Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.11.2013, Az.: 13 ME 190/13
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Falle der Versagung des Aufenthaltstitels
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 12.11.2013
- Aktenzeichen
- 13 ME 190/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 49842
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2013:1112.13ME190.13.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Lüneburg - 27.09.2013 - AZ: 2 B 40/13
Rechtsgrundlagen
- § 3 AufenthG
- § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG
- § 6 Abs. 1 AufenthG
- § 81 Abs. 3 AufenthG
- § 81 Abs. 4 S. 1 AufenthG
- § 80 Abs. 5 VwGO
- § 123 VwGO
Fundstelle
- NVwZ-RR 2014, 157-159
Amtlicher Leitsatz
Da die bislang durch die (rechtzeitige) Beantragung eines Aufenthaltstitels ausgelöste Fortbestandsfiktion des § 81 Absatz 4 Satz 1 AufenthG bei vorangegangenem Besitz (lediglich) eines Schengen Visums infolge des Art. 1 Nr. 27a des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von international Schutzberechtigten und ausländischen Arbeitnehmern vom 29. August 2013 weggefallen ist, kommt im Falle der Versagung des Aufenthaltstitels die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht mehr nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern lediglich noch nach § 123 VwGO in Betracht.
[Gründe]
I.
Die 1984 geborene Antragstellerin ist russische Staatsangehörige. Aus der Ehe mit ihrem 2012 verstorbenen russischen Ehemann sind zwei 2006 und 2007 geborene Kinder hervorgegangen. Die Antragstellerin besaß ein vom 20. Dezember 2010 bis 19. Dezember 2012 gültiges finnisches Schengen-Visum für Besuchsaufenthalte von bis zu 90 Tagen. Im Juni 2012 erwarb sie für 93.000 EUR eine Eigentumswohnung in Augsburg. Nachdem sie in 2012 beim deutschen Generalkonsulat in St. Petersburg erfolglos ein Visum zur Absolvierung eines Sprachkurses und eines anschließenden Studiums beantragt hatte, reiste sie ohne ihre Kinder am 9. März 2013 mit einem für 90 Tage innerhalb des Zeitraums vom 8. März bis 27. September 2013 gültigen griechischen Schengen-Visum in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 26. März 2013 sprach sie beim Standesamt der Antragsgegnerin erstmals zwecks Anmeldung der Eheschließung mit einem 1990 geborenen deutschen Staatsangehörigen vor. Dieser erwarb am 2. Mai 2013 für 300.000 EUR Grundbesitz im Stadtgebiet der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin reiste nach vorheriger Ausreise am 12. Juli 2013 erneut mit ihrem griechischen Schengen-Visum in die Bundesrepublik ein. Am 17. Juli 2013 wurde die Ehe mit dem deutschen Staatsangehörigen geschlossen. Unter dem 25. Juli 2013 beantragte die Antragstellerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft. Den Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 23. August 2013 ab. Die Prüfung einer Scheinehe behalte sie sich vor. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis scheitere jedenfalls daran, dass die Antragstellerin nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist sei und zum Zeitpunkt der maßgeblichen letzten Einreise am 12. Juli 2013 ein Daueraufenthalt beabsichtigt gewesen sei. Dagegen hat die Antragstellerin am 3. September 2013 Klage erhoben sowie die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Gestalt einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Ablehnungsbescheid beantragt. Diesem Antrag hat das Verwaltungsgericht nicht entsprochen. Es könne offen bleiben, ob die Voraussetzungen des § 39 Nr. 3 AufenthV erfüllt seien, weil die Antragstellerin Anfang September 2013 ihren Pass im Zug verloren habe und daher die Passpflicht nicht erfülle. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat - soweit es um die Ausführungen der Beschwerde zu den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts geht -, rechtfertigt keine andere Entscheidung.
