Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.02.2012, Az.: 4 Sa 1001/11 B
Betriebsrentenanpassung; Anpassung einer Betriebsrente; Abweichung vom Anpassungsmodell
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 16.02.2012
- Aktenzeichen
- 4 Sa 1001/11 B
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 11395
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2012:0216.4SA1001.11B.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BAG - 18.03.2014 - AZ: 3 AZR 249/12
Rechtsgrundlage
- § 16 Abs. 2 BetrAVG
Fundstelle
- EzA-SD 8/2012, 8
Redaktioneller Leitsatz
»§ 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG nF verbietet nicht eine konzernweit ermittelte, einheitliche reallohnbezogene Obergrenze. Bei der Bewertung eines von § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG abweichenden Anpassungsmodells ist von wesentlicher Bedeutung, inwieweit es sich in die Gesamtkonzeption des Versorgungswerks einfügt und den Interessen der Versorgungsempfänger Rechnung trägt.«
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 17. Juni 2011 - 7 Ca 86/11 B - teilweise abgeändert, soweit die Beklagte zur Zahlung von Zinsen ab 1. August 2008 bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Zahlungsantrag verurteilt wurde. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte zu einer höheren Anpassung der Betriebsrente des Klägers verpflichtet ist.
Der Kläger war langjähriger Mitarbeiter der Beklagten und zuletzt in deren Niederlassung in A-Stadt beschäftigt. Er bezieht seit dem 1. Juli 2005 von der Beklagten eine Betriebsrente, die anfangs 1.905,59 € monatlich betrug. Die Beklagte passte diese Betriebsrente zum 1. Juli 2008 um 1,57 % an und stellte hierbei auf die Nettolohnentwicklung der Mitarbeiter bestimmter Unternehmen des Konzerns mit Ausnahme der "Executives" für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2007 ab. Seither beträgt die monatliche Betriebsrente des Klägers 1.935,59 €. Die Verbraucherpreise stiegen in dem Zeitraum vom 01. Juli 2005 bis zum 30. Juni 2008 um 7,2 %.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Anpassungsentscheidung der Beklagten vom 1. Juli 2008 sei unverbindlich. Die Beklagte habe die Nettolohnentwicklung im Konzern in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2007 berücksichtigt. Der Prüfungszeitraum reiche nicht unmittelbar an den Prüfungszeitpunkt (1. Juli 2008) heran. Er sei daher falsch gewählt.
Die Anpassungsentscheidung sei auch deshalb unverbindlich, weil die Beklagte auf die Nettolohnentwicklung im Konzern abgestellt habe. Das sei nur möglich, wenn sich die Nettolöhne in allen zum Konzern gehörenden Unternehmen gleichförmig entwickelt hätten. Im Konzern gäbe es keine einheitliche Vergütungs- und Versorgungsstruktur. Eine ungünstigere Nettolohnentwicklung in einem anderen Konzernunternehmen brauche er nicht hinzunehmen.
Schließlich habe die Beklagte keine vergleichbaren Arbeitnehmergruppen gebildet. Die Gruppenbildung sei vorgeschrieben, weil nur so ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Versorgungsbezügen des Rentners und der Nettolohnentwicklung hergestellt werde. Die Beklagte habe - mit Ausnahme der Executives - alle Arbeitnehmer "in einen Topf" geworfen. Er werde daher mit der Lohnentwicklung für Geringverdiener oder Teilzeitbeschäftigte verglichen.
