aufenthaltes in einer Großstadt im Zweifel einer lückenlosen Betreuung. Ungeachtet dessen sind die vom Bundesarbeitsgericht für Lehrkräfte aufgestellten Arbeitszeitgrundsätze nicht auf pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu übertragen. Das Arbeitszeitregime der Lehrerinnen und Lehrer ist anders ausgestaltet als dasjenige der pädagogischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die Arbeitszeit angestellter Lehrkräfte bestimmt sich nach der vertraglich vereinbarten Unterrichtsstundenzahl. Alle anderen arbeitsvertraglich ebenfalls geschuldeten und zum Berufsbild des Lehrers gehörenden Arbeitsleistungen entziehen sich hingegen einer exakten zeitlichen Bemessung. Variierend nach Schulform, unterrichteter Fächerkombinationen und individueller Arbeitsweise des Lehrers kann jedoch im Groben ein Aufwandsverhältnis von 1 : 1 zwischen geleisteten Unterrichtsstunden auf der einen Seite und Unterrichtsvorbereitung, Korrekturen, Konferenzen und Elterngesprächen angenommen werden. Lehrkräfte verfügen damit über eine sehr freie Arbeitseinteilung. Dies gibt dem Berufsbild sein Gepräge. Diese in etwa gleichgewichtige Aufteilung zwischen reiner Unterrichtsverpflichtung und vor- und nachbereitenden Tätigkeiten kann nicht mit der Regelung verglichen werden, welche für die Klägerin als pädagogische Mitarbeiterin gilt. Die Klägerin hat innerhalb der Unterrichtszeit pro Woche 22 Arbeitsstunden zu leisten. Davon sind lediglich vier Stunden für weitere Tätigkeiten (Vor- und Nachbereitung, Teilnahme an Konferenzen, Elternarbeit etc.) vorgesehen. Damit verbleibt eine wöchentliche Arbeitszeit von 18 Stunden "am Kind". Mithin sind mehr als 80 % der Arbeitszeit pro Woche in der Weise festgelegt, dass die Klägerin ihrer Arbeitszeit in der Schule und "am Kind" erbringen muss. Soweit das beklagte Land meint, dass mit den vier Stunden für "weitere Tätigkeiten" auch die Teilnahme an Klassenfahrten erfasst und abgegolten ist, setzt sich die Schule hierzu durch die geübte Praxis in Widerspruch. Auch wenn die hierzu vorgetragenen Regelungen in der Schule an der A-Straße in B-Stadt variieren, so war und ist es doch gelebte Praxis, dass den pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Teilnahme an Klassenfahrten ein zusätzlicher Zeitausgleich auch über die Vollzeitbeschäftigung hinaus gewährt wird. Derzeit sollen dies zuzüglich der vollschichtigen Arbeitszeit 12 Stunden sein. Für eine solche Regelung bestünde keinerlei Anlass, wenn die Teilnahme an einer Klassenfahrt bereits mit den vier Stunden für "weitere Tätigkeiten" abgegolten wäre. Aufgrund der gegebenen Proportionen der Arbeitszeit wäre es auch nicht sinnvoll, die im Falle der Klägerin zur Verfügung stehenden zusätzlichen vier Stunden ausschließlich für die Teilnahme an Klassenfahrten einzusetzen. Über die von ihr wöchentlich zu leistenden 22 Stunden hinaus hat die Klägerin in der Kalenderwoche ab dem 24.08.2009 zusätzlich mehr als 40 Arbeitsstunden geleistet. Dies würde - die Argumentation des beklagten Landes einmal zugrunde gelegt - bedeuten, dass der Klägerin für einen Zeitraum von 10 Wochen das notwendige Arbeitszeitkontingent zur Vor- und Nachbereitung ihrer Tätigkeit und für die Teilnahme an Konferenzen fehlen würde. Dies dürfte der Grund dafür sein, dass in der Förderschule an der A-Straße für die Teilnahme an Klassenfahrten den pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein zusätzlicher Zeitausgleich gewährt wird. An dieser Praxis muss sich das beklagte Land festhalten lassen. Die der Klägerin wöchentlich zugeteilten vier Stunden für weitere Tätigkeiten dienen der Vor- und Nachbereitung, der Teilnahme an Klassenkonferenzen und der Elternarbeit.
3. Dem Anspruch der Kläger auf Gutschrift weiterer 10,75 Stunden für den Freizeitausgleich steht auch nicht ein etwa erklärter konkludenter Verzicht entgegen. Das Verhalten der Klägerin verstößt nicht gegen Treu und Glauben. Es mag der Klägerin bekannt gewesen sein, dass für die Teilnahme an Klassenfahrten nur ein zeitlich begrenzter Freizeitausgleich (30 bzw. 12 Stunden) gewährt wird. Allein aus dem Umstand, dass die Klägerin in Kenntnis dieser Regelung an einer Klassenfahrt teilnimmt, kann noch nicht geschlossen werden, dass sie auf etwaige weitergehende arbeitsvertragliche und tarifvertragliche Ansprüche verzichtet. Wie sich aus der vorstehenden Entscheidung ergibt, ist die "Deckelung" der Arbeitszeit einer pädagogischen Mitarbeiterin auf zusätzlichen Freizeitausgleich von 12 bzw. 30 Stunden rechtswidrig. Wenn das beklagte Land bzw. die zuständige Schule nun geltend macht, dass sie der Klägerin die Teilnahme der Klassenfahrt verwehrt hätte, wenn diese ihre Ansprüche bereits von vornherein geltend gemacht hätte, so könnte hierin eine Maßregelung im Sinne von § 612 a BGB liegen. Dieser konnte die Klägerin nur dadurch entgehen, dass sie zunächst - ihrem pädagogischen Engagement entsprechend - an der Klassenfahrt teilgenommen hat um sodann die arbeitszeit- und vergütungsrechtliche Seite der Angelegenheit klären zu lassen. Es erschließt sich der Kammer nicht, was daran treuwidrig sein soll, wenn eine Arbeitnehmerin für tatsächlich geleistete Arbeitszeiten auf einer Zeitgutschrift besteht, auf die sie einen tariflichen Anspruch hat.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Danach haben die Parteien die Kosten des Rechtsstreits anteilig bzw. die Kosten der von ihnen ohne Erfolg eingelegten Berufung zu tragen.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Von der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom04.06.2010, 2 Sa 325/09, wurde nicht abgewichen, da die dortige Entscheidung sich nur mit der Arbeitszeitregelung für Lehrer befasst. Eine grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit des nicht erkennbar, weil einerseits weitere Rechtstreitigkeiten zu diesem Thema nicht anhängig sind und andererseits selbst im Lande Niedersachsen bezogen auf die einzelnen Schulen unterschiedliche Regelungen für die dort beschäftigten pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Anwendung kommen.