Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.11.2013, Az.: 10 LB 57/12

Rücknahme des Bewilligungsbescheides für eine Betriebsprämie und deren Rückforderung wegen vorsätzlich unterlassener Änderungsmitteilung; Anzeige der veränderten Zweckbestimmung von Kartoffeln (hier: von Speisekartoffeln zu Stärkekartoffeln)

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
19.11.2013
Aktenzeichen
10 LB 57/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 49847
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:1119.10LB57.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 04.11.2010 - AZ: 2 A 271/09

Fundstelle

  • DÖV 2014, 170

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zur Rücknahme des Bewilligungsbescheides für eine Betriebsprämie und deren Rückforderung wegen vorsätzlich unterlassener Änderungsmitteilung (wie Senatsbeschl. v. 28.1.2013 10 LA 21/12 ).

  2. 2.

    Ein Teilrücknahme und rückforderungsbescheid enthält grundsätzlich nicht zugleich die gesonderte Regelung, dass der Betroffene im Übrigen die gewährte Leistung behalten kann.

  3. 3.

    Art. 73 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 verdrängt nationale Regelungen (§ 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG) über den Vertrauensschutz insgesamt und schützt nicht die Annahme eines Betriebsinhabers, ein Bescheid über die teilweise Rücknahme der Bewilligung einer Betriebsprämie sei abschließend und lasse bei ungeänderter Lage keine erneute, vollständige Rücknahme zu.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Fragen, ob es der Kläger vorsätzlich unterlassen hat, der Beklagten die veränderte Zweckbestimmung von Kartoffeln anzuzeigen, die antragsgemäß der Stärkeherstellung dienen sollten, tatsächlich vom Kläger aber zu Speisezwecken geliefert worden sind, und ob ihm deshalb die Betriebsprämie für das Jahr 2006 ungeachtet einer vorherigen Teilrücknahme des Bewilligungsbescheides nunmehr vollständig zu versagen ist.

Der Kläger bewirtschaftete im Jahr 2006 als Haupterwerb im Landkreis F. einen Betrieb, in dem er u.a. Kartoffeln anbaute. Da er nach seinen Angaben langjährig Kartoffeln für die Speise- und Veredelungsindustrie (= Speisekartoffeln) erzeugt hatte, verfügte er für 17,45 ha über OGS-Genehmigungen. Ferner baute er im Jahr 2006 wie bereits zuvor auf einer Fläche von 0,8 ha Stärkekartoffeln an.

Am 2. Mai 2006 stellte er den Sammelantrag Agrarförderung und Agrarumweltmaßnahmen für das Jahr 2006 hinsichtlich einer Gesamtfläche von 92,25 ha. Neben der Betriebsprämie (Ziffer III) beantragte er auch Beihilfen für Energiepflanzen sowie für den Anbau von Stärkekartoffeln (Ziffer V 12.3 des Antragsformulars). In dem beigefügten Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis teilte er den insgesamt 19,01 ha großen Feldblock mit den Endziffern 40 und der einheitlichen Schlagbenennung "Osterfeld II" in zwei Schläge. Als Nutzung gab er für den kleineren, westlichen Teil des Feldblockes mit einer Größe von 0,8 ha und der Schlagbezeichnung 29 den Kulturcode 641 (Stärkekartoffeln) an und fügte einen Vertrag bei, den er mit der G. GmbH über die Anlieferung von Stärkekartoffeln auf einer Anbaufläche von 0,8 ha geschlossen hatte. Für den weiteren, östlich gelegenen, 18,21 ha großen Teil des Feldblockes beantragte er auf der Grundlage einer OGS-Genehmigung für 17,45 ha die Betriebsprämie für den Anbau von Speisekartoffeln mit dem Kulturcode 613. Ziffer V. 12.3 des Antragsformulars ("Stärkekartoffeln") beinhaltete die Erklärung, dass der Antragsteller von den Verpflichtungen und Erklärungen unter Ziffer VI 17 Kenntnis genommen habe. Dort war unter der Überschrift "Nur für die Beantragung der Stärkekartoffelbeihilfe" die Kenntnis u.a. davon zu bestätigen, dass "Flächen, die für die Beihilfe für Stärkekartoffeln benannt sind, gleichzeitig für die Aktivierung von Zahlungsansprüchen im Rahmen der Betriebsprämienregelung genutzt werden können", und dass, "Kartoffeln nur der Verwendung zugeführt werden dürfen, die für den jeweiligen Schlag angegeben ist". Unter Ziffer VII 21 ("Allgemeine Erklärungen") wurde außerdem auf die strafbewehrte Pflicht hingewiesen, "der bewilligenden Stelle unverzüglich die Tatsachen mitzuteilen, die der ... Weitergewährung ... oder dem Belassen der Zahlung entgegenstehen ... bzw. für die Rückforderung der Zahlung erheblich sind"; wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Sammelantragsformular Bezug genommen.

Im August 2006 fand eine Fernerkundung der Felder des Klägers und am 8. November 2006 eine Vor-Ort-Kontrolle statt. Hinsichtlich des hier streitigen Schlages 29, der nicht ausdrücklich Gegenstand der Vor-Ort-Kontrolle war, wurden keine Unregelmäßigkeiten festgestellt. Der Kläger wies nicht darauf hin, dass er tatsächlich - spätestens im Oktober 2006 - keine Kartoffeln zur Stärkeherstellung an die " H. I. J.", sondern zu Speisezwecken an die " H. K. L." geliefert hatte.

Mit Bescheid vom 27. Dezember 2006 wurde ihm für das Jahr 2006 eine Betriebsprämie in Höhe von 26.041,71 EUR (u. a. auch für die Flächen zum Anbau von Stärkekartoffeln im Umfang von 0,80 ha und für Speisekartoffeln in Umfang von 17,45 ha) bewilligt und mit einem weiteren Bescheid vom 31. August 2007 eine zusätzliche Beihilfe gemäß Art. 12 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 in Höhe von 200 EUR. Eine Beihilfe für den Anbau von Stärkekartoffeln erhielt er für dieses Wirtschaftsjahr nicht. Denn die dafür notwendige Bestätigung der Stärkekartoffelfabrik gegenüber der Beklagten über die vertragsgemäße Anlieferung war ausgeblieben. Die H. I. GmbH hatte vielmehr eine fehlende Lieferung durch den Kläger angezeigt (vgl. Bl. 42 Gerichtsakte, Bl. 77 der Beiakte B).

Deshalb und weil im Jahr 2006 witterungsbedingt die Kartoffelernte schlecht ausfiel, die Preise für Speisekartoffeln hoch waren, somit in einer Reihe von Fällen der allgemeine Verdacht der zweckwidrigen Verwendung von für die Stärkegewinnung angemeldeten Kartoffeln zu Speisekartoffeln bestand, forderte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 21. September 2007, dem die o.a. "Fehlanzeige" der H. -I. GmbH beigefügt war, zur Stellungnahme auf. In dem Anhörungsschreiben, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, wurde ausdrücklich auch darauf verwiesen, dass bei vorsätzlich begangenen Unregelmäßigkeiten die gesamte Betriebsprämie für das entsprechende Jahr zurückgefordert werde.

Daraufhin teilte der Kläger mit Schreiben vom 3. Oktober 2007 mit, er habe zunächst beabsichtigt, der H. I. J. Kartoffeln vorrangig mit inneren Mängeln zu liefern. Da die geernteten Kartoffeln jedoch keine inneren Mängel gehabt hätten und er seine Verträge zur Lieferung von anderen als Stärkekartoffeln nicht vollständig habe erfüllen können, habe er die für J., also für die Stärkeherstellung, vorgesehenen Kartoffeln tatsächlich nicht dorthin, sondern zu der H. K. L. geliefert. Dies habe er auch der H. I. J. mitgeteilt. "Versäumt wurde von mir, auch Ihnen als Bewilligungsbehörde dieses Vorgehen mitzuteilen und die Beantragung der Betriebsprämie für die Stärkekartoffelfläche rückgängig zu machen." Es seien keine Kartoffeln für Speisezwecke verkauft worden. Er habe nie beabsichtigt, Subventionsbetrug zu begehen.

