Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.11.2012, Az.: 12 TaBV 62/12
Leiharbeitnehmer; Zustimmungsverweigerungsrecht; Zweifel des Betriebsrats bezüglich der "vorübergehenden" Arbeitnehmerüberlassung kein Zustimmungsverweigerungsgrund i.S.v. § 99 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 14.11.2012
- Aktenzeichen
- 12 TaBV 62/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 32209
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2012:1114.12TABV62.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Osnabrück - 18.04.2012 - AZ: 2 BV 5/12
Rechtsgrundlagen
- AÜG § 1 Abs. 1 S. 2
- BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1
Fundstelle
- ArbR 2013, 137
Amtlicher Leitsatz
1. Zweifel des Betriebsrats, ob die Einstellung eines Leiharbeitnehmers tatsächlich nur "vorübergehend" im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG erfolgt, begründen kein Zustimmungsverweigerungsrecht im Sinne von § 99 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG.
2. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG regelt weder eine Höchstdauer der zulässigen Arbeitnehmerüberlassung noch eine Rechtsfolge die eintritt, wenn die Überlassung dauerhaft erfolgen sollte. Es handelt sich daher bei dieser Vorschrift nicht um ein Verbotsgesetz im Sinne von § 99 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG.
Tenor:
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 18.04.2012 - 2 BV 5/12 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten im Rahmen der Einstellung einer Leiharbeitnehmerin über die Rechtmäßigkeit einer vom Betriebsrat erklärten Zustimmungsverweigerung.
Die Antragstellerin und Beteiligte zu 1) (künftig: Arbeitgeberin) ist eine Krankenhausgesellschaft, die an mehreren Standorten in Niedersachsen Krankenhäuser betreibt. Sie beschäftigt weit mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Der Beteiligte zu 2) (künftig: Betriebsrat) ist der für den Standort in A-Stadt zuständige Betriebsrat.
Zu der A. Unternehmensgruppe gehört als Zeitarbeitsunternehmen die A. S. GmbH (künftig: Verleiherin), die eine 100 %ige Tochter der A. AG ist. Die Verleiherin beschäftigt ca. 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und hat derzeit ca. 100 Beschäftigte an die Arbeitgeberin verliehen.
Mit Schreiben vom 06.02.2012 informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die beabsichtigte Weiterbeschäftigung der Mitarbeiterin S. I. über den 30.04.2012 hinaus bis zum 30.04.2013. Zugleich beantragte die Arbeitgeberin die Zustimmung des Betriebsrates zu dieser personellen Einzelmaßnahme. Mit Schreiben vom 14.02.2012 teilte der Betriebsrat mit, dass er in seiner Sitzung am 07.02.2012 beschlossen habe, seine Zustimmung zur Weiterbeschäftigung der Mitarbeiterin S. I. zu verweigern. Zur Begründung machte der Betriebsrat geltend, dass mit dem weiteren Einsatz der Leiharbeitnehmerin I. ein bei der Arbeitgeberin bestehender Dauerbedarf abgedeckt werden solle. Hierin liege ein Gesetzesverstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG. Mit Schreiben vom 14.02.2012 informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die Durchführung der Einstellung als vorläufige personelle Maßnahme gemäß § 100 BetrVG. Mit Schreiben vom 21.02.2012 bestritt der Betriebsrat, dass die Einstellung der Mitarbeiterin I. aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei.
Am 23.02.2012 ging beim Arbeitsgericht Osnabrück der arbeitgeberseitige Antrag auf Zustimmungsersetzung und Feststellung ein, dass die vorläufige Verlängerung der Beschäftigung der Frau I. über den 30.04.2012 hinaus aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei.
Die Arbeitgeberin hat die Rechtsauffassung vertreten, dass die umstrittene Maßnahme nicht gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG verstoße. Die vorgenannte Regelung begrenze die Überlassungsdauer nicht. Bei der Einfügung des Wortes "vorübergehend" in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG handele es sich lediglich um eine redaktionelle Klarstellung des Gesetzgebers. Ein Verbotsgesetz im Sinne von § 99 Abs. 2 Ziffer 1 BetrVG sei dadurch nicht geschaffen worden.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
1. die verweigerte Zustimmung des Betriebsrates zu der beabsichtigten Verlängerung der Beschäftigung von Frau S. C. I. über den 30.04.2012 hinaus bis zum 30.04.2013 hinaus zu ersetzen (Antrag gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG);
2. festzustellen, dass die vorläufige Verlängerung der Beschäftigung von Frau S. C. I. über den 30.04.2012 hinaus aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist (Antrag gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG).
Der Betriebsrat hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Der Betriebsrat hat die Meinung vertreten, die unternehmenseigene Verleihfirma betreibe keine Arbeitnehmerüberlassung, sondern verdeckte Arbeitsvermittlung. Zudem würde sich aus der Neuregelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG das Verbot der "Dauerleihe" ergeben. Dies entspreche einer konsequenten Umsetzung von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104/EG. In der Krankenpflegeschule des A. K. A-Stadt bestehe ein Dauerbeschäftigungsbedarf bezüglich der von der Mitarbeiterin I. vorgehaltenen Qualifikationen. Gerade aus den Angaben des Arbeitgebers zur Dringlichkeit der beantragten personellen Einzelmaßnahme ergebe sich, dass der geplante Einsatz nicht einen vorübergehenden Bedarf abdecken solle, sondern dass die Leiharbeitnehmerin einen Dauerarbeitsplatz einnehmen solle.
Mit Beschluss vom 18.04.2012 hat das Arbeitsgericht Osnabrück beiden von der Arbeitgeberin gestellten Anträgen stattgegeben. Diese Entscheidung ist am 09.05.2012 an die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Beschwerdeschrift ist am 11.06.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und die dazugehörige Beschwerdebegründung ist am 06.08.2012, und damit am letzten Tag der verlängerten Beschwerdebegründungsfrist, beim Landesarbeitsgericht eingegangen.
Mit der Beschwerdebegründung macht der Betriebsrat geltend, dass § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG mit dem Tatbestandsmerkmal "vorübergehend" ein Verbotsgesetz im Sinne von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG darstelle. Mit dem Tatbestandsmerkmal "vorübergehend" setze der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben der Richtlinie 2008/104/EG vom 19.11.2008 um. Danach seien aufeinanderfolgende Überlassungen bzw. eine Dauerüberlassung grundsätzlich als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Die Arbeitgeberin habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, Stellen grundsätzlich nur noch im Wege der Arbeitnehmerüberlassung zu besetzen. Dazu bediene sich die Arbeitgeberin der Dienste der Verleiherin. Eine einmalige Durchbrechung dieses Grundsatzes stelle nur die gesetzlich verpflichtende Übernahme der JAV-Vertreter nach § 78 a BetrVG dar. Bei den Arzthelferinnen betrage die Quote der Leiharbeitnehmerinnen ca. 60 %, im Pflegedienst ca. 25 %. Auch im Bereich des Services und der Küche nehme der Anteil der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitsnehmer ständig zu. Tatsächlich schwanke der Personalbedarf der Arbeitgeberin nicht relevant und sei rechnerisch gut kalkulierbar. Es handele sich um Dauerarbeitsplätze. Ein besonderes Bedürfnis nach Flexibilität bestehe nicht.
Gerade der Bedarf an der Arbeitsleistung der Mitarbeiterin I. bestehe dauerhaft, da für die Krankenpflegeschule durch ministeriellen Erlass ein entsprechendes Zahlenverhältnis zwischen Schülern und Lehrkräften vorgeschrieben sei.
