Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 31.03.2016, Az.: 10 LB 68/14

Betriebsprämie; Betriebsprämienregelung; CC; CC-Verstoß; Fahrlässigkeit; Günstigkeitsprinzip; Kürzungssatz; Rückforderung; Rückforderung Agrarförderung; Rücknahme; Sanktionsarithmetik; Sanktionssystem; Tierschutz; Wiederholter Verstoß

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
31.03.2016
Aktenzeichen
10 LB 68/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43234
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 16.05.2013 - AZ: 6 A 1820/12

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Hat ein Betriebsinhaber im Jahr 2011 neben mehreren fahrlässigen Erstverstößen auch fahrlässig zwei Wiederholungsverstöße jeweils in Bezug auf denselben Bereich der anderweitigen Verpflichtungen - hier im Bereich des Tierschutzes - begangen, so sind nach Art. 71 Abs. 6 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 die Kürzungsprozentsätze für den Erstverstoß und die beiden Wiederholungsverstöße bis zum Höchstsatz von 15 % zu addieren.

2. Das Günstigkeitsprinzip (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EG/Euratom) Nr. 2988/95) steht einer Kürzung in diesem Umfang nicht entgegen.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 6. Kammer - vom 16. Mai 2013 geändert und wie folgt neu gefasst:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt 19/20, die Beklagte 1/20 der Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für die Beklagte vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Rücknahme und teilweise Rückforderung der Betriebsprämie für das Jahr 2011 wegen Nichteinhaltung anderweitiger (sog. Cross Compliance - CC -) Verpflichtungen durch die im Berufungsverfahren noch streitige wiederholte Nichthinzuziehung eines Tierarztes in den Jahren 2010 und 2011; der streitige Kürzungsprozentsatz beträgt noch 9 % von insgesamt 15 % entsprechend einem Betrag von 21.311,22 EUR.

Die Klägerin, eine aus den beiden jeweils vertretungsberechtigten Gesellschaftern B. und H. N. bestehende Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, bewirtschaftete u.a. in den Jahren 2010 und 2011 einen über 600 ha großen landwirtschaftlichen Betrieb in D. im Landkreis Cuxhaven. In dem Betrieb wurden u.a. einschließlich Kälbern rd. 1.300 - 1.400 Rinder gehalten.

Nachdem die Klägerin im Mai 2010 u.a. die Auszahlung der Betriebsprämie für dieses Jahr beantragt hatte, fand am 2. November 2010 nach „Risikogesichtspunkten“ eine Vor-Ort-Kontrolle ihres landwirtschaftlichen Betriebes in Anwesenheit der beiden Gesellschafter der Klägerin durch das Veterinäramt des Landkreises Cuxhaven statt. Nach dem Prüfbericht wurden sechs verschiedene Verstöße im Bereich Tierschutz betreffend die Rechtsakte 17 (Tierschutz Haltung Schweine) und 18 (Tierschutz Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere) des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr.  E. beanstandet, darunter zwei jeweils isoliert mit 3 % bewertete Verstöße „A 52: Wasserversorgung Nutztiere“  und „B 06: Hinzuziehen Tierarzt“.

Hinsichtlich des letztgenannten, unter dem Code „B 06“ erfassten Verstoßes wird in der Anlage 2 zum Prüfbericht ausgeführt, dass „bei zwei Bullen mit u.a. hochgradigen Lahmheiten kein Tierarzt hinzugezogen worden“ sei. Um welche Tiere es sich handelte, ergibt sich aus dem ergänzenden Vermerk vom 3. November 2010. Beide mit ihren Ohrmarkennummern individualisierte Bullen befanden sich danach in einem schlechten Ernährungszustand und konnten das linke Vorderbein nicht mehr strecken bzw. das linke Hinterbein nicht mehr aufsetzen; einer von ihnen sei nach der Kontrolle noch am selben Tag vom Haustierarzt untersucht worden.

Der Prüfbericht wurde der Klägerin mit Schreiben vom 4. November 2010 mit der Bitte um Unterzeichnung und dem Hinweis übersandt, dass Bemerkungen hinzugefügt werden können. Der Gesellschafter B. N. unterzeichnete den Bericht am 8. November 2010. Ergänzende Hinweise durch die Gesellschafter der Klägerin zu den o.a. Beanstandungen finden sich in dem Bericht nicht.

Die Beklagte bewertete die CC-Verstöße zusammenfassend zunächst mit 4 % und kürzte in diesem Umfang - entsprechend  einem Betrag von 9.487,24 EUR - die der Klägerin mit Bescheid vom 17. Dezember 2010 für das laufende Jahr bewilligte Betriebsprämie.

Am 16. Mai 2011 beantragte die Klägerin mit dem Sammelantrag Agrarförderung und Agrarumweltmaßnahmen 2011 u.a. die Auszahlung der Betriebsprämie 2011. Darauf folgte mit Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2011 die Bewilligung einer Betriebsprämie in Höhe von 236.791,33 EUR ohne Kürzung aufgrund von CC-Verstößen.

Allerdings hatte bereits am 23. November 2011 eine weitere zuvor angekündigte Vor-Ort-Kontrolle des landwirtschaftlichen Betriebes der Klägerin durch das Veterinäramt des Landkreises Cuxhaven stattgefunden. Für das Veterinäramt nahmen an der Kontrolle  u.a. Frau Dr. F. und Frau Dr. G. teil, für die Klägerin waren die beiden Gesellschafter anwesend. Folgende Verstöße im Bereich Tierschutz betreffend die Rechtsakte 17 (Tierschutz Haltung Schweine) und 18 (Tierschutz Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere) des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. E. wurden nach dem Prüfbericht beanstandet:

Rechtsakt 17

Bewertung

S 52: Wasserversorgung Schweine

3 %     

Rechtsakt 18

Bewertung

B 01: Personal

3 %     

B 05: Maßnahmen kranke Tiere

3 %     

B 06: Hinzuziehen Tierarzt

3 %     

Der letztgenannte, mit dem Code „B 06“ gekennzeichnete Verstoß bezog sich auf drei - nach den im Protokoll wiedergegebenen Angaben der Gesellschafter der Klägerin aktuell nicht tierärztlich behandelte - Rinder, von denen zwei hochgradig lahm gewesen seien und ein weiteres einen Abszess aufgewiesen habe; wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage 2 zum Prüfbericht, den Vermerk von Frau Dr. G. vom 5. Dezember 2011 und das als Beiakte C im Parallelverfahren erfasste Video verwiesen.

Der unter dem Code „S 52“ - Wasserversorgung Schweine erfasste Verstoß wurde am 28. Februar 2012 vom Veterinäramt des Landkreises Cuxhaven nachträglich nur noch mit „leicht“ (1 %) bewertet.

Die beiden letztgenannten Verstöße („S 52“ und „B 06“) wurden jeweils als Wiederholungsverstöße eingestuft und deshalb eine Verdreifachung des Sanktionssatzes vorgeschlagen.

Zur Umsetzung der sich aus den beiden Vor-Ort-Kontrollen, insbesondere der vom 23. November 2011, aus Sicht der Beklagten ergebenden CC-Verstöße nahm sie nach Anhörung der Klägerin mit ihrem hier streitigen Bescheid vom 25. April 2012 ihre o.a. Bewilligungsbescheide vom 17. Dezember 2010 und 15. Dezember 2011 jeweils teilweise zurück, und zwar in Höhe eines Betrages von 2.371,81 EUR für das Jahr 2010 und in Höhe von 35.518,70 EUR für das Jahr 2011, und forderte von der Klägerin den Gesamtbetrag von 37.890,51 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 167,06 EUR zurück, wobei 10,46 EUR der Zinsforderung auf die Rückforderung für das Jahr 2010 entfallen.

Zur Begründung für die auf das Jahr 2011 bezogene nachträgliche Kürzung führte die Beklagte aus, dass bei der Berechnung der Betriebsprämie 2011 in dem Bewilligungsbescheid vom 15. Dezember 2011 die Ergebnisse der Vor-Ort-Kontrolle vom 23. November 2011 noch keine Berücksichtigung hätten finden können, da sie erst am 4. März 2012 „im Programm erfasst“ worden seien. Die nachträgliche Berücksichtigung der Ergebnisse führe zu einer CC-Kürzung um 15 % - entsprechend 35.518,70 EUR -, die sich wie folgt zusammensetze:

Rechtsakt

Bewertung VOK 2011

Ergebnis
2011

S 52: Wasserversorgung Schweine

1 %     

Wiederholungsverstoß x 3 = 3 %

B 01: Personal

3 %     

Wertung als ein Verstoß = 3 %

B 05: Maßnahmen kranke Tiere

3 %     

B 06: Hinzuziehen Tierarzt

3 %     

Wiederholungsverstoß x 3 = 9 %

Vertrauensschutz nach Art. 80 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr.  H. stehe der Teilrücknahme und Teilrückforderung in dieser Höhe nicht entgegen.

