Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.11.2013, Az.: 13 ME 189/13

Heilung bei einer in erster Instanz nicht vorgelegten Prozessvollmacht in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.11.2013
Aktenzeichen
13 ME 189/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 49802
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:1115.13ME189.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 02.10.2013 - AZ: 9 B 5976/13

Fundstellen

  • NJW 2014, 566-567
  • NordÖR 2014, 100

Amtlicher Leitsatz

Auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist eine Heilung bei einer in erster Instanz nicht vorgelegten Prozessvollmacht grundsätzlich dann nicht mehr in zweiter Instanz möglich, wenn dem Verwaltungsgericht trotz zulässig erfolgter Fristsetzung eine ordnungsgemäße schriftliche Vollmacht nicht vorgelegt und der Antrag deshalb durch eine Prozessentscheidung als unzulässig abgelehnt bzw. verworfen worden ist.

Gründe

I.

Der Antragsgegner untersagte einer "B. A.." im Rahmen seiner Überwachungsaufgaben nach dem Arzneimittelgesetz unter Anordnung der sofortigen Vollziehung das Inverkehrbringen von "MMS" als Tropfen und Kapseln. Dagegen wurde anwaltlich für eine "A. in Firma B. " Klage erhoben und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Das Verwaltungsgericht hat die anwaltliche Vertretung unter Fristsetzung aufgefordert, die Klägerin bzw. Antragstellerin näher zu bezeichnen sowie eine schriftliche Prozessvollmacht vorzulegen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist hat das Verwaltungsgericht den Antrag als unzulässig abgelehnt und dem Rechtsanwalt als vollmachtlosem Vertreter die Kosten des Verfahrens auferlegt. Dagegen richtet sich die Beschwerde, die unter Vorlage einer Prozessvollmacht erhoben worden ist.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht als unzulässig abgelehnt und dem aufgetretenen Rechtsanwalt die Verfahrenskosten auferlegt. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses Bezug und macht sie sich zu eigen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, führt zu keiner vom erstinstanzlichen Beschluss abweichenden Entscheidung.

1.

Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens kann nicht von einer ordnungsgemäßen Antragstellung ausgegangen werden. Es fehlt nach wie vor an einer hinreichenden Bezeichnung der Antragstellerin. Entgegen der Ankündigung in der Beschwerdeschrift ist insoweit weiterer Vortrag innerhalb der Beschwerdefrist nicht erfolgt. Es bleibt damit nach wie vor im Unklaren, wer oder was sich hinter der "A. in Firma B. " eigentlich verbirgt. Allein die ohne nähere Erläuterungen erfolgte Einreichung einer Vollmachtskopie, die eine unleserliche Unterschrift aufweist, bringt hier keine weitere Klärung. Schon infolge dieser nach wie vor verbleibenden Unklarheit kann auch die Beschwerde nicht als ordnungsgemäß erhoben angesehen werden.

2.

Selbst, wenn man von einer nunmehr erfolgten hinreichenden Bezeichnung der Antragstellerin nebst vertretungsberechtigter Person und der Nachreichung einer hinreichenden Prozessvollmacht ausginge, bliebe der Beschwerde allerdings der Erfolg verwehrt:

a) Zwar ist im Ausgangspunkt § 67 Abs. 6 Satz 2 VwGO und § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 89 Abs. 2 ZPO zu entnehmen, dass die Erteilung und Vorlage einer Prozessvollmacht auch mit genehmigender Wirkung der bisherigen Prozessführung - also rückwirkend - erfolgen kann. Dies gilt zunächst uneingeschränkt für eine zum Zeitpunkt der Nachreichung noch nicht abgeschlossene Instanz. Auch bei Nachreichung erst in einer nachfolgenden Instanz ist eine Heilung für die vorhergehende Instanz noch möglich. Dies gilt allerdings nicht, wenn in der Vorinstanz trotz zulässig erfolgter Fristsetzung eine ordnungsgemäße schriftliche Vollmacht nicht vorgelegt und der Rechtsbehelf bzw. das Rechtsmittel deshalb durch eine Prozessentscheidung als unzulässig abgewiesen worden ist. Ansonsten würde nämlich einer zu Recht ergangenen Entscheidung nachträglich die Grundlage entzogen werden. Eine erst nach Ergehen einer solchen Prozessentscheidung ausgestellte und erst in der nachfolgenden Instanz vorgelegte Bevollmächtigung kann mithin nur noch für die Zukunft wirken und keine rückwirkende Heilung auch für die Vorinstanz entfalten (vgl. dazu etwa Schoch/Schneider/Bier: VwGO, 24. Erg.-Lfg. 2012, § 67 Rdnr. 98; Sodan/Ziekow: VwGO, 3. Aufl., § 67 Rdnrn. 71-73; GmS-OGB, Beschl. v. 17.04.1984 - GmS-OGB 2/83 -, [...]; BSG, Urt. v. 23.01.1986 - 11a RA 34/85 -, [...]). Eine rückwirkende Heilung in einer nachfolgenden Instanz bleibt mithin auf die Fälle beschränkt, in denen eine nicht auf das Fehlen einer ordnungsgemäßen Vollmacht gestützte (Sach-)Entscheidung ergangen ist oder in denen eine auf das Fehlen der Vollmacht gestützte Prozessentscheidung sich nunmehr als fehlerhaft herausstellt, etwa weil eine ordnungsgemäß ausgestellte Vollmacht bereits vor Abschluss der Vorinstanz vorlag und lediglich nachträglich vorgelegt worden ist (vgl. dazu: BVerwG, Urt. v. 22.01.1985 - 9 C 105/84 -, [...] Rdnr. 12; Zöller: ZPO, 26. Aufl., § 89 Rdnr. 11).

Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des Senats nicht nur in Hauptsacheverfahren, sondern ohne weiteres auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Allein der Umstand, dass parallel ein Klageverfahren anhängig ist, für das eine nachträglich ausgestellte und vorgelegte Prozessvollmacht noch genehmigende Wirkung zu entfalten vermag, kann nichts an einer im erstinstanzlichen Eilverfahren zutreffend als unzulässig abgelehnten Prozessentscheidung ändern. Hat das erstinstanzliche Eilverfahren auf diese Weise seinen zutreffenden Abschluss gefunden, ist ein Rechtsschutzsuchender darauf beschränkt, erneuten Eilrechtsschutz zu beantragen. Die Korrektur einer inhaltlich zutreffend ergangenen Prozessentscheidung - mit der für den vollmachtlos aufgetretenen anwaltlichen Prozessvertreter resultierenden negativen Kostenfolge - im Beschwerdeverfahren scheidet hingegen aus.

b) Eine entsprechende zutreffende Prozessentscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht hier getroffen. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht mit zugestellten Verfügungen vom 6. August 2013 und nochmals vom 10. September 2013 unter Fristsetzung zur Vorlage einer Prozessvollmacht aufgefordert und dabei auch auf die Folgen einer Nichtvorlage hingewiesen. An einer Anforderung der Prozessvollmacht war das Verwaltungsgericht auch nicht etwa durch § 67 Abs. 6 Satz 4 VwGO gehindert. Nach dieser Bestimmung, die durch Art. 13 Nr. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I 2007, 2840) mit Wirkung zum 1. Juli 2008 ihre aktuelle und an die zivilprozessuale Regelung des § 88 Abs. 2 ZPO angeglichene Fassung gefunden hat, hat das Gericht den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Aus dieser Neuregelung ergibt sich aber nicht, dass dem Gericht bei einem im Verfahren auftretenden Rechtsanwalt die Prüfung einer ordnungsgemäßen Prozessvollmacht und die Berücksichtigung eines Mangels nur auf Rüge eines anderen Beteiligten möglich wäre (so aber wohl: Sodan/Ziekow: VwGO, 3. Aufl., § 67 Rdnr. 67). Vielmehr entfällt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bei fehlender Rüge eines anderen Beteiligten lediglich die Pflicht des Gerichts, nicht jedoch dessen Befugnis, einen Mangel der Vollmacht bei Auftreten eines Rechtsanwalts zu prüfen und zu berücksichtigen. Schon die Art und Weise der Prozessführung kann dem Gericht nämlich berechtigten Anlass für eine solche Prüfung und Berücksichtigung geben. Ein Mangel darf jedenfalls berücksichtigt werden, wenn der auftretende Rechtsanwalt trotz gerichtlicher Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist weder die Vollmacht nachreicht, noch auch nur den angeblich vertretenen Kläger ordnungsgemäß bezeichnet. In diesem Fall ist nicht zu erkennen, für wen der Prozess geführt wird und wer dem Rechtsanwalt eine wirksame Vollmacht erteilt haben oder die Prozessführung noch vor Ergehen einer die Instanz abschließenden Entscheidung wirksam genehmigen könnte (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.06.2011 - 8 A 1/10 -, [...] Rdnr. 16).