1.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen den Ablehnungsbescheid erhobenen Klage ist bereits unzulässig, weil vorläufiger Rechtsschutz nicht (mehr) nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft ist.
a) Die bislang durch die (rechtzeitige) Beantragung eines Aufenthaltstitels ausgelöste Fortbestandsfiktion des § 81 Absatz 4 Satz 1 AufenthG bei vorangegangenem Besitz (lediglich) eines Schengen-Visums ist infolge des Art. 1 Nr. 27a des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von international Schutzberechtigten und ausländischen Arbeitnehmern vom 29. August 2013 (BGBl. I 2013, 3484) weggefallen. § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG in der neuen Fassung bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass die Fortbestandsfiktion nicht für ein Visum nach § 6 Abs. 1 AufenthG - also insbesondere ein Schengen-Visum - gilt. Diese Rechtsänderung ist ohne Übergangsvorschriften zum 6. September 2013 in Kraft getreten (vgl. Art. 7 des genannten Änderungsgesetzes), wobei in den Gesetzgebungsmaterialien ohnehin von einer lediglich klarstellenden Änderung ausgegangen wurde. Im Bericht des Innenausschusses des Bundestags (BT-Drs. 17/13536, S. 15) wird insoweit ausgeführt:
"In der Rechtsprechung wird die Auffassung vertreten, dass auch ein Schengen-Visum nach § 6 Absatz 1 AufenthG die Fortgeltungsfiktion des § 81 Absatz 4 AufenthG auslösen kann (siehe OVG Lüneburg, Beschluss vom 31. Oktober 2011, 11 ME 315/11). Dies entspricht auch dem Wortlaut des § 4 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 AufenthG. Die in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum AufenthG vorgesehene - einzig sachlich richtige - Beschränkung der Fortgeltungsfiktion auf nationale Visa nach § 6 Absatz 3 AufenthG ist damit nicht mehr durchsetzbar. Daher ist eine gesetzliche Klarstellung erforderlich."
Damit vermag die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Versagung eines Aufenthaltstitels bei vorangegangenem Besitz eines Schengen-Visums die Rechtsposition des Ausländers nicht (mehr) zu verbessern. Mit dem vollständigen Wegfall der Fortbestandsfiktion des § 81 Absatz 4 Satz 1 AufenthG bei einer Antragstellung kann diese aufgrund einer gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (vgl. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) weder "wiederaufleben" noch sonst die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht entfallen lassen. Folge der skizzierten gesetzlichen Neuregelung ist nämlich auch, dass die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG trotz (rechtzeitigen) Erteilungs- bzw. Verlängerungsantrag bereits unmittelbar mit Ablauf der Geltungsdauer des Schengen-Visums eintritt. Nach dieser Regelung tritt die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht kraft Gesetzes ein, wenn der Ausländer noch nicht die erstmalige Erteilung des erforderlichen Aufenthaltstitels oder noch nicht die Verlängerung beantragt hat oder trotz erfolgter Antragstellung der Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 AufenthG als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 AufenthG nicht als fortbestehend gilt. Wenn eine - hier allein in Betracht zu ziehende - Fiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG von vornherein nicht mehr eintreten kann, ist nach Auffassung des Senats auch kein Raum mehr für die Annahme, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen den Ablehnungsbescheid gleichwohl den Entfall der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht bewirken könnte. Eine andere Sichtweise würde dem erkennbaren Gesetzeszweck der Neuregelung zuwiderlaufen, die Privilegierung eines Ausländers bei abgelaufenem Schengen-Visum infolge der rechtzeitigen Beantragung eines Aufenthaltstitels auszuschließen. Ein Ausländer mit einem abgelaufenen Schengen-Visum soll vielmehr im Grundsatz rechtlich so gestellt werden, wie jeder andere sich illegal im Inland aufhaltende Ausländer.
b) Diese Erwägungen gelten auch für den hier in Rede stehenden Übergangsfall, bei dem eine Fortbestandsfiktion zunächst noch eingetreten war und dann infolge des behördlichen Ablehnungsbescheides noch vor der Gesetzesänderung entfallen war. Selbst eine bei Inkrafttreten der Neuregelung noch laufende Fortbestandsfiktion wäre nach Auffassung des Senats sogleich mit Wirkung zum 6. September 2013 entfallen, da das Gesetz keine Übergangsbestimmung vorsieht. Unter Rückwirkungsgesichtspunkten kann hier lediglich eine - verfassungsrechtlich regelmäßig zulässige - tatbestandliche Rückanknüpfung bzw. eine unechte Rückwirkung angenommen werden. Zudem kann sich bei Einreise und Aufenthalt mit einem Touristen- bzw. Besuchsvisum ohnehin kein schützenswertes Vertrauen darauf bilden, dass sich ein Aufenthalt mit einem anderen Aufenthaltszweck ohne Einholung eines nationalen Visums vom Ausland aus nahtlos an den Ablauf der Geltungsdauer eines Schengen-Visums wird anschließen können (vgl. dazu § 6 Abs. 3 AufenthG). Vorläufiger Rechtsschutz kommt daher in allen Konstellationen nach Inkrafttreten der Neufassung des § 84 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nur nach § 123 VwGO in Betracht. Ein entsprechender Antrag ist von der anwaltlich vertretenen Antragstellerin indessen nicht gestellt worden; er könnte wegen des im vorläufigen Rechtsschutz nach § 146 Abs. 4 VwGO beschränkten Prüfungsumfangs auch nicht etwa erstmals in der Beschwerdeinstanz zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden (vgl. etwa Kopp/Schenke: VwGO, 18. Aufl. 2012, § 146 Rdnr. 30).