Die örtlich zuständige Bewilligungsstelle der Beklagten prüfte die sich hieraus ergebenden Folgen und kam nach interner Abstimmung zu dem Ergebnis, dass kein Vorsatz zu bejahen, sondern die Betriebsprämie - im Hinblick auf den geringen Umfang der fehlerhaft beantragten Fläche ohne Sanktion - "nur" anteilig hinsichtlich der falsch erklärten Fläche von 0,8 ha zu kürzen sei.

Sie hob deshalb mit Bescheid vom 26. Mai 2008 den Bewilligungsbescheid vom 27. Dezember 2006 in Höhe von 124,98 EUR teilweise auf und forderte diesen Betrag zurück. Zur Begründung führte sie aus: Der Kläger habe eine Betriebsprämie für 92,25 ha beantragt. Hierin seien 18,21 ha Flächen enthalten gewesen, auf denen andere Kartoffeln als Stärkekartoffeln angebaut werden sollten. Da der Kläger nur über 17,45 Zahlungsansprüche mit OGS-Genehmigung verfüge, seien bei der Bewilligung bereits 0,76 ha abgezogen worden, so dass der Bewilligung eine Aktivierungsfläche von 91,49 ha zugrunde gelegen habe. Da er auf einem 0,8 ha großen Schlag keine Stärkekartoffeln angebaut habe, habe sie diese Parzelle in den Kulturcode 619 (sonstige Kartoffeln) umcodiert. Ohne weitere Zahlungsansprüche mit OGS-Genehmigung sei der Schlag jedoch nicht beihilfefähig und die Aktivierungsfläche deshalb um diese weiteren 0,8 ha auf 90,69 ha zu korrigieren gewesen. Hieraus ergebe sich die Überzahlung in Höhe von 124,98 EUR. Ausführungen zu einem etwaigen vorsätzlichen Fehlverhalten des Klägers enthielt der Bescheid nicht. Der Bescheid ist bestandskräftig.

Auf der Grundlage einer internen Weisung vom 23. Juli 2009 (Bl. 119 Beiakte B), in der auf zwei beigefügte Erlasse des Niedersächsischen Ministeriums für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 8. Januar und 18. August 2008 verwiesen wurde, griff die örtliche Bewilligungsstelle der Beklagten den Fall neu auf und hörte den Kläger mit Schreiben vom 31. Juli 2009 zu einer vollständigen Versagung der Betriebsprämie wegen vorsätzlich "versäumter Mitteilung der Umwidmung von Stärke- in Speisekartoffeln" an. Der Kläger wiederholte mit Schreiben vom 14. August 2009 seine früheren Angaben.

Daraufhin erließ die Beklagte den hier streitigen Bescheid vom 28. Oktober 2009, mit dem sie den Bescheid über die Bewilligung einer Betriebsprämie vom 27. Dezember 2006 in der Fassung der Änderung vom 26. Mai 2008 und den Bescheid vom 31. August 2007 über die Gewährung einer zusätzliche Beihilfe nach Art. 12 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 vollständig aufhob und den Kläger zur Erstattung eines Betrages in Höhe von 26.116,73 EUR aufforderte. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe vorsätzlich gehandelt und deshalb die Voraussetzungen für die Verhängung einer Sanktion nach Art. 53 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 erfüllt, die einen vollständigen Verlust der Beihilfe für das betreffende Jahr vorsehe. Nähere Ausführungen zur Aufhebung des Bescheides vom 26. Mai 2008 enthält der Bescheid vom 28. Oktober 2009 nicht.

Der Kläger hat am 23. November 2009 Klage erhoben. Zur Begründung hat er sich darauf berufen, dass im vorliegenden Fall Sanktionen ohnehin nicht auf Art. 53 Verordnung (EG) 796/2004 gestützt werden könnten; vielmehr sei die für Stärkekartoffeln vorgesehene Spezialregelung in Art. 52 dieser Verordnung vorrangig. Jedenfalls seien aber die Voraussetzungen des Art. 53 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 nicht gegeben. Er habe nicht vorsätzlich gehandelt. Die in seinem Betrieb vorhandene Anbaufläche für Stärkekartoffeln (0,8 ha) sei im Verhältnis zur Gesamtgröße der betrieblichen Flächen (92,25 ha) sehr klein. Da der Ernteertrag auf den Kartoffelfeldern witterungsbedingt gering gewesen sei und er seine übrigen Verträge zur Ablieferung von Industrie- und Speisekartoffeln ebenfalls nicht habe vollständig erfüllen können, habe er von dem unwirtschaftlichen Transport der auf dem (Teil-)Schlag Osterfeld II geernteten Stärkekartoffeln nach J. abgesehen. Hiermit habe sich telefonisch eine Mitarbeiterin der dortigen Fabrik einverstanden erklärt. Stattdessen habe er auch diese Kartoffeln am die H. K. L. geliefert und dies mit Fax vom 23. Oktober 2006 der Stärkefabrik mitgeteilt. Da es bis zum Jahr 2004 nur eine gekoppelte Förderung der Stärkekartoffeln gegeben habe, habe er angenommen, dass es ausschließlich um die Stärkekartoffelprämie gehe und dass er mit der Nichtanlieferung von Stärkekartoffeln automatisch auf diese, über die Fabriken "ausgereichte" Förderung verzichte. Er sei sich nicht bewusst gewesen, dass ab 2005 die Codierung des Schlages als Fläche für den Stärkekartoffelanbau nicht nur für die Gewährung einer Stärkekartoffelprämie von Bedeutung gewesen sei, sondern darüber hinaus auch zu einer geringfügigen Erhöhung der Betriebsprämie geführt habe. Im Übrigen sei ihm aufgrund des sehr komplizierten Systems nicht bewusst gewesen, dass die streitigen Kartoffeln durch die fehlende Ablieferung ihre Eigenschaft als Stärkekartoffeln verlieren würden und er insoweit anzeigepflichtig sei. Allenfalls wäre deshalb eine geringfügige Kürzung der Betriebsprämie möglich.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2009 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

Sie hat auf die Gründe ihres Bescheides Bezug genommen und ergänzend erwidert, dass sich Art. 52 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 auf die hier nicht Sanktionen hinsichtlich der Stärkekartoffelbeihilfe beziehe; die vorliegend allein streitige Sanktion bei der Betriebsprämie richte sich hingegen u.a. nach dem von ihr angewandten Art. 53. Der danach für eine vollständige Versagung der Betriebsprämie erforderliche Vorsatz des Klägers sei gegeben. Dafür sei das Erkennen einer Meldepflicht nicht erforderlich. Vielmehr genüge die Feststellung, dass weniger Stärkekartoffelfläche zur Verfügung gestanden habe als gemeldet worden sei. Derjenige, der wissentlich falsche Angaben mache oder es unterlasse, falsch gewordene Angaben zu berichtigen, begehe eine vorsätzliche Unregelmäßigkeit. Dabei komme es nicht darauf an, dass der Antragsteller bewusst und gewollt falsche Angaben mit der Zielsetzung mache, eine ihm nicht zustehende Subvention zu erlangen. Es genüge das Wissen und Wollen in Bezug nur auf die fehlerhafte Angabe. Der Kläger sei im Rahmen der Antragstellung belehrt worden, dass er Änderungen unverzüglich mitzuteilen habe. Zudem sei ihm als langjährigem Erzeuger die Zweckbindung der Stärkekartoffeln bekannt gewesen. Dies werde auch durch seine Rückfrage bei der Stärkefabrik belegt. Er habe billigend in Kauf genommen, eine überhöhte Betriebsprämie zu erhalten.

