Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.02.2012, Az.: 13 Sa 847/11
Wegfall der Weihnachtszuwendung durch Beschluss der Regionalkommission bei arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf kirchliche Vertragsrichtlinien; Klageänderung in der Berufungsinstanz bei kurzfristiger und hinweispflichtiger Antragstellung
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 14.02.2012
- Aktenzeichen
- 13 Sa 847/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 16250
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2012:0214.13SA847.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Oldenburg - 14.12.2010 - AZ: 5 Ca 368/10
Rechtsgrundlagen
- § 133 BGB
- § 157 BGB
- § 307 Abs. 1 S. 3 BGB
- § 611 Abs. 1 BGB
- § 10 Abs. 1 AK-Ordnung
- § 10 Abs. 2 AK-Ordnung
- § 10 Abs. 4 AK-Ordnung
- § 11 Abs. 1 S. 1 AK-Ordnung
- § 132 ZPO
- § 139 ZPO
- § 533 ZPO
Amtlicher Leitsatz
1.Eine dynamische Bezugnahmeklausel auf kirchliche Vertragsrichtlinien erfasst auch einrichtungsspezifische Regelungen zum Wegfall des Anspruchs auf Weihnachtszuwendung.
2. § 11 AK-Ordnung begründet eine umfassende Zuständigkeit der Regionalkommission für einrichtungsspezifische Abweichung von den AVR-Caritas. Eine Bindung an die Bandbreitenvorgaben der Bundeskommission besteht nicht.
Redaktioneller Leitsatz
Leitsätze der Redaktion:
1. Nach § 533 ZPO muss bei Klageänderung in der Berufungsinstanz die Gegnerin einwilligen oder das Gericht die Klageänderung für sachdienlich halten und dies Klageänderung auf Tatsachen gestützt werden, die ohnehin der Entscheidung des Berufungsgerichts zugrunde zu legen sind; bei fehlender Zustimmung der Beklagten ist demnach Sachdienlichkeit erforderlich.
2. Die Ankündigung einer Klageerweiterung in der Berufungsinstanz sechs Tage vor dem Termin, also außerhalb der Frist des§ 132 ZPO, die zudem erfolgt, ohne dass sich die Sach- und Rechtslage seit Klageerhebung geändert hat, ist mit den Grundsätzen einer fairen und sachlichen Prozessführung kaum noch in Einklang zu bringen; im übrigen ist der Antrag unbegründet, wenn allein die Antragsfassung bei korrekter Behandlung Hinweispflichten des Gerichts nach § 139 ZPO auslösen würde.
müsste.
Es beginnt damit, dass die Formulierung "zu ändern" schlicht falsch ist. Die Beklagte ändert keine Vertragsbedingungen, sie wendet mit Umsetzung des Beschlusses der Regionalkommission geänderte Vertragsrichtlinien an. Diesem Problem hätte man einfach entgehen können, in dem man "zu ändern" ersetzt hätte durch "anzuwenden". Als weiteres Problem ist festzustellen, dass der Antrag möglicherweise als Globalantrag zu weit gefasst ist. Bereits aus § 10 Abs. 4 AK-Ordnung ergibt sich, dass es Fälle geben kann, in denen die Regionalkommission von einer festgelegten Bandbreite abweichen darf. Eine weitere Entscheidungsmöglichkeit ohne Bandbreitenbindung könnte sich aus § 10 Abs. 6 AK-Ordnung ergeben. Ob es weitere Entscheidungsmöglichkeiten der Regionalkommission ohne Bandbreitenbindung gibt, kann nicht abschließend beurteilt werden. Der Zeitrahmen von 6 Kalendertagen war schlicht nicht ausreichend, um das Gesamtsystem der Zuständigkeiten nach der AK-Ordnung zu prüfen und einer Bewertung zu unterziehen. Allein die Problematik des Globalantrags und insoweit bestehender Hinweispflichten des Gerichts zeigt, dass eine Behandlung der Klageerweiterung, die 6 Tage vor dem Termin eingereicht wird, nicht sachdienlich ist.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 14.12.2010, 5 Ca 368/10, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 2.519,16 € festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Zahlung der Weihnachtszuwendung 2010, und zwar im Berufungsverfahren noch in Höhe von 1.281,- €. Der Anspruch ist der Höhe nach unstreitig. Mit Klageerweiterung vom 03.02.2012, bei Gericht eingegangen am 08.02.2012, beantragt sie die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, Vertragsbedingungen auf der Grundlage von Beschlüssen der Regionalkommission gemäß § 11 AK-Ordnung zu ändern, die sich nicht im Rahmen der Bandbreitenregelungen der Bundeskommission bewegen. Die Parteien streiten darüber, ob der Anspruch auf Weihnachtszuwendung nach Abschnitt XIV der Anlage 1 AVR-Caritas durch Beschluss der Regionalkommission N. der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen C. e.V. vom 03.11.2010 wirksam entfallen ist.