Die Klägerin hat am 15. Mai 2012 Klage erhoben mit dem Begehren, den Teilrücknahme- und Teilrückforderungsbescheid der Beklagten vom 25. April 2012 im Umfang von 30.787,00 EUR aufzuheben, d.h. sie hat bezogen auf das Jahr 2011 eine Kürzung um 3 % entsprechend einem Betrag von 7.103,74 EUR akzeptiert.

Mit Bescheid vom 18. Juli 2012 hat die Beklagte ihren Bescheid vom 25. April 2012 hinsichtlich der teilweisen Rücknahme und Rückforderung für das Prämienjahr 2010 aufgehoben, d.h. in Höhe eines Betrages von 2.371,81 EUR (sinngemäß zzgl. anteiliger Zinsen). Die Beteiligten haben den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Zur Begründung ihrer Klage, die sich somit nur noch gegen die Kürzung der Betriebsprämie 2011 richtet, die über 3 % für das Jahr 2011 hinausgeht, hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie ihre zwei Schweine nur zur Deckung des Eigenbedarfs, wenn nicht gar nur hobbymäßig halte und insoweit die Richtlinie 2008/120/EG über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen, gegen die sie verstoßen haben solle, unanwendbar sei. Im Übrigen seien ihre Schweine ausreichend mit Wasser versorgt worden. Ebenso wenig sei eine Kürzung um 3 % wegen eines vermeintlich unzureichenden Personalbestandes gerechtfertigt.

Weiterhin erhebe die Beklagte zu Unrecht den Vorwurf, sie habe drei Rinder nicht ordnungsgemäß tierärztlich versorgen lassen und dadurch einen (wiederholten) CC-Verstoß begangen. Dazu ist mit Schriftsatz vom 30. Juli 2012 näher vorgetragen worden:

Das Jungtier mit der Ohrmarkennummer (=OM-Nr.) DE 03 540 299 31 sei mit einem steifen Gelenk zur Welt gekommen und anfangs in einer Abtrennung gehalten worden. Danach sei es mit dem Defekt gut zurechtgekommen, so dass eine Eingruppierung in eine um ca. ein halbes Jahr jüngere Gruppe erfolgt sei. Eine weitere Behandlung durch einen Tierarzt sei nicht erforderlich gewesen. Der Defekt sei nicht kurierbar gewesen. Anzeichen dafür, dass das Tier starke Schmerzen litte, habe es nicht gegeben.

Die Schlachtfärse mit der OM-Nr. DE 03 525 259 14 habe sich auf dem Spaltenboden eine Verletzung zugezogen. Sie sei deshalb zunächst in einem separaten Krankenbereich untergebracht worden. Nachdem die Verletzung offensichtlich weitestgehend ausgeheilt gewesen sei, sei sie in eine kleinere Gruppe integriert worden. Von einer hochgradigen Lähmung könne hier nicht gesprochen werden.

Die Kuh mit der OM-Nr. DE 03 523 238 06  habe keinen Abszess, sondern lediglich eine großflächige Warze im Vorderbauchbereich gehabt, welche nach Rücksprache mit dem Hoftierarzt nicht operabel sei. Die Kuh sei zwar nicht in einem separaten, abgesperrten Bereich untergebracht worden, aber in den nur mit wenigen Tieren belegten Mastbereich integriert worden. Die Warze sei mit Heilerde behandelt worden und die weitere Entwicklung habe abgewartet werden sollen.

Der Vorwurf, dass sie es unterlassen habe, rechtzeitig einen Tierarzt bei Erkrankung bzw. Verletzung hinzuzuziehen, sei nicht weiter substantiiert worden. Zudem habe nach der Richtlinie 98/58/EG ein Tierarzt erst dann hinzugezogen werden müssen, wenn eine Versorgung durch den Tierhalter erfolglos geblieben sei.

Mit Schriftsatz vom 28. März 2013 hat die Klägerin ergänzend darauf verwiesen, dass sie mit dem Tierarzt I. J. am 29. Januar 2006 einen Betreuungsvertrag für ihren Tierbestand abgeschlossen habe. Danach sei Herr J. verpflichtet gewesen, von sich aus den gesamten Tierbestand regelmäßig zu untersuchen (vgl. Bl. 59 ff. Gerichtsakte). Am 8. Juli 2011 und 8. Januar 2012 sowie zwischenzeitlich hätten entsprechende Besuche stattgefunden. Soweit Herr J. nach einem Vermerk von Frau Dr.  F. vom 27. Januar 2012  bei einem Telefongespräch am selben Tag Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit einem Gesellschafter der Klägerin hinsichtlich der Behandlung lahmer Tiere eingeräumt haben solle, treffe dies nicht zu; der Vermerk sei zudem ohnehin unverwertbar. Vielmehr habe Herr J. am 3. April 2013 bestätigt, dass seine Zusammenarbeit mit „Herrn C.“ sehr gut sei (vgl. die Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung in erster Instanz, Bl. 101a Gerichtakte). Die von der Beklagten als Beiakte C im Parallelverfahren eingeführte CD u.a. mit Videoaufnahmen von den zwei o.a. lahmen Rindern sei unzureichend.

Sollten nach alledem im Bereich „Rinderhaltung“ überhaupt noch Verstöße verbleiben, so wären diese gemäß Art. 70 Abs. 6 Verordnung (EG) Nr. H. für die
Festsetzung der Kürzung als ein einziger Verstoß anzusehen. Gemäß Art. 71 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr.  H. sei zwar der für die erste Wiederholung festzusetzende Wert mit dem Dreifachen zu multiplizieren. Die demselben Bereich zuzuordnenden Verstöße dürften jedoch nicht mehr addiert werden. Im Übrigen „fehle für die VOK des Jahres 2010“, d.h. den von der Beklagten angenommenen Erstverstoß hinsichtlich der unterlassenen Hinzuziehung eines Tierarztes, „jegliche plausible Begründung“.

Die Klägerin hat beantragt,

den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 25. April 2012 in der Fassung ihres Änderungsbescheides vom 18. Juli 2012 im Umfange von 28.414,96 EUR aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ihre Annahme verteidigt, dass die Klägerin ihre zu Erwerbszwecken gehaltenen Schweine nicht ausreichend versorgt und über einen unzureichenden Personalbestand verfügt habe.

Hinsichtlich des Verstoßes im Bereich „Tierschutz Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere - Maßnahmen kranke/verletzte Tiere “ sei festzustellen, dass die Klägerin nicht in ausreichender Form Maßnahmen (Behandlung, Absonderung in geeignete Haltungseinrichtungen mit trockener und weicher Einstreu) getroffen habe, um den Zustand der kranken/verletzten drei Rinder zu verbessern. Die Regeleinstufung für diesen fahrlässigen Verstoß betrage nach dem Prüferleitfaden 3 %.

Ausweislich der Ausführungen der Prüferin und des o.a. Videomaterials sei davon auszugehen, dass es dem Jungtier mit der OM-Nr. DE 03 540 29931 nicht wohl ergangen sei. Dem Tier sei es nur mit großer Anstrengung möglich gewesen, aufzustehen und sich fortzubewegen. Es hätte ein Tierarzt herangezogen werden müssen, um zu beurteilen, ob der „Defekt“ heilbar sei oder nicht und Verbesserungsmöglichkeiten bestehen. Sowohl nach Aussage der Klägerin als auch des Hoftierarztes sei das Jungrind dem Tierarzt jedoch nicht vorgestellt worden.

Bei der Schlachtfärse mit der OM-Nr. DE 03 525 25914  könne von einer hochgradigen Lahmheit ausgegangen werden, denn ausweislich des Videomaterials werde das betroffene Bein nicht belastet. Das Tier hätte weiterhin in einem separaten Krankenbereich untergebracht und einem Tierarzt vorgestellt werden müssen, wenn sich sein Zustand nicht rasch gebessert hätte.