Mit Urteil vom 4. November 2010 hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Be-scheid aufgehoben. Die Voraussetzungen für eine Sanktion nach dem - sachlich einschlägigen - Art. 53 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 lägen nicht vor. Der Kläger sei sich vom Zeitpunkt seiner Entscheidung, die Kartoffeln nicht der Stärkeerzeugung zuzuführen, bis zur Bekanntgabe des Bescheides vom 26. Mai 2008 nicht seiner Pflicht bewusst gewesen, diesen Umstand der Beklagten mitzuteilen; er habe auch nicht daran gedacht, dass mit der Zweckänderung die Angabe des Kulturcodes 641 im Antrag unrichtig geworden sei. Im Übrigen dürfte der Rücknahmebescheid auch unverhältnismäßig sein.

Der Senat hat mit Beschluss vom 4. April 2012 die Berufung zugelassen. Es bestünden zunächst ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe nicht vorsätzlich gehandelt. Art. 53 UAbs. 1 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 verlange insoweit weder eine Betrugsabsicht noch einen Vorsatz in Bezug auf die Unrechtmäßigkeit der bewilligten Beihilfe. Diese Vorschrift setze - wie schon der Wortlaut aufzeige - lediglich einen Vorsatz in Bezug auf die Unregelmäßigkeit voraus, wobei eine Unregelmäßigkeit in jeder Missachtung der für die Gewährung der betreffenden Beihilfe geltenden Rechtsvorschrift zu sehen sei (Art. 2 Abs. 10 der Verordnung). In Fällen von Veränderungen nach Antragstellung sei daher maßgebend, ob der Antragsteller es vorsätzlich unterlassen habe, der zuständigen Behörde Veränderungen mitzuteilen, die zu einem Auseinanderfallen von angemeldeter und tatsächlicher Anbaufläche geführt haben (vgl. Senatsbeschluss vom 22.11.2010 - 10 ME 148/10 -, RdL 2011, 107 ff. = AUR 2011, 104 ff., [OVG Niedersachsen 22.11.2010 - 10 ME 148/10] zum Vorsatz nach Art. 52 Abs. 3 UAbs. 1 der Verordnung, der auf Art. 53 UAbs. 1 der Verordnung übertragbar ist). Im Hinblick auf die bei der Antragstellung im Sammelantrag abgegebenen Erklärungen sei regelmäßig davon auszugehen, dass ein Antragsteller um seine Verpflichtungen wisse, Abweichungen (Änderungen) in der Nutzung einer beantragten Fläche der Bewilligungsbehörde unverzüglich mitzuteilen. Unterlasse es ein Antragsteller in solchen Fällen, eine (gewollte) Nutzungsänderung der Bewilligungsstelle unverzüglich mitzuteilen, sei ein solches Unterlassen regelmäßig als vorsätzlich im Sinne des Art. 53 UAbs. 1 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 anzusehen.

Des Weiteren unterliege auch die (Hilfs-)Annahme des Verwaltungsgerichts, die Vorschrift des Art. 53 UAbs. 1 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 entspreche nicht den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit. Der auch im Unionsrecht geltende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlange keine noch weitergehenden Differenzierung der Sanktionsbestimmungen, als sie in den Art. 51, 53 dieser Verordnung enthalten seien, zumal diese auch eine Bagatellregelung enthielten und Art. 53 durch Einführung einer weiteren Mindestschwelle, auf die sich auch der Kläger nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 (ABl. EG Nr. L 312 S. 1) dem Grunde nach berufen könne, mit der Verordnung (EG) Nr. 380/2009 der Kommission vom 8. Mai 2009 (ABl. EG Nr. L 116 Nr. 9) weiter "entschärft" worden sei. Danach greife der Ausschluss nur noch ein, wenn die maßgebliche Differenz mehr als 0,5 % der ermittelten Fläche oder mehr als ein Hektar betrage.

Nach Zustellung dieses Beschlusses am 13. April 2012 hat die Beklagte am 8. Mai 2012 ihre Berufung begründet. Der Kläger habe die notwendige Mitteilung der zweckfremden Verwendung der Stärkekartoffeln vorsätzlich unterlassen. Da er bei Antragstellung über die Notwendigkeit informiert worden sei, jede erhebliche Tatsachenänderung zu melden, habe er seine entsprechende Pflicht gekannt. Weiterhin habe er erklärt, dass ihm die Bedingungen für die Beihilfefähigkeit von Stärkekartoffeln bekannt seien. Damit habe er auch gewusst, dass die jeweilige Verwendung der Kartoffeln erheblich und deshalb eine abweichende Verwendung der Bewilligungsstelle anzuzeigen sei. Weder sei eine Betrugsabsicht erforderlich noch müsse der Betroffene im Einzelnen die Folgen einer unterlassenen Mitteilung kennen. Auf richterlichen Hinweis hat die Beklagte ergänzend erklärt, dass der Teilrücknahmebescheid vom 26. Mai 2008 keine Aussage zum Vorliegen einer vorsätzlichen Unregelmäßigkeit enthalte, insoweit also auch nicht teilweise begünstigend sei und deshalb auch nicht habe mitaufgehoben werden müssen; eine solche Teilaufhebung enthalte der streitige Bescheid vom 28. Oktober 2009 nicht. Aus dem Teilrücknahmebescheid vom 26. Mai 2008 könne sich kein Vertrauensschutz des Klägers ergeben. Der Vertrauensschutz sei in Art. 73 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 abschließend geregelt. Nach diesem Artikel sei die Rücknahme bei Vorsatz - wie hier - innerhalb der hier gewahrten Frist von vier Jahren zwingend.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 2. Kammer (Einzelrichter) - vom 4. November 2010 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die rechtlichen Anforderungen an die Feststellung des Vorsatzes als innere Tatsache seien höher als in der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts angenommen. Wie sich aus den Begründungserwägungen zur Verordnung (EG) Nr. 796/2004 ergebe, müsse sich der Vorsatz nicht nur auf die Missachtung "irgendeiner Vorschrift des äußerst komplizierten Systems, sondern auch auf die Erlangung eines rechtswidrigen Vorteils beziehen". Dementsprechend könne bei einem Erstverstoß nur ausnahmsweise von Vorsatz ausgegangen werden.

Aber nicht einmal ein Vorsatz des Klägers hinsichtlich der Missachtung einer Meldepflicht gegenüber der Beklagten sei gegeben, da er die tatsächliche Verwendung der Kartoffeln allenfalls fahrlässig nicht bei der Beklagten angezeigt habe. Er habe nicht gewusst, dass mit der abweichenden Verwendung die ursprüngliche Angabe "Stärkekartoffel" unrichtig geworden sei. Dieses Wissen könne auch nicht aus seiner Nachfrage bei der G. abgeleitet werden. Andernfalls sei sein Verhalten nicht erklärbar, da der geringe Vorteil für 0,8 ha Fläche in keinem Verhältnis zu dem andernfalls drohenden Totalverlust der Betriebsprämie stehe.

Im Übrigen habe er selbstverständlich annehmen dürfen, nach dem Teilrücknahmebescheid von weiteren Sanktionen verschont zu bleiben. Eine Teilrücknahme(-forderung) beinhalte zugleich auch immer die Entscheidung, weitergehende Beträge zu belassen. Andernfalls sei mitnichten von einer abschließenden Regelung des Vertrauensschutzes in Art. 73 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 auszugehen.