2.
Selbst, wenn man entgegen der vorstehenden Ausführungen einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO als zulässig ansehen wollte, hätte die Beschwerde keinen Erfolg. Der Antrag wäre nämlich unbegründet, weil die Antragstellerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen ohne Einreise mit dem für diesen Aufenthaltszweck erforderlichen (nationalen) Visum voraussichtlich nicht wird beanspruchen können.
a) Allerdings dürfte der Klage entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht schon deshalb der Erfolg versagt bleiben, weil die Antragstellerin Anfang September 2013 ihren russischen Pass im Zug verloren hat und daher gegenwärtig nicht die Passpflicht nach § 3 AufenthG erfüllt. Dass die Klägerin - deren Identität und Staatsangehörigkeit außer Frage steht - im Besitz eines russischen Reisepasses war, ergibt sich aus dessen vollständig in der Ausländerakte der Antragsgegnerin befindlichen Kopie (Bl. 6 bis 12 Beiakte A). Die Antragstellerin hat den Passverlust umgehend beim russischen Generalkonsulat in Hamburg gemeldet, das sogleich die Ausstellung eines neuen Passes nach einer voraussichtlichen Bearbeitungsdauer von vier Monaten in Aussicht gestellt und bescheinigt hat (Bl. 63 Beiakte A). In einer solchen Situation im Rahmen einer "Momentaufnahme" einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis allein wegen der Nichterfüllung der Passpflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG) zu verneinen, erscheint nicht sachgerecht. Aller Voraussicht nach wird die Klägerin zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Klage wieder einen russischen Reisepass haben. Selbst, wenn ein Pass zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgestellt sein sollte, dürfte dann eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung der Erfüllung der Passpflicht anzunehmen sein, weil weder Zweifel daran bestehen, dass die Antragstellerin einen russischen Pass hatte, noch daran, dass ihr erneut ein solcher ausgestellt wird.
b) Auch der von der Antragsgegnerin als maßgeblich angesehene Umstand, dass die Antragstellerin zum Zeitpunkt ihrer letzten Einreise vor Beantragung der Aufenthaltserlaubnis am 12. Juli 2013 offenkundig bereits eine Eheschließung und einen Daueraufenthalt beabsichtigt hatte, steht als solches einem Erfolg der Klage nicht entgegen. Nach der auf § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG beruhenden Bestimmung des § 39 Nr. 3 AufenthV kann ein Ausländer über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus einen Aufenthaltstitel u. a. dann im Bundesgebiet einholen, wenn er ein gültiges Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) besitzt, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden sind. Dieser Bestimmung lässt sich nicht ohne weiteres entnehmen, dass sie bei einem vor der (letzten) Einreise beabsichtigten bzw. gewünschten Daueraufenthalt von vornherein unanwendbar wäre. Im vorliegenden Fall sind mithin nicht - wie die Antragsgegnerin aber meint - die Wünsche und Absichten der Antragstellerin bei der Einreise am 12. Juli 2013 entscheidend.
c) Es kommt vielmehr (allein) darauf an, wie sich der Ausländer vor der Ausstellung des für die Einreise genutzten Schengen-Visums verhalten hat. Es ist bei einer nach der (letzten) Einreise erfolgten Erfüllung der für den begehrten Aufenthaltstitel maßgeblichen und prägenden Anspruchsvoraussetzung - hier der Eheschließung - zu prüfen, ob der Ausländer - unter Ausblendung der Voraussetzung einer Einreise mit dem für den begehrten Aufenthaltstitel erforderlichen Visum - einen "Anspruch" auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis i. S. d. Vorschrift erworben hat. Dies kann insbesondere an der Nichterfüllung der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (Nichtvorliegen eines Ausweisungsgrundes), ohne dass eine atypische Fallkonstellation erkennbar wäre, scheitern. Der Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 2 a) AufenthG ist erfüllt, wenn der Ausländer trotz entsprechender Belehrung gegenüber der das Schengen-Visum ausstellenden Botschaft über seinen wahren beabsichtigten Aufenthaltszweck getäuscht hat (vgl. insoweit BVerwG, Urt. v. 16.11.2010 - 1 C 17.09 -, [...] Rdnrn. 23-27). Das wird hier voraussichtlich anzunehmen sein.