Die Klägerin ist langjährig bei der beklagten C.stiftung im Alten- und Pflegeheim J. beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Dienstvertrag vom 17.01.1989, der in § 2 bestimmt:
§ 2
Für das Dienstverhältnis gelten die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen C.verbandes" (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung¹. Dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin ist Gelegenheit zur Einsichtnahme in die AVR gegeben.
Ergänzend wird Bezug genommen auf den Inhalt des Dienstvertrages, Anlage zur Klage.
Am 20.08.2009 beantragte die Beklagte bei der Regionalkommission N. eine einrichtungsspezifische Regelung mit dem Inhalt der Streichung der Weihnachtszuwendung 2009 und 2010. Sie zahlte 2009 die Weihnachtszuwendung nicht zum Fälligkeitszeitpunkt. Die Entscheidung der Regionalkommission N. erfolgte sodann mit Beschluss vom 03.11.2010. Der Beschluss beinhaltet, dass für die Mitarbeiter des Alten- und Pflegeheimes J. 2010 keine Weihnachtszuwendung gezahlt wird, die Weihnachtszuwendung 2009 mit dem November-Gehalt 2010 zuzüglich Zinsen ausgezahlt wird und u.a. für die Dauer der Laufzeit des Beschlusses betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind. Ergänzend wird Bezug genommen auf den Inhalt des Beschlusses, Bl. 24 und 25 d.A..
Auf Grund der Antragstellung 2009 war die Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen C.verbandes e.V. in der Fassung vom 17.10.2007 bei der Beschlussfassung zu Grunde zu legen. Die Zuständigkeitsregelungen dieser AK-Ordnung lauten - auszugsweise - wie folgt:
§ 10 Zuständigkeiten der Bundeskommission und der Regionalkommissionen
(1) Die Bundeskommission hat eine umfassende Regelungszuständigkeit mit Ausnahme der Bereiche, die ausschließlich den Regionalkommissionen zugewiesen sind. In den ausschließlich den Regionalkommissionen zugewiesenen Bereichen bestehen Bandbreiten; sie betragen für die Festlegung der Höhe aller Vergütungsbestandteile von dem mittleren Wert 15 v. H. Differenz nach oben und nach unten, für die Festlegung des Umfangs der regelmäßigen Arbeitszeit und des Umfangs des Erholungsurlaubs von dem mittleren Wert 10 v. H. Differenz nach oben und nach unten. Die Bundeskommission kann den Umfang der Bandbreiten durch Beschluss verändern.
(2) Die Regionalkommissionen sind ausschließlich zuständig für die Festlegung der Höhe aller Vergütungsbestandteile, des Umfangs der regelmäßigen Arbeitszeit und des Umfangs des Erholungsurlaubs. Dabei haben sie die von der Bundeskommission nach Absatz 1 festgelegten Bandbreiten einzuhalten. Fasst die Bundeskommission nach Aufforderung durch den Beschluss einer Regionalkommission nicht innerhalb von sechs Monaten einen Beschluss zur Festsetzung einer Bandbreite, kann die Regionalkommission einen eigenen Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 ohne eine nach Absatz 1 Sätze 2 und 3 festgelegte Bandbreite fassen. Beschlüsse einer Regionalkommission, die außerhalb der durch die Bundeskommission festgelegten Bandbreite liegen, sind als Beschluss der äußersten, von der Bundeskommission als zulässig festgelegten Bandbreite auszulegen.
(3) Die Regionalkommissionen können zudem Regelungen der Beschäftigungssicherung, wie beispielsweise Regelungen zur betriebsbedingten Kündigung, beschließen. Soweit diese Regelungen im Widerspruch zu Regelungen der Bundeskommission stehen, gehen die Regelungen der Regionalkommissionen vor.