Da die Anpassungsentscheidung der Beklagten unverbindlich sei, könne er eine Anpassung nach Maßgabe des Verbraucherpreisindex verlangen.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
1. rückständige Betriebsrente für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis 31. Mai 2011 (35 Monate) in Höhe von 3.752,00 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 107,20 € seit dem 1. August 2008 und aus jeweils weiteren 107,20 € seit dem jeweils Ersten der Folgemonate,
2. ab 1. Juni 2011 eine gegenüber dem von der Beklagten angenommenen Zahlbetrag von 1.935,59 um 107,20 € höhere monatliche Betriebsrente von monatlich insgesamt 2.042,59 € zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe den Reallohn unter Zugrundelegung sämtlicher Gehaltseinzeldaten aller Mitarbeiter des Konzerns zu Beginn und am Ende des dreijährigen Betrachtungszeitraums ermittelt. Am Ende des Jahres 2004 seien im Konzern in Deutschland 18.572 Mitarbeiter beschäftigt gewesen. Diese hätten ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 60.716,00 € erzielt. Die am Ende des Jahres 2007 beschäftigten 17.164 Beschäftigten hätten ein durchschnittliches Jahresbruttoeinkommen von 60.479,00 € erzielt. Die gesunkenen Bruttobezüge (- 0,39 %) seien beispielsweise darauf zurückzuführen, dass für die Tarifangestellten freiwillige Leistungen, wie zusätzliches Urlaubsgeld, entfallen seien. Weitere Einflüsse könnten in Veränderungen in der Mitarbeiterstruktur oder Verringerung variabler Vergütungsbestandteile liegen. Lege man ausschließlich die Daten der Beklagten zugrunde, bleibe das Bild im Wesentlichen unverändert. Auch hier sei eine Einkommensabsenkung zu verzeichnen, nämlich von 63.956,00 € auf 63.822,00 €. Dies entspreche einer Verringerung um 0,21 %, bewege sich also im Rahmen dessen, was sich in der gesamten Unternehmensgruppe ereignet habe.
Vorsorglich habe sie eine alternative Datenbasis ermittelt. Dabei habe sie die Jahresbezüge unmittelbar vor dem 1. Juli 2005, bezogen auf die Zeit vom 1. Juli 2004 bis zum 30. Juni 2005, den Bezügen vor dem 1. Juli 2008 gegenübergestellt. Zum 30. Juni 2005 habe bei 17.354 erfassten Arbeitnehmern die durchschnittliche Bruttovergütung 61.296,00 €, zum 30. Juni 2008 bei 17.182 erfassten Arbeitnehmern hingegen 61.019,00 € betragen. Die sich aus den Bruttobezügen abgeleiteten Nettoentgelte seien lediglich um 1,53 % gestiegen. Die vom Kläger geforderte Berücksichtigung der Einkommen unmittelbar vor dem Anpassungsstichtag führe so zu einem für ihn ungünstigeren Ergebnis. Selbst wenn man - wie vom Kläger gefordert - auf die Daten der Beklagten abstelle, ergäbe sich kein nennenswert abweichendes Zahlenwerk. Das monatliche Durchschnittsbruttoeinkommen habe per 30. Juni 2005 64.403,00 € betragen. Drei Jahre später, per 30. Juni 2008, sei ein Wert von 64.448,00 € festzustellen. Die daraus abgeleitete Berechnung der Nettoentgelte ergäbe eine Nettoentgeltsteigerung von 1,66 %.
Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 17. Juni 2011 stattgegeben. Gegen das ihr am 24. Juni 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11. Juli 2011 Berufung eingelegt und sie am 11. August 2011 begründet.
Die Beklagte macht geltend, die Anpassung sei auf die Entwicklung der Nettolöhne der aktiven Mitarbeiter begrenzt. Bei Einbeziehung aller konzernangehörigen Mitarbeiter, ausgenommen die Führungskräfte, ergäbe sich für die Jahre 2005 bis 2007 eine Steigerung von 1,57 %. Die Einkommensentwicklung der aktiven Arbeitnehmer werde keineswegs nur durch den sog. Barlohn charakterisiert. Zu berücksichtigen seien auch andere entgeltwerte Leistungen. Einzubeziehen sei deshalb auch, wenn sich statt des Barlohnes andere Vergütungskomponenten wie etwa der Umfang einer zugesagten betrieblichen Altersversorgung verringerten.