Der Senat hat den Kläger als Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vernommen; wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige, insbesondere nach Zulassung durch das Oberverwaltungsgericht statthafte, fristgerecht begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat der Anfechtungsklage zu Unrecht stattgegeben. Der Rücknahme- und Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2009 ist rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Betriebsprämie als Direktzahlung ist § 10 Abs. 1 MOG. Das Gemeinschaftsrecht, insbesondere Art. 73 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 hindert die Anwendung des § 10 MOG nicht, soweit es um die grundsätzliche Aufhebung von Bewilligungsbescheiden geht. Nach Art. 73 Abs. 1 der genannten Verordnung ist der Betriebsinhaber bei zu Unrecht gezahlten Beträgen zwar zur Rückzahlung dieser Beträge zuzüglich Zinsen verpflichtet. Daraus kann sich eine Pflicht zur Rücknahme sowie der dabei maßgebliche (eingeschränkte) Vertrauensschutz ergeben, ungeachtet dessen obliegt aber weiterhin dem nationalen Gesetzgeber die Regelung, ob und inwieweit ein die streitige Beihilfe gewährender rechtswidriger begünstigender Bescheid bei Nichtvorliegen der Bewilligungsvoraussetzungen und aus Art. 73 folgender "Rückforderungspflicht" zuvor aufzuheben ist (vgl. Senatsurt. v. 21.2.2012 - 10 LB 157/08 -, [...], Rn. 51).

Rechtsgrundlage für die Betriebsprämienbewilligung waren hier "nur" die Bewilligungsbescheide vom 27. Dezember 2006 in der Fassung der Änderung vom 26. Mai 2008 und der Bescheid vom 31. August 2007, die jeweils durch den streitigen Bescheid aufgehoben worden sind. Hingegen enthielt der Teilrücknahmebescheid vom 26. Mai 2008 weder ausdrücklich noch sinngemäß die weitere, den Kläger begünstigende Regelung, dass er die (bis dahin) nicht zurückgeforderte Betriebsprämie in Höhe von 26.116,73 EUR behalten könne. Zwar kann ein Verwaltungsakt, der - wie hier der Bescheid vom 26. Mai 2008 - eine (aus heutiger Sicht der Beklagten) irrtümlich zu niedrige Geld(rück)forderung enthält, je nach Regelungsgehalt und Sachgebiet im Einzelfall über die belastende Regelung der (Teil-)Forderung hinaus auch die begünstigende Regelung enthalten, dass ein höherer Geldbetrag nicht gefordert wird (vgl. - im Anlassfall verneinend - BVerwG, Urt. v. 2.9.1999 - 2 C 22/98 -, BVerwGE 109, 283 ff. = [...], Rn. 20 f., m. w. N.); dann handelt es sich um einen sog. Verwaltungsakt mit Mischwirkung (vgl. zur Terminologie etwa Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, 6. Aufl., § 51 II 2; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 48, Rn. 120 ff.), der jedenfalls hinsichtlich der begünstigenden Teilregelung den Normen für die Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte unterfällt (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.7.2013 - 5 C 24/12 -, [...], Rn. 33 ff., m. w. N.). Ob ein Bescheid eine solche Mischwirkung entfaltet, ist durch Auslegung nach der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Regelung des § 133 BGB zu ermitteln; besteht für die Behörde kein Anlass zu weitergehenden Regelungen, spricht dies gegen die Annahme eines unausgesprochenen Verzichts auf eine weitere Forderung (vgl. nochmals BVerwG, Urt. v. 2.9.1999, a. a. O., Rn. 20). Danach enthält der Teilrücknahmebescheid der Beklagten vom 26. Mai 2008 weder ausdrücklich noch sinngemäß die begünstigende Regelung, dass die Betriebsprämie nicht weitergehend zurückgenommen werde und der Kläger sie im Übrigen behalten dürfe. Zwar war die Frage, ob die Betriebsprämie nicht bereits 2008 wegen vorsätzlichen Verhaltens des Klägers vollständig hätte zurückgenommen werden müssen, Gegenstand des damaligen Anhörungsschreibens gewesen und stand wegen der weitreichenden Folgen sogar im Vordergrund des Interesses. Eines ausdrücklichen Ausspruches hierzu bedurfte es jedoch gerade in dem Teilrücknahmebescheid nicht mehr, d.h. es bestand insoweit kein Regelungsanlass. Denn im Übrigen blieb der Bewilligungsbescheid gerade erhalten, der im Umfang seines Fortbestandes den Rechtsgrund für das Behalten der Betriebsprämie bildet. Einer nochmaligen Regelung dazu bedurfte es nicht.

Nehme man entgegen den vorherigen Ausführungen an, der Teilrücknahmebescheid vom 26. Mai 2008 habe konkludent auch (nochmals) die Regelung enthalten, im Übrigen dürfe der Kläger die Betriebsprämie behalten, so wäre dieser dann begünstigende Teil des Bescheides vom 26. Mai 2008 jedenfalls durch den hier streitigen Bescheid vom 28. Oktober 2009 aufgehoben worden. Denn mit dem streitigen Bescheid vom 28. Oktober 2009 hat die Beklagte dem Tenor nach auch den Bescheid vom 26. Mai 2008 mit aufgehoben. Eine Einschränkung dahin, dass dies nur teilweise hinsichtlich einer Belastung gelten solle, enthält der Bescheid nicht. Schließlich entsprach es auch für den Kläger erkennbar ihrem Willen, durch den Bescheid vom 28. Oktober 2009 vorhergehende Bewilligungsbescheide als Rechtsgrundlage für das "Behalten-Dürfen" der Betriebsprämie umfassend aufzuheben.

Die demnach hinsichtlich der Bewilligung der Betriebsprämie für das Jahr 2006 allein als begünstigende Bescheide im Sinne des § 10 Abs. 1 MOG anzusehenden Bescheide vom 27. Dezember 2006 in der Fassung des Bescheides vom 26. Mai 2008 und vom 31. August 2007 sind rechtswidrig gewesen.

Dies folgt daraus, dass die vom Kläger für den sog. Schlag 29 angemeldeten Stärkekartoffeln durch ihre abweichende Verwendung als Speisekartoffeln ihre entsprechende Eigenschaft verloren haben (1), so dass die auf dem Schlag 29 angemeldete Stärkekartoffelanbaufläche von 0,8 ha jedenfalls ohne hier nicht mehr vorhandene OGS-Genehmigung im Rahmen der Betriebsprämienregelung nicht mehr beihilfefähig war (2) und - da der Kläger diese Unregelmäßigkeit vorsätzlich nicht angezeigt hat - die Betriebsprämie deshalb insgesamt zu versagen ist (3).

1) Wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. Beschl. v. 9.5. 2012 - 10 LA 177/11 -, [...], Rn. 11, = RdL 2012, 191 f. = AUR 2012, 304 ff., [OVG Niedersachsen 09.05.2012 - 10 LA 177/11] und v. 22.11.2010 - 10 ME 148/10 -, a. a. O., [...] = RdL 2011, 107 ff. = AUR 2011, 104 ff. [OVG Niedersachsen 22.11.2010 - 10 ME 148/10]), reicht für die Qualifikation einer Fläche als einer solchen zum Anbau von Stärkekartoffeln i. S. d. Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 nicht aus, dass ursprünglich, d. h. bei Antragstellung, der entsprechende Wille bestanden hat; vielmehr darf auch nachträglich keine andere tatsächliche Verwendung der Kartoffeln erfolgt sein. Diese Rechtsprechung zu der Bewilligung der Stärkekartoffelbeihilfe gilt - in der hier maßgeblichen Fallgestaltung der Lieferung der auf angemeldeten Fläche erzeugten Kartoffeln nicht zur Stärkefabrik, sondern zu Speisezwecken - auch für die hier streitige Bewilligung der Betriebsprämie hinsichtlich einer Anbaufläche, die nach Art. 51 c) Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 (bis zur Änderung durch die Verordnung (EG) Nr. 1182/2007 vom 26. September 2007) ohne Zusatzgenehmigung (OGS) nur für Kartoffeln, die für die Herstellung von Kartoffelstärke bestimmt sind, förderfähig war. Andernfalls handelt es sich um andere Kartoffeln, deren Förderfähigkeit bewusst an den Umfang der im Streitjahr nach Art. 59, 60 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 zusätzlich erforderlichen OGS-Genehmigung geknüpft worden ist.