Bei der Kuh mit der OM-Nr. DE J 03523 23806 habe die Umfangsvermehrung (Abszess) nach Auskunft des Hoftierarztes bereits im Sommer 2011 bestanden. Im Rahmen der Bestandsimpfung sei der Tierarzt J. von der Klägerin lediglich befragt worden, ob der Abszess mit einer sog. schwarzen Salbe behandelt werden könne. Danach sei der Tierarzt nicht weiter hinzugezogen worden. Der Abszess habe sich anscheinend bis zur Kontrolle im November 2011 verschlimmert. Auch hier hätte das Tier separat untergebracht werden müssen, um eine größere Verletzung durch andere Rinder zu verhindern.

Der Kontrollpunkt „Tierschutz Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere - Hinzuziehen Tierarzt“ - sei eine Fortführung des oben genannten Kontrollpunktes. Die Klägerin habe zunächst nicht die nötigen Maßnahmen ergriffen, um den Gesundheitszustand der Tiere eigenhändig zu verbessern. Darüber hinaus sei es mindestens in den drei geschilderten Fällen geboten gewesen, die kranken Tiere dem Tierarzt vorzustellen. Es stehe fest, dass die in Rede stehenden Tiere nicht dem Tierarzt vorgestellt worden seien. Die Klägerin könne sich auch nicht auf den Betreuungsvertrag mit dem Tierarzt zurückziehen. Dieser Betreuungsvertrag schließe nicht die streitige Verpflichtung des Tierarztes ein, einzelne Tiere ohne Aufforderung durch den Tierhalter zu untersuchen und zu behandeln.

Die von der Klägerin vermissten konkreten Ausführungen zum Erstverstoß „B 06 Hinzuziehen Tierarzt“ fänden sich auf den Seiten 290, 302 und 303 des Verwaltungsvorgangs. Danach sei schon im Jahr 2010 bei zwei Bullen mit hochgradiger Lahmheit kein Tierarzt hinzugezogen worden.

Im Jahr 2011 seien somit zwei (erste) Wiederholungsverstöße - bezogen auf die Codes „S 52“ und „B 06“ - und zwei erstmalige Verstöße - bezogen auf die Codes „B 01“ und „B 05“ - festgestellt worden. Der für einen wiederholten Verstoß festgesetzte Prozentsatz sei nach Art. 71 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr.  H. bei der ersten Wiederholung jeweils mit dem Faktor drei zu multiplizieren. Danach ergäben sich folgende Zwischenergebnisse:

Rechtsakt

Bewertung VOK 2010

Bewertung VOK 2011

Ergebnis
2011

S 52: Wasserversorgung Schweine

3 %     

1 %     

3 % (1 % x 3)

B 01: Personal

-       

3 %     

3 %     

B 05: Maßnahmen kranke Tiere

-       

3 %     

3 %     

B 06: Hinzuziehen Tierarzt

3 %     

3 %     

9 % (3 % x 3)

Da gemäß Art. 70 Abs. 6 Verordnung (EG) Nr. H. mehrere Verstöße innerhalb eines Jahres in einem Bereich - hier: Tierschutz - als ein Verstoß gewertet würden, würden vorliegend die beiden Erstverstöße bezogen auf die Codes „B 01“ und „B 05“  als ein Verstoß mit einem Kürzungssatz von 3 % gewertet. Komme es aber zu einem Zusammentreffen von einem fahrlässigen erstmaligen Verstoß und fahrlässigen Wiederholungsverstößen, seien nach Art. 71 Abs. 6 Verordnung (EG) Nr.  H. die sich ergebenden Kürzungsprozentsätze zu addieren, unabhängig davon, ob diese Verstöße innerhalb eines oder mehrerer Bereiche festgestellt worden seien. Die Ergebnisse der beiden Wiederholungsverstöße von 3 % und 9 % - bezogen auf die Codes „S 52“ und „B 06“ - seien daher zu dem Ergebnis des erstmaligen Verstoßes von 3 % - bezogen auf die Codes „B 01“ und „B 05“ - zu addieren. Damit ergebe sich für das Jahr 2011 ein Kürzungssatz von 15 %.

Daher habe eine Kürzung in dieser Höhe erfolgen müssen, und zwar durch die teilweise Rücknahme der Bewilligung der Betriebsprämie vom 15. Dezember 2011. Schutzwürdiges Vertrauen stehe der Rücknahme nicht entgegen. Denn den Gesellschaftern der Klägerin sei das Ergebnis der vorhergehenden „CC-Kontrolle“ vom 23. November 2011 beim Erlass des Bewilligungsbescheides im Dezember 2011 bekannt gewesen;  ihr als Bewilligungsbehörde sei das Ergebnis hingegen erst am 13. Dezember 2011  vom Landkreis Cuxhaven als zuständiger Veterinärbehörde bzw. die Korrektur erst am 4. März 2012 „in der Datenbank“ übersandt worden.

Das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer - hat mit Urteil vom 16. Mai 2013 zwei der drei streitigen Verstöße gegen jeweils CC-relevante tierschutzrechtliche Bestimmungen bestätigt. Erstens habe die Klägerin gegen § 26 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung (TierSchNutztV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 2006 (BGBl. I S. 2043), zuletzt geändert durch Verordnung vom 1. Oktober 2009 (BGBl. I S. 3223), verstoßen; den zwei von ihr gehaltenen Schweinen habe zum Zeitpunkt der Vor-Ort-Kontrolle kein Frischwasser zur Verfügung gestanden. Zweitens habe die Klägerin § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TierSchNutztV missachtet. Für die Fütterung und Pflege ihrer Nutztiere, insbesondere die Rinder, habe länger andauernd kein ausreichendes qualifiziertes Personal zur Verfügung gestanden. Diese Schlussfolgerung lasse sich aus dem schlechten Reinigungszustand von Rinderställen der Klägerin sowie aus dem allgemein schlechten Gesundheitszustand der dortigen Rinder mit übermäßigem Klauenwuchs und dem Auftreten von „Mortellaro“, einer Zehenhautentzündung des Rindes, ziehen.

Hingegen habe die Klägerin bei der Versorgung ihrer Rinder nicht gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 TierSchNutztV verstoßen. Die Klägerin habe kranke und verletzte Tiere in ihrem Betrieb hinreichend versorgt bzw. behandeln lassen. Ihr Hoftierarzt J. habe insbesondere die drei in Rede stehenden Rinder in Augenschein genommen. Bei den beiden lahmen Rindern sei eine Behandlung nicht erforderlich bzw. möglich gewesen. Ab einem bestimmten Gewicht müssten die Tiere euthanasiert werden. Auch die Kuh mit dem Abszess bzw. der Warze habe er in Augenschein genommen. Seine Überwachungstätigkeit habe er nicht näher dokumentieren müssen.

Für die beiden anerkannten Verstöße ergebe sich ein CC-Kürzungssatz von zusammen 6 % (statt 15 %). Die unzureichende Wasserversorgung sei bereits im Vorjahr beanstandet worden. Es handele sich also um einen wiederholten Verstoß, der mit dem dreifachen Wert für den einzelnen - hier zuletzt bereits von der Beklagten als ge-ringfügig eingestuften - Verstoß, also mit 3 x 1 %, zu ahnden sei. Zu addieren seien weitere 3 % für den „normalen“ fahrlässigen Erstverstoß hinsichtlich der unzureichenden Personalausstattung des Betriebs. Die darüber hinausgehende Kürzung um weitere 9 % sei hingegen rechtswidrig.

Gegen dieses Urteil haben beide Beteiligte einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Mit Beschluss vom 14. August 2014 - 10 LA 54/13 - hat der Senat den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt, soweit ihre Klage abgewiesen worden ist. Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat die Berufung zugelassen, soweit das Verwaltungsgericht der Anfechtungsklage stattgegeben hat. Zur Begründung für die Zulassung der Berufung hat der Senat ausgeführt:

„Das Verwaltungsgericht hat einen zusätzlichen von der Beklagten geltend gemachten, als Wiederholungsverstoß mit einem Kürzungssatz von weiteren 9 % bewerteten, CC-relevanten Verstoß gegen Ziffer 4 Satz 1 des Anhangs der Richtlinie 98/58/EG, umgesetzt in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 TierSchNutztV, verneint. Die insoweit streitigen drei Rinder seien ordnungsgemäß versorgt und auch vom Tierarzt Torz in Augenschein genommen worden. Er habe sich die beiden lahmenden Rinder angesehen und sei zu dem Schluss gekommen, dass eine Behandlung nicht erforderlich bzw. nicht möglich sei. Ab einem bestimmten Gewicht müsse eine Euthanasie erfolgen. Auch die Kuh mit der Warze bzw. dem Abszess habe er in Augenschein genommen.