Zu sinnvollen Ergebnissen gelange man nur, wenn man eine Konzernbetrachtung vornehme. Dabei dürften nicht alle Unternehmen der B.-Gruppe in Deutschland einbezogen werden. Die Betrachtung konzentriere sich deshalb zu Recht auf die Unternehmen, in denen die üblichen Versorgungspläne der B. bestehen.
Bei der Berechnung der Realeinkommensentwicklung müssten die "Executives" unberücksichtigt bleiben. Sie verfügten nicht über die vom Bundesarbeitsgericht verlangten Gemeinsamkeiten in der Vergütungsstruktur und -entwicklung. Bei den übrigen Mitarbeitergruppen sei eine weitere Differenzierung nicht erforderlich.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 17. Juni 2011 - 7 Ca 86/11 B - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger ist der Ansicht, die Anpassung habe um 107,20 € brutto/Monat höher ausfallen müssen, als durch die Beklagte angepasst, da der Verbraucherpreisindex im Zeitraum Juli 2005 bis Juni 2008 um 7,2 % gestiegen sei. Auf die reallohnbezogene Obergrenze könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie diese nur bis Ende 2007 und nicht für den gesamten Anpassungszeitraum ermittelt habe. Die Gruppenbildung sei, ebenso wie die Herausnahme der Executives, nicht nachvollziehbar und rechtswidrig. Die Beklagte versuche, über ihre eigene Definition des Begriffs "Nettolöhne" in § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG ihre Anpassungsentscheidung zu rechtfertigen. Mit Nettolöhnen im Sinne der Bestimmung sei indes das verfügbare Einkommen des aktiven Arbeitnehmers gemeint. Versorgungslohn, der hinzuzurechnen wäre, erhalte der aktive Arbeitnehmer gerade nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II. Die zulässige Berufung ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat die Betriebsrente des Klägers zutreffend zum 1. Juli 2008 unter Zugrundelegung des Verbraucherpreisindex um 7,2 % angepasst. Darauf hat der Kläger einen Anspruch nach § 16 Abs. 1 und 2 BetrAVG, den er auch der Höhe nach richtig berechnet hat. Zinsen stehen dem Kläger erst ab Rechtskraft der Entscheidung im vorliegenden Verfahren zu.
1. Die Beklagte ist verpflichtet, die Betriebsrente des Klägers zum 1. Juli 2008 nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG anzupassen.
a. Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Das bedeutet, dass er in zeitlichen Abständen von jeweils drei Jahren nach dem individuellen Leistungsbeginn die Anpassungsprüfung vorzunehmen hat. Da der Kläger seit dem 1. Juli 2005 eine Betriebsrente bezieht, ist sein individueller Anpassungsstichtag der 1. Juli 2008.
Die Anpassungsentscheidung der Beklagten ist nicht deshalb unverbindlich, weil die Beklagte einen falschen Prüfungszeitraum (1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2007) gewählt hat. Denn die Beklagte hat eine Alternativberechnung vorgelegt, aus der sich unter Zugrundelegung der Jahresbezüge unmittelbar vor dem 1. Juli 2005 und dem 1. Juli 2008 eine Steigerung der aus den Bruttobezügen abgeleiteten Nettobezügen der Arbeitnehmer im Konzern mit Ausnahme der Executives von lediglich 1,53 % ergäbe. Der falsch gewählte Prüfungszeitraum ist dann unschädlich, wenn sich etwaige Fehler im Ergebnis nicht auswirken; denn entscheidend ist, ob die Leistungsbestimmung im Ergebnis der Billigkeit entspricht (BAG 23. Mai 2000 - 3 AZR 103/99 - AP § 16 BetrAVG Nr. 44).
