Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 29.11.2013, Az.: 4 LB 212/12

Kostenerstattung eines sierra-leonischen Staatsangehörigen bzgl. seiner Vorführung zur Identitätsklärung und Passbeschaffung bei einer aus Sierra Leone angereisten Delegation

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
29.11.2013
Aktenzeichen
4 LB 212/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 51057
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:1129.4LB212.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 08.04.2011 - AZ: 4 A 185/10

Redaktioneller Leitsatz

Eine Entscheidung ist rechtswidrig, wenn das Gericht den Sachverhalt in entscheidungserheblichen Punkten nicht hinreichend aufgeklärt hat.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Forderung der Beklagten, die Kosten seiner Vorführung zur Identitätsklärung und Passbeschaffung bei einer aus Sierra Leone angereisten Delegation zu erstatten, soweit die Beklagte Anhörungsgebühren gegen ihn geltend gemacht hat.

Der am 7. Oktober 1983 geborene Kläger ist sierra-leonischer Staatsangehöriger. Er reiste im Januar 2001 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag, den das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit bestandskräftigem Bescheid vom 26. Juni 2001 als offensichtlich unbegründet ablehnte. Außerdem stellte das Bundesamt fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG offensichtlich nicht und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen, forderte den Kläger zur Ausreise auf und drohte ihm die Abschiebung nach Sierra Leone an. Der Kläger wurde in der Folgezeit geduldet. Da er über keine Ausreisedokumente verfügte, wurde er zur Identitätsklärung und Passbeschaffung in Hamburg am 18. September 2008 gemeinsam mit weiteren Personen einer aus Sierra Leone angereisten Delegation vorgeführt, die seine sierra-leonische Staatsangehörigkeit bestätigte und ein Reisedokument ausstellte. Am 23 April 2009 erhielt der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, weil er Vater einer deutschen Tochter geworden war.

Die Beklagte forderte von dem Kläger mit Leistungsbescheid vom 25. Juni 2010, zugestellt am 30. Juni 2010, gestützt auf §§ 66 Abs. 1, 67 Abs. 1 und 3 AufenthG die Erstattung der Kosten seiner Vorführung am 18. September 2008 in Höhe von insgesamt 650,84 EUR. Davon entfiel ein Betrag von 178,34 EUR auf die "Anhörungsgebühren (Interview- und Dolmetscherkosten)". Mit Bescheid vom 8. Juli 2010 änderte die Beklagte ihren Leistungsbescheid vom 25. Juni 2010. Sie setzte die zu erstattenden Kosten auf 644,44 EUR mit der Begründung herab, dass die Interviewgebühren nicht 178,34 EUR, sondern richtigerweise 171,90 EUR betrügen.

Der Kläger hat gegen diese Bescheide am 30. Juli 2010 Klage erhoben und zur Begründung angeführt, dass die von der Beklagten geltend gemachten Kosten nicht nachvollziehbar seien. Dies gelte im Einzelnen für die Dolmetscherkosten, das Tagegeld für die Mitglieder der Delegation, deren Fahrtkosten, die Parkgebühren, die Tankquittungen, die Taxikosten, die Kosten des Rahmenprogramms, der Handyaufladungen, der Prepaid-Karte, des Arbeits- und Abschlussessens, der Mittags- und Tagesverpflegung, des Dienstsiegels und des Büromaterials, ferner für die Aufwendungen für Gastgeschenke und Krankenversicherungen, die Flugkosten, Hotelkosten sowie die Arztrechnung.

Der Kläger hat beantragt,

den Leistungsbescheid der Beklagten vom 25. Juni 2010 in der Fassung des Leistungsbescheides vom 8. Juli 2010 aufzuheben, soweit gegen ihn Anhörungsgebühren in Höhe von 154 EUR geltend gemacht werden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und zur Begründung ausgeführt, dass die Gesamtkosten der Anhörung ohne die Gebühr für die Ausstellung der Laissez Passer 49.264,48 EUR betragen hätten. Die einzelnen Positionen seien ihrer Kostenaufstellung zu entnehmen. Angehört worden seien insgesamt 161 Personen. Von den Gesamtkosten würden 48.649,24 EUR zu 69,56 % von der Europäischen Union getragen. Die verbleibenden Kosten in Höhe von 15.424,07 EUR seien auf die angehörten Personen umzulegen, so dass diese jeweils 95,80 EUR Anhörungskosten zu tragen hätten. Die Gebühr für die Ausstellung eines Laissez Passer betrage 250 EUR. Abzüglich der genannten Förderquote verbleibe für den Kläger noch ein Betrag von 76,10 EUR. Das Programm für die aus Sierra Leone angereiste Delegation, die im Unterschied zur Botschaft der Republik Sierra Leone autorisiert gewesen sei, die sierra-leonische Staatsangehörigkeit festzustellen und gültige Heimreisedokumente auszustellen, sei aus Kostengründen engmaschig geplant worden, um in kürzester Zeit möglichst viele Anhörungen durchführen zu können. Es sei zum einen auf möglichst geringe Kosten geachtet worden, zum anderen habe eine besondere Flexibilität im Ablauf der Maßnahme und bei den damit verbundenen Buchungen sichergestellt sein müssen. Bei der Buchung der Flugtickets hätten mögliche terminliche Verschiebungen und die Möglichkeit der Umbuchung ohne Kostenerhöhungen einkalkuliert werden müssen. Der Abschluss von Krankenversicherungen für die Teilnehmer ausländischer Delegationen sei obligatorisch für eine ordnungsgemäße Visaausstellung durch die zuständige Deutsche Botschaft. Die Mitglieder der Delegation, die Mitarbeiter des Bundespolizeipräsidiums und der Dolmetscher seien gemeinsam in geeigneten verkehrsgünstig gelegenen Hotels in Hamburg und in Karlsruhe untergebracht worden, um die intensive Betreuung der Delegation zu gewährleisten. Den Mitgliedern der Delegation seien Tagegelder zu zahlen gewesen, deren Höhe sich an festgelegten europäischen Standards orientiert habe.

Mit Schriftsatz vom 6. April 2011 änderte die Beklagte ihren Leistungsbescheid vom 25. Juni 2010 in der Fassung ihres Änderungsbescheides vom 8. Juli 2010 dahingehend, dass "die Kosten der Passersatzbeschaffung auf 154 EUR festgesetzt" wurden. Zur Begründung führte die Beklagte an, dass nach einer Überprüfung die Tagegelder für die Mitglieder der Delegation (Belege Nr. 2 bis 6), die Kosten des Rahmenprogramms (Belege Nr. 13, 14, 20, 25, 37, 53b), des Dienstsiegels und des Büromaterials (Belege Nr. 21, 32), die Gastgeschenke (Belege Nr. 26, 28) und die Arztrechnung (Beleg Nr. 54) dem Kläger nicht mehr in Rechnung gestellt würden. Die in Rede stehende Anhörungsrunde habe in der Zeit vom 13. bis zum 25. September 2008 in Hamburg und Karlsruhe unter Beteiligung von bis zu fünf Mitgliedern der Delegation und verschiedenen Mitarbeitern der Bundespolizei stattgefunden. Die Teilnehmer der Anhörungsrunde hätten mobil sein müssen. Dafür hätten unterschiedliche Fortbewegungsmittel (PKW, Taxi, Zug und Flugzeug) benutzt werden müssen. Bei der Nutzung von Kraftfahrzeugen fielen auch Parkgebühren und Tankkosten an. Soweit die fehlende Benennung der Teilnehmer an der Verpflegung und der jeweiligen Nutzer der Fahrzeuge oder eine fehlende detaillierte Streckenführung gerügt werde, stelle sie anheim, Vertreter des Bundespolizeipräsidiums als Zeugen zu laden.

Der Kläger und die Beklagte haben den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, soweit die Beklagte die durch ihren Leistungsbescheid vom 25. Juni 2010 in der Fassung ihres Änderungsbescheides vom 8. Juli 2010 auf 171,90 EUR festgesetzten Anhörungsgebühren durch den weiteren Änderungsbescheid in der Gestalt ihres Schriftsatzes vom 6. April 2011 auf 154 EUR herabgesetzt hat.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 8. April 2011 beantragt, "zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger im September 2008 keinen ermächtigten Bediensteten des Staates Sierra Leone vorgeführt wurde, 1) den zuständigen Mitarbeiter des Bundespolizeipräsidiums Koblenz als Zeugen zu vernehmen, 2) den zuständigen Mitarbeiter des Konsulats der Republik Sierra Leone als Zeugen zu vernehmen." Diesen Beweisantrag hat das Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung ohne die Darlegung von Gründen in der Sitzungsniederschrift oder in den Entscheidungsgründen seines Urteils abgelehnt.

Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 8. April 2011 das Verfahren eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Klageabweisung hat das Verwaltungsgericht Folgendes ausgeführt:

"Im Übrigen ist die zulässige Klage nicht begründet. Der Leistungsbescheid vom 25. Juni 2010 i.d.F. des in der Fassung des Änderungsbescheides vom 08. Juli 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1VwGO). Wegen der Einzelheiten der Begründung verweist das Gericht zunächst gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf den angefochtenen Bescheid und macht sie sich zu Eigen. Ergänzend ist hinzuzufügen, dass der Kläger jahrelang schuldhaft seiner Pflicht, einen Pass vorzulegen, nicht nachgekommen ist und deshalb die auch in der Höhe berechtigten Aufwendungen der beteiligten Behörden für die Beschaffung eines Passes zu erstatten hat."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, die vom Senat durch Beschluss vom 16. August 2012 (4 LA 129/11) wegen des Verfahrensmangels eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO, soweit der Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung am 8. April 2011 abgelehnt worden ist, ohne dass Gründe hierfür in die Sitzungsniederschrift aufgenommen oder in den Entscheidungsgründen des Urteils dargelegt worden sind, zugelassen worden ist. Zu deren Begründung hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, dass die ihm auferlegten Kosten der Passersatzpapierbeschaffung nicht nachvollziehbar seien. Die Dolmetscherkosten gemäß dem Beleg Nr. 1 seien ohne Abrechnung gezahlt worden und deshalb nicht überprüfbar, weil nicht ersichtlich sei, nach welchem Tarif der Dolmetscher abgerechnet habe und wie viele Stunden er tätig gewesen sei. Die Fahrtkosten der Delegation (Belege Nr. 7 bis 9) seien nicht hinreichend nachgewiesen. Es sei unklar, wer von Bonn nach Hamburg und zurück bzw. von Hamburg nach Karlsruhe gefahren sei und warum die betreffenden Personen erster Klasse gefahren seien. Die Parkgebühren, die Tankquittungen (Belege Nr. 10, 11, 24, 36) und die geltend gemachten Taxikosten für einen Dolmetscher seien nicht hinreichend nachvollziehbar. Auf der Taxiquittung (Beleg Nr. 12) sei nicht angegeben wurden, wer von wo nach wo befördert worden sei. Die Kosten für die Handyaufladungen und die Prepaidkarte (Belege Nr. 15, 17, 40) seien nicht hinreichend nachgewiesen worden, da unklar sei, für wen hier Handys aufgeladen bzw. Prepaidkarten gekauft und ob diese tatsächlich im Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden Diensthandlung "leer telefoniert" worden seien. Die Kosten der Arbeits- bzw. Abschlussessen sowie der Mittagsverpflegung (Belege Nr. 31, 16, 18, 23, 35) seien nicht hinreichend nachgewiesen worden, da sich aus den vorgelegten Quittungen beispielsweise nicht ergebe, wer am Abend des 14. September 2008 an dem betreffenden Arbeitsessen (Beleg Nr. 16) und wer an dem Abendessen am 24. August 2008 (Beleg Nr. 31) teilgenommen habe, wobei die Delegation sich am 24. August 2008 noch gar nicht in Deutschland aufgehalten habe. Ebenfalls nicht nachvollziehbar sei, dass