Die Beklagte verweist jedoch zu Recht darauf, dass sich das Verwaltungsgericht nicht mit den gegenteiligen Angaben der beamteten Tierärztin Dr. Pfeiffer auseinandergesetzt hat, wonach der Gesellschafter B. N. nach eigenen Angaben die drei Rinder nicht dem Hoftierarzt Torz vorgestellt habe. Darüber hinaus fehlen jedenfalls notwendige Feststellungen zu den Zeitpunkten, zu denen Herr Torz die Rinder in Augenschein genommen haben soll. Dies ist aber erforderlich, weil sich die in den o.a. Normen geregelte Pflicht zur angemessenen gesundheitlichen Versorgung der Nutztiere nicht in einem einmaligen Verhalten erschöpft; bei Anzeichen von Verschlechterung ist vielmehr ggf. erneut ein Tierarzt zu konsultieren. Solche deutlichen Zeichen einer behandlungsbedürftigen Lahmheit haben die beamteten Tierärztinnen bei zwei Rindern festgestellt und u.a. auf der CD dokumentiert. Die vom Verwaltungsgericht wiedergegebene Aussage von Herrn J., die Tiere müssten ggf. ab einem bestimmten Gewicht getötet werden, schließt ein, dass sich ihr Gesundheitszustand mutmaßlich verschlechtert, und rechtfertigt deshalb keinen generellen Verzicht auf eine weitere tierärztliche Behandlung bis zum Tod.“

Hinsichtlich der von der Klägerin beanstandeten Addition des mit 3 % bewerteten Erst- und des ebenfalls mit 3 % bewerteten Wiederholungsverstoßes hat der Senat zum Verhältnis von Art. 70 Abs. 6 und 71 Abs. 6 Verordnung (EG) Nr. H. weiter ausgeführt:

Art. 71 Abs. 6 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 enthält schon dem Wortlaut nach nicht den von der Klägerin geltend gemachten einschränkenden Halbsatz, „soweit es sich nicht um Verstöße desselben Bereichs der anderweitigen Verpflichtungen handelt“. Eine solche Einschränkung lässt sich im Wege der systematischen Auslegung auch nicht Art. 70 Abs. 6 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 entnehmen. Denn danach gelten mehrere Verstöße desselben Bereichs der anderweitigen Verpflichtungen gerade nicht allgemein, sondern nur in den Fällen des Art. 71 Abs. 1 und 72 Abs. 1 der Verordnung als ein einziger Verstoß. Schließlich drängt sich kein Grund auf, die Privilegierung des Art. 70 Abs. 6 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 über ihren Wortlaut hinaus auf die Fälle des Art. 71 Abs. 6 auszudehnen.

Die Beklagte hat ihre Berufung am 15. September 2014 begründet. Die Klägerin habe am 23. November 2011 auch gegen Ziffer 4 Satz 1 Halbs. 2 des Anhangs der Richtlinie 98/58/EG, umgesetzt in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchNutztV verstoßen, indem sie die drei o. a. Rinder trotz Behandlungs- bzw. Vorstellungsnotwendigkeit nicht tierärztlich habe untersuchen lassen. Dass dies durch Herrn J. geschehen sei, werde bestritten, zumal dazu weder Unterlagen vorgelegt noch eine Diagnose und Prognose bezeichnet worden seien. Für eine Feststellung durch Herrn J. im Rahmen seiner routinemäßen normalen Praxistätigkeit sei der klägerische Betrieb mit Rinderhaltung an drei Standorten viel zu groß. Außerdem müsse der schlechte Gesamteindruck des Betriebes berücksichtigt werden. Die drei Prüferinnen des Landkreises Cuxhaven hätten auch bei weiteren Tieren, begünstigt durch die tiefe, feuchte Mistschicht, leichte bis mittelgradige Lahmheiten festgestellt.

Die Kürzung sei auch nicht in Anwendung des Günstigkeitsprinzips nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EG/EURATOM) zu vermindern. Die neuen Sanktionsregelungen bei CC-Verstößen seien in der Verordnung (EU) Nr. K. sowie ergänzend in der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 und zusätzlich in dem - von der Klägerin übersehenen - Art. 74 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. L. enthalten. Die letztgenannte Norm entspreche den zuvor geltenden Regelungen in Art. 71 Verordnung (EG) Nr.  H..

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 6. Kammer - vom 16. Mai 2013 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie bestreitet weiterhin, im November 2011 zu Unrecht keinen Tierarzt hinzugezogen zu haben. Vielmehr seien nach den nachgereichten Unterlagen in diesem Monat sowohl die Schlachtfärse mit der OM-Nr. DE 03 525 25914 als auch die Kuh mit der OM-Nr. DE 03 523 23806  von Herrn M. bzw. Herrn J. tierärztlich untersucht und behandelt worden; eine Untersuchung des Rindes mit der OM-Nr. DE 03 540 29931 sei nicht erforderlich gewesen. Zwar ließen die Unterlagen keine eindeutige Zuordnung des jeweils behandelten Rindes anhand der Ohrmarkennummer zu. Dies sei aber weder vorgeschrieben noch üblich gewesen. Ihre Aufzeichnungen über tiermedizinische Behandlungen seien dementsprechend bei der Vor-Ort-Kontrolle von den Kreisveterinärinnen auch nicht beanstandet worden.

Unabhängig hiervon handele es jedenfalls nicht um einen Wiederholungsverstoß i. S. d. Art. 47, 71 Verordnung (EG) Nr. H.. Dazu müsse der Betroffene auf den Erstverstoß hingewiesen worden sein. Ein solcher Hinweis sei dem ihr für das Jahr 2010 übersandten Prüfprotokoll nicht zu entnehmen und auch nicht erteilt worden.

Eine Kürzung über die bereits bestandskräftigen 6 % hinaus sei schon deshalb für das Jahr 2011 ausgeschlossen.

Bei der Bewertung eines unterstellten Verstoßes müsse zudem zu ihren Gunsten berücksichtigt werden, dass sie eine Vielzahl von Rindern halte bzw. im Jahr 2011 gehalten habe und sich der Vorwurf nicht bestätigt habe, sie würde generell unzureichend mit dem Hoftierarzt zusammenarbeiten.

Einer weitergehenden Kürzung als mit 6 % stehe schließlich das Günstigkeitsprinzip nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EG/EURATOM) Nr. 2988/95 entgegen. Denn Art. 71 Abs. 4 und 6 Verordnung (EG) Nr.  H. entsprechende Regelungen über die Addition bei mehreren Verstößen seien weder in  der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 noch in der Delegierten Verordnung (EU) Nr.  N. (Art. 39) enthalten; danach sei selbst bei Annahme eines Wiederholungsverstoßes allenfalls eine Kürzung um maximal 9 % möglich.

Der Senat hat durch den Berichterstatter am 3. Dezember 2015 Beweis durch die Vernehmung von Frau Dr. G. und Herrn J. jeweils als sachverständige Zeugen erhoben; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll und das ergänzende Schreiben von Herrn J. vom 20. Januar 2016 nebst Anlage Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte in diesem und im Parallelverfahren 10 LB 69/14 sowie die jeweiligen Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist von den ursprünglich für die Jahre 2010 und 2011 zzgl. Zinsen zurückzuzahlenden 37.890,51 EUR „nur“ noch die Teilrücknahme und die verzinste Teilrückforderung der Betriebsprämie für das Jahr 2011 und auch insoweit nur noch in der über einen Betrag von 14.207,48 EUR hinausgehenden Höhe von 21.311,22 EUR zzgl. Zinsen.

Die in dem ursprünglichen Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2011 enthaltene Teilrücknahme und Rückforderung in Höhe von 2.371,81 EUR für das Jahr 2010 ist durch den Änderungsbescheid der Beklagten vom 18. Juli 2012 aufgehoben worden; die Aufhebung schließt sinngemäß auch auf die hierauf bezogene Zinsforderung in Höhe von 10,46 EUR ein. Insoweit ist der Rechtsstreit bereits in erster Instanz übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt und sind der Beklagten die Kosten auferlegt worden.

Von den für das Jahr 2011 zurückgenommenen und -geforderten 35.518,70 EUR ist ein erster Teilbetrag von 7.103,74 EUR bestandskräftig geworden, weil die Klägerin insoweit keine Anfechtungsklage erhoben, sondern die entsprechende Kürzung von 3 % akzeptiert hat.

Ein weiterer Teilbetrag in gleicher Höhe (entsprechend einer Kürzung von nochmals 3 %, also zusammen 6 %) ist dadurch bestandskräftig geworden, dass das Verwaltungsgericht durch sein Urteil vom 16. Mai 2013 die Anfechtungsklage insoweit abgewiesen und der Senat mit Beschluss vom 14. August 2014 den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt hat.

Es verbleibt somit als Streitgegenstand des Berufungsverfahrens die Berechtigung der nachträglichen Kürzung der Betriebsprämie des Jahres 2011 um weitere 9 % (1), und zwar wegen der fahrlässig unterbliebenen Hinzuziehung eines Tierarztes als wiederholtem CC-Verstoß, sowie die Rückforderung des daraus folgenden Betrages von 21.311,22 EUR zzgl. Zinsen (2).

Die hierauf bezogenen Teilregelungen in dem Bescheid der Beklagten vom 25. April 2012 i. d. F. vom 18. Juli 2012 sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, so dass auf die Berufung der Beklagten das insoweit der Anfechtungsklage entsprechende Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen ist.

1. Rechtsgrundlage für die Teilrücknahme der Betriebsprämie ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa Senatsbeschl. v. 8.5.2015 - 10 LA 3/14 - S. 7, Senatsurt. v. 20.5.2014 - 10 LB 206/11 - S. 14/25 sowie dazu BVerwG, Beschl. v. 16.4.2015 - 3 B 43/14 - juris, und Senatsurt. v. 19.11.2013 - 10 LB 57/12 -, S. 10, 20, Leitsatz 3, sowie dazu BVerwG, Urt. v. 1.10.2014 - 3 C 31/13 -, juris) § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG in der durch Art. 80 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 modifizierten Fassung, d.h. die Rücknahme ist zwingend, soweit die Bewilligung rechtswidrig ist (a) und ihrer Rücknahme kein nach Art. 80 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 schutzwürdiges Vertrauen des Begünstigten entgegensteht (b). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

a) Die Bewilligung der Betriebsprämie 2011 in der ursprünglichen Höhe war rechtswidrig, weil die Klägerin im Jahr 2011 einen bei der Bewilligung noch unberücksichtigten fahrlässigen CC-Verstoß begangen hat (aa), der für sich genommen zunächst mit einem Kürzungssatz von 3 % zu bewerten ist (bb). Da es sich jedoch um einen Wiederholungsfall handelte, war der Kürzungssatz zu verdreifachen (cc) und dieser Kürzungssatz von 9 % mit der o.a. Kürzung von 6 % zu addieren (dd);  aus dem Günstigkeitsprinzip ergibt sich keine Minderung der Kürzung (ee).

aa) Art. 23 Abs. 1 UAbs. 1 Verordnung (EG) Nr. 73/2009 bestimmt:

„Werden die Grundanforderungen an die Betriebsführung in einem bestimmten Kalenderjahr zu irgendeinem Zeitpunkt nicht erfüllt, und ist dieser Verstoß das Ergebnis einer Handlung oder Unterlassung, die unmittelbar dem Betriebsinhaber anzulasten ist, der den Beihilfeantrag in dem betreffenden Kalenderjahr gestellt hat, so wird der Gesamtbetrag der Direktzahlungen … nach den Durchführungsbestimmungen gemäß Art. 24 VO (EG) Nr. 73/2009 gekürzt oder gestrichen.“

Welche Grundanforderungen damit gemeint sind, ergibt sich allgemein aus den Art. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. E. sowie speziell aus dem zur Konkretisierung der Anforderungen in Bezug genommenen Anhang II der Verordnung, der hinsichtlich des hier betroffenen Bereichs des Tierschutzes unter der laufenden Nummer 18 auf die Richtlinie 98/58/EG über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere weiterverweist.

Nach Ziffer 4 Satz 1 des Anhangs dieser Richtlinie 98/58/EG muss ein Tier unverzüglich ordnungsgemäß versorgt werden, wenn es Anzeichen einer Krankheit oder
Verletzung aufweist; spricht ein Tier auf diese Maßnahme nicht an, so ist so rasch wie möglich ein Tierarzt hinzuzuziehen.

Da Richtlinien nicht unmittelbar zu Lasten eines Betroffenen gelten, sondern insoweit der Umsetzung in nationales Recht bedürfen, ist zur abschließenden Bestimmung der einzuhaltenden Grundanforderungen an die Betriebsführung - hier im Bereich des Tierschutzes - auf die Vorschriften des nationalen Rechts abzustellen, soweit sie die in den Anhängen genannten Richtlinienbestimmungen umsetzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.9.2013 - 3 C 25/12 -, juris, sowie Senatsbeschl. v. 8.5.2015 - 10 LA 3/14 - S. 3, m. w. N.).

Hinsichtlich der o.a. Regelung in Ziffer 4 Satz 1 des Anhangs der Richtlinie 98/58/EG  erfolgte die Umsetzung in nationales Recht durch § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchNutztV (vgl. BR-Drs. 317/01, S. 17), und zwar hier in der im Zeitpunkt des in Rede stehenden Verstoßes im November 2011 geltenden Fassung der Verordnung vom 1. Oktober 2009 (BGBl. I S. 3223). Danach galt:

 „wer Nutztiere hält, hat sicherzustellen, dass soweit erforderlich, unverzüglich Maßnahmen für die Behandlung, Absonderung in geeignete Haltungseinrichtungen mit trockener und weicher Einstreu oder Unterlage oder die Tötung kranker oder verletzter Tiere ergriffen werden sowie ein Tierarzt hinzugezogen wird (Nr. 3).“

Gegen die Pflicht zur Hinzuziehung eines Tierarztes, soweit erforderlich, hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die durch ihre Gesellschafter vertretene Klägerin jedenfalls bezüglich der beiden Rinder mit den Ohrmarkennummern DE 03 540 29931 (= 31) und DE 03 525 25914 (= 14) verstoßen.

Denn beide Rinder litten unter hochgradiger Lahmheit, die einer tierärztlichen Abklärung bedurfte, um zu beurteilen, ob und welcher Behandlung das Tier bedarf und ob es ggf. umgehend euthanasiert werden muss.

Für das Rind Nr. 31 hat dies bei seiner Vernehmung als sachverständiger Zeuge auch Herr J. ausdrücklich bestätigt (vgl. S. 6 Abs. 5 des Protokolls). Soweit er hinsichtlich des Rindes Nr. 14 nach dem Video nur von einer gering gradigen Lahmheit ausgegangen ist, hatte er das Rind anders als die drei Tierärztinnen des Landkreises Cuxhaven am Tag der Kontrolle, d. h. am 23. November 2011, nicht gesehen und konnte seine Bewegungseinschränkungen daher nicht abschließend beurteilen. Unabhängig von dem Grad der Lahmheit hat er aber ebenfalls die Einschätzung der Amtstierärztinnen geteilt, dass es sich um einen tierärztlich abzuklärenden Befund handelt (vgl. S. 6 letzter Absatz).

Die demnach notwendige tierärztliche Untersuchung ist jedoch nicht erfolgt. Herr J. als „Hoftierarzt“ der Klägerin hat sich bei seiner Vernehmung an beide Tiere nicht erinnern können und sie nach seinen Angaben (S. 6 oben des Protokolls) jedenfalls in der Woche des 23. November 2011 auch nicht untersucht oder behandelt. Wenn sie davor behandelt, d.h. mit Arzneimittel versorgt, worden seien, hätte es nach seinen weiteren Angaben einen Beleg darüber gegeben (vgl. S. 7 vorletzter Absatz des Protokolls); ein solcher liegt nicht vor. Die in der Anlage zu seinem Schreiben vom 20. Januar 2016 nachgereichten Bescheinigungen beziehen sich nicht erkennbar auf die beiden o.a. Rinder, sondern allenfalls auf das dritte, an einem Abszess leidende. Dies hat Herr J. selbst so ausgeführt, indem er in seinem Schreiben vom 20. Januar 2016 darauf hingewiesen hat, dass die Ohrmarkenendnummer des am 9. November 2011 mit einem Schmerzmittel behandelten Tieres wahrscheinlich „23806“ statt „23809“ gelautet habe. Diese Ohrmarkenendnummer trug aber das dritte, an einem Abszess leidende Tier, während die beiden „lahmen“ Rinder die o.a., anders lautenden Ohrmarkenendnummern aufwiesen. Nicht nur die laut dem nachgereichten Beleg mit den Endziffern „809“ grundlegend abweichende Ohrmarkennummer, sondern auch die dort angegebene Diagnose „Intoxikation“ sowie der behandelnde Tierarzt „O. M.“ sprechen im Übrigen entschieden gegen die Richtigkeit des Vorbringens der Vertreterin der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, am 9. November 2011 sei das Rind mit der Ohrmarkennummer „25914“ tierärztlich behandelt worden. Denn es ist zuvor - auch von der Klägerin selbst - nicht geltend gemacht worden, dass dieses Rind an einer Vergiftung gelitten habe und deshalb von Herrn M. tierärztlich behandelt worden sei. Vielmehr soll sich das Rind nach dem Vorbringen vom 30. Juli 2012 an einem Spaltenboden verletzt haben.

Dass Herr J. - wie sinngemäß vom Verwaltungsgericht angenommen worden ist - regelmäßig von sich aus ungezielt Rinder auf potentielle Krankheiten im Betrieb der Klägerin untersuche, hat er bei seiner Vernehmung als sachverständiger Zeuge glaubhaft verneint (S. 7 Abs. 6 des Protokolls).

Damit verbliebe allenfalls noch die Möglichkeit, dass Herr J. die beiden o.a. Rinder früher gesehen und nicht für behandlungsbedürftig erachtet habe. Dafür mangelt es aber an jedem Nachweis; zudem hätte es dann auch Nachkontrollen in angemessenen zeitlichen Abständen geben müssen.

Außerdem hat die Klägerin ursprünglich selbst nicht geltend gemacht, dass die Rinder mit den Ohrmarkenendnummern „31“ und „14“ einem Tierarzt vorgestellt worden seien. Das Jungtier Nr. „31“ sei vielmehr mit dem angeborenen steifen Gelenk „gut zurecht“ gekommen, die Schlachtfärse Nr. „14“ habe sich - wie dargelegt - eine Verletzung zugezogen, die weitgehend ausgeheilt sei.

Die vom Verwaltungsgericht im Urteil wiedergegebenen Angaben des Gesellschafters A. C. der Klägerin in der mündlichen Verhandlung (in erster Instanz),

Herr J. sei nach Vorstellung der beiden Rinder zu dem Schluss gekommen, dass eine Behandlung nicht erforderlich bzw. nicht möglich sei; wenn die Tiere ein bestimmtes Gewicht erreicht hätten, müsse eine Euthanasie erfolgen,

stehen somit schon im Widerspruch zu den eigenen vorherigen und teilweise nachträglichen Angaben der Klägerin, sind - wie dargelegt - auch von Herrn J. nicht bestätigt worden und überzeugen daher nicht. Im Übrigen bliebe andernfalls offen, wann auf Grund welcher Kontrolle über die Euthanasie hätte entschieden werden sollen.

Dass die Klägerin demnach „nur“ zur Untersuchung bzw. Behandlung von zwei Rindern aus ihrem mehr als 1.000 Tiere umfassenden Bestand im November 2011 keinen Tierarzt hingezogen hat und dass nach den Angaben von Herrn J. als sachverständigem Zeugen „Lahmheiten im Verhältnis zu der Betriebsgröße nicht als Problem anzusehen sind“ (S. 7 Abs. 3 des Protokolls) bzw. „der Gesamtbetrieb“ insoweit nicht „auffällig“ geworden ist (S. 8 Abs. 3 des Protokolls), ist für die Feststellung des Verstoßes „dem Grunde nach“ unerheblich. Gleiches gilt für den in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobenen Einwand, im Prüfbericht über die Vor-Ort-Kontrolle vom 23. November 2011 sei unter Ziffer 1.2.2.1 nicht das Fehlen von Aufzeichnungen über medizinische Behandlungen beanstandet worden. Diese Prüfziffer bezieht sich auf die hier nicht gegebene Fallgestaltung, dass eine tatsächlich erfolgte tierärztliche Versorgung oder Vergabe von Tierarzneimitteln nicht ausreichend dokumentiert worden ist.

bb) Dass die beiden o.a. Rinder im November 2011 keinem Tierarzt vorgestellt worden sind und insoweit gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchNutztV verstoßen worden ist, führt für sich genommen nach den folgenden Normen zu einer Kürzung von 3 %:

Welche Folgen ein demnach hier dem Grunde nach verwirklichter Verstoß gegen eine Grundanforderung i. S. d. Art. 23 Verordnung (EG) Nr. E. nach sich zieht, ergibt sich aus den - nach den Vorgaben des Art. 24 Verordnung (EG) Nr. E. erlassenen - Durchführungsbestimmungen zu dieser Norm. Dabei werden Schwere, Ausmaß, Dauer und Häufigkeit der Verstöße sowie die Kriterien nach den Absätzen 2, 3 und 4 des vorliegenden Artikels berücksichtigt. Bei Fahrlässigkeit beträgt die Kürzung höchstens 5 %, bei wiederholten Verstößen höchstens 15 % (Art. 24 Abs. 2 UAbs. 1 Verordnung (EG) Nr. E.). Bei vorsätzlichen Verstößen beträgt die Kürzung grundsätzlich nicht weniger als 20 % und kann bis zum vollständigen Ausschluss von einer oder mehreren Beihilferegelungen gehen und für ein oder mehrere Kalenderjahre gelten (Art. 24 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. E.). In hinreichend begründeten Fällen können die Mitgliedstaaten beschließen, keine Kürzung anzuwenden, wenn ein Verstoß nach Schwere, Ausmaß und Dauer als geringfügig anzusehen ist. Verstöße, die eine direkte Gefährdung der Gesundheit von Mensch oder Tier bedeuten, gelten jedoch nicht als geringfügig (Art. 24 Abs. 2 UAbs. 2 Verordnung (EG) NrP.).

Art. 71 Verordnung (EG) Nr. H. enthält die Durchführungsbestimmungen für die Anwendung von Kürzungen bei Fahrlässigkeit. Ist der festgestellte Verstoß auf Fahrlässigkeit des Betriebsinhabers zurückzuführen, so wird gemäß Art. 71 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr.  H. eine Kürzung vorgenommen. Diese Kürzung beläuft sich im Allgemeinen auf 3 % des Gesamtbetrags im Sinne von Art. 70 Abs. 8. Die Zahlstelle kann jedoch auf der Grundlage der Bewertung durch die zuständige Kontrollbehörde im bewertenden Teil des Kontrollberichts gemäß Art. 54 Abs. 1 c) beschließen, den genannten Prozentsatz entweder auf 1 % des Gesamtbetrages zu vermindern oder ihn auf 5 % zu erhöhen oder aber in den in Art. 54 Abs. 1 c) genannten Fällen, d.h., wenn die verletzte Norm einen Ermessensspielraum lässt, einen festgestellten Verstoß nicht weiter zu verfolgen, überhaupt keine Kürzung zu verhängen.

Hieran gemessen ist die aus dem Kontrollbericht des Landkreises Cuxhaven als zuständige (Veterinär-) Kontrollbehörde übernommene Einstufung eines fahrlässigen Regelverstoßes mit der Folge einer Kürzung um 3 % nicht zu beanstanden. Ein Sonderfall, der eine Einstufung als weniger schwerwiegend und damit eine Herabsetzung des Kürzungssatzes rechtfertigt, ist nicht gegeben.

Betroffen waren zwei Rinder, die nach ihren Symptomen schon länger lahmten und bei denen mangels tierärztlicher Untersuchung auch eine direkte Gefährdung für ihre Gesundheit nicht ausgeschlossen, sondern eher naheliegend war, so dass der Verstoß nicht als geringfügig oder sonst hinnehmbar zu qualifizieren ist. Zudem waren die Gesellschafter der Klägerin schon im Vorjahr auf die Verpflichtung hingewiesen worden, ihre Rinder bei Bedarf rechtzeitig einem Tierarzt vorzustellen - wie gerade bei hochgradiger Lahmheit. Ferner weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass auch die unzureichende Stallreinigung zumindest die Gefahr einer Erkrankung der Rinder erhöht hat. Da jedes Tier ordnungsgemäß zu versorgen ist, kann zu Gunsten der Klägerin nicht entscheidend ins Gewicht fallen, dass es im Übrigen bei der Vielzahl ihrer Rindern nicht zu vergleichbaren Problemen gekommen ist. Schließlich ist es nachvollziehbar, dass in einem so großen Betrieb wie dem der Klägerin immer wieder Krankheiten und Verletzungen von Rindern auftreten, die ggf. nicht sofort auffallen und behandelt werden können. Vorliegend war jedoch eine abweichende Fallgestaltung gegeben, da die beiden Rinder seit längerer Zeit lahmten, teilweise bereits ein Muskelabbau stattgefunden hatte und die - tierärztlich abzuklärenden - Beschwerden den Gesellschaftern der Klägerin nach eigenen Angaben aufgefallen waren, sie hierauf aber sorgfaltswidrig reagiert haben.

cc) Nach Art. 71 Abs. 5 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. H. wird, falls wiederholte Verstöße festgestellt wurden, der gemäß Abs. 1 des vorliegenden Artikels für den wiederholten Verstoß festgesetzte Prozentsatz bei der ersten Wiederholung mit dem Faktor drei multipliziert.

Der Begriff des „wiederholten Verstoßes“ ist in Art. 47 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr.  H. legal definiert. Darunter ist „die Nichteinhaltung derselben Anforderung, derselben Norm … mehr als einmal innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums von drei Kalenderjahren“ zu verstehen, „sofern der Betriebsinhaber auf den vorangegangenen Verstoß hingewiesen wurde und er je nach Fall die Möglichkeit hatte, die erforderlichen Maßnahmen zur Abstellung des vorangegangenen Verstoßes zu treffen.“

Diese Voraussetzungen für eine „Verdreifachung“ des Kürzungssatzes auf 9 % sind vorliegend gegeben. Denn bereits bei der Vor-Ort-Kontrolle am 2. November 2010 war beanstandet worden, dass die Klägerin zwei hochgradig lahme Bullen nicht tierärztlich habe untersuchen lassen. Auf diesen Verstoß sind die Gesellschafter nicht nur mündlich bei der Kontrolle selbst, sondern nachfolgend auch schriftlich durch den ihnen zur Kenntnisnahme und evtl. Stellungnahme übersandten Prüfbericht  hingewiesen worden, der in der Anlage 2 den zuvor wiedergegebenen Verstoß bezeichnete. Sie hatten damit die Möglichkeit, diesen Verstoß abzustellen. Der nunmehr in Rede stehende Verstoß betrifft dieselbe Norm und darüber hinaus sogar dieselben unaufgeklärt gebliebenen Symptome bei den von der Klägerin gehaltenen Rindern - hochgradige Lahmheit.

dd) Wird ein wiederholter (fahrlässiger) Verstoß zusammen mit einem anderen Verstoß oder einem anderen wiederholten Verstoß festgestellt, so werden die sich ergebenden Kürzungsprozentsätze nach Art. 71 Abs. 6 Satz 1 Verordnung (EG) Nr.  H. addiert.

Wie der Senat schon in seinem zuvor auszugsweise wiedergegebenen Beschluss über die teilweise Zulassung der Berufung vom 14. August 2014 ausgeführt hat,

„enthält Art. 71 Abs. 6 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 schon dem Wortlaut nach nicht den von der Klägerin geltend gemachten einschränkenden Halbsatz, „soweit es sich nicht um Verstöße desselben Bereichs der anderweitigen Verpflichtungen handelt“. Eine solche Einschränkung lässt sich im Wege der systematischen Auslegung auch nicht Art. 70 Abs. 6 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 entnehmen. Denn danach gelten mehrere Verstöße desselben Bereichs der anderweitigen Verpflichtungen gerade nicht allgemein, sondern nur in den Fällen des Art. 71 Abs. 1 und 72 Abs. 1 der Verordnung als ein einziger Verstoß. Schließlich drängt sich kein Grund auf, die Privilegierung des Art. 70 Abs. 6 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 über ihren Wortlaut hinaus auf die Fälle des Art. 71 Abs. 6 auszudehnen.“

Hieran wird mit der Ergänzung festgehalten, dass andernfalls auch die von der Klägerin sinngemäß ergänzte „Kollisionsregel“ mit dem Inhalt fehlte, beim Zusammentreffen eines fahrlässigen Erstverstoßes mit einem oder mehreren fahrlässigen Wiederholungsverstößen jeweils hinsichtlich desselben Bereichs der anderweitigen Verpflichtungen gelte der höchste Kürzungssatz für einen der Wiederholungs- oder Erstverstöße.

Auf die bereits bestandskräftige Kürzung von 6 % für einen teilweise „anderen“ und im Übrigen „einen anderen wiederholten“ Verstoß ist demnach zusätzlich die sich nach den vorherigen Ausführungen unter aa) bis cc) ergebende Kürzung von 9 % für einen (weiteren) wiederholten Verstoß zu addieren, so dass sich eine Gesamtkürzung von 15 % ergibt. Damit ist der Höchstprozentsatz für eine fahrlässige Kürzung nach Art. 71 Abs. 6 Satz 2 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 erreicht, aber nicht überschritten.

ee) Aus dem Günstigkeitsprinzip nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EG/Euratom) Nr. Q. folgt nicht, dass der Kürzungssatz herabzusetzen ist. Danach gelten bei späterer Änderung der in einer Gemeinschaftsregelung enthaltenen Bestimmungen über verwaltungsrechtliche Sanktionen die weniger strengen Bestimmungen rückwirkend.

Bei den zuvor angewandten Bestimmungen über die Kürzung u.a. der Betriebsprämie wegen CC-Verstößen handelt es zwar um Sanktionsregelungen. Die nachfolgend näher bezeichneten, ab dem Bewilligungsjahr 2015 geltenden Nachfolgebestimmungen über die Folgen von CC-Verstößen entsprechen jedoch - soweit hier erheblich - dem bisherigen Recht, sind also nicht „weniger streng“.

Die wichtigsten Regelungen finden sich nun in den Art. 91 bis 101 Verordnung (EU) Nr.  K., in den Art. 38 bis 42 Delegierte Verordnung (EU) Nr.  N. und den Art. 64 und 73 bis 75 Durchführungsverordnung (EU) Nr. L. (vgl. auch zum Folgenden: List, jurisPR-AgrarR 1/2016 Anm. 1 C sowie zur Abgrenzung von Durchführungsakten zu einer „delegierten“ Verordnung EuGH, Urt. v. 18.3.2014 - C-427/12- Rn. 36 ff.). Die Vorschriften zur Berechnung der Verwaltungssanktionen sind dabei zunächst in Art. 99 Verordnung (EU) Nr.  K. enthalten. Durch diese Regelung wird insbesondere festgelegt, dass sich die Kürzungen auf Grundlage der Kriterien Schwere, Ausmaß, Dauer und wiederholtes Auftreten von Verstößen berechnen. Dabei sind fahrlässige Verstöße - wie bisher - mit Kürzungen von höchstens 5 % bzw. im Wiederholungsfall von höchstens 15 % zu ahnden. Vorsätzliche Verstöße sollen nach dieser Vorschrift grundsätzlich mit nicht weniger als 20 % Kürzung geahndet werden. Weitere Vorgaben zur Definition der Begriffe „wiederholtes Auftreten“, „Ausmaß“, „Schwere“ und „Dauer“ und zur konkreten Berechnung und Anwendung von Verwaltungssanktionen bei Fahrlässigkeit und Vorsatz finden sich in den Art. 38 ff. Delegierte Verordnung (EU) Nr. N.. Im Detail ergeben sich weitere unionsrechtliche Normen zur Berechnung und Anwendung von Verwaltungssanktionen aus den Art. 73 ff. Durchführungsverordnung (EU) Nr. 809/2014.

Unverändert ist danach ein Verstoß gegen die Richtlinie 98/58/EG CC-relevant, und zwar nunmehr nach Art. 91 ff., Art. 93 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr.  K., GAB 13 des Anhangs II. In Art. 93 Abs. 2 Alt. 2 dieser Verordnung wird zugleich klargestellt, dass „die Grundanforderungen an die Betriebsführung im Falle von Richtlinien so gelten, wie sie von den Mitgliedstaaten umgesetzt wurden“.

Art. 39 Abs. 1 Satz 2 Delegierte Verordnung (EU) Nr. N. sieht - wie zuvor Art. 71 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr.  H. - bei einem fahrlässigen Verstoß „in der Regel“ eine in Kürzung um 3 % vor.

Außerdem ist der für die hier vorliegende Entscheidung maßgebliche Anstieg der Kürzungen im Wiederholungsfall (vgl. nunmehr die inhaltlich unveränderte Legaldefinition in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 Delegierte Verordnung (EU) NrR.) - d.h. die Erhöhung des eigentlich anzuwendenden Kürzungssatz um den Faktor 3 nach Art. 71 Abs. 5 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. H. - seit dem Jahr 2015 in Art. 39 Abs. 4 Satz 1 Delegierte Verordnung (EU) Nr.  N. festgelegt.

Schließlich entspricht Art. 74 Abs. 2 Durchführungsverordnung (EU) Nr. L.  dem o.a. Art. 71 Abs. 6 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 1122/2009. Denn auch weiterhin gilt, dass bei einem wiederholten fahrlässigen Verstoß zusammen mit einem anderen Verstoß oder einem anderen wiederholten Verstoß die sich ergebenden Kürzungsprozentsätze bis zu maximal 15 % addiert werden.

b) Nach Art. 80 Abs. 3 Verordnung (EG) NrS. gilt die Verpflichtung zur Rückzahlung nicht, wenn die Zahlung auf einen Irrtum der zuständigen Behörde oder einer anderen Behörde zurückzuführen ist, der vom Betriebsinhaber billigerweise nicht erkannt werden konnte. Diese Bestimmung regelt unionsrechtlich den ggf. einer Rücknahme entgegenstehenden Vertrauensschutz abschließend. Ein solcher Fall schutzwürdigen Vertrauens der Klägerin als „Betriebsinhaber“ ist hier jedoch nicht gegeben.

Dabei kann offen bleiben, ob die im Zeitpunkt der Bewilligung der Betriebsprämie am 15. Dezember 2011 unterbliebene Berücksichtigung der Ergebnisse der Vor-Ort-Kontrolle vom 23. November 2011 einen „Irrtum“ (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.12.2012 - 3 B 20/12 -) der Beklagten oder des Landkreises Cuxhaven als „anderer Behörde“ (vgl. Senatsbeschl. v. 8.5.2015 - 10 LA 63/14 -) darstellt.

Selbst wenn man hiervon zu Gunsten der Klägerin ausgeht, war dieser unterstellte Irrtum für sie jedenfalls „billigerweise“ zu erkennen (vgl. Senatsurt. v. 20.8.2013 - 10 LC 113/11 -, S. 17 f.). Denn ihr war aus dem Vorjahr bekannt, dass die Betriebsprämie bei im laufenden Kalenderjahr festgestellten CC-Verstößen gekürzt werde. Weiterhin war ihr bzw. ihren Gesellschaftern bekannt, dass am 23. November 2011 bei ihr erneut CC-relevante Verstöße festgestellt worden waren. Sie musste daher mit einer (erheblichen) Kürzung auch der Betriebsprämie 2011 rechnen. Dass eine solche Kürzung noch nicht erfolgt war, war der Anlage 5 zur Bewilligung zu entnehmen. Zusätzlich enthielt der Bewilligungsbescheid den allgemein gehaltenen Hinweis, dass eine „Rückforderung evtl. zuviel gezahlter Beträge insbesondere auch bei Überzahlungen aufgrund von Abweichungen erfolgt, die in diesem Bewilligungsbescheid noch nicht berücksichtigt werden konnten“.

Die „Verjährungsfrist“ von vier Jahren nach Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG/Euratom) Nr.  2988/95 für die Rückabwicklung ist gewahrt.

2. Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, fordert die Beklagte von der Klägerin zu Recht die Erstattung des zurück zu zahlenden Betrages in Höhe der  im Berufungsverfahren noch streitigen 21.311,22 EUR sowie die Verzinsung der Erstattungsforderung:

Denn „nach Art. 80 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1122/2009 ist der Betriebsinhaber bei zu Unrecht gezahlten Beträgen zur Rückzahlung dieser Beträge verpflichtet. Die Verpflichtung zur Rückzahlung ist auch nicht nach Art. 80 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1122/2009 ausgeschlossen (s. o.). Die zu erstattende Beträge werden gemäß § 10 Abs. 3 MOG durch Bescheid festgesetzt.

Die Pflicht zur Verzinsung des Erstattungsbetrags ergibt sich aus Art. 80 Abs. 1 und 2 VO (EG) Nr. 1122/2009 i. V. m. § 14 Abs. 1 Satz 1 MOG. Nach Art. 80 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1122/2009 ist der Betriebsinhaber bei zu Unrecht gezahlten Beträgen zur Rückzahlung dieser Beträge zuzüglich der gemäß Absatz 2 berechneten Zinsen verpflichtet. Nach Absatz 2 werden die Zinsen für den Zeitraum zwischen der im Rückforderungsbescheid an den Begünstigten angegebenen Zahlungsfrist, die nicht mehr als 60 Tage betragen sollte, und dem Zeitpunkt der tatsächlichen Rückzahlung bzw. des Abzuges berechnet. Der anzuwendende Zinssatz wird nach Maßgabe der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften festgesetzt, darf jedoch nicht niedriger sein als der bei der Rückforderung von Beträgen nach einzelstaatlichen Vorschriften geltende Zinssatz. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 MOG sind Ansprüche auf Erstattung von besonderen Vergünstigungen sowie auf Beträge, die wegen Nichteinhaltung anderweitiger Verpflichtungen zu erstatten sind, vom Zeitpunkt ihrer Entstehung an mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.“

Diesen Vorgaben, die ebenfalls nicht nachträglich zu Gunsten der Betroffenen „entschärft“ worden sind (vgl. Art. 7 Abs. 1 und 2 Durchführungsverordnung (EU) Nr.  L.), entspricht der Bescheid der Beklagten vom 25. April 2012 i. d. F. vom 18. Juli 2012. Darin wurde der Klägerin eine (kurze) Zahlungsfrist bis zum 30. April 2012 eingeräumt und bei einer unterstellten Rückzahlung bis zum 30. Mai 2012 unter Anwendung eines Zinssatzes von 5,12 % eine Zinsforderung (bezogen auf das Jahr 2011) von 156, 60 EUR ermittelt. Die Nacherhebung von Zinsen für den Fall der späteren Zahlung blieb vorbehalten.

3. Wie zutreffend in dem Bescheid vom 25. April 2012 ausgeführt worden ist, konnte der Erlass des Rücknahme- und Rückforderungsbescheides zwecks Wahrung von Fristen etwa des Art. 80 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. H. bzw. des Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG/Euratom) Nr.  Q. auch nicht zurückgestellt werden, bis über die Rechtsmittel der Klägerin gegen die bereits zuvor mit gleicher Begründung ergangenen Rückforderungsbescheide (hinsichtlich der Erschwernis- und Ausgleichszulage) entschieden worden war. Allenfalls kann aus verfahrensökonomischen Gründen ein nachfolgendes gerichtliches Verfahren zur Durchführung eines „Musterverfahrens“ ausgesetzt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, soweit die Klage teilweise bereits erstinstanzlich und im Übrigen auf die Berufung der Beklagten zweitinstanzlich abgewiesen worden ist, auf § 154 Abs. 2 VwGO, soweit der Zulassungsantrag der Klägerin abgelehnt worden ist, und auf § 161 Abs. 2 VwGO, soweit der Rechtsstreit bereits in erster Instanz in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist und der Beklagten insoweit die Kosten auferlegt worden sind. Nach § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO war daraus eine Gesamtkostenquote zu bilden. Sie beläuft sich auf - zu Gunsten der Klägerin gerundete - 19/20 zu 1/20 für beide Instanzen. Denn die Klägerin hat ursprünglich einen Rückforderungsbetrag von 30.787,- EUR angegriffen, wovon „nur“ ein Teilbetrag von 2.371,81 EUR in erster Instanz von der Beklagten aufgehoben worden ist. Ihre aufrechterhaltene Klage ist erstinstanzlich teilweise abgewiesen worden, und im Übrigen ist die Klägerin in zweiter Instanz bei einem anfänglichen Streitwert von 28.414,96 EUR sowie im Verhältnis zur ersten Instanz höheren Gerichtsgebühren vollständig unterlegen.