Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.11.2013, Az.: 12 LC 271/11

Unterbrechung der Einvernehmensfrist bei Aussetzung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
11.11.2013
Aktenzeichen
12 LC 271/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 50997
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:1111.12LC271.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 22.09.2011 - AZ: 12 A 3846/10

Fundstellen

  • BauR 2014, 522-526
  • BauR 2014, 1043
  • DÖV 2014, 210
  • ZNER 2014, 119-123

Amtlicher Leitsatz

Wird eine Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach Maßgabe des § 15 Abs. 3 BauGB ausgesetzt, führt dies dazu, dass eine im Zeitpunkt der Aussetzung noch laufende Einvernehmensfrist nach § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB entsprechend den Wirkungen des § 249 Abs. 1 ZPO unterbrochen wird.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid.

Die Beigeladene beantragte unter dem 6. Februar 2009 beim Beklagten die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids zur planungsrechtlichen Zulässigkeit der Errichtung einer Windenergieanlage vom Typ ENERCON E-82 mit einer Nabenhöhe von 98,38 m, einem Rotordurchmesser von 82 m (Gesamthöhe von 139,38 m) und einer Nennleistung von 2.000 kW auf dem Flurstück K., Flur L., Gemarkung M..

Mit Schreiben vom 16. Februar 2009, der Klägerin am 18. Februar 2009 zugegangen, übersandte der Beklagte eine Ausfertigung des Antrags zur Stellungnahme und Erteilung des Einvernehmens gemäß § 36 BauGB.

Der Verwaltungsausschuss der Klägerin hatte in seiner Sitzung vom 6. März 2008 den Beschluss gefasst, das Verfahren zur Änderung ihres Flächennutzungsplans (Nr. 67/16.) auf dem gesamten Gemeindegebiet durchzuführen. Der Beschluss war am 13. März 2008 bekannt gemacht worden. Unter dem 27. März 2009 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Zurückstellung des Baugesuchs der Beigeladenen. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 6. April 2009 setzte der Beklagte im Hinblick auf die in Aufstellung befindliche 67/16. Änderung des Flächennutzungsplans der Klägerin die Entscheidung über den Antrag der Beigeladenen auf Erteilung eines Vorbescheids unter Anordnung der sofortigen Vollziehung bis zum 6. April 2010 aus. Zur Begründung heißt es, mit der Änderung des Flächennutzungsplans sollten die Wirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erreicht werden, es sei zu befürchten, dass die Planung durch das Vorhaben unmöglich oder wesentlich erschwert werde.

Die öffentliche Auslegung des Entwurfs der 67/16. Änderung des Flächennutzungsplans der Klägerin fand im Oktober/November 2009 statt. Mit Schreiben vom 6. Oktober 2009 hatte die Klägerin die Träger öffentlicher Belange beteiligt. In seiner Sitzung vom 10. Dezember 2009 beschloss der Rat der Klägerin über die eingegangenen Einwendungen sowie über die Gesamtabwägung. Im Ergebnis wurden die Suchflächen 8b (zwischen Ortsteil N. und Ortsteil M. - nördlich K O.) und 8c (zwischen Ortsteil N. und Ortsteil M. - südlich K O.) als Sonderbaufläche Zweckbestimmung "Konzentrationsfläche Windenergie" planungsrechtlich dargestellt. Der Rat der Klägerin beschloss in seiner Sitzung vom 11. März 2010 die - entsprechende - 67/16. Änderung des Flächennutzungsplans, die unter dem 13. April 2010 vom Beklagten genehmigt wurde und am 23. April 2010 mit der öffentlichen Bekanntmachung der Genehmigung in Kraft trat. Der von der Beigeladenen in den Blick genommene Anlagenstandort liegt außerhalb der von der Klägerin in ihrem Flächennutzungsplan dargestellten Sonderbaufläche Zweckbestimmung "Konzentrationsfläche Windenergie".

Bereits unter dem 22. April 2010 hatte der Beklagte der Beigeladenen den beantragten Vorbescheid erteilt; der Bescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin noch am selben Tag persönlich übergeben. Zur Begründung des Vorbescheids führte der Beklagte aus: Öffentliche Belange, welche dem Vorhaben entgegenstünden, seien von den beteiligten Trägern öffentlicher Belange nicht benannt worden. Das gemeindliche Einvernehmen gelte als erteilt. Die Zweimonatsfrist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB für die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens sei zunächst bis zum 18. April 2009 gelaufen. Aufgrund der Zurückstellung des Baugesuchs mit Bescheid vom 6. April 2009 sei die Frist unterbrochen worden und am 19. April 2010 abgelaufen. Mit dem 20. April 2010 gelte kraft Gesetzes das Einvernehmen als erklärt.

Mit Schreiben vom 23. April 2010, dem Beklagten am selben Tag zugegangen, versagte die Klägerin ihr gemeindliches Einvernehmen im Hinblick auf ihren geänderten Flächennutzungsplan.