er mit Trinkgeldern belastet werde, die im Rahmen der Verköstigung in Karlsruhe und Frankfurt gegeben worden seien (Beleg Nr. 31). Es sei auch nicht ersichtlich, für wen und von wem die dem Kläger in Rechnung gestellten Reisekrankenversicherungen abgeschlossen worden seien (Beleg Nr. 27). Die Kosten für Taxifahrten nach den Belegen Nr. 33, 34 und 41 seien nicht ordnungsgemäß belegt, da unklar sei, wer hier von wo nach wo gefahren sei und was diese Fahrten mit der in Rede stehenden Passersatzpapierbeschaffung zu tun gehabt hätten. Dieser Zusammenhang sei auch völlig unklar hinsichtlich der von ihm anteilsmäßig verlangten Erstattung der Kosten eines vorfinanzierten Flugtickets in Höhe von genau 3.000 EUR (Beleg Nr. 42), bei dem ebenfalls nicht belegt worden sei, wer, wann und von wo nach wo mit diesem Ticket geflogen sei. Die Dolmetscherkosten gemäß dem Beleg Nr. 45 seien ebenfalls nicht hinreichend nachgewiesen, da eine Rechnung ohne Datum und Rechnungsnummer über einen Betrag von mehreren Tausend Euro in dieser Form nicht akzeptabel und ohne weitere Angaben, die auch angemahnt worden seien, nicht überprüfbar sei. Soweit in der Rechnung auf eine Vereinbarung Bezug genommen werde, sei diese nicht vorgelegt worden. Schließlich seien die Flugkosten der Delegation (Belege Nr. 46 und 47) weit überhöht und nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Die ihm auferlegten Kosten der Passersatzpapierbeschaffung seien daher insgesamt nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus könnten Kosten für die Vorführung gegenüber einer Delegation nur dann erhoben werden, wenn diese hinreichend autorisiert sei. Dies sei hier nicht der Fall. Er sei nicht der Botschaft von Sierra Leone in Hamburg, sondern einer Delegation vorgeführt worden, deren Legitimation nicht hinreichend geklärt sei. Es sei insbesondere unklar, ob es sich bei den Personen, die dieser Delegation angehört hätten, um autorisierte Vertreter des Staates Sierra Leone gehandelt habe. Zweifel daran ergäben sich daraus, dass diesen Personen Handgelder in Höhe von 900 EUR bis 2.100 EUR ausgehändigt worden seien. Einer solchen Handgeldzahlung hafte der Geruch der Korruption an. Außerdem hätten die Mitglieder dieser Delegation über keine eigenen Dienstsiegel verfügt. Diese hätten von den deutschen Behörden u. a. mit Hilfe eines Schlüsseldienstes beschafft werden müssen ebenso wie spezielles Papier für die Ausstellung der Heimreisedokumente, das die Delegation ebenfalls nicht mit sich geführt habe. Soweit die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung darauf hingewiesen habe, dass die eingeladene Delegation angeführt worden sei vom Chief Immigration Officer des Landes Sierra Leone, Herrn C. D. E., der von hochrangigen Experten seines Immigration Departments begleitet worden sei, stelle sich die Frage, wie es sein könne, dass diese darauf angewiesen gewesen seien, sich ihre Dienstsiegel mit Hilfe der Bundespolizei bei einem Schlüsseldienst in Hamburg herstellen zu lassen. Im Übrigen würden gegen Herrn E. in afrikanischen Tageszeitungen seit jeher Korruptionsvorwürfe erhoben.

Nachdem der Kläger zunächst sinngemäß beantragt hatte,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Einzelrichter der 4. Kammer - vom 8. April 2011 zu ändern und den Leistungsbescheid der Beklagten vom 25. Juni 2010 in der Fassung der Abänderungsbescheide der Beklagten vom 8. Juli 2010 und 6. April 2011 aufzuheben, soweit gegen ihn Anhörungsgebühren in Höhe von 154 EUR geltend gemacht werden,

beantragt er nunmehr sinngemäß,

den Rechtsstreit unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Einzelrichter der 4. Kammer - vom 8. April 2011 an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Zur Begründung führt die Beklagte an, alle in Rede stehenden Kosten seien dem Bundespolizeipräsidium in dieser Form und Höhe entstanden. Sie seien dokumentiert und belegt. Die Anhörungen seien von einer Delegation aus Sierra Leone durchgeführt worden, die vom Bundespolizeipräsidium über das Auswärtige Amt und die Deutsche Botschaft in Sierra Leone eingeladen und von der sierra-leonischen Regierung zur Durchführung der Anhörungen bestimmt und entsandt worden sei. Das Auswärtige Amt habe an diesem Verfahren aktiv mitgewirkt, u. a. durch Übergabe des Einladungsschreibens über die Deutsche Botschaft in Sierra Leone und die Prüfung und Bearbeitung der notwendigen Formalitäten vor der Einreise. Die Delegation sei angeführt worden vom Chief Immigration Officer des Landes Sierra Leone, Herrn C. D. E., der von hochrangigen Experten seines Immigration Departments begleitet worden sei. Das Immigration Department sei die zentrale Passbehörde von Sierra Leone, die u. a. zuständig sei für die Identifizierung mutmaßlicher Staatsangehöriger Sierra Leones im Ausland und die Ausstellung von Passersatzpapieren. Der Chief Immigration Officer sei fraglos autorisiert und befugt gewesen, nationale Pässe und Passersatzpapiere für Staatsangehörige von Sierra Leone auszustellen. Er sei der vorrangig zuständige Beamte für die Anhörung von Personen, die behaupteten, die sierra-leonische Staatsangehörigkeit zu besitzen. Anliegend werde eine entsprechende Verbalnote der Botschaft der Republik Sierra Leone vom 27. Oktober 2011 übersandt, in der seine Funktion noch einmal bestätigt werde. Außerdem seien der Aufenthalt der Delegation und die Anhörungen in Deutschland mit der sierra-leonischen Botschaft in Deutschland abgestimmt worden. Ein Vertreter der Botschaft sei eingeladen gewesen, an den Anhörungen teilzunehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

II.

Die Berufung des Klägers hat mit dem Zurückverweisungsantrag Erfolg. Der Senat verweist die Sache auf den Antrag des Klägers unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zur weiteren Verhandlung an dieses zurück.

Diese Entscheidung trifft der Senat nach Anhörung der Beteiligten analog § 130 a Satz 1 VwGO (zur analogen Anwendung des § 130 a VwGO in diesen Fällen Eyermann / Fröhler, VwGO, 12. Aufl., § 130 Rn. 16; ferner Senatsbeschluss vom 20.12.2010 - 4 LC 318/08 -) durch Beschluss, weil er den Zurückverweisungsantrag des Klägers einstimmig für begründet hält und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren insoweit nicht als erforderlich ansieht.

Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor. Danach darf das Oberverwaltungsgericht die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Verwaltungsgericht nur zurückverweisen, soweit das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist und ein Beteiligter die Zurückverweisung beantragt.

Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht leidet zum einen deshalb an einem wesentlichen Mangel, weil Gründe für die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung am 8. April 2011 gestellten Beweisantrages des Klägers weder in die Sitzungsniederschrift aufgenommen noch in den Entscheidungsgründen des Urteils des Verwaltungsgerichts dargelegt worden sind und dadurch gegen die Begründungspflicht gemäß § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO verstoßen worden ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29.12.2010 - 7 B 6.10 - und 10.6.2003 - 8 B 32.03 -; OVG NRW, Beschluss vom 30.8.2011 - 13 A 1975/11.A -). Außerdem liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel auch insoweit vor, als dieser Beweisantrag zu diesem Zeitpunkt nicht oder jedenfalls nicht vollständig hätte abgelehnt werden dürfen, weil der Sachverhalt hinsichtlich der von dem Kläger aufgeworfenen Beweisfrage, ob er im September 2008 hinreichend ermächtigten Bediensteten des Staates Sierra Leone vorgeführt worden ist, nicht hinreichend geklärt gewesen ist. Jedenfalls als Folge des letztgenannten wesentlichen Verfahrensmangels sind eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme und eine weitere Verhandlung der Sache notwendig. Denn der Sachverhalt ist hinsichtlich der genannten Beweisfrage nach wie vor nicht hinreichend geklärt. Die Beklagte hat zwar in ihrer Berufungserwiderung das Verfahren der Einladung der Delegation aus Sierra Leone dargestellt und hervorgehoben, dass die Delegation vom Chief Immigration Officer des Landes Sierra Leone C. D. E. geleitet worden sei, der "fraglos autorisiert" und von hochrangigen Experten seines Immigration Departments begleitet worden sei, und hierzu auf eine in englischer Sprache verfasste Verbalnote der Botschaft der Republik Sierra Leone vom 27. Oktober 2011 verwiesen. Der Kläger hat insofern jedoch die Frage aufgeworfen, warum der sogenannte Chief Immigration Officer, über den die afrikanischen Tageszeitungen wegen Korruptionsvorwürfen berichteten, und die hochrangigen Experten des Immigration Departments des Landes Sierra Leone darauf angewiesen gewesen seien, sich ihre Dienstsiegel mit Hilfe der Bundespolizei bei einem Schlüsseldienst in Hamburg herstellen zu lassen. Hierzu hat die Beklagte nicht Stellung genommen, obwohl (auch) dieser von dem Kläger angeführte Umstand Zweifel an der Berechtigung der aus Sierra Leone angereisten Delegation begründet, weil erwartet werden kann, dass eine solche Delegation über eigene Dienstsiegel verfügt und diese (leicht transportierbaren) Gegenstände mit sich führt. Es ist daher der Sachverhalt insoweit weiter zu klären beispielsweise durch die Einholung einer Stellungnahme des Bundespolizeipräsidiums, nötigenfalls aber auch durch die Vernehmung eines oder mehrerer der von dem Kläger in seinem Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung am 8. April 2011 benannten Zeugen. Die von dem Kläger angeführte Beweisfrage ist auch entscheidungserheblich, da im Falle der nicht hinreichenden Berechtigung der Mitglieder der Delegation die angefochtenen Bescheide der Beklagten schon aus diesem Grunde rechtswidrig wären, ohne dass es insoweit noch auf die einzelnen Kostenpositionen ankäme.

Zum anderen ist der Sachverhalt unabhängig davon auch hinsichtlich weiterer wesentlicher Punkte, die der Kläger mit seiner Berufungsbegründung angeführt hat, ungeklärt und deshalb gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach das Gericht den Sachverhalt unter Heranziehung der Beteiligten von Amts wegen erforscht, weiter zu ermitteln. Diese im Hinblick auf die Berechtigung mehrerer erheblicher Kostenpositionen dem Grunde und der Höhe nach entscheidungserheblichen und daher klärungsbedürftigen Punkte hatte der Kläger bereits in seiner Klagebegründung im Einzelnen vorgetragen. Das Verwaltungsgericht hat den Sachverhalt insoweit gleichwohl nicht aufgeklärt, wozu es gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO ohnehin von Amts wegen verpflichtet gewesen ist, sondern lediglich in den Entscheidungsgründen seines Urteils festgestellt, dass die Leistungsbescheide der Beklagten rechtmäßig und die von der Beklagten geltend gemachten Aufwendungen "auch in der Höhe berechtigt" seien, ohne diese Feststellung zu begründen. Die erforderliche Begründung ergibt sich auch nicht aus der Begründung der angefochtenen Bescheide der Beklagten, auf die das Verwaltungsgericht Bezug genommen hat, da darin zu den einzelnen Kostenpositionen der Anhörungsgebühren nicht Stellung genommen worden ist. Es liegt daher auch insoweit ein wesentlicher Verfahrensmangel in Form des Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor. Auch aufgrund dieses Mangels des erstinstanzlichen Verfahrens sind eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme beispielsweise durch Einholung einer Stellungnahme des Bundespolizeipräsidiums, aber nötigenfalls auch durch die Vernehmung von Vertretern des Bundespolizeipräsidiums als Zeugen, wie dies die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren angeregt hatte, und eine weitere Verhandlung der Sache notwendig.

Es sind insbesondere folgende Punkte klärungsbedürftig: Gemäß dem Beleg Nr. 1 in dem von der Beklagten übersandten Verwaltungsvorgang (Beiakte B) ist am 17. September 2008 ein Betrag von 400 EUR einem Dolmetscher ausgehändigt worden. Diese Kosten sind dem Grunde und der Höhe nach nicht nachvollziehbar, da nicht ersichtlich ist, wofür diese "Dolmetschergebühren" gezahlt worden sind, wie viele Stunden der Dolmetscher an welchen Tagen tätig gewesen ist und nach welchem (Stunden-) Tarif er abgerechnet hat. Auch die Dolmetscherkosten in Höhe von 4.998 EUR, die gemäß dem Beleg Nr. 45 am 25. September 2008 "bar ausgezahlt" worden sind, sind nicht hinreichend nachvollziehbar, da auch insoweit unklar ist, wofür Dolmetscherkosten in dieser Höhe konkret angefallen sind, wie viele Stunden der Dolmetscher an welchen Tagen tätig gewesen ist (in der "Rechnung" ist lediglich von "14 Tage x 300 EUR" die Rede) und nach welchem Stundentarif oder sonstigem Tarif der Dolmetscher abgerechnet hat (in der "Rechnung" wird insoweit lediglich auf eine Vereinbarung Bezug genommen, die nicht vorgelegt worden ist). Auch die dem Kläger anteilig in Rechnung gestellten Kosten für "Arbeitsessen", "Abschlussessen" und "Mittagsverpflegung" sind dem Grunde und der Höhe nach teilweise nicht nachvollziehbar. Beispielsweise ist bei den Essen am 14., 15., 16. und 17. September 2008 (Belege Nr. 16, 19 und 22) und bei der "Mittagsverpflegung" (Belege Nr. 18 und 23) nicht ersichtlich, wer an diesen verschiedenen Essen teilgenommen hat. Soweit nach dem Beleg Nr. 31 ausweislich der Rechnung eines "China-Restaurants" vom 24. August 2008 an diesem Tag ein Essen zum Preis von 210 EUR (einschließlich "Tipp") stattgefunden hat, ist nicht nachvollziehbar, warum diese Kosten dem Kläger anteilig in Rechnung gestellt worden sind, da zu diesem Zeitpunkt die Delegation aus Sierra Leone noch nicht eingetroffen war. Völlig unklar ist auch, auf welcher Grundlage ein Betrag von genau 3.000 EUR für "Flugkosten Freetown - Brüssel / Frankfurt - Freetown f. C. E." bzw. für ein "pre-financed ticket" gemäß dem Beleg Nr. 42 am 25. oder 26. September 2008 ausgezahlt worden ist. Es dürfte unwahrscheinlich sein, dass das "pre-financed ticket" exakt 3.000 EUR gekostet hat. Auch ergibt sich aus dem Beleg Nr. 42 nicht, dass der Empfänger dieses Betrags die von ihm geltend gemachten Flugkosten durch die Vorlage des Flugtickets bzw. des "E-Ticket" - Ausdrucks oder in anderer Weise nachgewiesen hat. Der Kläger hat in seiner Klage- und Berufungsbegründung auch zu Recht darauf hingewiesen, dass die verschiedenen Taxikosten, Fahrtkosten, Parkgebühren und Tankkosten teilweise nicht hinreichend nachgewiesen sind, da aus den im Verwaltungsvorgang der Beklagten (Beiakte B) befindlichen Belegen größtenteils nicht ersichtlich ist, für wen bzw. welches Fahrzeug betreffend und im Zusammenhang mit welchen Fahrten bzw. Diensthandlungen diese Kosten angefallen sind. Der Hinweis der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren, dass im Interesse der Mobilität der Teilnehmer der Anhörungsrunde unterschiedliche Fortbewegungsmittel hätten genutzt werden müssen und bei der Benutzung von Kraftfahrzeugen auch Parkgebühren und Tankkosten anfielen, trägt insoweit nicht zur Klärung bei. Der Zusammenhang mit den hier in Rede stehenden Diensthandlungen ist auch hinsichtlich der Kosten für die Handyaufladungen und die Prepaid-Karte auf der Grundlage der insoweit von der Beklagten vorgelegten Belege (Nr. 15, 17 und 40) nicht ersichtlich, zumal sich aus diesen teilweise auch nicht ergibt, für wen diese Kosten angefallen sind.

Nach allem leidet das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht an mehreren wesentlichen Mängeln und sind aufgrund dieser Mängel eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme sowie eine weitere Verhandlung der Sache notwendig.

Schließlich hat der Kläger auch die Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht beantragt, so dass die Sache gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts an dieses zurückverwiesen werden darf.