Die Antragstellerin dürfte bereits gegenüber der griechischen Botschaft in Moskau vor Ausstellung des ab 8. März 2013 gültigen Visums trotz entsprechender Belehrung über die sich ergebenden Rechtsfolgen falsche Angaben zum beabsichtigten Aufenthalt gemacht haben. Dafür spricht jedenfalls Überwiegendes. Dabei dürfte zunächst trotz fehlenden Belegs in der Ausländerakte (vgl. dazu die erfolglose Nachfrage bei der griechischen Botschaft in Moskau (Bl. 57 Beiakte A)) von einer ordnungsgemäßen Belehrung über die Rechtsfolgen falscher Angaben auszugehen sein, da eine solche regulärer Bestandteil des im Schengen-Raum von den Mitgliedstaaten verwendeten Antragsformulars ist. Auch dürfte die Antragstellerin bei der Beantragung des Visums lediglich einen beabsichtigten Kurzaufenthalt trotz schon seinerzeit beabsichtigten Daueraufenthalts angegeben haben. Für einen jedenfalls beabsichtigten Daueraufenthalt spricht, dass die Antragstellerin bereits 2012 versucht hatte, zum Zwecke des Spracherwerbs und eines Studiums nach Deutschland einzureisen. Außerdem hatte sie schon 2012 eine Wohnung in Augsburg erworben. Schon dies spricht dafür, dass die Antragstellerin - möglicherweise infolge des Todes ihres Ehemannes - schon seit Längerem plant, sich dauerhaft in Deutschland aufzuhalten. Die erstmalige Vorsprache beim Standesamt im Zusammenhang mit der beabsichtigten Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen erfolgte zudem bereits 17 Tage nach der Einreise mit dem griechischen Schengen-Visum. Es ist schon aufgrund dieser zeitlichen Zusammenhänge kaum vorstellbar, dass nicht auch dies bereits zuvor "eingefädelt" worden wäre. Welche Bedeutung in diesem Zusammenhang der Anfang Mai 2013 getätigte Erwerb einer Immobile zum Kaufpreis von 300.000,00 EUR seitens des in einem Imbiss beschäftigten 23-jährigen künftigen Ehemanns beizumessen ist, kann dabei letztlich offenbleiben. Ein zunächst lediglich beabsichtigter Kurzaufenthalt der Antragstellerin erscheint in Anbetracht der skizzierten Umstände jedenfalls eher fernliegend.
d) Die Entscheidung der Antragsgegnerin, von der Voraussetzung der Einhaltung des Visumverfahrens nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abzusehen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen eines "Anspruchs" auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis i. S. d. ersten Alternative des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG dürften bereits aufgrund der zu § 39 Nr. 3 AufenthV skizzierten Erwägungen nicht vorliegen. Der Antragstellerin ist es daneben auch nicht auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles unzumutbar, das Visumverfahren nachzuholen. Die Einhaltung der Visumsregeln stellt zwar keinen Selbstweck, sehr wohl aber den Regelfall dar. Bei § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG handelt es sich um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist eine Güterabwägung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit anzustellen. Dabei ist das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Visumverfahrens mit den persönlichen und familiären Belangen des Ausländers abzuwägen, wobei auch die Grundrechte zu beachten sind. Für das öffentliche Interesse streitet insbesondere die Erwägung, dass das Visumverfahren ein wichtiges Steuerungsinstrument der Zuwanderung ist (vgl. BT-Drs. 15/420 S. 70), von dem nur ausnahmsweise abgewichen werden soll. Auch aus generalpräventiven Gründen ist es gerechtfertigt, dem Eindruck bei anderen Ausländern entgegenzuwirken, man könne durch die Einreise mit einem Schengen-Visum oder sogar ohne Visum für einen Daueraufenthalt vollendete Tatsachen schaffen. Die Antragstellerin hat vor diesem Hintergrund zutreffend darauf abgestellt, dass die Trennungszeit - so denn nicht von einer Scheinehe auszugehen ist - überschaubar wäre und sich zudem die Kinder der Antragstellerin nach wie vor in Russland befinden.