Eine solche Situation lag hier erkennbar vor. Der für die Antragstellerin erstinstanzlich aufgetretene Rechtsanwalt hat trotz entsprechender gerichtlicher Aufforderungen fristgemäß weder eine schriftliche Prozessvollmacht zu den Akten gereicht, noch die Antragstellerin und deren gesetzlichen Vertreter näher zu bezeichnen vermocht. Anschließend ist das erstinstanzliche Eilverfahren durch Prozessentscheidung beendet worden. Eine rückwirkende Heilung durch die zugleich mit der Beschwerdeerhebung eingereichte und unter dem 10. Oktober 2013 ausgestellte Prozessvollmacht konnte auch nicht ausnahmsweise trotz bereits erfolgter Beendigung der Vorinstanz eintreten. Selbst, wenn man die Vollmacht als inhaltlich ordnungsgemäß ansehen würde, könnte sie vorliegend nur Wirkungen für die Zukunft entfalten. Sie wurde nämlich offensichtlich nicht etwa bereits vor Erlass der Prozessentscheidung ausgestellt, sondern erst, nachdem dem erstinstanzlich aufgetretenen Rechtsanwalt der Gerichtsbeschluss schon zugegangen war.

3.

Es hat wegen der zu Recht aufgrund nicht vorgelegter Vollmacht ergangenen Prozessentscheidung somit für das erstinstanzliche Eilverfahren auch bei der für den aufgetretenen Rechtsanwalt negativen Kostenfolge zu verbleiben. Ob diese sich aus § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 89 Abs. 1 Satz 3 ZPO oder aus dem in dieser Bestimmung sowie den Kostentragungsregelungen der §§ 154 ff. VwGO zum Ausdruck kommenden Veranlassungsprinzip im Wege einer Rechtsanalogie ergibt (vgl. dazu Sodan/Ziekow: VwGO, 3. Aufl., § 67 Rdnr. 108; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.11.1981 - A 12 S 414/81 -, NJW 1982, 842; zu §§ 91 ff. ZPO: Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 88 Rdnr. 11, § 89 Rdnr. 8), kann offenbleiben. Da der Rechtsanwalt in Kenntnis des Fehlens einer ordnungsgemäßen Vollmacht aufgetreten ist, scheidet es auch unter Zugrundelegung des Veranlassungsprinzips aus, nicht ihm, sondern dem (angeblich) Vertretenen die Verfahrenskosten aufzuerlegen (vgl. Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 88 Rdnr. 11).

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen aufgrund entsprechender Erwägungen wiederum den aufgetretenen Rechtsanwälten zur Last, da die Bezeichnung bzw. Identität der Antragstellerin und (angeblichen) Vollmachtgeberin auch im Beschwerdeverfahren unklar geblieben ist. Da diese Unklarheit bezüglich der Antragstellerin wiederum auch als Mangel hinsichtlich der Bevollmächtigung fortwirkt, sind die auftretenden Rechtsanwälte auch im Beschwerdeverfahren als vollmachtlose Vertreter bzw. aufgrund des Veranlassungsprinzips kostentragungspflichtig.