b. Bei der Anpassungsentscheidung sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Zu den Belangen des Versorgungsempfängers gehört wesentlich sein Interesse an der Erhaltung der Kaufkraft seiner Betriebsrente. Aus dem zwischenzeitlich eingetretenen Kaufkraftverlust, der anhand der Veränderungen des Preisindex zu ermitteln ist, ergibt sich sein Anpassungsbedarf (BAG 16. Dezember 1976 - 3 AZR 795/75 - BAGE 28, 279; 17. April 1996 - 3 AZR 56/95 - BAGE 83, 1; 23. Januar 2001 - 3 AZR 287/00 - AP BetrAVG § 16 Nr. 46). Begrenzt wird der vom Arbeitgeber festzustellende Anpassungsbedarf des Versorgungsberechtigten jedoch durch die sog. reallohnbezogene Obergrenze. Es widerspricht nicht der Billigkeit, wenn der Arbeitgeber die Betriebsrenten nur bis zur durchschnittlichen Steigerungsrate der Reallöhne der aktiven Arbeitnehmer anpasst. Wenn das Unternehmen, das die zusätzlichen Mittel der Rentenanpassung erwirtschaften muss, schon seinen aktiven Arbeitnehmern eine Beteiligung an der wirtschaftlichen Entwicklung nur in einem Umfang zubilligt, der die allgemeine Verteuerung nicht oder nicht voll ausgleicht, können auch die Rentner nicht verlangen, besser gestellt zu werden. Versorgungsempfänger können demnach keinen vollen Teuerungsausgleich verlangen, wenn die noch aktiven Arbeitnehmer keinen vollen Teuerungsausgleich erhalten, also eine Stagnation ihrer Einkünfte oder gar einen Realeinkommensverlust hinnehmen müssen (BAG 11. August 1981 - 3 AZR 395/80 - AP § 16 BetrAVG Nr. 11; 14. Februar 1989 - 3 AZR 313/87 - AP § 16 BetrAVG Nr. 23; 23. Mai 2000 - 3 AZR 83/99 - AP BetrAVG § 16 Nr. 43; 23. Mai 2000 - 3 AZR 103/99 - AP § 16 BetrAVG Nr. 44). Diese ständige Rechtsprechung des 3. Senats des Bundesarbeitsgerichts ist durch den Gesetzgeber durch die Neuregelung des § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG für die Zeit ab dem 1. Januar 1999 ausdrücklich bestätigt worden (BT-Drucks. 13/8011 S. 73).
2. § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG n.F. verbietet nicht eine konzernweit ermittelte, einheitliche reallohnbezogene Obergrenze. Diese Vorschrift zwingt die Arbeitgeber nicht zu einer unternehmensbezogenen Bildung vergleichbarer Arbeitnehmergruppen, sondern verschafft den Arbeitgebern erhöhte Rechtssicherheit, wenn sie den vom Gesetzgeber ausdrücklich gebilligten Weg beschreiten. Die Formulierung "gilt als erfüllt" bringt zum Ausdruck, dass es keiner weiteren Prüfung mehr bedarf, wenn die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Das heißt jedoch nicht, dass andere Berechnungsmethoden ermessensfehlerhaft sind. Entscheidet sich der Arbeitgeber für eine andere Berechnungsart, so ist noch eine Billigkeitskontrolle erforderlich. Sie ist mit Prozessrisiken verbunden (BAG 9. November 1999 - 3 AZR 432/98 - AP § 1 BetrAVG Ablösung Nr. 23; 20. Mai 2003 - 3 AZR 179/02 - AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 1; 30. August 2005 - 3 AZR 395/04 - AP § 16 BetrAVG Nr. 16).