2) Ob Flächen, die - wie hier - im Sammelantrag zum Anbau von Stärkekartoffeln angemeldet worden waren, bei einer späteren abweichenden Verwendung der Produktion als Speisekartoffeln überhaupt noch entsprechend der tatsächlichen Verwendung zeitlich unbegrenzt beihilfefähig sein können oder dem schon die abweichenden Angaben im Sammelantrag entgegenstehen, kann hier offen bleiben. Zusätzliche Bewilligungsvoraussetzung ist jedenfalls, dass für diese tatsächliche Verwendung auch die weiteren Bewilligungsvoraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehörte im Jahr 2006 nach Art. 59, 60 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 eine sog. OGS-Genehmigung. Über eine solche für weitere 0,8 ha Anbaufläche verfügte der Kläger nicht.

3) Nach dem - aus den zutreffend bereits vom Verwaltungsgericht genannten Gründen - hier hinsichtlich der Betriebsprämie anwendbaren Art. 53 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 796/2004, in der für den Kläger günstigeren Fassung der Verordnung (EG) Nr. 380/2009, wird im laufenden Kalenderjahr u.a. keine Betriebsprämie gewährt, wenn die (aus den vorgenannten Gründen hier zu bejahende) Unregelmäßigkeit vorsätzlich begangen worden ist und (in der Fassung der vorgenannten Änderungsverordnung Nr. 380/2009) die maßgebliche Differenz mehr als 0,5 % der ermittelten Fläche oder mehr als ein Hektar beträgt. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Bei einer insgesamt ermittelten Fläche von 91,45 ha bezog sich die Unregelmäßigkeit auf 0,8 ha, d.h. 0,87 % und damit mehr als 0,5 %.

Der Kläger handelte auch vorsätzlich, wobei sich der Vorsatz hier daraus ergibt, dass es Kläger unterlassen hat, der Beklagten als bewilligende Stelle die antragswidrige Verwendung der "Stärkekartoffeln" anzuzeigen. Ob er sich bereits bei der Antragstellung vorbehalten hatte, angemeldete Stärkekartoffeln im Falle ihrer Eignung - wie hier - als Speisekartoffeln zu liefern, kann deshalb offen bleiben.

Dass sich der Vorsatz nicht nur aus einem positiven Handeln, sondern auch aus einem Unterlassen durch unterbliebene Korrektur anfänglich richtiger Angaben ergeben kann, hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil zutreffend ausgeführt: "Wie der Europäische Gerichtshof bereits zu den in der VO (EWG) 3887/92 enthaltenen vergleichbaren Sanktionsregelungen des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems festgestellt hat, beschränken sich diese nicht auf den Fall, dass ein Betriebsinhaber bei der Beantragung von Beihilfen fehlerhafte oder falsche Angaben macht, sondern finden auch dann Anwendung, wenn er es unterlassen hat, der zuständigen Behörde förderungsrelevante Veränderungen zu melden (vgl. EuGH, Urt. vom 28.11.2002 - C-417/00 -, AUR 2004, 52; OVG Magdeburg, Urt. vom 24.02.2005 - A 1 S 156/99 -, AUR 2005, 160). Dabei setzte Art. 9 Abs. 2 UA 3 VO (EWG) 3887/92 für eine Sanktion des Betriebsinhabers "absichtliches" Handeln voraus. Gleiches gilt z. B. auch für Sanktionen bei "absichtlichen" Falschangaben i. S. des Art. 72 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) 817/2004. Dem europarechtlichen Begriff der "Absicht" kommt allerdings nicht dieselbe Bedeutung zu, wie im nationalen deutschen Recht. Er ist nicht im Sinne eines "dolus directus 1. Grades" zu verstehen, sondern als "dolus directus 2. Grades" (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. vom 20.06.2008 - 8 LA 11/08 -, AUR 2008, 347). Mithin kann es für eine an den Begriff der Absicht anknüpfende Sanktion genügen, wenn der Betroffene sich der Unrichtigkeit seiner Angaben bewusst ist. Nicht erforderlich ist es in solchen Fällen, dass er mit der Falschangabe zugleich anstrebt, eine ihm nicht zustehende Subvention zu erlangen. Gleiches gilt auch dann, wenn - wie hier nach Art. 53 VO (EG) 796/2004 - ein vorsätzliches Handeln oder Unterlassen Voraussetzung für eine Sanktion ist."

Ob der Kläger mit dem Unterlassen der Information zugleich gezielt eine Kürzung der Betriebsprämie vermeiden wollte, ist damit für den sanktionsrelevanten Vorsatz unerheblich. Aus der insoweit unergiebigen Begründungserwägung Nr. 55 zu der letztgenannten Verordnung, wonach "geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung von Unregelmäßigkeiten und Betrug zu treffen sind" bzw. aus der Erwägung Nr. 82 zur Nachfolgeverordnung (EG) Nr. 1122/2009 kann nicht entnommen, dass sich der Vorsatz abweichend vom Wortlaut des maßgeblichen Art. 53 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 nicht lediglich auf die Unregelmäßigkeit, sondern auf die weiterreichenden Folgen einschließlich einer etwaigen Bereicherungsabsicht beziehen muss. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt etwa Beschl. v. 28.1.2013 - 10 LA 21/12 -, [...], Rn. 6 = BzAR 2013, 108 ff. = RdL 2013, 109 ff. = AUR 2013, 184 ff. [OVG Niedersachsen 28.01.2013 - 10 LA 21/12]) verlangt Art. 53 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 weder eine Betrugsabsicht noch einen Vorsatz in Bezug auf die Unrechtmäßigkeit der bewilligten Beihilfe. Diese Vorschrift setzt - wie schon der Wortlaut aufzeigt - vielmehr lediglich einen Vorsatz in Bezug auf die Unregelmäßigkeit voraus, wobei eine Unregelmäßigkeit in jeder Missachtung der für die Gewährung der betreffenden Beihilfe geltenden Rechtsvorschrift zu sehen ist (Art. 2 Abs. 10 der Verordnung). In Fällen von Veränderungen nach Antragstellung ist nach dem Vorstehenden maßgebend, ob der Antragsteller es vorsätzlich unterlassen hat, der zuständigen Behörde Veränderungen mitzuteilen, die zu einem Auseinanderfallen von angemeldeter und tatsächlicher Anbaufläche geführt haben (vgl. Senatsbeschluss vom 4.4. 2012 - 10 LA 184/10 -, [...], und Senatsbeschluss vom 22.11.2010 - 10 ME 148/10 -, a. a.O., RdL 2011, 107 ff. = AUR 2011, 104 ff. [OVG Niedersachsen 22.11.2010 - 10 ME 148/10] zum Vorsatz nach Art. 52 Abs. 3 UAbs. 1 der Verordnung), ob er also bewusst und gewollt eine notwendige Veränderungsanzeige gegenüber der bewilligenden Stelle unterlassen hat.

Insoweit ist im Hinblick auf die bei Antragstellung des Sammelantrags abgegebenen Erklärungen regelmäßig davon auszugehen, dass ein Antragsteller um seine Verpflichtungen weiß, Abweichungen (Änderungen) in der Nutzung einer beantragten Fläche der Bewilligungsbehörde unverzüglich mitzuteilen. Dies wird durch die Regelung in Art. 68 Abs. 2 UAbs. 1 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 bestätigt. Nach dieser Vorschrift finden die in Kapitel I vorgesehenen Kürzungen und Ausschlüsse dann keine Anwendung auf die betreffenden Teile des Beihilfeantrags, wenn der Betriebsinhaber die zuständige Behörde schriftlich darüber informiert, dass der Beihilfeantrag fehlerhaft ist oder seit Einreichung fehlerhaft geworden ist. Unterlässt es ein Antragsteller in solchen Fällen wissentlich, eine (gewollte) Nutzungsänderung der Bewilligungsstelle rechtzeitig mitzuteilen, ist ein solches Unterlassen regelmäßig als vorsätzlich im Sinne des Art. 53 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 anzusehen. Wie auch der Kläger selbst erkennt, setzt die Annahme eines vorsätzlichen Verstoßes normativ zwingend keinen wiederholten Verstoß voraus. Eine solche Voraussetzung kann auch nicht tatsächlich als Erfahrungssatz bejaht werden. Vielmehr ist letztlich im Einzelfall zu beurteilen, ob der Betriebsinhaber die in Rede stehende Unregelmäßigkeit bewusst und gewollt verwirklicht hat, hier also seine Meldepflicht gegenüber der Beklagten gekannt hat.

Hiernach hat der Kläger um seine Mitteilungspflicht gewusst und sie bewusst ignoriert. Zwar ist das ab dem Jahr 2005 bis zum Jahr 2007 geltende Bewilligungssystem der parallelen Agrarförderung von Stärke- und sonstigen Kartoffeln durchaus kompliziert und der Kläger im Rahmen seiner ohnehin lange Jahre zurückliegenden landwirtschaftlichen Ausbildung hierüber nicht informiert worden. Von den betroffenen Landwirten wird jedoch nicht erwartet, dass sie dieses System im Einzelnen normativ nachvollziehen oder sich gar durch Lektüre selbst erschließen. Vielmehr wird ihnen die notwendige Kenntnis regelmäßig durch ihre Interessenverbände bzw. sonstige speziell an sie als betroffene Landwirte gerichtete allgemeinverständliche Hinweise, Publikationen oder Veranstaltungen vermittelt. Dieses Wissen ist bereits erforderlich, um sachgerecht den Sammelantrag stellen zu können. Andernfalls dürfte angesichts der vom Kläger selbst unterstrichenen Bedeutung der Betriebsprämie für Landwirte allgemein und auch für seinen eigenen Betrieb, in dem sie etwa 50 % des Gewinnes ausmacht, kaum eine vernünftige betriebswirtschaftliche Planung möglich sein. Ferner liegt auch der hier erfolgten Umwidmung von Stärke- zu Speisekartoffeln erkennbar eine wirtschaftliche Kalkulation der jeweiligen Vor- und Nachteile zu Grunde, in die auch die Beurteilung einfließt, welche agrarförderrechtlichen Folgen eine solche Umwidmung hat. Schließlich enthält der Sammelantrag entsprechende Erläuterungen. Zwar ist angesichts ihrer Vielzahl nicht auszuschließen, dass einzelne übersehen oder nicht verstanden werden. Der hier einschlägige Hinweis unter Ziffer VI 17 "Kartoffeln dürfen nur der Verwendung zugeführt werden, die für den jeweiligen Schlag angegeben ist", ist aber eindeutig und vom Kläger auch zur Kenntnis genommen worden. Denn er befindet sich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem vorhergehenden, im Sammelantrag vom Kläger hinsichtlich des Feldblockes mit den Endziffern 40 umgesetzten Hinweis, dass "beim gleichzeitigen Anbau von Stärkekartoffeln und anderen Kartoffeln in einem Feldblock die verschiedenen Nutzungsformen als getrennte Schläge in der Betriebskarte kenntlich zu machen sind". Wer also - wie der Kläger als langjähriger Anbauer sowohl von Speise- als auch Stärkekartoffeln und ausgebildeter, hauptberuflicher Landwirt - den Sammelantrag sachgerecht ausfüllt, dabei bewusst zwischen Stärke- und sonstigen Kartoffeln mit OGS-Genehmigung unterscheidet, insoweit zielgerichtet Schläge in einem einheitlichen Feldblock unterteilt und durch seine Unterschrift bestätigt, die Hinweise verstanden zu haben, von dem muss angenommen werden, dass er das entsprechende Bewilligungssystem jedenfalls insoweit, d.h. hinsichtlich der Förderung von Kartoffeln, verstanden hat. Wer das Bewilligungssystem verstanden hat, weiß demnach auch, dass angemeldete Stärkekartoffeln nicht abweichend als Speisekartoffeln vermarktet werden dürfen. Andernfalls wäre die Differenzierung weitgehend sinnlos. Dementsprechend hat sich auch der Kläger selbst weder in seinem Schreiben vom 3. Oktober 2007 noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf berufen, nicht gewusst zu haben, dass er Stärkekartoffeln nicht als Speisekartoffeln verwenden darf. Wenn bei ihm insoweit Unklarheiten bestanden hätten, hätte es zudem nahe gelegen, bei Mitarbeitern der Fabrik, der Beklagten oder sonstigen sachkundigen Personen ausdrücklich nachzufragen, welche Folgen die abweichende Anlieferung der Stärkekartoffeln auf die Agrarförderung einschließlich der Betriebsprämie insgesamt hat; dies hat der Kläger jedoch trotz mehrfacher Gelegenheit unterlassen.

Der Vorsatz des Klägers ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil er vorgebracht hat, für ihn sei "die Sache mit der Fax-Mitteilung an die Stärkefabrik abgeschlossen" gewesen. In dem Fax vom 23. Oktober 2006 hat der Kläger der Kartoffelstärkefabrik mitgeteilt, dass er an sie keine (Stärke)Kartoffeln liefern könne und stattdessen Kartoffeln an die - nähergelegene - H. K., L., geliefert habe. Die Mitteilung bezog sich jedoch ebenso wie vorhergehende Telefongespräche mit Mitarbeitern der Fabrik unmittelbar nur auf das Vertragsverhältnis zu der Stärkefabrik und nicht auf das davon zu unterscheidende, hier maßgebende Agrarförderverhältnis zu der Beklagten. Außerdem waren nach der auch für den Kläger eindeutigen Belehrung im Sammelantrag maßgebende Veränderungen, wie die Umwidmung der Kartoffeln, der bewilligenden Stelle anzuzeigen. Der Kläger persönlich hat sich - anders als sein Prozessbevollmächtigter - bei seiner Vernehmung als Beteiligter auch nicht darauf berufen, angenommen zu haben, dass die Mitteilung von der unterbliebenen Anlieferung von Stärkekartoffeln an die Beklagte als bewilligende Stelle weitergeleitet werde. Im Übrigen hätte nicht einmal diese Mitteilung ausgereicht. Denn danach war zwar die weiterhin gekoppelte Stärkekartoffelbeihilfe - wie geschehen - zu versagen. Für die Bewilligung der anteiligen Betriebsprämie hinsichtlich der zum Anbau von Stärkekartoffeln angemeldeten Fläche war die Meldung allein einer ausgebliebenen Produktion hingegen unerheblich, da die Betriebsprämie nicht an einen Anbauerfolg geknüpft, sondern entkoppelt ist. Diese weitgehende Entkoppelung der Agrarförderung kennzeichnete gerade den ab dem Jahr 2005 erfolgten Systemwechsel. Im Sammelantrag wurde deshalb gezielt zwischen der zu Ziffer III zu beantragenden, hier streitigen Auszahlung der Betriebsprämie und den zu Ziffer V gesondert zu beantragenden "gekoppelten Prämien/Beihilfen 2006" unterschieden. Deshalb überzeugt auch der - wiederum vom Bevollmächtigten des Klägers und nicht von ihm selbst geltend gemachte - Einwand nicht, der Kläger habe wegen der bis zum Jahr 2004 allein gekoppelt gewährten Förderung der Stärkekartoffeln angenommen, dass es ausschließlich um die Stärkekartoffelprämie gehe und dass er mit der Nichtanlieferung von Stärkekartoffeln automatisch auf diese, über die Fabriken "ausgereichte" Förderung "verzichte". Letzteres trifft im Ergebnis zu, die erste Annahme hingegen nicht. Darauf, dass "Flächen, die für die Beihilfe für Stärkekartoffeln benannt sind, gleichzeitig für die Aktivierung von Zahlungsansprüchen im Rahmen der Betriebsprämienregelung genutzt werden können", und dass die Mitteilung des Kartoffelstärkeunternehmens für die Stärkekartoffelbeihilfe von Bedeutung ist, ist der Kläger unter Ziffer VI 17 des Sammelantrages nochmals ausdrücklich hingewiesen worden. Zwar ist darin nicht ausdrücklich der hier entscheidende Hinweis enthalten, dass bei einem fehlgeschlagenen Anbau von Stärkekartoffeln auf dafür im Sammelantrag angemeldeten Flächen zwar keine Stärkekartoffelbeihilfe, wohl aber anteilig die Betriebsprämie gewährt wird. Dies musste dem Kläger aber auch unabhängig davon auf Grund des Systemwechsels in der Agrarförderung ab dem Jahr 2005 bekannt sein. Außerdem handelte es sich bereits bei Antragstellung im Jahr Mai 2006 um den zweiten Antrag nach dem geänderten Fördersystem. Bis zum Zugang des Anhörungsschreibens im September 2007, dem letztmöglichen Zeitpunkt für eine sanktionslose Mitteilung der anderweitigen Verwendung der Stärkekartoffeln, war sogar mehr als ein weiteres Jahr vergangen. Zwischenzeitlich hatte der Kläger außerdem den Bewilligungsbescheid vom 27. Dezember 2006 erhalten. Wenn er bis dahin geglaubt hätte, auf Grund der fehlenden Anlieferung von Stärkekartoffeln automatisch keine Beihilfen mehr zu erhalten, also auch nicht die anteilige Betriebsprämie, so hätte ihn spätestens die abweichende Bewilligung im Bewilligungsbescheid vom 27. Dezember 2006 eines Besseren belehren müssen. Auf informatorische gerichtliche Nachfrage, inwieweit er den Bewilligungsbescheid darauf kontrolliert habe, hat der Kläger ausweichend geantwortet.

