Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.11.2013, Az.: 18 LP 2/13

Bemessung des Gegenstandswerts bei Stellung eines Feststellungs- und eines Verpflichtungsantrags

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.11.2013
Aktenzeichen
18 LP 2/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 49795
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:1118.18LP2.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 04.02.2013 - AZ: 8 A 3/12

Fundstellen

  • JurBüro 2014, 143-144
  • NVwZ-RR 2014, 6
  • NVwZ-RR 2014, 406-407

Amtlicher Leitsatz

Wird neben der Feststellung der Verletzung eines Mitbestimmungsrechts auch die Verpflichtung zur Rücknahme der Maßnahme beantragt, kommt regelmäßig keine Verdoppelung des in personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens maßgeblichen Gegenstandswertes von 5.000,00 EUR in Betracht.

[Gründe]

Über die von den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers zulässigerweise im eigenen Namen erhobene Beschwerde (vgl. § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG) gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes - vom Verwaltungsgericht offensichtlich versehentlich als "Streitwert" bezeichnet - entscheidet der Vorsitzende des Fachsenats. Aus § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG ergibt sich die Zuständigkeit eines Mitglieds des Senats als Einzelrichter, weil die hier angefochtene Entscheidung vom Vorsitzenden der Fachkammer des Verwaltungsgerichts allein getroffen worden ist. Welches Mitglied des Senats zuständig ist, lässt § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG hingegen offen. Die Zuständigkeit des Vorsitzenden folgt zwar nicht aus § 83 Abs. 2 NPersVG i. V. m. §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 64 Abs. 7, 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, weil es sich bei dem (selbständigen) Beschwerdeverfahren nicht um ein zweitinstanzliches Beschlussverfahren gegen einen verfahrensbeendenden Beschluss i. S. d. § 83 Abs. 2 NPersVG i. V. m. § 87 Abs. 1 ArbGG handelt. Sie ergibt sich aber aus § 83 Abs. 2 NPersVG i. V. m. §§ 83 Abs. 5, 78 Satz 3 ArbGG, wonach über die sofortige Beschwerde gegen die das Verfahren nicht beendenden erstinstanzlichen Beschlüsse das zweitinstanzliche Gericht ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entscheidet. Aufgrund der Besetzung der Landesarbeitsgerichte mit einem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern (vgl. § 35 Abs. 2 ArbGG) ergibt sich ohne weiteres die Entscheidungszuständigkeit des Vorsitzenden. Wegen der bloß entsprechenden Anwendbarkeit des Arbeitsgerichtsgesetzes im Personalvertretungsrecht gleichwohl von einer Zuständigkeit des Berichterstatters auszugehen, ist nicht möglich (vgl. zum Ergebnis auch: Dembowski/Ladwig/Sellmann, Personalvertretung Niedersachsen, § 83 Rdnr. 93; OVG Berlin, Beschl. v. 03.01.2001 - 60 PV 16.00 -, [...] Rdnr. 10).

Die gegen die Höhe der Wertfestsetzung gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Wert nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zutreffend auf die in personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren maßgebliche Summe von 5.000,00 EUR (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 21.03.07 - 6 PB 17.06 -, [...]; § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG in der seit dem 1. August 2013 geltenden Fassung sieht nunmehr ohnehin einen Auffangwert von 5.000,00 EUR vor) festgesetzt. Nicht zu folgen ist dem Vorbringen der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers, dass eine Verdoppelung dieses Wertes vorzunehmen sei, weil es sich bei den gestellten Anträgen zu 1. (Feststellungsantrag) und 2. (Leistungsantrag) um eigenständige Anträge handele.

Grundsätzlich ist zwar eine Addition nach § 22 Abs. 1 RVG unter der Annahme einer aus mehreren Gegenständen bestehenden (gebührenrechtlichen) Angelegenheit dann gerechtfertigt, wenn in einem Beschlussverfahren mehrere Begehren zur Entscheidung gestellt werden, die eine eigenständige rechtliche Prüfung erfordern und daher auch in getrennten Beschlussverfahren hätten geltend gemacht werden können (vgl. Dembowski u. a., a. a. O., § 83 Rdnr. 92). Dies ist indessen nicht der Fall, wenn die Personalvertretung in einem Beschlussverfahren mehrere im Wesentlichen gleich lautende Anträge stellt, die sich auf gleich liegende Komplexe beziehen und es in Wahrheit nur um einen einzigen Streitpunkt zwischen Personalvertretung und Dienststelle geht (vgl. Dembowski u. a., a. a. O.; BVerwG, Beschl. v. 09.12.1998 - 6 P 6.97 -, [...]). Generell ist die Vorschrift des § 22 Abs. 1 RVG im Gebührenrecht als Ausnahmevorschrift eng auszulegen (Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., § 22 Rdnr. 2). Dies gilt im Bereich des Personalvertretungsrechts umso mehr, weil aufgrund der materiellrechtlichen Regelung die Kosten eines Beschlussverfahrens einschließlich der Anwaltskosten unabhängig vom Verfahrensausgang regelmäßig der Dienststelle zur Last fallen (vgl. zu Ausnahmekonstellationen: Nds. OVG, Beschl. v. 25.09.2013 - 17 LP 3/12 -) und die anwaltliche Vertretung des Personalrats daher mangels Kostenrisiko für die Mandantschaft durchaus geneigt sein könnte, im eigenen Gebühreninteresse einen an sich einheitlichen Verfahrensgegenstand durch eine bestimmte Art und Weise der Antragstellung in mehrere Gegenstände (künstlich) aufzuspalten.

Gemessen an diesen Maßstäben kommt vorliegend eine Wertaddition nicht in Betracht. Schon eine Geltendmachung der Anträge in unterschiedlichen Beschlussverfahren wäre fernliegend gewesen, da der Antrag auf Rücknahme der getroffenen Maßnahme (Antrag zu 2.) im Verhältnis zum Antrag auf Feststellung der Mitbestimmungsbedürftigkeit (Antrag zu 1.) als unechter Hilfsantrag (Stufenantrag) anzusehen ist. Eine Gegenstandswertkumulation kann vorliegend zwar nicht an einer fehlenden gerichtlichen Entscheidung über den Hilfsantrag scheitern (vgl. zur Anwendbarkeit des Rechtsgedankens des § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG auch im Rechtsanwaltsvergütungsrecht: BGH, Beschl. v. 25.09.2008 - VII ZB 99/07 -, [...]), wohl aber daran, dass es bei Lichte betrachtet letztlich nur um eine einheitlich zu betrachtende Streitigkeit zwischen Dienststelle und Personalrat geht. Es leuchtet unmittelbar ein, dass eine Gegenstandswertaddition ausscheiden würde, wenn hier für alle betroffenen Arbeitnehmer verschiedene Anträge gestellt worden wären (vgl. für den entsprechenden Fall mehrerer Änderungskündigungen: BVerwG, Beschl. v. 09.12.1998 - 6 P 6.97 -, [...]). Auch läge es auf der Hand, dass es keiner besonderen Bewertung zugänglich wäre, wenn für den Fall der Feststellung der Verletzung des Mitbestimmungsrechts gesondert beantragt worden wäre, den Beteiligten zur Nachholung des Mitbestimmungsverfahrens zu verpflichten. Nicht anders liegt es indes bei dem vom Antragsteller hier geltend gemachten Rücknahmeanspruch. Dieser ist rechtlich mit dem Hauptantrag derart eng verwoben, dass er keiner gesonderten Bewertung zugänglich ist. Eine gesonderte Bewertung des Antrags zu § 63 Satz 2 NPersVG erscheint allenfalls in Konstellationen gerechtfertigt, in denen die Dienststelle bereits vor Einleitung des Beschlussverfahrens ein Verhalten an den Tag gelegt hat, aus dem sich für den Personalrat die Schlussfolgerung aufdrängen musste, dass sie sich selbst im Falle einer rechtskräftigen Feststellung der Verletzung eines Mitbestimmungsrechts und ungeachtet des Ergebnisses eines dann nachzuholenden Mitbestimmungsverfahrens den sich aus § 63 Satz 2 NPersVG ergebenden Folgen schon im Ansatz versperren würde. Gleiches könnte angenommen werden, wenn ein gesonderter Antrag deshalb gestellt worden ist, weil die Dienststelle schon im Vorfeld des Beschlussverfahrens zu erkennen gegeben hat, dass eine Rücknahme der Maßnahme aus ihrer Sicht wegen des Vorliegens der in § 63 Satz 2 NPersVG geregelten Ausnahmen nicht in Betracht kommt und sich der Personalrat aus nachvollziehbaren Gründen dieser Auffassung nicht angeschlossen hat. Eine solche Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor. Dass sich der Beteiligte (erst) im Laufe des Beschlussverfahrens gegen den geltend gemachten Rücknahmeanspruch mit dem Hinweis auf einen unzulässigen Eingriff in die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Beschäftigten verteidigt hat, reicht für eine gesonderte gebührenrechtliche Bewertung nicht aus.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 33 Abs. 9 RVG.