(4) Die Regionalkommissionen können durch Beschluss bei der Bundeskommission beantragen, von einer festgelegten Bandbreite abweichen zu dürfen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Regionalkommission sei bei Vergütungsbestandteilen wie der Weihnachtszuwendung an die Vorgaben der Bundeskommission zur Bandbreite gebunden. Für die Weihnachtszuwendung habe die Bundeskommission eine Bandbreite von 0,1 v. H. nach oben und unten festgesetzt. An diese Bandbreitenregelung sei die Regionalkommission auch gebunden bei einrichtungsspezifischen Regelungen nach § 11 AK-Ordnung.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 1.652,69 € brutto als Weihnachtsgeld 2010 nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz seit dem 01.12.2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, § 11 AK-Ordnung begründe die Zuständigkeit der Regionalkommission für einrichtungsspezifische Regelungen. Im Rahmen dieser besonderen Zuständigkeit sei die Kommission nicht an die Bandbreitenvorgaben der Bundeskommission gebunden. Die Streichung der Weihnachtszuwendung 2010 sei damit wirksam erfolgt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Mit Berufung trägt die Klägerin vor, der Beschluss der Regionalkommission N. vom 03.11.2011 sei nicht Inhalt des Arbeitsvertrages geworden und sei auch nach eigenem Satzungsrecht des C.verbandes nicht wirksam. Der arbeitsvertragliche Verweis auf die AVR-C. beinhalte die Bezugnahme auf die allgemeine Ordnung und bewirke auch eine Bindung an Änderungen der allgemeinen Richtlinien. Die Bezugnahme erstrecke sich aber nicht auf Beschlüsse der Regionalkommissionen gemäß § 11 AK-Ordnung. Der Beschluss sei im Übrigen unwirksam, weil die Regionalkommission auch im Rahmen der Zuständigkeit nach § 11 AK-Ordnung an die vorgegebenen Bandbreiten gebunden sei. Die völlige Streichung der Weihnachtszuwendung liege nicht im Kompetenzbereich der Regionalkommission. Für das Erzbistum H. habe die Bundeskommission in Abschnitt XIV der Anlage 1 AVR-C. einen gangbaren Weg gefunden, nämlich eine Öffnungsklausel für Dienstvereinbarungen. Dieser Sonderregelung hätte es nicht bedurft, wenn der einfachere Weg nach § 11 AK-Ordnung gegeben sei. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung und die Schriftsätze der Klägerin vom 03.02.2012 und 09.02.2012.
Die Klägerin beantragt,
1. das am 14.12.2010 verkündete und am 07.06.2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg, AZ.: 5 Ca 351/10 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.281,- € brutto nebst 5 % Zinsen über Diskont seit dem 01.12.2010 zu zahlen.
3. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, Vertragsbedingungen auf der Grundlage von Beschlüssen der Regionalkommission gem. § 11 AK-Ordnung zu ändern, die sich nicht im Rahmen der Bandbreitenregelungen der Bundeskommission bewegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt dazu vor, dass die einrichtungsspezifische Regelung durch die Regionalkommission von der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag erfasst ist und der Beschluss im Übrigen wirksam ist. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Berufungserwiderung sowie die Schriftsätze vom 19.01.2012 und 10.02.2012.
Entscheidungsgründe
1. Die Berufung der Klägerin ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG.
Die im Berufungsverfahren 6 Tage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vorgenommene Klageerweiterung, die als Klageänderung im Sinne des § 533 ZPO zu werten ist, ist nicht zulässig. Über den Feststellungsantrag durfte eine Sachentscheidung nicht ergehen.
Nach § 533 ZPO muss bei Klageänderung in der Berufungsinstanz der Gegner einwilligen oder das Gericht sie für sachdienlich halten und die Klageänderung muss auf Tatsachen gestützt werden, die ohnehin der Entscheidung des Berufungsgerichts zugrunde zu legen sind. Da die Beklagte der Klageerweiterung nicht zugestimmt hat, wäre Voraussetzung für die Zulässigkeit Sachdienlichkeit.
Die Ankündigung einer Klageerweiterung in der Berufungsinstanz 6 Tage vor dem Termin, also außerhalb der Frist des§ 132 ZPO, die zudem erfolgt, ohne dass sich die Sach- und Rechtslage seit Klageerhebung geändert hat, ist mit den Grundsätzen einer fairen und sachlichen Prozessführung kaum noch in Einklang zu bringen. Ob das bereits reicht, Sachdienlichkeit zu verneinen, mag dahinstehen. Entscheidend ist, dass der Antrag in der vorliegenden Form nicht begründet sein kann und allein die Antragsfassung bei korrekter Behandlung Hinweispflichten des Gerichts nach§ 139 ZPO auslösen müsste. Es beginnt damit, dass die Formulierung "zu ändern" schlicht falsch ist. Die Beklagte ändert keine Vertragsbedingungen, sie wendet mit Umsetzung des Beschlusses der Regionalkommission geänderte Vertragsrichtlinien an. Diesem Problem hätte man einfach entgehen können, in dem man "zu ändern" ersetzt hätte durch "anzuwenden". Als weiteres Problem ist festzustellen, dass der Antrag möglicherweise als Globalantrag zu weit gefasst ist. Bereits aus § 10 Abs. 4 AK-Ordnung ergibt sich, dass es Fälle geben kann, in denen die Regionalkommission von einer festgelegten Bandbreite abweichen darf. Eine weitere Entscheidungsmöglichkeit ohne Bandbreitenbindung könnte sich aus § 10 Abs. 6 AK-Ordnung ergeben. Ob es weitere Entscheidungsmöglichkeiten der Regionalkommission ohne Bandbreitenbindung gibt, kann nicht abschließend beurteilt werden. Der Zeitrahmen von 6 Kalendertagen war schlicht nicht ausreichend, um das Gesamtsystem der Zuständigkeiten nach der AK-Ordnung zu prüfen und einer Bewertung zu unterziehen. Allein die Problematik des Globalantrags und insoweit bestehender Hinweispflichten des Gerichts zeigt, dass eine Behandlung der Klageerweiterung, die 6 Tage vor dem Termin eingereicht wird, nicht sachdienlich ist.
Damit war eine Sachentscheidung nur zu treffen über den Zahlungsantrag auf Weihnachtszuwendung 2010. Auch insoweit ist die Berufung nicht begründet. Durch Beschluss der Regionalkommission N. vom 03.11.2010 ist der Anspruch auf Weihnachtszuwendung entfallen. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die AVR-C. nebst Änderungen erfasst auch einrichtungsspezifische Regelungen nach § 11 AK-Ordnung, die zum Wegfall von Ansprüchen nach AVR-C. führen (2). Der Beschluss der Regionalkommission ist ordnungsgemäß zustande gekommen, insbesondere sind einrichtungsspezifische Regelungen nach § 11 AK-Ordnung nicht auf die Ausfüllung der vorgegebenen Bandbreiten beschränkt (3). Beschlüsse nach § 11 AK-Ordnung beinhalten im Verfahren des Dritten Weges zustande gekommene Änderungen der allgemeinen Vertragsrichtlinien und unterliegen nur einer begrenzten Inhaltskontrolle (4). Ein Fall des unzulässigen rückwirkenden Eingriffs in entstandene Rechte liegt nicht vor (5).
2. Auslegung der vertraglichen Bezugnahmeklausel.
Das LAG Düsseldorf (Urteil vom 02.03.2011, 7 Sa 141/10) hat zur Auslegung einer vergleichbaren Bezugnahmeklausel die Auffassung vertreten, die dynamische Verweisung auf die AVR-C. erfasse zwar künftige Änderungen der Richtlinien. Bei einrichtungsspezifischen Regelungen nach § 11 AK-Ordnung wie Streichung der Weihnachtszuwendung in einer Einrichtung blieben aber die allgemeinen Vertragsrichtlinien unverändert. Deshalb werde die auf § 11 AK-Ordnung basierende Verkürzung von Ansprüchen von der vertraglichen Bezugnahme nicht erfasst.
Zu dynamischen Bezugnahmeklauseln auf kirchliche Vertragsrichtlinien, die im Verfahren des Dritten Weges mit paritätischer Besetzung der arbeitsrechtlichen Kommission zustande gekommen sind, führt das BAG aus (Urteil vom 22.07.2010, 6 AZR 847/07, AP Nr. 55 zu § 611 BGB Kirchendienst; Urteil vom 10.12.2008, 4 AZR 801/07, AP Nr. 52 zu § 611 BGB Kirchendienst): die Bezugnahmeklausel in Formulararbeitsverträgen unterliege der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB. Auch eine dynamische Bezugnahme, die Änderungen und Ergänzungen mit umfasse, benachteilige den Arbeitnehmer nicht im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB unangemessen, soweit es sich um Regelungen handele, die auf dem Dritten Weg zustande gekommen sind.