Der Kläger hat seine Meldepflicht schließlich auch nicht bloß vergessen, wie er ursprünglich im Oktober 2007 geltend gemacht hat. Dabei kann offen bleiben, ob er Kläger bereits bei der abweichenden Ablieferung oder den Gesprächen mit den Fabrikmitarbeitern im Oktober 2006 an die notwendige Änderungsmitteilung gegenüber der Beklagten gedacht hat, wofür Einiges spricht. Jedenfalls bei der - kurz nach dieser spätestens im Oktober 2006 erfolgten Lieferung durchgeführten - Vor-Ort-Kontrolle im November 2006 in seinem Betrieb, die der Feststellung etwaiger Unregelmäßigkeiten diente, oder der folgenden Eigenkontrolle des Betriebsprämienbescheides vom 27. Dezember 2006, in dem der Abzug für die 0,76 ha wegen fehlender OGS-Genehmigung erfolgte, die 0,8 ha als vermeintliche Stärkeanbaufläche aber als förderfähig eingestuft worden sind, muss sich der Kläger der Korrekturbedürftigkeit bewusst gewesen sein.

Hiergegen spricht auch nicht durchgreifend der Einwand, dass der mögliche Gewinn von knapp 125 EUR bei fehlender Mitteilung in keinem Verhältnis zu dem andernfalls drohenden Verlust der gesamten Betriebsprämie von mehr als 26.000 EUR stand. Dem Kläger sind diese Rechtsfolgen nach eigenen Angaben im Einzelnen nicht bewusst gewesen. Die zuvor angenommene Kenntnis des Bewilligungssystems hinsichtlich der Förderung von Kartoffeln schließt nicht die Kenntnis des Kontroll- und Sanktionssystems ein. Ein Antragsteller muss sich mindestens jährlich bei der Antragstellung mit den Bewilligungsvoraussetzungen, im Normalfall regelkonformen Verhaltens aber nicht mit möglichen Sanktionen auseinandersetzen. Außerdem ist im Sammelantrag 2006 unter Ziffer VII 21 zwar über mögliche strafrechtliche Folgen sowie über Sanktionen auch von/bei unterlassenen Korrekturangaben belehrt worden. Dass bei bewusst unterbliebener Mitteilung von erheblichen Änderungen ein Totalverlust u.a. der Betriebsprämie droht, ergab sich daraus aber nicht. Außerdem sind die Sanktionen nach Art. 52, 53 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 nicht einmal hinsichtlich der Stärkekartoffelbeihilfe und der Betriebsprämie für eine Stärkekartoffelanbaufläche im Einzelnen vollkommen deckungsgleich. Gegen eine genaue Kenntnis der Sanktionsfolgen spricht zusätzlich, dass sich die Bedingungen im Einzelnen durchaus ändern und dem Betroffenen nach dem Günstigkeitsprinzip (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95) auch nachträgliche Erleichterungen zu Gute kommen, der Kläger also etwa auch von der erst 2009 eingeführten Bagatellschwelle profitiert hätte - wenn die streitige Anbaufläche kleiner als 0,5% gewesen wäre. Zusätzlich besteht eine Unsicherheit darüber, ob und wann eine abweichende Ablieferung der Beklagten überhaupt auffällt und dann als vorsätzlich bewertet wird. Wie dargelegt, folgte auch allein aus der fehlenden Meldung der Stärkefabrik noch nicht, dass die Betriebsprämie insoweit zwingend zu versagen gewesen wäre; die Nichtanlieferung kann auch auf einem nicht betriebsprämienschädlichen Ernteausfall beruhen, wie er gerichtsbekannt jedenfalls im Jahr 2006 wiederholt von Kartoffelanbauern in Niedersachsen geltend gemacht worden ist. Wäre es bei dem Teilrücknahmebescheid vom Mai 2008 verblieben, hätte der Kläger außerdem nur die ihm ohnehin nicht zustehenden knapp 125 EUR verloren. Schließlich würden bei Anerkennung dieses Argumentes regelmäßig bei kleineren Beträgen Zweifel am Vorsatz zu bejahen sein, auch wenn die Größe der betroffenen Flächen die in Art. 53 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 genannten Bagatellschwellen - wie hier - überschreitet.

Von der Versagung der Betriebsprämie kann nicht nach Art. 68 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 abgesehen werden. Eine Selbstkorrektur u.a. fehlerhaft gewordener Angaben ist danach nur sanktionslos möglich, wenn die zuständige Behörde den Betriebsinhaber nicht bereits über Unregelmäßigkeiten in Bezug auf den Beihilfeantrag unterrichtet hat. Dies hatte die Beklagte aber mit ihrem Anhörungsschreiben vom September 2007 getan, indem nicht nur allgemein, sondern durch die Bezugnahme auf die unterbliebene Anlieferung von Stärkekartoffeln durch den Kläger betriebsbezogen auf eine diesbezügliche mögliche Unregelmäßigkeit in seinem Antrag hinsichtlich des Schlages 29 hingewiesen wurde. Das folgende "Geständnis" des Klägers im Schreiben vom 3. Oktober 2007 kam zu spät und indiziert auch nicht rückwirkend seinen fehlenden Vorsatz.

Ihm stand somit wegen dieser vorsätzlichen Unregelmäßigkeit nach Art. 53 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 für das Jahr 2006 keine Betriebsprämie zu.

Wie der Senat bereits im Zulassungsbeschluss ausgeführt hat, steht der vollständigen Versagung der Betriebsprämie auch nicht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entgegen. Denn Prüfungsmaßstab für die unter den hier bejahten Voraussetzungen gemeinschaftsrechtlich zwingende Versagung ist allein der (heute) im Unions(primär)recht geltende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser verlangt jedoch keine noch weitergehende Differenzierung der Sanktionsbestimmungen, als sie in der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 enthalten ist, zumal diese Sanktionsbestimmungen 2009 noch um die o.a. Bagatell-Regelung erweitert worden sind und der Gegenstand der Sanktionsbestimmungen einen Bereich der Leistungsverwaltung betrifft (vgl. ergänzend EuGH, Urt. v. 13.12.2012 - C-11/12-, [...], Rn. 39 ff. = NVwZ 2013, 134 ff. [EuGH 13.12.2012 - Rs. C-11/12]).

Die begünstigenden und aufgehobenen o.a. Bewilligungsbescheide waren demnach rechtswidrig i. S. d. § 10 Abs. 1 MOG.