a. Eine Abweichung von der im Gesetz vorgesehenen und für interessengerecht erachteten Berechnungsmethode ist zwar möglich, bedarf aber einer tragfähigen Begründung. An sie dürfen wegen des weiten Ermessungsspielraums des Arbeitgebers keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Bei der Bewertung eines von § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG abweichenden Anpassungsmodells ist von wesentlicher Bedeutung, inwieweit es sich in die Gesamtkonzeption des Versorgungswerks einfügt und den Interessen der Versorgungsempfänger Rechnung trägt. Die Vorteile und Nachteile sind nicht punktuell zu einem einzelnen Anpassungsstichtag, sondern langfristig und generalisierend festzustellen. Da bei einer unternehmensübergreifenden reallohnbezogenen Obergrenze sowohl Risiken wie Chancen sinken, wird es sich häufig um eine ausgewogene interessengerechte Lösung handeln (BAG 9. November 1999 - 3 AZR 432/89 aaO.; 20. Mai 2003 - 3 AZR 179/02 - AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 1).
b. Die von der Beklagten gewählte konzernweit ermittelte einheitliche reallohnbezogene Obergrenze hält einer Billigkeitskontrolle nicht stand.
aa. Zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass die Vergleichsgruppe alle Unternehmen erfassen muss, auf die sich die konzernweite Anpassungsentscheidung erstrecken soll (BAG 30. August 2005 - 3 AZR 395/04 - aaO.). Daraus folgt, dass Unternehmen, auf die sich die Anpassungsentscheidung nicht auswirkt, bei der Berechnung der Reallohnobergrenze nicht berücksichtigt werden dürfen und innerhalb eines Konzerns differenziert werden muss. Nicht zu beanstanden ist die Berücksichtigung der Arbeitnehmer der C. GmbH (3.256 Mitarbeiter), der D. GmbH (1.374 Mitarbeiter) sowie der E. GmbH (652 Mitarbeiter). Denn die von der Beklagten vorgelegte Aufstellung (Bl. 123 d. A.) belegt die Darstellung der Beklagten, dass es sich zu einem erheblichen Teil um frühere Beschäftigte der Beklagten handelt, die im Rahmen veränderter Konzernstrukturen in anderen Gesellschaften weiterbeschäftigt werden. Zutreffend hat die Beklagte die Mitarbeiter der F. GmbH, der G. GmbH, der H. GmbH sowie der I. GmbH aufgrund der eigenständigen abweichenden Vergütungs- und Versorgungsstrukturen nicht einbezogen.
bb. Im Ansatzpunkt zutreffend wendet der Kläger ein, eine konzernweite Betrachtung sei nur möglich, wenn es sich bei den zum Konzern gehörenden Unternehmen um solche mit einem einheitlichen Versorgungswerk handele. Nach der vom Kläger nicht bestrittenen Darstellung der Beklagten existierten bei ihr bzw. im Konzern drei Versorgungsordnungen. Der alte Pensionsplan (APP) gilt für Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 1992 eingestellt wurden. An seine Stelle trat für Neueintritte ab dem 1. Januar 1992 der sog. neue Pensionsplan (NPP), der zum 30. Juni 2000 geschlossen wurde. Stattdessen wurde für Neueintritte ab dem 1. Juli 2000 der Zusatzversorgungsplan (ZVP) eingeführt, der mit einer abermaligen Absenkung des Versorgungsniveaus verbunden war und zum 1. August 2009 ebenfalls geschlossen wurde. Die Beklagte durfte die Betrachtung auf die Unternehmen konzentrieren, in denen die üblichen Versorgungspläne der B. bestehen. Diese stellen in ihrem persönlichen Geltungsbereich auf den Zeitpunkt des Eintritts des Arbeitnehmers in das Unternehmen ab. Daher dürften Arbeitnehmer der Beklagten ebenso wie die Arbeitnehmer der berücksichtigten Konzernunternehmen - abhängig vom Eintrittsdatum - den drei unterschiedlichen Versorgungsplänen unterfallen.
cc. Zu Recht weist der Kläger indes darauf hin, dass bei einer konzernweiten Betrachtung zwischen dem Kreis der Versorgungsempfänger und der Vergleichsgruppe aktiver Arbeitnehmer ein genügender Zusammenhang bestehen muss. Er hat erstinstanzlich bestritten, dass es im Konzern eine einheitliche Vergütungsstruktur gäbe. Dem ist die Beklagte mit dem unzureichenden Vortrag entgegengetreten, alle Mitarbeiter im B.-Konzern verfügten über eine vergleichbare Vergütungsstruktur, die sich in Tarifgehältern oder in so genannten Gehaltsbändern festgelegte AT-Vergütungen niederschlagen.
Die Aufstellung spiegelt die einheitliche Vergütungsstruktur nicht wider. Auch wenn aus der unterschiedlichen Höhe der durchschnittlichen Jahreseinkommen in den Unternehmen nicht zwingend auf eine uneinheitliche Vergütungsstruktur geschlossen werden kann, so spricht doch die Höhe des durchschnittlichen Jahreseinkommens bei der Beklagten zum Jahresende 2007 in Höhe von 63.822,00 € gegenüber einem Jahreseinkommen in Höhe von 51.943,00 € bei der J. GmbH eher gegen ein konzernweit einheitliches Vergütungssystem im Anpassungszeitraum. Berücksichtigt man ferner, dass das durchschnittliche Jahreseinkommen der Beschäftigten der J. GmbH von 51.943,00 € auf 55.278,00 € (2007 - 2008) überproportional gestiegen ist, spricht viel für die Darstellung des Klägers, für die Beschäftigten dieses Unternehmens seien vor dem 1. Juli 2008 noch nicht die mit der Gewerkschaft Ver.di vereinbarten Haustarifverträge zur Anwendung gelangt.
c. Die Beklagte räumt ein, dass sich bei der Betrachtung der Nettolohneinkommen der Arbeitnehmer allein in ihrem Unternehmen eine höhere Nettoentgeltsteigerung (1,66 %) ergeben hätte. Es entspricht nicht der Billigkeit, die Versorgungsbezüge des Klägers nur um 1,66 % anzupassen. Denn der Kläger rügt zu Recht, dass die Beklagte keine mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmergruppen gebildet hat.
aa. Die Beklagte weist zunächst zutreffend darauf hin, dass der Arbeitgeber unter der Geltung des § 16 BetrAVG a.F. auf die Durchschnittsverdienste aller Arbeitnehmer seines Unternehmens abstellen durfte. Eine Gruppenbildung war nicht unbedingt erforderlich. Wenn Arbeitnehmer zu Gruppen zusammengefasst wurden, musste es sich um "typische Teile der Belegschaft" handeln (BAG 11. August 1981 - 3 AZR 395/80 - AP § 16 BetrAVG Nr. 11; 14. Februar 1989 - 3 AZR 313/87 - AP § 16 BetrAVG Nr. 23). Von einer ausreichenden Typik konnte besprochen werden, wenn üblicherweise Gemeinsamkeiten bestanden, die sich auf das Arbeitsentgelt auswirkten. Nach der Rechtsprechung des 3. Senats des Bundesarbeitsgerichts verlangt dies auch § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG n.F. mit der Formulierung "vergleichbare Arbeitnehmergruppen." Insoweit habe sich inhaltlich nichts geändert (BAG 23. Mai 2000 - 3 AZR 103/99 - aaO.; 30. August 2005 - 3 AZR 395/04 - aaO.). Wenn das Bundesarbeitsgericht geltend macht, dass sich insoweit gegenüber der bisherigen Rechtsprechung Inhaltliches nicht geändert habe, so entspricht diese Sichtweise zwar der Gesetzesbegründung. Allerdings ist diese deutliche Bezugnahme auf Arbeitnehmergruppen in der bisherigen Rechtsprechung so nie vorgenommen worden. Durch § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG ist die Vergleichsbasis durch den Verweis auf Arbeitnehmergruppen vielmehr verengt worden. Im Ergebnis wird damit der Maßstab einer gewissen Solidarität mit der Belegschaft verlassen und der Pensionär auf das Schicksal seiner Arbeitnehmergruppe im Gesamtunternehmen verwiesen (ErfK/Steinmeyer, 12. Aufl., § 16 BetrAVG Rn. 23).