Der BAG Rechtsprechung folgend ist die vertragliche Bezugnahmeklausel als dynamische Bezugnahme auf die AVR-C. auszulegen, sie verweist auf die Richtlinien in ihrer jeweils geltenden Fassung. Erfasst werden alle das Arbeitsverhältnis betreffenden Regelungen, Änderungen und Ergänzungen, die nach den Verfahrensordnungen des Dritten Weges durch paritätische arbeitsrechtliche Kommissionen beschlossen sind bzw. werden. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 3 BGB liegt nicht vor. Kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien sind vergleichbar Tarifverträgen abstrakt generelle Regelungen für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen und unterliegen einer ständigen Änderung, Ergänzung und Bearbeitung durch den Richtliniengeber. Dabei kann der Mitarbeiter nicht nur auf Verbesserungen der Arbeitsbedingungen vertrauen, sondern muss auch mit Einschnitten rechnen. Vergleichbar einem Firmensanierungstarifvertrag, der in begünstigende Regelungen eines Flächentarifvertrages eingreift, muss auch ein Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst damit berechnen, dass einrichtungsspezifische Sanierungsregelungen getroffen werden. Die Bezugnahmeklausel ist damit nicht intransparent, auch wenn sie nicht ausdrücklich auf die Möglichkeit einrichtungsspezifischer Änderungen hinweist. Vielmehr wird jede Änderung und Ergänzung, auch jede Anspruchskürzung Vertragsgegenstand, die von einer paritätisch besetzten arbeitsrechtlichen Kommission unter Beachtung der jeweiligen Verfahrensordnungen zustande gekommen ist.
3. Zuständigkeit der Regionalkommission N. für den Beschluss vom 03.11.2010.
Die Zuständigkeit der Bundeskommission und der Regionalkommissionen ergeben sich aus §§ 10 und 11 AK-Ordnung. Dabei ist für einrichtungsspezifische Regelungen nach § 11 AK-Ordnung die alleinige Zuständigkeit der Regionalkommission gegeben, hier der Regionalkommission N.. Die Regionalkommission kann dabei ohne Bindung an Regelungen durch die Bundeskommission auf Antrag für einzelne Einrichtungen Sonderregelungen erlassen und von den durch sie festgelegten Regelungen abweichen. Sie ist dabei nicht an Bandbreitenvorgaben der Bundeskommission gebunden.
Aus § 10 Abs. 1 und Abs. 2 AK-Ordnung folgt, dass die Bundeskommission eine umfassende Regelungskompetenz hat mit Ausnahme der Bereiche, für die nach Abs. 2 die Regionalkommission zuständig ist. Nach § 10 Abs. 2 AK-Ordnung sind die Regionalkommissionen ausschließlich zuständig für die Festlegung der Höhe aller Vergütungsbestandteile, des Umfangs der regelmäßigen Arbeitszeit und des Umfangs des Erholungsurlaubs. Für diese drei Bereiche legt die Bundeskommission Bandbreiten fest, die die Regionalkommission bei der Bestimmung der Arbeitsbedingungen einzuhalten hat. Trotz dieser Bandbreitenbindung ist aber festzustellen, dass die Festlegung der Höhe der Vergütungsbestandteile, also auch der Höhe der Weihnachtszuwendung, in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Regionalkommissionen fällt. Die Festlegung der Bandbreiten durch die Bundeskommission schafft keine unmittelbare Änderung der allgemeinen Vertragsrichtlinien, sondern stellt nur eine quasi interne Bindung für die Regionalkommissionen dar.
Weil die Festlegung der Höhe der Vergütungsbestandteile, auch des Weihnachtsgeldes nach § 10 Abs. 2 AK-Ordnung in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Regionalkommissionen fällt, handelt es sich um durch die Regionalkommission festgelegte Regelungen, von denen die Regionalkommission einrichtungsspezifisch abweichende Regelungen treffen kann gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AK-Ordnung.