Ihrer Aufhebung steht kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers entgegen. Der maßgebliche Vertrauensschutz bestimmt sich vorliegend abschließend nach Gemeinschaftsrecht, insbesondere Art. 73 Abs. 4 bis 6 Verordnung (EG) Nr. 796/2004, die insoweit nicht nachträglich durch für den Betroffenen günstigere Normen geändert worden sind.

Dass die genannte Vorschrift jedenfalls einem Rückgriff auf § 48 Abs. 2 VwVfG (i. V. m. § 10 Abs. 1 MOG) entgegensteht, ist seit langem anerkannt (vgl. etwa Senatsurt v. 17.1.2012 - 10 LB 8/12 -, [...], Rn. 37 = RdL 2013, 168 ff., auch zum Vorrang gegenüber § 48 Abs. 4 VwVfG).

Da nach der auf Art. 73 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 bezogenen Begründungserwägung Nr. 72 mit dieser Norm "die einheitliche Anwendung des Grundsatzes des guten Glaubens in der gesamten Gemeinschaft" gewährleistet werden soll und zu diesem System des guten Glaubens i. S. d. Gemeinschaftsrecht auch die in Art. 73 Abs. 5 und 6 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 bezeichneten Fristen, innerhalb deren eine Rückzahlung möglich ist, gehören, kommt auch ein Rückgriff auf die - kürzere - Jahresfrist in § 48 Abs. 4 VwVfG (i. V. m. § 10 Abs. 1 MOG) nicht in Betracht (vgl. bereits Senatsbeschl. v.18.7.2007 - 10 LA 233/05 -, [...], Rn. 10 = AUR 2007, 375 ff. [OVG Niedersachsen 18.07.2007 - 10 LA 233/05] zu Art. 14 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92; in neueren Senatsentscheidungen zu Art. 73 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 teilweise offen gelassen). Andernfalls wären die Anforderungen an den "guten Glauben" bzw. an den Vertrauensschutz im deutschen Rechtsverständnis uneinheitlich (vgl. zuletzt auch BVerwG, Beschl. v. 20.12.2012 - 3 B 20/12 - [...], Rn. 12; NVwZ 2013, 880 f. [BVerwG 20.12.2012 - BVerwG 3 B 20.12] = RdL 2013, 195, zur Vorgängerregelung: "abschließend").

Auf nationale Regeln (§ 48 VwVfG bzw. § 10 Abs. 1 MOG) kann deshalb auch nicht für die Beurteilung der Frage abgestellt werden, ob und ggf. inwieweit ein vorhergehender Teilrücknahme- und -rückforderungsbescheid, der von der Behörde - wie hier - in vollständiger Kenntnis des Sachverhalts erlassen worden ist, ein schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen ermöglicht, dass später bei unveränderter Sach- und Rechtslage keine weitergehende Rücknahme (Rückforderung) erfolgt. Wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen zu Art. 73 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 im Einzelnen ergibt, ist diese Frage zwar gemeinschaftsrechtlich nicht eindeutig geregelt. Sie gehört aber jedenfalls zu den "Grundsätzen des guten Glaubens", die einheitlich und nicht unterschiedlich nach nationalem Recht zu beurteilen sind, zumal auch das nationale deutsche Recht insoweit in § 48 VwVfG keine eindeutige Regelung enthält.

Nach Maßgabe des Art. 73 Abs. 4 bis 6 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 steht dem Kläger kein Vertrauensschutz zu.

Die Frist von vier Jahren i. S. d. vorgenannten Abs. 5 und 6 zwischen Zahlung der Betriebsprämie 2006 und "dem Tag, an dem der Begünstigte von der zuständigen Behörde erfahren hat, dass die Beihilfe zu Unrecht gewährt wurde," ist hier jedenfalls mit Erlass des Bescheides vom 28. Oktober 2009 eingehalten worden, so dass offen bleiben kann, ob dem Kläger die entsprechende Kenntnis nicht bereits mit Zugang der vorhergehenden Anhörungsschreiben vermittelt worden ist.

Abs. 4 bestimmt im Übrigen: "Die Verpflichtung zur Rückzahlung gemäß Absatz 1 gilt nicht, wenn die Zahlung auf einen Irrtum der zuständigen Behörde oder einer anderen Behörde zurückzuführen ist, der vom Betriebsinhaber billigerweise nicht erkannt werden konnte. Bezieht sich der Irrtum auf Tatsachen, die für die Berechnung der betreffenden Zahlung relevant sind, so gilt Unterabsatz 1 nur, wenn der Rückforderungsbescheid nicht innerhalb von zwölf Monaten nach der Zahlung übermittelt worden ist."

Diese Voraussetzungen für Ausschluss von der Rücknahmeverpflichtung sind gleichfalls nicht gegeben. Die Zahlung der Betriebsprämie zum Jahresende 2006 beruhte nach der maßgeblichen Sphärentheorie (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.12.2012 - 3 B 20/12 -, [...], Rn. 10, a. a. O.) auf der fehlerhaft gewordenen Angabe des Klägers zur Verwendung der vormaligen Stärkekartoffeln und nicht auf einem Irrtum der Beklagten oder einer anderen Behörde; außerdem kannte der Kläger aus den vorgenannten Gründen den Fehler der Zahlung.

Art. 73 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 bietet damit dem Wortlaut nach keine Grundlage für einen "guten Glauben" an die abschließende Richtigkeit eines Teilrücknahmebescheides in Kenntnis der entscheidungserheblichen Tatsachen.

Auch eine analoge Anwendung des Art. 73 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 mit der Maßgabe, dass nicht auf die "Zahlung", sondern auf den späteren "Teilrücknahmebescheid" als Grundlage für ein etwaiges Vertrauen bzw. einen guten Glauben des Beihilfeempfängers kommt nicht in Betracht. Eine solche analoge Anwendung scheidet schon deshalb aus, weil die gemeinschaftsrechtliche Regelung ohnehin unmittelbar von einer Rückforderung und damit nicht vom deutschen Modell der vorherigen Bewilligung und Aufhebung von Verwaltungsakten ausgeht, also Verwaltungsakte als Grundlage von Vertrauensschutz nicht kennt. Zudem ist nicht sicher festzustellen, unter welchen einschränkenden Voraussetzungen ein Beihilfeempfänger bei einem vorsätzlichen Fehlverhalten - wie hier der Kläger - überhaupt schutzwürdig ist. Für den grundsätzlich nicht letztinstanzlich entscheidenden Senat besteht nach Art. 267 AEUV auch keine Vorlagepflicht zur Klärung der "Auslegung" von Art. 73 (Abs. 4) Verordnung (EG) Nr. 796/2004 insoweit.

Ein Rücknahmeermessen steht der Beklagten nach § 10 Abs. 1 MOG, Art. 73 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 nicht zu.

Die Rückforderung der - rechnerisch zutreffend ermittelten - Betriebsprämie ist ebenfalls rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz, Abs. 3 MOG i. V. m. § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Danach sind, soweit ein Verwaltungsakt bzw. - wie hier - mehrere als Rechtsgrundlage für eine Bewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist/sind, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Die zu erstattende Leistung ist zutreffend durch schriftlichen Verwaltungsakt festgesetzt worden.

Schließlich ist gestützt auf Art. 73 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 i. V. m. § 14 MOG zu Recht dem Grunde nach die Pflicht des Klägers festgestellt worden, den Erstattungsbetrag in Höhe von 26.116,73 EUR vom Erhalt des Rücknahme- und Rückforderungsbescheides an mit 5 % über dem jeweils geltenden Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Revision zu. Grundsätzliche Bedeutung kommt der entscheidungserheblichen Frage zu, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen nach Art. 73 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 (bzw. die entsprechende Nachfolgebestimmung Art. 80 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009) ein von der Behörde in vollständiger Kenntnis des Sachverhalts erlassener Teilrücknahmebescheid einen Vertrauensschutz des Betroffenen ermöglicht.