Die Klägerin legte am 29. April 2010 Widerspruch gegen den der Beigeladenen erteilten Vorbescheid ein. Zur Begründung trug sie vor, der Beklagte habe die Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB fehlerhaft berechnet. Sie habe erneut beteiligt und ihr dazu eine neue Frist von zwei Monaten eingeräumt werden müssen. Jedenfalls habe der Beklagte nicht in Kenntnis der einen Tag später in Kraft tretenden - entgegenstehenden - Änderung des Flächennutzungsplans einen Vorbescheid erteilen dürfen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2010 - am 9. August 2010 zugestellt - wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit folgender Begründung zurück: Die Zweimonatsfrist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB habe zunächst am 19. Februar 2009 zu laufen begonnen. Mit der Zustellung des Zurückstellungsbescheids an die Beigeladene am 11. April 2009, nachdem 51 von 60 Tagen der Frist verstrichen gewesen seien, sei der Fristenlauf gehemmt worden. Nach dem Auslaufen der Zurückstellung am 6. April 2010 seien noch neun Tage der Frist verblieben. Die Einvernehmensfiktion sei am 16. April 2010 eingetreten. Es entspreche nicht der gesetzgeberischen Intention anzunehmen, dass nach Auslaufen einer Zurückstellung nach § 15 BauGB die Zweimonatsfrist erneut zu laufen beginne.

Auf die fristgerecht erhobene Klage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 22. September 2011 den immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid vom 22. April 2010 und den Widerspruchsbescheid vom 4. August 2010 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die zulässige Klage sei begründet. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig. Der Beklagte habe den immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid ohne das gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauGB erforderliche Einvernehmen der Klägerin erlassen. Weder habe die Klägerin ihr Einvernehmen ausdrücklich erteilt, noch sei die Einvernehmensfiktion des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB eingetreten. Die in dieser Norm vorgesehene Zweimonatsfrist habe mit dem Eingang des entsprechenden Ersuchens bei der Klägerin am 18. Februar 2009 begonnen. Der Lauf der Frist sei dadurch unterbrochen worden, dass der Beklagte die Entscheidung über den Antrag der Beigeladenen auf Erteilung des Vorbescheids mit bestandskräftigem - und deshalb rechtlich nicht überprüfbarem - Bescheid bis zum 6. April 2010 ausgesetzt habe. Die Aussetzung habe die in § 249 Abs. 1 ZPO bezeichneten Rechtswirkungen zur Folge. Der Lauf auch der Zweimonatsfrist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB habe aufgehört und mit Beendigung der Aussetzung von neuem begonnen. Mit Ablauf des 6. April 2010 sei eine neue Zweimonatsfrist gelaufen, innerhalb derer der Beklagte am 22. April 2010 - rechtswidriger Weise - den Vorbescheid erteilt habe. Die mit Bescheid vom 6. April 2009 verfügten Rechtswirkungen der Zurückstellung seien auf den Lauf der Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB zu erstrecken.

Die Beigeladene hat die vom Verwaltungsgericht gegen sein Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung fristgerecht eingelegt und im Wesentlichen - teilweise unter Verweis auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und dies teilweise vertiefend - wie folgt begründet: Die Klage sei bereits unzulässig. Eine Rechtsverletzung der Klägerin sei wegen des Eintritts der Einvernehmensfiktion ausgeschlossen. Habe - wie hier - die Gemeinde ihr Einvernehmen nicht fristgerecht versagt, könnten ihr nicht unter Berufung auf die Planungshoheit Abwehrrechte gegen das streitige Vorhaben eingeräumt werden. Die Einvernehmensfiktion sei 2 Monate nach Zustellung des Vorbescheidsantrags (18. Februar 2009), also am 18. April 2009 eingetreten. Es handele sich nicht um die Aussetzung eines gerichtlichen Verfahrens - § 173 VwGO i.V.m. § 249 Abs. 1 ZPO sei unanwendbar -, sondern um die Zurückstellung eines Bauantrags im Verwaltungsverfahren. Gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung spreche der Wortlaut. Danach werde nur die Genehmigungsentscheidung ausgesetzt. Diese Auslegung entspreche dem gesetzgeberischen Ziel, der Gemeinde genau 1 Jahr für die Umsetzung ihrer planerischen Vorstellung zu geben. Die Berücksichtigung des Eigentumsgrundrechts des jeweiligen Antragstellers erfordere eine Fortführung der Verfahrensschritte auch während des Zeitraums der Zurückstellung und eine Entscheidung nach Ablauf dieses Zeitraums und nicht nach Ablauf von 2 weiteren Monaten. Bei § 15 Abs. 3 BauGB handele es sich um eine reine, von § 36 BauGB unabhängige, klare und deswegen nicht auslegungsbedürftige Verfahrensvorschrift, die - anders als eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB - ein Bauvorhaben nicht planungsrechtlich unzulässig mache. Setze die Gemeinde ihre neue Planung innerhalb der Jahresfrist in Kraft, versage die Genehmigungsbehörde die Genehmigung wegen entgegenstehenden Planungsrechts. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Heranziehung von § 249 Abs. 1 ZPO sei auch mit einer historischen Betrachtungsweise nicht vereinbar. Hätte der Gesetzgeber eine Aussetzung des Verfahrens im Sinne letztgenannter Vorschrift gewollt, hätte es nahegelegen, entsprechend zu formulieren. Der gewählte Begriff der Zurückstellung finde im Prozessrecht kein Äquivalent und § 249 Abs. 1 ZPO auf materielle Fristen keine Anwendung. Allenfalls könne eine Hemmung der Frist angenommen werden. Ein Grund, die Zweimonatsfrist von neuem laufen zu lassen, bestehe nicht.

Die Beigeladene beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, das angefochtene Urteil sei jedenfalls im Ergebnis richtig. Entweder sei zum Zeitpunkt des Ergehens des angefochtenen Bescheids die Zweimonatsfrist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB noch nicht abgelaufen gewesen, die Ausschlusswirkung des planreifen Flächennutzungsplans habe der Erteilung des Vorbescheids entgegengestanden oder die Genehmigungsbehörde hätte das Inkrafttreten des von ihr bereits genehmigten Flächennutzungsplans abwarten müssen. Das Verwaltungsgericht sei zu Recht von einer Unterbrechung des Fristenlaufs ausgegangen, allerdings beginne die Zweimonatsfrist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB erst erneut, nachdem die Baugenehmigungsbehörde die Gemeinde auch erneut um Herstellung des Einvernehmens ersucht habe. Hieran habe es gefehlt. Folglich sei auch ein Einvernehmen nicht vorhanden und seien die angefochtenen Bescheide zu Recht aufgehoben worden.

Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt. Er ist dem Urteil des Verwaltungsgerichts mit folgender Begründung entgegengetreten: Die Auffassung des Verwaltungsgerichts führe zu einer Erstreckung der Regelungswirkung des § 249 Abs. 1 ZPO in das Bau- und Immissionsschutzrecht. Hiergegen sprächen der Wortlaut, gesetzessystematische Erwägungen und die Intention des Gesetzgebers. Dieser habe die Zurückstellung eines Baugesuchs für längstens 1 Jahr zugelassen, während die Auslegung des Verwaltungsgerichts zu einer Verzögerung der Entscheidung über den Antrag von insgesamt 16 Monaten führen könne. Vor diesem Hintergrund könne der Zurückstellung nach § 15 Abs. 3 BauGB nur die Wirkung einer Hemmung der Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB zugestanden werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die mit ihrem wesentlichen Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beigeladenen bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Vorbescheid vom 22. April 2010 und den Widerspruchsbescheid vom 4. August 2010 zu Recht aufgehoben.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend der Sache nach von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Zwar entspricht - wie die Beigeladene auch vorträgt - es allgemeiner Auffassung, dass einer Gemeinde, die ihr Einvernehmen nach § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB nicht fristgerecht versagt hat mit der Folge, dass die Einvernehmensfiktion eingetreten ist, ein Klagerecht gegen die Baugenehmigung für das entsprechende Vorhaben nicht zusteht (s. etwa Nds. OVG, Urt. v. 18.3.1999 - 1 L 6696/96 -, NVwZ 1999, 1003, [...]; OVG NRW, Urt. v. 28.11.2007 - 8 A 2325/06 -, BauR 2008, 799, [...]; nach Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, Band 3, Stand: April 2013, § 36 Rdn. 32, ist die Position der Gemeinde nach Ablauf der Einvernehmensfrist verwirkt). Zugleich ist aber auch allgemein anerkannt, dass die Klagebefugnis einer Gemeinde zu bejahen ist, wenn eine Genehmigung ohne das erforderliche Einvernehmen erteilt worden ist (s. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, Band 3, Stand: April 2013, § 36 Rdn. 47 m.w.N.). Steht - wie hier - die Frage des Eintritts der Einvernehmensfiktion in Streit, besteht die Möglichkeit, dass die angefochtene Genehmigung ohne das erforderliche Einvernehmen erteilt worden ist. Damit besteht zugleich die Möglichkeit einer Verletzung der von § 36 BauGB geschützten kommunalen Planungshoheit und ist die Klagebefugnis zu bejahen.

Die Klage ist auch begründet. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Einvernehmensfiktion des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB nicht eingetreten ist.

Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB wird über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Das Einvernehmen ist auch erforderlich, wenn - wie hier - im immissionsschutzrechtlichen Verfahren über die Zulässigkeit nach den genannten Vorschriften entschieden wird (§ 36 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Das Einvernehmen der Gemeinde gilt als erteilt, wenn es nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde verweigert wird (§ 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB). Der Senat geht mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass diese Fiktion bei Erteilung des Vorbescheids am 22. April 2010 nicht eingetreten war, weil die mit Bescheid vom 6. April 2009 bestandskräftig erfolgte Aussetzung gemäß § 15 Abs. 3 BauGB bis zum 6. April 2010 zur Folge hatte, dass der Lauf der Zweimonatsfrist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB aufgehört und die Frist mit Beendigung der Aussetzung von neuem zu laufen begonnen hat. Der die "Zurückstellung von Baugesuchen" regelnde § 15 BauGB bestimmt in seinem Absatz 3 Satz 1: "Auf Antrag der Gemeinde hat die Baugenehmigungsbehörde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 für einen Zeitraum bis zu längstens einem Jahr auszusetzen, wenn die Behörde beschlossen hat, einen Flächennutzungsplan aufzustellen, zu ändern oder zu ergänzen, mit dem die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 erreicht werden sollen, und zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde." Zu der Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung im Zusammenhang mit der Frage des Laufs der Fiktionsfrist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil unter eingehender Berücksichtigung der erstinstanzlich vorgetragenen, im Berufungsverfahren weitgehend wiederholten Argumente der Beteiligten überzeugend ausgeführt:

"Aus Sicht der Kammer spricht im Ergebnis nichts dafür, die mit Bescheid vom 06.04.2009 verfügten Rechtswirkungen der Zurückstellung gemäß § 15 Abs. 3 BauGB nicht auf den Lauf der Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB zu erstrecken. Zunächst folgt dies nicht aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB, wonach "die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben" ausgesetzt wird. Diese Vorschrift kann zwar auch so verstanden werden, dass lediglich die Genehmigungsentscheidung als solche ausgesetzt wird, während das auf die Entscheidung hinführende Genehmigungsverfahren als Verwaltungsverfahren gemäß § 9 VwVfG von der Zurückstellungsentscheidung nicht berührt und mithin uneingeschränkt fortgeführt wird. Das ist jedoch nicht das gesetzgeberische Ziel. Schon in der amtlichen Überschrift "Zurückstellung von Baugesuchen" wird die Absicht deutlich, nicht bloß die eigentliche Genehmigungsentscheidung, sondern das Baugesuch als solches, mithin also das Baugenehmigungsverfahren auszusetzen. Auch in der Literatur wird - soweit sie sich dazu äußert - die Aussetzung der Entscheidung mit der Aussetzung des Verwaltungsverfahrens gleichgesetzt (vgl. Sennekamp, in: Brügelmann, BauGB, § 15, Rn. 9 und 49 <Stand der Bearbeitung: Januar 2011>; Bielenberg/Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 15, Überschrift vor Rn. 21 und Rn. 52 <Stand der Bearbeitung: September 2004>; Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, 6. Aufl. 2001, Rn. 2833 und 2846; Schmaltz, in: Schrödter, BauGB, 6. Aufl. 1998, § 15, Rn. 7 f.; Hinsch, NVwZ 2007, 770 <775>; der Sache nach auch OVG Koblenz, Beschl. v. 23.05.2002 - 8 B 10633/02, [...]: Aussetzung der "Bearbeitung des Bauantrags"; VGH Kassel, Beschl. v. 10.07.2009 - 4 B 426/09, [...]). Aussetzung der Entscheidung meint mithin Aussetzung des Verfahrens. Die gegenteilige Auffassung, die sich - soweit ersichtlich - weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur findet, hätte demgegenüber die wenig überzeugende Konsequenz, dass ein Genehmigungsantrag auf der Basis des (noch) geltenden Planungsrechts zur Entscheidungsreife geführt werden müsste, obwohl sich ein neues - typischerweise entgegenstehendes - Planungsrecht bereits abzeichnet. Dies würde dem Gebot der Verfahrensökonomie widersprechen und wäre überdies auch kaum im Interesse des Antragstellers, der mit den Kosten der - möglicherweise überflüssigen - Verfahrensschritte belastet wäre.

Eine Wirkung der Aussetzung auf den Lauf der Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB scheidet auch nicht deshalb aus, weil sich § 36 BauGB nicht dazu verhält, welche Auswirkungen eine Zurückstellung nach § 15 BauGB auf den Fristlauf entfaltet. Eine solche explizite Aussage in § 36 BauGB ist aufgrund der allgemein gehaltenen Rechtsfolge des § 15 BauGB, der eine Vorschrift des formellen Baurechts darstellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.12.1971 - IV C 32.69, [...]), von vornherein nicht zu erwarten. Die Entscheidung nach § 15 BauGB wirkt deshalb auf das gesamte Genehmigungsverfahren ein, ohne dass es einer entsprechenden Anordnung im Einzelfall bedarf. Regelungsbedürftig wäre die Ausnahme, nämlich die fehlende Einwirkung einer Zurückstellung auf einen wesentlichen Verfahrensschritt.

Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung der Beigeladenen, § 15 BauGB und § 36 BauGB seien isoliert zu betrachten. Beide Vorschriften stehen vielmehr in einer Wechselbeziehung. Denn § 15 BauGB und § 36 BauGB verfolgen mit verschiedenen Mitteln ein identisches Ziel: Sie dienen der Sicherung der aus Art. 28 Abs. 2 GG folgenden Planungshoheit der Gemeinde. Das Einvernehmenserfordernis des § 36 BauGB bezweckt, die Gemeinde in den Fällen, in denen sie noch nicht geplant hat, im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren an der Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen von Vorhaben mitentscheidend zu beteiligen (vgl. nur Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 36, Rn. 9 <Stand der Bearbeitung: Dezember 2006>). § 15 BauGB dient demgegenüber der Sicherung einer zukünftigen, durch einen Planaufstellungs- oder Planänderungsbeschluss hinreichend konkretisierten Planung (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 10.07.2009 - 4 B 426/09, [...]). Die Vorschriften setzen damit an verschiedenen Stellen an, greifen aber an einer entscheidenden Stelle ineinander. § 36 BauGB zielt nämlich auch darauf ab, der Gemeinde Gelegenheit zu geben, aus Anlass eines konkreten Bauantrags ihre Bauleitplanung zu ändern und zu ihrer Sicherung mit den Mitteln der §§ 14 und 15 BauGB ein bisher planungsrechtlich zulässiges Vorhaben zu verhindern (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.02.2004 - 4 CN 16/03, [...]; Urt. v. 07.02.1986 - 4 C 43/83, [...]).

Will aber § 36 BauGB der Gemeinde die Möglichkeit einräumen, aus Anlass eines konkreten Bauantrags neu zu planen und diese Planung gemäß § 15 BauGB abzusichern, wäre es widersprüchlich, einer Zurückstellung nach § 15 BauGB keine Wirkungen auf den Lauf der Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB beizumessen. Der vorliegende Fall dürfte vielmehr typisch dafür sein, in welchen Fällen § 15 BauGB zum Einsatz gelangt: Die Gemeinde erhält aufgrund des Ersuchens der Baugenehmigungsbehörde Kenntnis von einem ihren Planungsabsichten widersprechenden Vorhaben. Da sie dem Vorhaben (noch) nichts entgegensetzen kann, entscheidet sie nicht über das Ersuchen, sondern beantragt eine Zurückstellung mit dem Ziel, entgegenstehendes Planungsrecht neu zu schaffen. Ginge man vor diesem Hintergrund gleichwohl davon aus, die Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB werde von einer Zurückstellung nicht berührt, sodass die Einvernehmensfiktion trotz Zurückstellung eintreten würde, fielen die materiell-rechtliche Position der Gemeinde - die Planungshoheit - und ein wesentliches formelles Sicherungsinstrument - das Einvernehmenserfordernis des § 36 BauGB - auseinander. Die Gemeinde wäre zwar auch nach Erteilung des Einvernehmens bzw. nach Eintritt der Einvernehmensfiktion nicht gehindert, neues Planungsrecht zu schaffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.02.2004 - 4 CN 16/03, [...]). Sie wäre aber verfahrensrechtlich in einer deutlich schlechteren Position, weil das neue Planungsrecht ohne eine - eigenständige Rechtsschutzmöglichkeiten eröffnende - Ersetzung des Einvernehmens gemäß § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB von der Baugenehmigungsbehörde übergangen werden könnte. Eine Rechtfertigung dafür, die verfahrensrechtliche Position der Gemeinde derart zu schwächen, ist nicht ersichtlich. Sie läuft der Gesamt-konzeption des Schutzes der gemeindlichen Selbstverwaltung, wie sie in den §§ 14, 15 BauGB und in § 36 BauGB zum Ausdruck kommt, erkennbar zuwider."

Die Einwände der Beigeladenen (vgl. dazu auch Frank, BauR 2012, 445) gegen die vom Verwaltungsgericht befürwortete Auslegung überzeugen den Senat nicht. Soweit sie vorträgt, das Verwaltungsgericht müsse einräumen, dass die Vorschrift auch so verstanden werden könne, dass lediglich die Genehmigungsentscheidung als solche ausgesetzt werde, während das auf die Entscheidung hinführende Genehmigungsverfahren von der Zurückstellungsentscheidung unberührt bleibe, die Formulierung in der amtlichen Überschrift "Zurückstellung von Baugesuchen" könne ohne weiteres so verstanden werden, dass allein eine Entscheidung der Genehmigungsbehörde über das Baugesuch für die Dauer der Zurückstellung unzulässig sei, ergeben sich daraus - wie das Verwaltungsgericht auch gesehen hat - keine zwingenden Anhaltspunkte für die von der Beigeladenen vertretene gegenteilige Auffassung, die Zweimonatsfrist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB sei von der Verfahrensaussetzung nach § 15 Abs. 3 BauGB bis zum 6. April 2010 unberührt geblieben und die Einvernehmensfiktion dementsprechend zwei Monate nach Übermittlung des Ersuchens an die Klägerin (18. Februar 2009), mithin am 18. April 2009 eingetreten.

Nach Auffassung des Senats sprechen insbesondere Sinn und Zweck der Regelungen für die vom Verwaltungsgericht befürwortete Auslegung. Zunächst ist allerdings der Beigeladenen und dem Beklagten zuzugestehen, dass der Beschleunigungszweck des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB für sich genommen eher für ihre Auslegung streitet. § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB dient dem Interesse des Bauunternehmers und der Allgemeinheit, innerhalb der vorgesehenen Zweimonatsfrist Klarheit über eine Teilfrage des Genehmigungsverfahrens zu erlangen. Bei fristgerechter Versagung des Einvernehmens hat die Genehmigungsbehörde den Antrag ohne weitere Prüfung abzulehnen, es sei denn, das Einvernehmen ist zu ersetzen. Wird das Einvernehmen erteilt (ausdrücklich oder durch Verschweigen), so hat die Genehmigungsbehörde über die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens abschließend zu entscheiden; sie hat dabei ferner zu prüfen, ob das Vorhaben auch im übrigen genehmigungsfähig ist. Im Hinblick auf diesen Schutzzweck gehen Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass die Zweimonatsfrist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB nicht disponibel ist und auch ein erteiltes, ggf. auch nur fingiertes Einvernehmen weder widerrufen noch zurückgenommen werden kann (s. etwa BVerwG, Urt. v. 12.12.1996 - 4 C 24.95 -, BauR 1997, 444, [...], Rdn. 11 ff.; Urt. v. 19.2.2004 - 4 CN 16.03 -, BVerwGE 120, 138, [...], Rdn. 25; Urt. v. 16.9.2004 - 4 C 7.03 -, BVerwGE 122, 13, [...], Rdn. 27). Diesem Schutzzweck läuft es zuwider anzunehmen, die Zweimonatsfrist könne im Wege einer Verfahrensaussetzung nach § 15 Abs. 3 BauGB beeinflusst werden.

§ 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB ist indessen nicht nur aus sich heraus, sondern auch aus dem Gesamtkontext und damit auch unter Berücksichtigung von § 15 BauGB auszulegen. Was genau unter der Aussetzung einer Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben zu verstehen ist, lässt diese Norm nicht eindeutig erkennen. Übereinstimmung herrscht insofern, als davon ausgegangen wird, dass es sich bei § 15 BauGB um eine verfahrensrechtliche, die gemeindliche Bauleitplanung sichernde Regelung handelt. Der Hessische VGH (Beschl. v. 10.7.2009 - 4 B 426/09 -, NVwZ-RR 2009, 790, [...]) nimmt an, die Baugenehmigungsbehörde sei während der Dauer der Zurückstellung von ihrer Pflicht zur Bescheidung des eingereichten Baugesuchs befreit (so auch Rieger, in: Schrödter, BauGB, 7. Aufl. § 15 Rdn. 23 m.w.N. auch aus der Rspr.; ähnlich wohl auch Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB, 5. Aufl., § 15 Rdn. 19: die Zurückstellung bewirke, "dass eine Sachentscheidung über den Antrag für ihre Dauer ausgesetzt (suspendiert)" werde; s. auch Jäde, Gemeinde und Baugesuch, 4. Aufl., 2011, Rd. 302; anders Lemmel, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Band 1, Stand: Sept. 2012, § 15 Rdn. 11, 21: "Zurückstellung hat die Wirkung einer zeitlich begrenzten Ablehnung" bzw. sie stelle "eine befristete, vorübergehende Erledigung, die mit Ablauf ihrer Befristung außer Kraft tritt und damit den Weg zu einer endgültigen Bescheidung freigibt", dar). Ähnlich formuliert das OVG Berlin-Brandenburg (Beschl. v. 19.11.2008 - OVG 11 S 10.08 -, [...]), die Zurückstellung schiebe "die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens bis zum Ablauf einer bestimmten Frist" auf, ohne die bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen zu verändern. Das OVG Rheinland-Pfalz spricht in seinem Beschluss vom 23. Mai 2002 (- 8 B 10633/02 -, BauR 2002, 1376, [...]) von einer qualifizierten Form der Verfahrensaussetzung. In dem - älteren - Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 1971 (- IV C 32.69 -, BauR 1972, 97, [...], Rdn. 33) ist die Rede von einem vorübergehenden Offenhalten des Verfahrens. In den Entscheidungsgründen ([...], Rdn. 32) heißt es näher:

"§ 15 BBauG ist eine Vorschrift des f o r m e l l e n Baurechts. Sie ist ... eine der Ausnahmen, durch die der Bundesgesetzgeber auf den Ablauf bestimmter baurechtlicher Verfahren Einfluß genommen hat. Ihre Anwendung setzt voraus, daß in einem a n d e r w e i t g e r e g e l t e n Verfahren die Baugenehmigungsbehörde über die "Zulässigkeit baulicher Anlagen" zu entscheiden hat. Für diesen Fall gewährt sie aus bodenrechtlichen Gründen, nämlich sofern die Voraussetzungen für eine Veränderungssperre gegeben sind, die bundesrechtliche Ermächtigung, das Verfahren für bestimmte Zeit "auszusetzen". Eine solche Aussetzung bedeutet, daß in das landesrechtlich geregelte Verfahren ein Zeitraum eingeschoben wird bzw. werden darf, innerhalb dessen kraft Bundesrechts keine Entscheidung getroffen zu werden braucht. Mit dem Ablauf dieses Zeitraums endet die Einflußnahme des § 15 BBauG. Dem Bundesrecht würde beispielsweise widersprechen, wenn das Verfahren der Bauanzeige so geregelt würde, daß infolge Fristablaufs die formelle Legalität eines Vorhabens in der Zeit eintreten kann, für die nach § 15 BBauG ausgesetzt wurde. Denn § 15 BBauG bietet zwar in Richtung auf den Antragsteller nur eine Ermächtigung, begründet jedoch gleichzeitig im Verhältnis zur Gemeinde die Verpflichtung der Baugenehmigungsbehörde, auf deren Antrag von der Möglichkeit der Aussetzung Gebrauch zu machen. Dieser Verpflichtung würde es widersprechen, wenn die Baugenehmigungsbehörde zwar die Aussetzung vornähme, dann aber während der Aussetzung die beantragte Genehmigung erteilte. Entsprechendes muß für das Bauanzeigeverfahren gelten. Auch bei ihm würde sich eine Regelung, die eine Legalisierung trotz Aussetzung ermöglichte, mit § 15 BBauG nicht vereinbaren lassen."

Zur Überzeugung des Senats legen die obigen Ausführungen, insbesondere die des Bundesverwaltungsgerichts in der zuletzt zitierten Entscheidung, ein Verständnis der Wirkung des § 15 BauGB dahin nahe, dass im Zeitraum der Zurückstellung Sachentscheidungen insgesamt unterbleiben sollen. Dieses Verständnis spricht zugleich dafür, der Zurückstellung Auswirkungen auch auf die Einvernehmensfiktion des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB zuzubilligen (im Ergebnis wie hier Sennekamp, in: Brügelmann, BauGB, Band 2, § 15, Rdn. 9, 42, 49 f.; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB, 5. Aufl., § 15 Rdn. 19, ders. in: Gemeinde und Baugesuch, 4. Aufl., 2011, Rd. 302; Schmidt-Eichstaedt, BauR 2011, 1754 u. BauR 2012, 729; Scheidler, ZfBR 2012, 123, 127; Rieger, ZfBR 2012, 430, 435). Die Einvernehmensfiktion dient - wie dargelegt - dem Interesse des Bauunternehmers und der Allgemeinheit, innerhalb der vorgesehenen Zweimonatsfrist Klarheit über eine Teilfrage des Genehmigungsverfahrens zu erlangen. Dies läuft dem Ziel der Zurückstellung, die Entscheidung offenzuhalten, zu suspendieren, zumindest teilweise zuwider (vgl. auch für die Unanwendbarkeit der Fiktionsregelung während einer Veränderungssperre, BayVGH, Urt. v. 7.3.2011 - 1 B 10.3053 -, BayVBl 2012, 506, [...]; Roeser, in: Berliner Kommentar, BauGB, Band 2, § 36 Rdn. 30). Sie läuft auch dem Umstand zuwider, dass nach Ablauf der Zurückstellung die Bearbeitung des Baugesuchs insgesamt anhand der dann maßgeblichen Sach- und Rechtslage zu erfolgen hat (Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, 7. Aufl., Rdn. 2419; Jäde, Gemeinde und Baugesuch, 4. Aufl., 2011, Rd. 302). Dies gilt auch hinsichtlich der von der Gemeinde nach § 36 BauGB zu beurteilenden Fragen. Die Situation einer Gemeinde, die eine Zurückstellung mit Blick auf ihre Absicht, eine neue Planung durchzuführen, beantragt, ist der Situation einer Gemeinde, der für die Prüfung des Einvernehmens ein in planungsrechtlicher Hinsicht unvollständiger Bauantrag übermittelt worden ist (zu dieser Konstellation etwa BVerwG, Urt. v. 16.9.2004 - 4 C 7.03 -, BVerwGE 122, 13, [...]), nicht unähnlich. In beiden Fällen ist einer Gemeinde eine sachgerechte Prüfung des Bauantrags (noch) nicht möglich. Die Zurückstellung des Baugesuchs führt gerade dazu, dass es an einer Beurteilungsreife in bauplanungsrechtlicher Hinsicht fehlt. Auch dies spricht nach Auffassung des Senats dafür, der Zurückstellung Auswirkungen auf die Zweimonatsfrist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB zuzubilligen.

Vor dem dargestellten Hintergrund vermag der Senat dem Argument der Beigeladenen, aus dem Fehlen einer das Verhältnis von § 15 und § 36 BauGB klärenden Regelung könne nur gefolgert werden, dass die Zweimonatsfrist von einer Aussetzung unberührt bleibe, kein durchschlagendes Gewicht beizumessen. Gleiches gilt, wie das Verwaltungsgericht bereits ausgeführt hat, für das Argument, das Eigentumsrecht des jeweiligen Antragstellers gebiete eine andere Auslegung. Eine weitere zeitliche Verzögerung und eine etwaige dadurch eintretende Beschwer ist angesichts des Zwecks der Sicherung einer richtigen Sachentscheidung und der Wahrung der kommunalen Planungshoheit noch angemessen (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 16.9.2004 - 4 C 7.03 -, BVerwGE 122, 13, [...] Rdn. 16 zum Gewicht des Beschleunigungszwecks).

Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass vom Grundsatz her die kommunale Planungshoheit auch gesichert sein sollte, wenn man dies anders sähe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erleidet die Gemeinde, deren Einvernehmen nach § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB als erteilt gilt, keine schweren Nachteile, auch wenn sie erst nach Ablauf der Zweimonatsfrist zu der Erkenntnis kommt, dass das Vorhaben gegen §§ 31, 33, 34 oder 35 BauGB verstößt, weil ihr die Möglichkeit, ihren Rechtsstandpunkt zur Geltung zu bringen, durch diese Regelung nicht endgültig abgeschnitten wird. Zwar sei sie aufgrund der Fiktion des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB dem Antragsteller gegenüber gebunden. Solange noch keine Entscheidung über die Genehmigung ergangen sei, bleibe es ihr indes unbenommen, der Genehmigungsbehörde gegenüber ihre Bedenken vorzubringen. Erwiesen sich die Gründe, die sie gegen die Zulässigkeit des Vorhabens ins Feld führt als stichhaltig, so könne sie ungeachtet des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB damit rechnen, dass der Antrag abgelehnt wird (BVerwG, Urt. v. 12.12.1996 - 4 C 24.95 -, BauR 1997, 444, [...]). Diese Erwägungen ändern indessen nichts daran, dass die von der Beigeladenen vertretene Auslegung sich in Widerspruch zur planungsrechtlichen Schutzfunktion des Einvernehmenserfordernisses als solches setzt, das der Gemeinde gerade eine eigene materiell-rechtliche Beurteilung des Vorhabens in planungsrechtlicher Hinsicht ermöglichen will (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.9.2004 - 4 C 7.03 -, BVerwGE 122, 13, [...] Rdn. 16).

Der Senat versteht den Begriff der Aussetzung mit dem Verwaltungsgericht - auch aus den von diesem angeführten zutreffenden Erwägungen, auf die verwiesen wird - dahin, dass der Lauf der Zweimonatsfrist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB mit der Aussetzung aufgehört und nach Beendigung der Aussetzung von neuem begonnen hat. Der Senat merkt hierzu ergänzend an: Es ist allgemein anerkannt, dass auch ein Verwaltungsverfahren ausgesetzt werden kann. Umstritten ist - soweit erkennbar - nur, ob grundsätzlich als Rechtsgrundlage § 94 VwGO analog heranzuziehen ist oder die Befugnis aus dem - in § 10 VwVfG kodifizierten - Verfahrensermessen folgt (vgl. Wolf/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht, Band I, 12. Aufl., § 60 Rdn. 27; Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl., § 13 Rdn. 48; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 9 Rdn. 203 sowie Bonk/Schmitz, a.a.O., § 1 Rdn. 59; Riedl, in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl., § 9 Rdn. 57; Ritgen, in: Knaack/Henneke, VwVfG, 9. Aufl. § 9 Rdn. 24; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Aufl., S. 164; im Ergebnis auch Ziekow, VwVfG, 2. Aufl., § 12 Rdn. 10). Hier folgt die Rechtsgrundlage unmittelbar aus § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Sofern sich die angeführten Zitatstellen überhaupt mit der Frage der Rechtswirkungen einer Aussetzung im Verwaltungsverfahren befassen, erfolgt dies in dem vom Verwaltungsgericht beschriebenen Sinn (konkret zu § 15 BauGB Sennekamp, in: Brügelmann, BauGB, Band 2, § 15, Rdn. 9, 42, 49 f. und Jäde, Gemeinde und Baugesuch, 2. Aufl., 2000, Rdn. 294; Scheidler, ZfBR 2012, 123, 127; Rieger, ZfBR 2012, 430, 435; allgemein Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl., § 13 Rdn. 48; Riedl, in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl., § 9 Rdn. 60; in diesem Sinne wohl auch Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 1 Rdn. 59; anders wohl nur der 1. Senat des Nds. OVG, der in seinem Beschl. v. 25.1.1993 - 1 L 85/90 -, BauR 1993, 314, [...] Rdn. 6, ohne Begründung davon ausgegangen ist, die Aussetzung nach § 15 BauGB habe die Folge, dass nach Ablauf der Zurückstellung die ursprüngliche Frist weitergelaufen sei). Der Senat folgt dem und lässt dabei offen, ob dies aus einer entsprechenden Anwendung des § 249 Abs. 1 ZPO folgt. Sowohl die eine entsprechende Anwendung bejahende als auch die diese verneinende Auffassung kommen zu demselben Ergebnis. Nach der die entsprechende Anwendung des Prozessrechts bejahenden Auffassung gilt: Eine sinngemäße Anwendung von Vorschriften des Prozessrechts kommt zur Ausfüllung von Lücken des Verwaltungsverfahrensrechts ausnahmsweise in Betracht, wenn dies mit den verfahrensrechtlichen Grundsätzen und Zielen des Verwaltungshandelns vereinbar ist (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl., Einführung I Rdn. 43). Eine Lücke liegt vor. Der - wie dargelegt - auch für das Verwaltungsverfahren anerkannte Begriff der Aussetzung ist nicht definiert. Es gibt Konstellationen, in denen eine Aussetzung in dem in § 249 Abs. 1 ZPO definierten Sinn mit den verfahrensrechtlichen Grundsätzen und Zielen des Verwaltungshandelns vereinbar ist (vgl. etwa Riedl, in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl., § 9 Rdn. 56 ff.). Eine solche Konstellation liegt aus den bereits angesprochenen Gründen auch hier vor. Nach der die entsprechende Anwendung des Prozessrechts verneinenden Auffassung (Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 1 Rdn. 59) bringt der Begriff der Aussetzung einen Rechtsgedanken zum Ausdruck, der in § 249 Abs. 1 ZPO kodifiziert wurde und (wie dort vorgesehen) besagt, dass im Falle einer Aussetzung der Lauf einer jeden Frist aufhört und nach Beendigung der Aussetzung von neuem zu laufen beginnt, und dementsprechend im kodifizierten Sinn zu verwenden ist. Die grundsätzlichen Bedenken, die die Beigeladene und der Beklagte gegen eine Anwendung des § 249 Abs. 1 ZPO bzw. des dieser Vorschrift zugrunde liegenden Rechtsgedankens erheben, teilt der Senat nicht. Sachliche Gründe für eine wesentliche Unterscheidung zwischen dem Fall des § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB, in dem "die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben ... auszusetzen" ist, und dem der Verfahrensaussetzung nach § 249 Abs. 1 ZPO sind weder vorgetragen noch erkennbar. Auch bei einer Verfahrensaussetzung nach § 249 Abs. 1 ZPO wird das Verfahren in der Sache offengehalten bzw. das Ergehen einer Sachentscheidung zurückgestellt.

Der Senat teilt auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Vorbescheid schon deswegen und ohne weitere Prüfung aufzuheben ist, weil die so errechnete Zweimonatsfrist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB bei Erteilung des Vorbescheids noch nicht abgelaufen war. Er verweist auch insofern auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil. Soweit die Beigeladene einwendet, dem (auch vom Verwaltungsgericht zitierten) Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. August 2008 (- 4 B 25.08 -, NVwZ 2008, 1347, [...]) liege im entscheidenden Punkt insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde, als dort eine Beteiligung der Gemeinde überhaupt nicht stattgefunden habe, folgt der Senat dieser Auffassung nicht. Ein entscheidungserheblicher Sachverhaltsunterschied liegt darin nicht. Jede Verletzung oder Missachtung des Rechts der Gemeinde auf Einvernehmen führt zur Aufhebung der Genehmigung (Senat, Urt. v. 23.6.2009 - 12 LC 136/07 -, BauR 2009, 1630; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, Band 3, Stand: April 2013, § 36 Rdn. 47 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu. Die Klärung der sich stellenden Rechtsfrage nach den Wirkungen der Zurückstellungsentscheidung auf die Einvernehmensfrist liegt insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit und der Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse.