Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.04.2012, Az.: 6 Sa 561/11
Rechtswirksame Satzungsbestimmung des Unternehmensverbandes Einzelhandel Osnabrück-Emsland e.V. zur Mitgliedschaft ohne Tarifbindung; Vergütungsklage bei fehlender Tarifbindung der Arbeitgeberin nach Kündigung der Vollmitgliedschaft
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 20.04.2012
- Aktenzeichen
- 6 Sa 561/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 16172
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2012:0420.6SA561.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Osnabrück - 22.02.2011 - AZ: 1 Ca 302/10
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs. 1 TVG
- § 611 Abs. 1 BGB
Amtlicher Leitsatz
Die Satzung des Unternehmensverbandes Einzelhandel Osnabrück-Emsland e.V. beinhaltet eine klare und eindeutige Trennung der Befugnisse von Mitgliedern mit und ohne Tarifbindung. Darüber hinaus stellt sie sicher, dass eine unmittelbare Einflussnahme von OT-Mitgliedern auf tarifpolitische Entscheidungen des Verbandes nicht zulässig ist.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 22. Februar 2011 - 1 Ca 302/10 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche der Klägerin auf Tariflohnerhöhungen, tarifliche Einmalzahlungen, tarifliche Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld) sowie um ein tarifliches Urlaubsentgelt aus einem Tarifabschluss vom 07.08.2009 für den Niedersächsischen Einzelhandel. In diesem Rahmen vereinbarten die Tarifvertragsparteien, dass alle Vollzeitbeschäftigten für den Zeitraum vom Mai 2007 bis April 2008 pro Monat eine Einmalzahlung in Höhe von 33,33 € erhalten. Darüber hinaus erhöhten sich danach für den Zeitraum von Mai 2008 bis August 2009 die Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütung um 3 %. Ab September 2009 sollte auf die bereits gestiegene Vergütung eine weitere Erhöhung von 2 % erfolgen. Zudem wurde der Tarifvertrag über Urlaubsgeld, Sonderzuwendungen und Entgeltfortzahlung rückwirkend zum 01.01.2007 wieder in Kraft gesetzt. Streitig ist zwischen den Parteien insbesondere, ob die Beklagte an die den Entgeltforderungen der Klägerin zugrundeliegenden Tarifverträgen gebunden oder ob sie zuvor wirksam aus einer Vollmitgliedschaft in dem tarifabschließenden Verband in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft) gewechselt ist.
Die Klägerin, die der Gewerkschaft ver.di angehört, ist seit dem 01.08.1979 bei der Beklagten als Verkäuferin in deren Filiale in A-Stadt beschäftigt. Ihr Monatsbruttoentgelt beträgt 2006,00€.
Die Beklagte ist Mitglied im Unternehmensverband Einzelhandel Osnabrück-Emsland e.V.. Mit Schreiben vom 26.06.2002 erklärte sie gegenüber diesem Verband, dass sie von einer Vollmitgliedschaft in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung wechseln wolle. Der Verband teilte der Beklagten darauf hin schriftlich mit, dass er sie ab dem 01.08.2002 als Mitglied ohne Tarifbindung führen werde.
Die Satzung des Unternehmensverbandes Einzelhandel Osnabrück-Emsland e.V. lautet wörtlich u.a. wie folgt:
"§ 2 Zweck des Verbandes
1. Der Verband ist Arbeitgeber-, Berufs- und Wirtschaftsverband. Zweck des Verbandes ist die Vertretung der Interessen aller Branchen, Betriebsformen und -größen des Einzelhandels und der Dienstleistungsbranche sowie die Betreuung seiner Mitglieder.
Seine Aufgaben sind insbesondere:
(...)
c) Beratung und Hilfe bei allen betriebsbezogenen Rechtsfragen, wie z.B. Arbeits- und Tarifrecht, Sozialrecht, Steuerrecht, Wettbewerbsrecht, Handel- und Gewerberecht - sowie allen sonstigen betriebsbezogenen Rechtsfragen.
(...)
i) Abschluss von Tarifverträgen mit den zuständigen Gewerkschaften mit Wirkung für die Mitglieder mit Tarifbindung.
j) Mitarbeit in den Organen und Gremien der Verbände der Einzelhandelsorganisation, z.B. Beteiligung am Abschluss von Tarifverträgen mit Wirkung für Mitglieder mit Tarifbindung in den Gremien des Landesverbandes.
(...)
§ 3 Erwerb der Mitgliedschaft
(...)
2. Die Mitgliedschaft kann als Mitgliedschaft mit Tarifbindung (T-Mitgliedschaft) oder als Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft) begründet werden.
3. Der Wechsel von einer T-Mitgliedschaft in eine OT-Mitgliedschaft und umgekehrt kann nur schriftlich unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zum Ende eines Kalendermonats erklärt werden. Neu eintretende Mitglieder bestimmen in ihrer Beitrittserklärung, ob sie eine T-Mitgliedschaft oder eine OT-Mitgliedschaft eingehen möchten.
4. Die Mitgliedschaft wird durch schriftliche Beitrittserklärung unter Anerkennung der Satzung erworben. Über die Aufnahme als T- oder OT Mitglied und über den Wechsel von einer T- in eine OT-Mitgliedschaft und umgekehrt entscheidet der Vorstand. Die Entscheidung ist dem Antragssteller schriftlich mitzuteilen.
(...)
§ 5 Rechte und Pflichten der Mitglieder
1. Alle Mitglieder gemäß § 3 Abs. 1 und 2 bzw. deren Mitgliedsunternehmen haben gleiche Rechte und Pflichten. In Tarifangelegenheiten bestehen die Rechte und Pflichten allerdings nur für T-Mitglieder. OT-Mitglieder haben in diesen Angelegenheiten kein Stimmrecht.
Sie unterliegen auch nicht den vom Verband ausgehandelten Tarifverträgen (Ausnahme: Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge nach § 5 TVG). Im Übrigen haben die Mitglieder ihm Rahmen des Verbandszwecks und der Aufgaben Anspruch auf Vertretung, Beratung und Förderung in allen ihren Tätigkeitsbereich betreffenden Fragen.
(...)
§ 7 Organe des Verbandes
Organe des Verbandes sind
a) Delegiertenversammlung,
b) Präsidium,
c) erweitertes Präsidium.
Die Mitglieder der Organe üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus.
§ 8 Delegiertenversammlung
1. Grundsatzfragen des Verbandes werden durch die Delegiertenversammlung gem. § 32 BGB wahrgenommen.
2. Der Delegiertenversammlung gehören an:
a) die Mitglieder des Präsidiums,
b) die Vorsitzenden der Kreisverbände, soweit diese Mitglieder des Präsidiums sind, die betreffenden stellvertretenden Vorsitzenden der Kreisverbände,
c) die Delegierten der Kreisverbände.
(...)
7. Die Delegiertenversammlung ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte aller Stimmrechte anwesen sind.
(...)
In Tarifangelegenheiten haben nur die T-Mitglieder ein Stimmrecht.
(...)
§ 9 Präsidium
1. Das Präsidium besteht aus
a) dem Präsidenten,
b) einem ersten und einem zweiten Vizepräsidenten,
c) dem Schatzmeister
d) sowie weiteren Mitgliedern
(...)
3. Der Verband wird durch den Präsidenten und den 1. Vizepräsidenten als Vorstand im Sinne des § 26 BGB in Gemeinschaft vertreten.
(...)"
Wegen der weiteren Einzelheiten der Satzung wird auf Blatt 31 bis 35 d. A. Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 25.07.2008 informierte die Beklagte ihre Mitarbeiter durch Aushang am "Schwarzem Brett" darüber, dass ihre Mitgliedschaft im Einzelhandelsverband seit dem 01.08.2002 ohne Tarifbindung geführt werde.
Die Beklagte stellte die bei ihr beschäftigte Betriebsrätin, Frau G. als Mitglied der Tarifkommission der Gewerkschaft ver.di für Tarifverhandlungen u.a. im Jahre 2009 frei. Der relevante Tarifabschluss erfolgte am 07.08.2009.
Mit der am 31.08.2010 beim Arbeitsgericht Osnabrück eingegangenen Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Zahlung der sich aus dem Tarifabschluss vom 07.08.2009 ergebenen zusätzlichen Entgeltansprüche in Anspruch. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte nicht rechtswirksam von einer Vollmitgliedschaft in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung gewechselt sei, woraufhin die Beklagte weiterhin an sämtliche Tarifverträge gebunden sei. Durch die Satzung des Unternehmensverbandes Einzelhandel Osnabrück-Emsland e.V. sei nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit sichergestellt, dass sog. OT-Mitglieder keinen unmittelbaren Einfluss auf tarifvertragliche Entscheidungen hätten. Die Satzung sehe keine klare und unmissverständliche Trennung der Befugnisse von Mitgliedern mit und ohne Tarifbindung vor. Zudem habe die Beklagte ihren Wechsel zur OT-Mitgliedschaft seit 2002 nicht ausreichend transparent gemacht.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 400,00 € brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlten;
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 960,00 € brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, an sie monatlich 101,00 € brutto beginnend mit dem 01.09.2009 nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz beginnend ab jeweiliger Fälligkeit zu zahlen;
hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie ab dem 01.09.2009 nach der Gehaltsgruppe II 7. Berufsjahr des Gehalts- und Lohntarifvertrages des Niedersächsischen Einzelhandels von 07. August 2009 mit einem Monatsgehalt von derzeit 2.139,00 € zu vergüten.
4. die Beklagte zu verurteilen, an sie 30,00 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlen;
5. die Beklagte zu verurteilen, an sie 36,00 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlen;
6. festzustellen, dass im Arbeitsverhältnis der Parteien die jeweils gültigen Tarifverträge für den niedersächsischen Einzelhandel zur Anwendung kommen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass sie an den Tarifabschluss vom 07.08.2009 nicht gebunden sei. Bereits zum 01.08.2002 sei sie wirksam in eine sog. OT-Mitgliedschaft gewechselt. Die Satzung sei nicht zu beanstanden.
Mit Urteil vom 22.02.2011 hat das Arbeitsgericht Osnabrück die Klage insgesamt abgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte an den Tarifabschluss vom 07.08.2009 nicht gebunden sei, da sie am 01.08.2002 wirksam von einer T- in eine OT-Mitgliedschaft gewechselt sei. Die Satzung des Unternehmensverbandes Einzelhandel Osnabrück-Emsland e.V. trenne die Befugnisse von Voll- und OT-Mitgliedschaften in eindeutiger und ausreichender Art und Weise.
Gegen dieses ihr am 08.04.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 19.04.2011 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung unter dem 08.07.2011 begründet.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Wechsel der Beklagten zum 01.08.2002 von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung die Rechtsfolgen des § 3 Abs. 1 TVG nicht habe entfallen lassen. Die Satzung des Unternehmensverbandes Einzelhandel Osnabrück-Emsland e.V. genüge nicht den Anforderungen, die das Bundesarbeitsgericht an eine Trennung der Bereiche für Mitglieder mit und ohne Tarifbindung innerhalb eines Arbeitgeberverbandes stelle. Allein der in der Satzung festgehaltene Umstand, dass OT-Mitglieder in Tarifangelegenheiten kein Stimmrecht hätten, reiche nicht aus, um eine unmittelbare Einflussnahme von OT-Mitgliedern auf Tarifangelegenheiten zu unterbinden. Nach§ 9 der Satzung sei nämlich nicht ausgeschlossen, dass OT-Mitglieder in das Präsidium oder sogar in den Vorstand des Verbandes gewählt und den Verband gemäß § 26 BGB nach außen vertreten würden. Die Satzung könne insbesondere nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die tarifpolitische Willensbildung allein den Mitgliedern mit Tarifbindung vorbehalten sei. Sie enthalte keine ausdrückliche Regelung, wonach der Wechsel von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung zwangsläufig den Verlust von Funktionen nach sich ziehe, welche im Zusammenhang mit Angelegenheiten der Sozial-, Tarifpolitik und des Arbeitskampfes stünden. Zudem sehe die Satzung zwar vor, dass in Tarifangelegenheiten nur Vollmitglieder ein Stimmrecht hätten, enthalte aber keine Bestimmung, dass bei Abstimmungen über Tarifangelegenheiten die Stimmberechtigung der einzelnen Mitglieder vorab tatsächlich festzustellen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 22. Februar 2011 - 1 Ca 302/10 - abzuändern und
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 400,00€ brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz liegenden Zinsen seit dem 01.09.2008 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 960,00€ brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz liegenden Zinsen seit dem 01.09.2009 zu zahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.212,00€ brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz liegenden Zinsen
auf 101,00 € ab 01.10.2009 | auf 101,00 € ab 01.04.2010 |
---|---|
auf 101,00 € ab 01.11.2009 | auf 101,00 € ab 01.05.2010 |
auf 101,00 € ab 01.12.2009 | auf 101,00 € ab 01.06.2010 |
auf 101,00 € ab 01.01.2010 | auf 101,00 € ab 01.07.2010 |
auf 101,00 € ab 01.02.2010 | auf 101,00 € ab 01.08.2010 |
auf 101,00 € ab 01.03.2010 | auf 101,00 € ab 01.09.2010 |
zu zahlen,
4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.064,00€ brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz liegenden Zinsen
auf 133,00 € ab 01.10.2010 | auf 133,00 € ab 01.02.2011 |
---|---|
auf 133,00 € ab 01.11.2010 | auf 133,00 € ab 01.03.2011 |
auf 133,00 € ab 01.12.2010 | auf 133,00 € ab 01.04.2011 |
auf 133,00 € ab 01.01.2011 | auf 133,00 € ab 01.05.2011 |
zu zahlen.
5. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 30,00€ brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz liegenden Zinsen seit dem 01.09.2009 zu zahlen;
6. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 36,00€ brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz liegenden Zinsen seit dem 01.09.2009 zu zahlen und
7. festzustellen, dass im Arbeitsverhältnis der Parteien die jeweils gültigen Tarifverträge für den niedersächsischen Einzelhandel zur Anwendung kommen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Die Satzung des Unternehmensverbandes Einzelhandel Osnabrück-Emsland e. V. stehe im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und sehe ein hinreichend klare Trennung der Befugnisse von Mitgliedern mit und ohne Tarifbindung vor. Eine unmittelbare Einflussnahme von OT-Mitgliedsunternehmen des Regionalverbandes auf tarifpolitische Entscheidungen sei ausgeschlossen. Bereits zum damaligen Zeitpunkt habe sich der Einzelhandelsverband als Regionalverband überhaupt nicht mit der Tarifpolitik in seinen Gremien befasst, sondern habe dieses Handlungsfeld nach § 2 j der Satzung an den Landesverband und dessen in allen Tarifangelegenheiten allein zuständiges Gremium, den sozialpolitischen Beirat abgegeben. Der sozialpolitische Beirat könne in allen sozial- und tarifpolitischen Fragen unter Beachtung der Beschlüsse des zuständigen tarifpolitischen Gremiums des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels autonom und unabhängig von einer unmittelbaren Einflussnahme des Regionalverbandes Unternehmensverband Einzelhandel Osnabrück-Emsland e. V. und seiner Organe entscheiden. Diese hätten zwar satzungsmäßig die Möglichkeit, Vertreter von T-Mitgliedern in das Landesgremium zu entsenden, wobei gemäß der Generalklausel in§ 5 Nr. 1 der Satzung die Auswahl bzw. Benennung dieser Mitglieder nur durch tarifgebundene Mitglieder erfolgen könne. Die Generalklausel des§ 5 Abs. 1 gelte einschränkungslos für alle in der Satzung geregelten Organe, Gremien und Handlungsbereiche, die Tarifangelegenheiten und Tarifpolitik betreffen würden. Die Art und Weise der Stimmabgabe müsse nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nicht zwingend in der Satzung eines Verbandes geregelt werden und die von der Klägerin lediglich pauschal in Zweifel gezogene getrennte Abstimmung der T- und OT-Mitglieder sei in der Praxis des Verbandes schon allein deshalb gewährleistet, weil nur T-Mitglieder bei ihrer Einladung zu Versammlungen oder Sitzungen von der Geschäftsführung vorbereitete gesonderte Sitzungs- und Abstimmungsunterlagen in einem Umschlag erhielten, sofern tatsächlich bezüglich eines Tagesordnungspunktes eine getrennte Abstimmung erforderlich sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, soweit diese Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, und auf die in der mündlichen Verhandlung abgegebenen wechselseitigen Erklärungen.
Entscheidungsgründe
A. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, wurde form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet, §§ 63 Abs. 2, 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, 64 Abs. 6 ArbGG, 519 ZPO.
B. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Das Arbeitsgericht Osnabrück hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Das Berufungsgericht macht sich zunächst die überzeugenden erstinstanzlichen Entscheidungsgründe zu Eigen, verweist auf diese und stellt dies fest, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Die Berufungsbegründung veranlasst folgende ergänzende Anmerkungen:
Die Beklagte ist an den Tarifabschluss vom 07.08.2009 nicht gebunden.
Zwar ist die Klägerin Mitglied der tarifabschließenden Gewerkschaft. Die Beklagte hat aber ihre Vollmitgliedschaft im tarifabschließenden Arbeitgeberverband per 01.08.2002 wirksam in eine sog. OT-Mitgliedschaft geändert.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann die Satzung eines Arbeitgeberverbandes unter bestimmten Voraussetzungen aus tarifrechtlicher Sicht wirksam einen Mitgliederstatus ohne Tarifbindung bereithalten. Dabei setzt die Begründung einer OT-Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband voraus, dass es für die Mitgliedschaftsform in dem Zeitpunkt, in dem ein bisheriges Vollmitglied eine OT-Mitgliedschaft begründen will, eine wirksame satzungsgemäße Grundlage gibt. Die Satzung des Verbandes kann selbst definieren, auf welche Weise eine Mitgliedschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 TVG begründet und beendet werden kann. Von dieser Möglichkeit hat der Unternehmensverband Einzelhandel Osnabrück-Emsland e. V. in der vorliegend relevanten Satzungsfassung aus dem Jahre 2000 Gebrauch gemacht. Nach § 3 Nr. 3 dieser Satzung kann der Wechsel von einer T-Mitgliedschaft in eine OT-Mitgliedschaft und umgekehrt nur schriftlich unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zum Ende des Kalendermonats erklärt werden. Nach § 3 Nr. 4 Satz 2 der Satzung entscheidet der Vorstand über den Wechsel von einer T- in eine OT-Mitgliedschaft und umgekehrt, wobei die Entscheidung nach § 3 Nr. 4 Satz 3 dem Antragsteller schriftlich mitzuteilen ist. Dementsprechend ist die Beklagte vorliegend verfahren und hat dargelegt, auf ihren Antrag vom 26.06.2002 hin sei die schriftliche Mitteilung vom Vorstand erfolgt, dass sie ab dem 01.08.2002 als Mitglied ohne Tarifbindung geführt werde.
2. Die Satzung des Unternehmerverbandes Einzelhandel Osnabrück- Emsland e. V. genügt den Anforderungen an eine Verbandssatzung, die einen OT-Mitgliedstatus tarifrechtlich wirksam bereitstellen will.
a) Wegen der an die Tarifgebundenheit anknüpfenden und ggf. weitreichenden Rechtswirkungen für Dritte ist es erforderlich, dass die Verbandsmitgliedschaft mit Tarifbindung im Sinne von § 3 Abs. 1 TVG von einer Verbandsmitgliedschaft ohne Tarifbindung eindeutig abgrenzbar ist. Das muss durch die Verbandssatzung sichergestellt sein. Dazu reicht es insbesondere nicht aus, wenn die Satzung für die Mitglieder ohne Tarifbindung lediglich die Rechtsfolgen der Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG abbedingt. Wegen des im Hinblick auf die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie erforderlichen Gleichlaufes der Verantwortlichkeit und Betroffenheit hinsichtlich der tarifpolitischer Entscheidung muss die Satzung eine klare und eindeutige Trennung der Befugnisse von Mitgliedern mit und solchen ohne Tarifbindung vorsehen. Eine unmittelbare Einflussnahme von OT-Mitgliedern auf tarifpolitische Entscheidungen ist nicht zulässig. Dies ist satzungsrechtlich abzusichern. OT-Mitglieder dürfen nicht in die Tarifkommissionen entsandt werden und den Verband im Außenverhältnis tarifpolitisch vertreten. Sie sind von der Verfügungsgewalt über einen Streik- oder Aussperrungsfond auszuschließen. Weiter ist für sie ein Stimmrecht bei Abstimmungen über die Festlegung von tarifpolitischen Zielen oder die Annahme von Tarifverhandlungsergebnissen auszuschließen (vgl. nur BAG, 15.12.2010 - 4 AZR 256/09 - DB 2011, 1001, wegen der Gründe siehe Juris).
b) Entgegen der Auffassung der Berufung erfüllt die Satzung des Unternehmerverbandes Einzelhandel Osnabrück-Emsland e. V. trotz der allgemein gehaltenen Regelung zur Trennung der Befugnisse von OT- und Vollmitgliedern die in der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Kriterien. Dies hat das Arbeitsgericht zu Recht erkannt.
aa) Eindeutig ist in § 5 Nr. 1 der Satzung geregelt, dass alle Mitglieder bzw. deren Mitgliedsunternehmen gemäß § 3 Abs.1 und 2 die gleichen Rechte und Pflichten haben. In Tarifangelegenheiten bestehen diese Rechte und Pflichten nach Satz 2 allerdings nur für T-Mitglieder. Dabei hebt Satz 3 nochmals ausdrücklich hervor, dass OT-Mitglieder in diesen Angelegenheiten kein Stimmrecht haben. Die allgemeine Regelung in § 5 Nr. 1 gilt ausnahmslos für alle satzungsmäßig geregelten Sachverhalte und Organe. Mit dieser zwar allgemein gehaltenen, aber ausnahmslos für alle Verbandsbereiche geltenden Regelung wird der erforderliche Gleichlauf von Verantwortlichkeit und Betroffenheit, was Tarifangelegenheiten angeht, hinreichend sichergestellt. Das ergibt die Auslegung der Satzung eindeutig.
bb) Die Auslegung hat zunächst vom Wortlaut auszugehen und sich dann an dem systematischen Zusammenhang, der Entstehungsgeschichte und dem Normzweck, soweit er in der Satzung erkennbaren Ausdruck gefunden hat, auszurichten (vgl. BAG, 04.06.2008 - 4 AZR 316/07 - AP Nr. 37 zu § 3 TVG). Insofern ist zunächst festzustellen, dass der Wortlaut von § 5 Nr. 1 eindeutig ist. Danach haben in Tarifangelegenheiten nur die T-Mitglieder Rechte und Pflichten. Damit ist eindeutig festgelegt, dass OT-Mitglieder nicht nur kein Stimmrecht, sondern auch darüber hinaus keine Möglichkeit zur Einflussnahme auf Tarifangelegenheiten haben. Sie sind hiervon vielmehr ausdrücklich insgesamt ausgenommen. Der Ausschluss nach § 5 Nr. 1 Satz 2 der Satzung geht also weiter als der isolierte Ausschluss des Stimmrechtes. Satz 3 des § 5 Nr.1 der Satzung enthält lediglich eine Klarstellung und Hervorhebung gerade in Bezug auf das ohne Frage wichtige Stimmrecht. Gleiches gilt für die Regelung in § 8 Nr. 7 Satz 7 der Satzung in Bezug auf die Delegiertenversammlung. Danach haben in Tarifangelegenheiten bei der Delegiertenversammlung nur T-Mitglieder ein Stimmrecht. Unabhängig von diesen beiden gesonderten Bestimmungen, die an sich überflüssig sind, ist festzustellen, dass es sich bei der Regelung in § 5 Nr. 1 Satz 2 um die allgemeine für sämtliche Bereiche der Satzung geltenden Vorschrift handelt. Danach ist OT-Mitgliedern eine Einflussnahme auf und eine Beteiligung an Tarifangelegenheiten eindeutig untersagt. Es ist nicht erforderlich, dass dieser Ausschluss in der Satzung in jedem Regelungsbereich wiederholt wird. Die Satzung braucht dementsprechend nicht ausdrücklich für den Fall des Wechsels von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung den Verlust von Funktionen vorsehen, welche im Zusammenhang mit Angelegenheiten der Tarifpolitik stehen. Der in § 5 Nr. 1 zum Ausdruck kommende Regelungswillen des Satzungsgebers, die tarifpolitische Willensbildung den Mitgliedern mit Tarifbindung vorzubehalten, kann nur dann die beabsichtigte Wirkung entfalten, wenn mit dem Wechsel in die OT-Mitgliedschaft auch der automatische Verlust des Amtes verbunden ist. Dieses Auslegungsergebnis entspricht im Übrigen auch dem unstreitig gebliebenen Vortrag der Beklagten zur praktischen Handhabung (vgl. hierzu BAG, 04.06.2008 - 4 AZR 316/07 - AP Nr. 37 zu § 8 TVG). Soweit die Berufung darauf hinweist, nach der Satzung bestehe die Möglichkeit, dass als Organ oder in den Organen des Verbandes auch Vertreter von Mitgliedsunternehmen tätig werden, die lediglich über eine OT-Mitgliedschaft verfügen, ist dem ebenfalls der systematische Zusammenhang und die Ausstrahlung der allgemeinen Regelung in § 5 Nr. 1 Satz 2 entgegenzuhalten. Dass für OT-Mitglieder in Tarifangelegenheiten keine Rechte und Pflichten bestehen, umfasst zwangsläufig auch die Unterlassung tarifpolitischer Vertretung des Verbandes im Außenverhältnis durch OT-Mitglieder. Die allgemeine Regelung des § 5 Nr. 1 Satz 2 der Satzung gilt ausnahmslos für den alle Bereiche der Satzung und damit auch für die satzungsmäßig geregelten Organe (vgl. BAG, 15.12.2010 - 4 AZR 256/09 - aaO.). Zwar wird der Verband nach § 9 Ziffer 3 der Satzung nach Außen durch den Präsidenten und den ersten Vorsitzenden als Vorstand im Sinne des § 26 BGB vertreten. In diesem Zusammenhang hat die erste Instanz aber bereits zutreffend auf § 26 Abs. 2 BGB hingewiesen, wonach eine Satzung den Umfang der Vertretungsmacht mit Außenwirkung beschränken kann. Voraussetzung hierfür ist allein, dass die Beschränkung eindeutig und hinreichend bestimmbar erkennen lassen muss, dass sie nicht nur die interne Geschäftsführung regeln, sondern die Vertretungsmacht nach Außen beschränken will. Außerdem ist es unzulässig, die Vertretungsmacht völlig zu entziehen (vgl. BGH, 22.04.1996 - II ZR 65/95 - NJW-RR 1996, 866 - 867; BGH 28.04.1980 - II ZR 193/79 - NJW 1980, 2799 - 2800). Eine derart unmissverständliche Regelung ist in § 5 Nr. 1 Satz 2 und 3 getroffen worden. Das Nichtzugestehen von Rechten und Pflichten in Tarifangelegenheiten umfasst die Unterlassung von tarifpolitischer Vertretung des Verbandes im Außenverhältnis durch OT-Mitglieder. Soweit die Klägerin vorträgt, bei Abstimmungen werde nicht tatsächlichüberprüft, ob sich heran nur Vollmitglieder beteiligen würden, hat dem die Beklagte überzeugend entgegengehalten, dass dies bereits dadurch sichergestellt werde, dass bei der Einladung zu Sitzungen oder Versammlungen, auf denen u.a. Abstimmungen in tarifpolitischen Angelegenheiten erfolgen sollten, nur Vollmitgliedern ein entsprechender Stimmzettel zur Verfügung gestellt werde.
3. Letztlich ist die Beklagte auch nicht deshalb an die Tarifabschlüsse vom 07.08.2009 gebunden, weil die Beendigung ihrer Vollmitgliedschaft im Verband trotz grundsätzlicher Zulässigkeit und der sich daraus ergebende vereinsrechtliche Wirksamkeit tarifrechtlich nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG als eine die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie beeinträchtigende Abrede zu qualifizieren ist. Das wäre dann der Fall, wenn der Wechsel der Beklagten nach Beginn der Tarifverhandlung, aber vor Unterzeichnung des Tarifvertrages erfolgt ist und für die an der Verhandlung beteiligte Gewerkschaft vor dem endgültigen Tarifabschluss nicht erkennbar war. Nur unter diesen Voraussetzungen führt ein sog. Blitzaustritt trotz vereinsrechtlich wirksamen Austritts zu einer Bindung des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 TVG an die Tarifverträge, die Gegenstand der Tarifverhandlungen waren (vgl. BAG, 18.05.2011 - 4 AZR 457/09 - ZTR 2011, 600 - 603). Diese Voraussetzung hat die Klägerin auch im Berufungsverfahren nicht vorgetragen. Vielmehr ist festzustellen, dass die an den Verhandlungen beteiligten Gewerkschaft über ihr Mitglied Frau G., die von der Beklagten für die Tarifverhandlungen jeweils freigestellt worden war, als ausreichend informiert zu betrachten ist. Frau G. hat als Mitarbeiterin der Beklagten über den Aushang am schwarzen Brett bereits unter dem 25.07.2008 und damit mehr als ein Jahr vor dem Tarifabschluss Kenntnis von dem Wechsel der Beklagten aus einer Voll- in eine OT-Mitgliedschaft erhalten.
4. Die Beklagte ist aufgrund des wirksamen Wechsels von einer Vollmitgliedschaft in eine OT-Mitgliedschaft nicht an den Tarifabschluss vom 07.08.2009 gebunden ist. Daran anknüpfende tarifliche Ansprüche der Klägerin haben mithin keine Grundlage. Ihre erstinstanzliche Auffassung, dass die Beklagte sich unabhängig davon auch im Wege einer betrieblichenÜbung an die jeweiligen Tarifabschlüsse gebunden habe, hat die Klägerin in zweiter Instanz nicht mehr aufrecht erhalten.
Das Arbeitsgericht Osnabrück hat die Klage mithin zu Recht abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
C. Die Kostenentscheidung resultiert aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, § 72 Abs. 2 ArbGG.