bb. Auch wenn der Arbeitgeber im Rahmen seines Ermessensspielraums ein praktikables und sachgerechtes Modell entwickeln darf und Typisierungen, Pauschalierungen und Generalisierungen im Sinne einer Verwaltungsvereinfachung zulässig sind, müssen klare, verdienstbezogene Abgrenzungskriterien die Gruppenbildung als sachgerecht erscheinen lassen (BAG 30. August 2005 - 3 AZR 395/04 - aaO.). Typisierungen, Pauschalierungen und Generalisierungen liegen umso näher, je größer die Datenmenge ist und je weniger sich aus statistischen Gründen einzelfallbezogene Ungenauigkeiten auswirken (BAG 20. Mai 2003 - 3 AZR 179/02 - AP § 1 BetrAVG Auslegung Nr. 1). Wird bei der Ermittlung der Nettoeinkommensentwicklung nicht bzw. nicht fein genug nach Belegschaftsgruppen differenziert, so kann dies zu entsprechenden Vor- oder Nachteilen für den Versorgungsberechtigten führen. Für ihn wird dann auch die Nettoeinkommensentwicklung aktiver Belegschaftsgruppen berücksichtigt, denen er als Aktiver nicht angehört hat.
cc. Die Beklagte meint, bei der Berechnung der Realeinkommensentwicklung müssten die "Executives" unberücksichtigt bleiben. Sie verfügten nicht über die vom Bundesarbeitsgericht verlangten Gemeinsamkeiten in der Vergütungsstruktur und -entwicklung. Bei den übrigen Mitarbeitergruppen sei eine weitere Differenzierung nicht erforderlich.
Das Vorbringen der Beklagten als richtig unterstellt, hat sie die "Executives" zu Recht aus der Reallohnbetrachtung herausgenommen. Es handelt sich um eine Gruppe, die nach klaren, verdienstbezogenen Kriterien nicht mit den übrigen Mitarbeitern der Beklagten vergleichbar ist. Eine erfolgsabhängige Vergütung in Höhe von 40 - 50 % führt zwangsläufig zu starken Schwankungen, die Mitarbeiter mit Tarifgehältern oder in Gehaltsbändern festgelegten AT-Vergütungen nicht hinzunehmen haben. Das Vorbringen des Klägers, die Beklagte habe die Executives nicht berücksichtigt, weil ihre Anpassungslast sonst höher gewesen wäre, vermag zudem aufgrund der großen Datenmenge nicht zu überzeugen. Nach Darstellung der Beklagten beschäftigte sie 2008 196 Mitarbeiter dieser Gruppe, was etwa 1,14 % der Gesamtzahl der Mitarbeiter in den B.-Unternehmen in Deutschland entspreche.
dd. Nicht zu folgen ist der Auffassung der Beklagten, eine weitere Differenzierung sei nicht erforderlich. Sie begründet das damit, dass alle Mitarbeiter im Konzern über eine vergleichbare Vergütungsstruktur verfügen. Die Vergütungen seien in Tarifverträgen und in sog. Gehaltsbändern (AT-Vergütungen) festgelegt. Zwar gäbe es auch bei den Tarifangestellten und den außertariflichen Angestellten zum Teil erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile. Die wesentlichen Bezüge seien aber fest definiert. Die Tariferhöhungen hätten mittelbar auch auf die Vergütungen der außertariflichen Angestellten Einfluss. Vergütungsanhebungen orientierten sich meist an den tariflichen Vergütungen.
Die Beklagte trägt selbst vor, dass die "wesentlichen Bezüge" der Tarifangestellten und der AT-Angestellten vergleichbar seien. Das gilt nach ihrem eigenen Vorbringen nicht für die erfolgsabhängigen Vergütungsbestandteile. Es ist weder vorgetragen, in welchem prozentualen Verhältnis die in den Gehaltsbändern festgelegten AT-Vergütungen zu den erfolgsabhängigen Vergütungsbestandteilen stehen, noch hat sie dargelegt, wie hoch der prozentuale Anteil der erfolgabhängigen Vergütungsbestandteile der AT-Angestellten im Vergleich zu den Tarifangestellten ist. Das wäre schon deshalb erforderlich gewesen, weil die Beklagte die gesunkenen Bruttogehälter auch auf die Verringerung variabler Vergütungsbestandteile zurückgeführt hat. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Bezüge der Tarifangestellten und der AT-Angestellten nicht parallel entwickelt haben, ergeben sich aus dem weiteren Vortrag der Beklagten, für die Tarifangestellten seien freiwillige Leistungen, wie zusätzliches Urlaubsgeld, entfallen.
e. Das Vorbringen der Beklagten, die Einkommensentwicklung der aktiven Mitarbeiter werde keineswegs nur durch den sog. Barlohn charakterisiert, kann nicht zu einer für sie günstigen Entscheidung führen. Die Beklagte meint, zu berücksichtigen seien andere entgeltwerte Leistungen. Die betriebliche Altersversorgung sei als Vergütungsbestandteil in die Feststellung der Reallohnentwicklung einzubeziehen. Dafür müsse sie bewertet werden. Am besten geschehe dies dadurch, dass ermittelt werde, welchen Anteil seiner Nettovergütung der Arbeitnehmer investieren müsse, um eine entsprechende Altersversorgung zu erlangen.
Nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG ist auf die Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter sowie der sonstigen Bezüge, die als Entgelt für eine Tätigkeit in einem Unternehmen gewährt werden, abzustellen. Es kommt mithin auf die Steigerungsrate der Realbezüge an, über die der aktive Arbeitnehmer tatsächlich verfügen kann. Versorgungslohn, der zu berücksichtigen wäre, erhält der aktive Arbeitnehmer nicht. Solange die Leistungsvoraussetzungen noch nicht erfüllt sind, hat der aktive Arbeitnehmer lediglich einen bedingten Anspruch auf Gewährung einer Altersversorgung. Die Versorgungsanwartschaft erhöht während seines aktiven Berufslebens nicht seinen Lebensstandard und beeinflusst nicht die Kaufkraft.
2. Dem Kläger stehen sowohl Prozesszinsen nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB als auch Verzugszinsen nach § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB erst ab Rechtskraft der Entscheidung zu. Für Zeiträume vorher fehlt es an der notwendigen Fälligkeit der Forderung.
Der Anspruch auf Prozesszinsen entsteht frühestens ab der Fälligkeit der Forderung (§ 291 Satz 1 Halbs. 2 BGB). Gleiches gilt für Verzugszinsen, da Verzug erst ab Fälligkeit eintreten kann. Die Fälligkeit der Anpassungsforderung des Klägers tritt nicht vor der Rechtskraft des Urteils im vorliegenden Verfahren ein. Leistungen, die nach billigem Ermessen zu bestimmen sind, werden bei gerichtlicher Beistimmung erst aufgrund eines rechtskräftigen Gestaltungsurteils nach § 315 Abs. 3 BGB fällig. Dazu gehören auch die aufgrund einer Anpassungsentscheidung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG zu gewährenden Leistungen. Ewas anderes gilt dann, wenn die Versorgungsordnung keine Pflicht zur Anpassung nach billigem Ermessen, sondern z.B. eine Pflicht zur Anpassung um die Inflationsrate oder um den Prozentsatz der Erhöhung der Nettovergütungen der aktiven Beschäftigten im Zeitpunkt der Anpassung der gesetzlichen Renten vorsieht.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
Höfer
Lindner