Der Betriebsrat beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 18.04.2012 - 2 BV 5/12 - abzuändern und die Anträge aus der Antragsschrift vom 23.02.2012 zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin macht mit der Beschwerdeerwiderung geltend, sie besetze nicht ausnahmslos alle frei werdenden Stellen nur mit Leiharbeiterinnen und Leiharbeitnehmern. So seien in Anwendung des § 78a BetrVG neue Arbeitsverträge im Pflegebereich geschlossen worden. Ferner seien geringfügig Beschäftigte und studentische Sitzwachen in letzter Zeit direkt bei der Arbeitgeberin angestellt worden. Die Quote der Leiharbeitnehmer liege in Relation zur Zahl der insgesamt Beschäftigten zum Stichtag 31.10.2012 bei unter 13 %.
Die Beschäftigung der Arbeitnehmerin Indefrey solle nicht dauerhaft, sondern nur befristet bis zum 30.04.2013 erfolgen.
Die Arbeitgeberin sei aus wirtschaftlichen Gründen auf den flexiblen Einsatz von Leiharbeitnehmern angewiesen. Dabei gehe es weniger um eine etwaige Kostenersparnis, sondern vorrangig um die personalwirtschaftliche Flexibilität. Das Tatbestandsmerkmal "vorübergehend" mache § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht zu einem Verbotsgesetz im Sinne von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Dafür sei die Regelung nicht hinreichend bestimmt. Nur wenn die Einstellung der Leiharbeitnehmerin als solche gegen ein Gesetz verstieße, läge ein Zustimmungsverweigerungsgrund vor. Dies könne beispielsweise bei der Einstellung einer Schwangeren, für welche ein Beschäftigungsverbot besteht, oder bei einer fehlenden Arbeitserlaubnis für Nicht-EG-Ausländer der Fall sein. Eine etwaige sich aus § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG ergebende Einsatzlimitierung sei nicht arbeitsplatz- sondern arbeitnehmerbezogen zu verstehen. Daher könnten sehr wohl auf "Dauerarbeitsplätzen" vorübergehend auch Leiharbeitnehmer eingesetzt werden. Ein etwaiger Verstoß gegen das Gebot zur nur "vorübergehenden" Arbeitnehmerüberlassung berechtigte allenfalls die Erlaubnisbehörde zum Einschreiten gegenüber der Verleiherin. Ein "Hebel" für den Betriebsrat des Entleiherbetriebs sei nicht vorgesehen. Die Einfügung des Tatbestandsmerkmals "vorübergehend" bei der letzten Gesetzesnovelle habe lediglich der Klarstellung gedient; eine Höchstüberlassungsdauer sei bewusst nicht geregelt worden. Es gebe auch kein Erfordernis, § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG mit Blick auf die Richtlinie 2008/104/EG so auszulegen, dass die Vorschrift als Verbotsgesetz zu betrachten wäre.
Ergänzend wird auf die zwischen den Beteiligten in der Beschwerdeinstanz gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift der Anhörung am 16.11.2012 verwiesen.
II. Die statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Beschwerde des Betriebsrates ist zulässig aber unbegründet.
1. Der vom Betriebsrat geltend gemachte Zustimmungsverweigerungsgrund liegt schon deshalb nicht vor, weil es an einem der Einstellung der Mitarbeiterin I. entgegenstehenden Verbotsgesetz fehlt.
a) Auch nach der Novelle des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) vom 20.12.2011 ist § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG mit der Formulierung "Die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt vorübergehend." nicht als Verbotsgesetz im Sinne von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG auszulegen. Dagegen spricht zunächst der Wortlaut von § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG. Er ordnet kein Verbot an, sondern beinhaltet schlicht die Feststellung, dass die Arbeitnehmerüberlassung vorübergehend erfolgt. Ein explizites Verbot dessen, was demgegenüber unzulässig oder unwirksam sein soll, geschweige denn im Gesetz geregelte Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen ein solches Verbot sucht man im AÜG vergebens. Damit wird in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG lediglich deklaratorisch die Tatsache erwähnt, dass die Arbeitnehmerüberlassung nach dem in der Bundesrepublik Deutschland praktizierten Modell typischerweise vorübergehend stattfindet. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG enthält weder eine Höchstüberlassungsgrenze noch sonst eine operationalisierbare Klarstellung, wo der Übergang von einer vorübergehenden Überlassung zu einer dauerhaften Überlassung liegen soll. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass "vorübergehend" alles ist was nicht endgültig ist.
b) Systematisch spricht die Verortung der Bestimmung im AÜG gegen einen Charakter als Verbotsgesetz. § 1 AÜG ist mit "Erlaubnispflicht" überschrieben, woraus gefolgert werden kann, dass der Einsatz von Fremdpersonal (nur) unter den in § 1 AÜG näher definierten Voraussetzungen als erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren ist. Wird die Erlaubnis nicht erteilt oder aber widerrufen und erfolgt gleichwohl eine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG, ergeben sich die Rechtsfolgen aus §§ 9 f. AÜG. Hiernach wird ein Arbeitsvertrag zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher fingiert, wodurch die Konditionen des Entleihers gelten. Es obliegt der Erlaubnisbehörde gemäß § 2 AÜG, die Voraussetzungen für die Erteilung bzw. den Fortbestand einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu prüfen.
c) Schließlich spricht die Gesetzgebungsgeschichte eindeutig dafür, dass mit der Einführung des Merkmals "vorübergehend" in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG lediglich eine Klarstellung vorgenommen und bisherige Rechtslage nicht verändert wurde. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 2011, 17/4804) heißt es: "[...] Die Einfügung [des Merkmals "vorübergehend"] in § 1 Abs. 1 dient der Klarstellung, dass das deutsche Modell der Arbeitnehmerüberlassung dieser europarechtlichen Vorgabe entspricht. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz regelt ein auf vorübergehende Überlassungen angelegtes Modell der Arbeitnehmerüberlassung, bei dem die Überlassung an den jeweiligen Entleiher im Verhältnis zum Arbeitsvertragsverhältnis zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer vorübergehend ist. Dabei wird der Begriff "vorübergehend" im Sinne der Leiharbeitsrichtlinie als flexible Zeitkomponente verstanden und insbesondere auf genau bestimmte Höchstüberlassungsfristen verzichtet."
Wenn der Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Zulässigkeit eines mehrjährigen Leiharbeitnehmereinsatzes auf einem so genannten "Dauerarbeitsplatz" die bisherige Rechtslage explizit nicht ändern wollte, muss es vollumfänglich bei der bisherigen Rechtslage verbleiben.
d) Die Richtlinie 2008/104/EG vom 19.11.2008 gibt keine Veranlassung zu einer Auslegung, welche von dem unter II. 1. a) - d) der Gründe gefunden Ergebnis bei der Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG abweicht. Ausweislich der Begriffsbestimmung in Art. 3 (1) c) der Richtlinie handelt es sich bei einem "Leiharbeitnehmer" um einen Arbeitnehmer, die in einem Leiharbeitsunternehmen angestellt ist, um einem entleihenden Unternehmen überlassen zu werden und dort unter dessen Aufsicht und Leitung "vorübergehend" zu arbeiten. Damit bezieht sich "vorübergehend" auf den zeitlich beschränkten Einsatz des Leiharbeitnehmers beim Verleiher. Nach Ende des vorübergehenden Einsatzes fällt der Leiharbeitnehmer wieder an den Entleiher zurück, mit dem ihn in der Regel ein unbefristetes, dauerhaftes Arbeitsverhältnis verbindet.
Artikel 5 Abs. 5 der Leiharbeitsrichtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um eine missbräuchliche Anwendung dieses Artikels zu verhindern und um insbesondere aufeinander folgende Überlassungen, mit denen die Bestimmungen und Richtlinien umgangen werden sollen, zu verhindern. Diese Regelung steht im Kontext der Gleichbehandlung. Dabei geht es primär darum, eine Umgehung des Equal-Pay-Grundsatzes durch dauerhafte Überlassungen zu verhindern. Auf eine etwaige Verletzung dieses Grundsatzes kann der Betriebsrat des Entleiherbetriebs eine Zustimmungsverweigerung gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG aber gerade nicht stützen. Es ist nicht Sache des Entleiherbetriebsrats, ggf. bestehende individualrechtliche Ansprüche von Arbeitnehmern zu verfolgen. Der Betriebsrat kann im Rahmen der Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 BetrVG keine umfassende Vertragskontrolle vornehmen (BAG, Beschluss vom 12.11.2002, 1 ABR 1/02, AP Nr. 41 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung).
e) Im Übrigen geht die Kammer mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum AÜG in der Fassung von 2002 davon aus, dass im Zusammenhang mit der Anwendung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zunächst das Recht der gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitnehmern und nicht deren Einsatz im Entleiherbetrieb geregelt ist. Wenn verschiedene Leiharbeitnehmer für einen insgesamt längeren Zeitraum auf einem "Dauerarbeitsplatz" eines Entleiherunternehmens beschäftigt werden, so liegt darin noch keine "dauerhafte" Überlassung. Die Überlassung der einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist deshalb nicht dauerhaft, weil stets die Möglichkeit ihrer Rückkehr zur Verleiherin besteht. Eine etwaige zeitliche Einsatzlimitierung ist damit nicht arbeitsplatz- sondern arbeitnehmerbezogen zu verstehen (BAG, Beschluss vom 12.11.2002, 1 ABR 1/02, AP Nr. 41 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung).
2. Anders als in der von der 17. Kammer des Landesarbeitsgericht Niedersachsen am 19.09.2012 (17 TaBV 22/12, zitiert nach Juris) zu beurteilenden Konstellation gibt es im vorliegenden Fall keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen institutionellen Rechtsmissbrauch durch die Arbeitgeberin. Der Arbeitgeber in dem der Entscheidung vom 19.09.2012 zugrunde liegenden Fall hatte sich offensiv dazu bekannt, ab dem 01.04.2007 alle neu zu besetzenden Stellen nur noch mit Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern zu besetzen. Demgegenüber Fall konnte der Betriebsrat im vorliegenden Fall zwar eine gewisse Tendenz bei der Arbeitgeberin belegen, den Anteil der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer an der Gesamtbelegschaft auszuweiten, angesichts der weiterhin bei der Arbeitgeberin direkt erfolgenden Einstellungen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass mittel- und langfristig die Stammbelegschaft vollständig durch Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer verdrängt werden wird. Die Arbeitgeberin hat ausweislich ihres Vortrages im Schriftsatz vom 12.11.2012 (dort Seite 14) mit einer relativ hohen krankheitsbedingten Ausfallquote im Pflegedienst von nahezu 20 % umzugehen. Ferner muss die Arbeitgeberin eine angemessene Personalreserve für urlaubsbedingte Engpässe vorsehen. Vor diesem Hintergrund spricht selbst die vom Betriebsrat behauptete Leiharbeitsquote im Pflegebereich von 25 % nicht zwingend dafür, dass eine vollständige Verdrängung der Stammbelegschaft beabsichtigt ist, sondern die Leiharbeit dient hier der "Entwicklung flexibler Arbeitsformen" im Sinne des Ziels des Art. 2 der Richtlinie 2008/104/EG vom 19.11.2008.
3. Da es bereits am Eingreifen eines Zustimmungsverweigerungsgrundes für die personelle Einzelmaßnahme fehlt, ist auch die von der Arbeitgeberin durchgeführte vorläufige personelle Einzelmaßnahme nicht zu beanstanden. Gegen die vom Arbeitsgericht festgestellte Dringlichkeit der Maßnahme enthält die Beschwerdebegründung keine gesonderten Angriffe.
4. Die Rechtsbeschwerde wurde gemäß § 92 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 72 Abs. 2 Ziffer 1 und 2 ArbGG zugelassen, weil hier einerseits eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (möglicher Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG als Zustimmungsverweigerungsgrund im Sinne von § 99 Abs. 2 Ziffer 1 BetrVG) und eine teilweise Abweichung von der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 19.09.2012 (17 TaBV 22/12, zitiert nach Juris) vorliegt.