Die Bindung an Bandbreiten nach § 10 Abs. 1 AK-Ordnung gilt nicht für einrichtungsspezifische Regelungen nach § 11 AK-Ordnung. Eine Bezugnahme auf die festgelegten Bandbreiten ist in § 11 AK-Ordnung nicht enthalten. Die Vorschrift beinhaltet eine eigenständige Zuständigkeit für einrichtungsspezifische Bestimmungen, abhängig von einer Aufforderung durch betroffene Mitarbeitervertretungen oder einen betroffenen Dienstgeber. Sinn und Zweck der Regelung ist es, einrichtungsbezogen für eine Anpassung der allgemein geltenden Arbeitsvertragsrichtlinien eine Öffnungsklausel zu schaffen für Sonderregelungen. Diese Sonderregelungen können wie hier in der Anspruchskürzung aus wirtschaftlichen Gründen bestehen. Es kann aber auch sein, dass z.B. Aufgabenstellung oder Beschäftigtenstruktur einer Einrichtung Sonderregelungen zu Arbeitszeit, Urlaub oder Gehaltshöhen sinnvoll erscheinen lassen.
Gegen eine Bindung an Bandbreiten bei Regelungen nach § 11 AK-Ordnung spricht weiter, dass die Regionalkommission nach § 10 Abs. 2 AK-Ordnung im Rahmen der Bandbreiten in ihrem Zuständigkeitsbereich z.B. die Höhe von Vergütungsbestandteilen festlegt. Dabei besteht kein Zwang zu einer einheitlichen Regelung. Die Kommission kann unterschiedliche Sätze festlegen für einzelne Regionen, aber auch im Rahmen der Bandbreiten Sonderregelungen für einzelne c. Unternehmen oder Einrichtungen schaffen. Wenn aber einrichtungsspezifische Sonderregelungen unter Berücksichtigung der Bandbreitenvorgaben bereits nach § 10 Abs. 2 AK-Ordnung zulässig sind, kann die Zuständigkeit nach § 11 AK-Ordnung nur eine Regelungsbefugnis ohne Bandbreitenbindung beinhalten.
4. Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB.
Nach der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 22.07.2010, 6 AZR 170/08, BB 2011, 186; Urteil vom 22.07.2010, 6 AZR 847/07, aaO.) sind kirchliche Arbeitsvertragsregelungen zwar allgemeine Vertragsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB. Wenn sie wie hier ordnungsgemäß auf dem Dritten Weg zustande gekommen sind, sind sie Tarifverträgen vergleichbar und nur darauf zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges zwingendes Recht verstoßen. Eine Inhaltskontrolle z.B. nach § 307 Abs. 1 BGB ist nicht vorzunehmen. Die Kammer schließt sich der Rechtsprechung des BAG an, verwiesen wird zur Begründung auf die Entscheidungsgründe der aufgeführten Urteile.
5. Keine unzulässige Rückwirkung.
Nach der Entscheidung des BAG vom 24.03.2011, 6 AZR 765/09, juris, sind auf kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien die Regelungen zur rückwirkenden Änderung tariflicher Bestimmungen durch Tarifverträge anzuwenden. Danach sind auch rückwirkende Eingriffe in tarifliche Rechte zulässig, wenn nicht besonderer Vertrauensschutz besteht.
Hier ist festzustellen, dass die Streichung des Anspruchs auf Weihnachtszuwendung erfolgte mit Beschluss vom 03.11.2010, der noch im November 2010 veröffentlicht wurde. Der Anspruch auf Weihnachtszuwendung wäre am 01.12.2010 entstanden (Anlage 1 Abschnitt XIV a Nr. 1 AVR-C.). Der Eingriff in das Anwartschaftsrecht ist erheblich, weil die Streichung des Weihnachtsgeldes erst gegen Ende des laufenden Kalenderjahres beschlossen und veröffentlicht wurde. Allerdings bestand für die Klägerin kein Vertrauensschutz. Die Beklagte hatte bereits 2009 im August einen Antrag auf einrichtungsspezifische Sonderregelung gestellt. Die Klägerin wusste spätestens seit Nichtzahlung der Weihnachtszuwendung 2009, dass dieser Zuwendungsanspruch zur Disposition stand. Die Streichung des Anspruchs für 2010 beinhaltet damit keinen Eingriff in schutzwürdiges Vertrauen.
6. Weil die Berufung zurückzuweisen war, trägt die Klägerin die Kosten des Rechtsmittels, § 97 ZPO. Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes erfolgt gemäß § 63 Abs. 2 GKG. Unter Berücksichtigung des Feststellungsantrages war der Wert gemäß § 42 Abs. 2 GKG in Höhe von drei Weihnachtszuwendungen festzulegen.
Die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG.