Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.11.2013, Az.: 13 LC 197/11

Beendigung der Geltung einer nach § 68 Abs. 1 AufenthG übernommenen Unterhaltsverpflichtung mit Wirkung für die Zukunft durch eine nach § 25 Abs. 2 AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnis

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.11.2013
Aktenzeichen
13 LC 197/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 49801
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2013:1113.13LC197.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 22.07.2011 - AZ: 3 A 6111/08

Fundstellen

  • AUAS 2014, 4-7
  • DÖV 2014, 172
  • InfAuslR 2014, 74-77

Amtlicher Leitsatz

Eine nach§ 25 Abs. 2 AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnis beendet die Geltung einer nach § 68 Abs. 1 AufenthG übernommenen Unterhaltsverpflichtung nur mit Wirkung für die Zukunft. Zu einem rückwirkenden Wegfall der Unterhaltsverpflichtung bereits zum Zeitpunkt der letztlich erfolgreichen Asylantragstellung kommt es hingegen nicht.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung aus einer Verpflichtungserklärung nach § 68 des Aufenthaltsgesetzes.

Die am H. 1939 in I. /Iran geborene Mutter der Klägerin, Frau J. K., war in der Vergangenheit bereits mehrmals zu Besuchszwecken in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Um der Mutter der Klägerin die Einreise zu ermöglichen, hatte sich der damalige Ehemann der Klägerin bereits im Jahr 2000 nach § 84 AuslG 1990 verpflichtet, die Kosten für deren Lebensunterhalt und Ausreise zu tragen. Nach ihrer Einreise hatte Frau J. K. - zum wiederholten Mal - um Asyl nachgesucht. Die Beklagte hatte ihr Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gewährt. Frau K. nahm den Asylfolgeantrag im April 2001 zurück und kehrte in den Iran zurück. Das Asylfolgeverfahren wurde eingestellt.

Im Jahr 2007 erwartete die Klägerin ihr drittes Kind und bemühte sich deshalb erneut, ihrer Mutter die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen. Unter dem 08. März 2007 verpflichtete sie sich deshalb nach § 68 AufenthG gegenüber der Ausländerbehörde der Beklagten, die Kosten für den Lebensunterhalt ihrer Mutter vom Beginn der voraussichtlichen Gültigkeit des Visums bis zur Beendigung des Aufenthalts oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck zu tragen. Diese Kosten umfassen nach dem Inhalt der Verpflichtungserklärung die Erstattung sämtlicher öffentlicher Mittel, die für den Lebensunterhalt einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter aufgewendet werden.

Die finanzielle Leistungsfähigkeit der Klägerin bei der Abgabe der Verpflichtungserklärung ist nach dem Inhalt der Verwaltungsvorgänge nicht positiv festgestellt worden. Dazu ist in den Verwaltungsvorgängen vermerkt, dass oftmals Verpflichtungserklärungen abgegeben würden, "ohne dass die finanzielle Leistungsfähigkeit nachgewiesen werden kann (in der Regel bei SGB II Bezug). Die Entscheidung, ob dann ein Visum erteilt wird, trifft dann die Botschaft."

Am 12. März 2007 wandte sich die Klägerin an die deutsche Botschaft in Teheran und bat darum, ihrer Mutter eine Einreiseerlaubnis zu erteilen. Sie habe zwei Kinder aus erster Ehe, habe im September 2006 zum zweiten Mal geheiratet und sei schwanger. Es handle sich um eine Risikoschwangerschaft. Sie müsse viel liegen und dürfe sich nicht anstrengen, deshalb könne sie sich nicht intensiv um die beiden Kinder kümmern. Die Kinder hätten ihre Großmutter seit mehreren Jahren nicht gesehen. Deshalb würden sie sich sehr freuen, wenn die Mutter für eine bestimmte Zeit einreisen dürfe. Sie könnte sich dann um die Kinder kümmern und würde Gelegenheit bekommen, ihren zweiten Ehemann kennenzulernen, der nicht in den Iran einreisen dürfe.

Die deutsche Botschaft in Teheran erteilte der Mutter der Klägerin daraufhin ein Besuchervisum für die Zeit vom 11. August 2007 bis 10. November 2007. Am 16. August 2007 reiste sie sodann (erneut) ins Bundesgebiet ein und stellte am 10. Oktober 2007 einen weiteren Asylfolgeantrag. Die Beklagte gewährte ihr Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Form von Grundleistungen und Krankenhilfe.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Asylfolgeantrag der Mutter der Klägerin mit Bescheid vom 23. Februar 2011 ab. Mit rechtskräftig gewordenem Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 13. September 2012 - 6 A 1176/11 - wurde das Bundesamt unter entsprechender Aufhebung des Ablehnungsbescheides verpflichtet, der Mutter der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Dieser Verpflichtung kam das Bundesamt mit Bescheid vom 29. November 2012 nach. Am 13. Dezember 2012 erhielt die Mutter der Klägerin von der Beklagten daraufhin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG in einem Reiseausweis für Flüchtlinge.

Unter dem 27. Oktober 2008 hörte die Beklagte die Klägerin zu ihrer Absicht an, sie zumindest teilweise für die ihrer Mutter erbrachten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Anspruch zu nehmen. In der Zeit vom 1. November .2007 bis zum 31. Oktober 2008 habe sie Gesamtaufwendungen in Höhe von 2.576,27 €, davon Grundleistungen in Höhe von 2.489,45 € und Krankenhilfeleistungen in Höhe von 86,82 €, erbracht. Sie beabsichtige, die Klägerin lediglich anteilig, und zwar in Höhe von zunächst 2.489,45 € in Anspruch zu nehmen.

Die Klägerin teilte daraufhin unter dem 03. November 2008 mit, sie beziehe derzeit Arbeitslosengeld II und habe keine konkrete Aussicht auf eine Arbeit.

Mit Bescheid vom 19. November 2008 forderte die Beklagte die Klägerin sodann auf, ihr die für ihre Mutter in der Zeit vom 1. November 2007 bis zum 31. Oktober 2008 erbrachten Grundleistungen in Höhe von 2.489,45 € zu erstatten. Frau K. erhalte seit dem 01.11.2007 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Form von Grundleistungen gemäß § 3 AsylbLG und Krankenhilfe nach § 4 AsylbLG. Vor ihrer Einreise habe sich die Klägerin mit schriftlicher Erklärung vom 08. März 2007 verpflichtet, die Kosten für den Lebensunterhalt, die Versorgung mit Wohnraum, den Krankheitsfall sowie Pflegebedürftigkeit zu tragen. Sie sei dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, so dass die Beklagte mit öffentlichen Mitteln habe eintreten müssen. Ihr stehe deshalb nach § 68 Abs. 2 Satz 3 AufenthG ein Erstattungsanspruch zu. Dabei gehe sie von einem atypischen Sachverhalt aus und sehe von der Heranziehung teilweise ab. Die Klägerin werde nur für einen Zeitraum von maximal zwei Jahren seit der erneuten Einreise ihrer Mutter und zunächst lediglich zur Erstattung der vom 1. November 2007 bis zum 31. Oktober 2008 nach § 3 AsylbLG gezahlten Grundleistungen in Anspruch genommen. Die Rückzahlung der Forderung werde bis auf Widerruf ausgesetzt, da die Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II erhalte.

Am 12. Dezember 2008 hat die Klägerin Klage erhoben.

Es treffe zu, dass im Fall einer Verpflichtungserklärung im Regelfall sämtliche Kosten für den Lebensunterhalt zu übernehmen seien. Hier könne sich die Beklagte auf die Verpflichtungserklärung jedoch nicht berufen. Aus dem Verwaltungsvorgang ergebe sich, dass ihre finanzielle Leistungsfähigkeit vor der Einreise ihrer Mutter zwar geprüft worden sei, sie habe jedoch nicht nachgewiesen werden können. Der Beklagten sei ihre fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit also bekannt gewesen. Es sei offensichtlich gängige Verwaltungspraxis, den Angehörigen eines einreisenden Ausländers Verpflichtungserklärungen abzuverlangen und Einreisevisa zu erteilen, auch wenn ihre finanzielle Leistungsfähigkeit nicht gegeben sei. Vor diesem Hintergrund könne sie aber aus der Verpflichtungserklärung nicht herangezogen werden. Außerdem handele es sich um einen atypischen Fall, denn ihre Mutter sei - wie auch in der Vergangenheit - aus reinen Besuchsgründen mit einer eindeutigen Rückkehrabsicht in den Iran in die Bundesrepublik eingereist. Erst im Laufe des Aufenthaltes habe sich herausgestellt, dass sie aus asylrechtlich relevanten Gründen nicht mehr in den Iran habe zurückkehren können. Deshalb sei ein Asylantrag gestellt worden. Bei atypischen Gegebenheiten müsse jedoch Ermessen ausgeübt werden.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 19.11.2008 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen und ergänzt, eine Verpflichtungserklärung verliere zwar ihre Wirkung, wenn der ursprüngliche Aufenthaltszweck durch einen anderen ersetzt werde und dies aufenthaltsrechtlich durch einen Aufenthaltstitel anerkannt worden sei. Allein die Stellung eines Asylantrages führe aber nicht zur Änderung des Aufenthaltszwecks. Die Klägerin sei nicht zur Abgabe einer Verpflichtungserklärung angehalten worden, sondern habe sie aus freien Stücken abgegeben. Außerdem ergebe sich allein aus dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II nicht, dass sie nicht in der Lage sein könnte, für den Aufenthalt ihrer Mutter aufzukommen. Den Umständen des Einzelfalls sei Rechnung getragen worden. Sie habe die Klägerin nicht für die gesamten Kosten in Anspruch genommen und die Rückzahlung im Hinblick auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse bis auf Widerruf ausgesetzt.

Mit Urteil vom 22. Juli 2011, das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 25. August 2011 zugestellt worden ist, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Verpflichtungserklärung der Klägerin sei wirksam. Insbesondere der Umstand, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der Klägerin bei der Abgabe der Verpflichtungserklärung nicht habe festgestellt werden können, führe nicht zur Unwirksamkeit wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es sei unbedenklich, wenn die Ausländerbehörden die Zustimmung zur Visumserteilung von der Abgabe einer Verpflichtungserklärung abhängig machten. Soweit das Bundesverwaltungsgericht aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls - etwa wenn der Verpflichtete von vornherein erkennbar außerstande gewesen sei, die bei Verwandten typischen Naturalleistungen (Aufnahme in die Wohnung, Gewährung von Lebensunterhalt nach Maßgabe des der Familie Möglichen) zu erfüllen und irgendeine Haftung gemäß § 84 Abs. 1 AuslG zu übernehmen - die Möglichkeit der Unwirksamkeit einer Verpflichtungserklärung annehme, vermöge die Kammer einer derartigen Relativierung bereits auf der Ebene der Verpflichtung nicht zu folgen. Diese Umstände seien erst im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. Unabhängig davon fehle es aber auch an besonderen Umständen des Einzelfalls. Die Mutter der Klägerin habe nicht auf Dauer, sondern lediglich für einen Besuchsaufenthalt ins Bundesgebiet einreisen wollen. In derartigen Fällen werde - entsprechend den damals gültigen Verwaltungsvorschriften - keine eingehende und sorgfältige bzw. gar keine Bonitätsprüfung vorgenommen. Hinzu komme, dass die Klägerin über eine Wohnung verfügt habe, so dass jedenfalls der Unterkunftsbedarf der Mutter habe gedeckt werden können. Auch habe diese bei der Einreise einen Betrag von 750,00 Euro mit sich führen müssen, so dass ihr Lebensunterhalt für einen gewissen Zeitraum gesichert gewesen sei. Einem kurzfristigen Besuchsaufenthalt der Mutter habe der Bezug von SGB II-Leistungen durch die Klägerin und ihre Familie nicht entgegengestanden. Die Verpflichtungserklärung sei auch nicht wegen Verstoßes gegen die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 unwirksam, da diese Verwaltungsvorschriften zum Zeitpunkt der Abgabe der Verpflichtungserklärung durch die Klägerin nicht gegolten hätten und auch keine dogmatische Grundlage dafür bestehe, eine Verpflichtungserklärung wegen Verstoßes gegen Verwaltungsvorschriften als unwirksam anzusehen. Die Erteilung einer Aufenthaltsgestattung lasse die Verpflichtung nach § 68 AufenthG nicht entfallen, da durch die Erteilung einer Aufenthaltsgestattung der Aufenthaltszweck nicht durch einen anderen ersetzt und aufenthaltsrechtlich anerkannt worden sei. Die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe dabei nicht berücksichtigen müssen, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der Klägerin im Zeitpunkt der Abgabe der Verpflichtungserklärung nicht habe festgestellt werden können, da dieser Umstand die Ermessensentscheidung erst eröffne. Da die Klägerin mit ihrer Verpflichtungserklärung ihr Ziel - die Einreise ihrer Mutter - erreicht habe, sei es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Beklagte nunmehr von der Verpflichtungserklärung Gebrauch mache und die Klägerin in Anspruch nehme. Der Umstand, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Inanspruchnahme Leistungen nach dem SGB II bezogen habe, berühre die Heranziehung als solche nicht, sondern betreffe lediglich die Vollstreckung. Auch der im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei nicht verletzt, da die Beklagte die Klägerin lediglich für die vom 1. November 2007 bis zum 31. Oktober 2008 aufgewendeten Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz herangezogen und darüber hinaus die Leistungen bis auf Widerruf ausgesetzt habe, solange die Klägerin Leistungen nach dem SGB II erhalte. Damit habe die Beklagte dem Interesse der Klägerin an einer maßvollen Heranziehung hinreichend Rechnung getragen und ihre wirtschaftliche Situation berücksichtigt. Wegen Abweichung von der Beschwerdeentscheidung des Senats vom 31. März 2011 im Prozesskostenhilfeverfahren - 13 PA 54/11 - hat das Verwaltungsgericht die Berufung zugelassen.

Am 1. September 2011 hat die Klägerin Berufung eingelegt.

Zur Begründung verweist sie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und auf die Gründe im vorgenannten Beschluss des Senats vom 31. März 2011. Ergänzend trägt sie vor, Sinn und Zweck einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG sei es, gerade in dem Fall, in dem ein Ausländer länger als ursprünglich vorgesehen im Bundesgebiet verbleibe, durch Heranziehung des durch die Erklärung Verpflichteten eine Belastung des Staates durch Sozialleitungen zu vermeiden. Diese Funktion könne eine Verpflichtungserklärung nur erfüllen, wenn zuvor die Bonität des Verpflichteten - gerade für den Fall der Fälle - nachgewiesen sei. Werde trotz des Wissens um die fehlende Leistungsfähigkeit des Verpflichteten das Visum erteilt, so könne sich die Behörde - wie im Zivilrecht - später nicht auf diese Erklärung offensichtlich falschen Inhalts berufen. Vielmehr hätte das Visum nicht erteilt werden dürfen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 3. Kammer - vom 22. Juli 2011 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 19. August 2008 (richtig: 19. November 2008) aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf ihre erstinstanzliche Stellungnahme und die Gründe des angefochtenen Urteils. Es könne nicht von einem Regelfall i.S. des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 - ausgegangen werden. Eine Mitverantwortung des Staates sei sicherlich gegeben, mit der Folge, dass den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Billigkeit angemessen Rechnung getragen werden müsse. Dies bedeute aber nicht, denjenigen, der eine Verpflichtungserklärung abgebe, vollständig freizustellen. Eine Inanspruchnahme der Klägerin sei bislang lediglich für den Zeitraum von November 2007 bis Oktober 2008 erfolgt. Von einer weiteren Inanspruchnahme über diesen Zeitraum hinaus werde abgesehen, was deutlich mache, dass der Mitverantwortung der öffentlichen Hand Rechnung getragen werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Heranziehungsbescheid der Beklagten vom 19. November 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Bescheides ist § 68 Abs. 1 AufenthG (vgl. zur VA-Befugnis im Hinblick auf die Vorgängervorschrift des § 84 AuslG: BVerwG, Urt. v. 24. November 1998 - 1 C 33.97 -, [...], Rdnr. 20 ff.). Danach hat derjenige, der sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch wenn die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen.

Eine derartige Verpflichtungserklärung hat die Klägerin unter dem 8. März 2007 in der Schriftform des § 68 Abs. 2 Satz 1 AufenthG abgegeben.

Diese Erklärung ist auch wirksam. Insbesondere verstößt ihre Entgegennahme nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ihrer Wirksamkeit kann in diesem Zusammenhang nicht entgegengehalten werden, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der Klägerin ersichtlich nicht geprüft worden ist. In seiner bereits angeführten Entscheidung vom 24. November 1998 hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, die Ausländerbehörde sei durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich nicht gehindert, die Verpflichtungserklärung eines Dritten ohne entsprechende Bonitätsprüfung entgegenzunehmen und der entsprechenden Visumserteilung zugrundezulegen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebiete ferner nicht, dass diejenigen, die sich mit ihrer Verpflichtungserklärung einem hohen finanziellen Risiko ausgesetzt haben, vollständig von ihrer Erstattungspflicht freigestellt würden. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz komme jedoch aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls in Betracht. Dies könne etwa dann der Fall sein, wenn der Verpflichtete von vornherein erkennbar außerstande war, die bei Verwandten typische Naturalleistungen (Aufnahme in die Wohnung, Gewährung von Lebensunterhalt nach Maßgabe des der Familie Möglichen) zu erfüllen und irgendeine Haftung gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu übernehmen (vgl. BVerwG, a.a.O., [...], Rdnrn. 50 - 52). Dieser Rechtsprechung folgt der Senat. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts steht dieser Auslegung auch nicht der Wortlaut des § 68 AufenthG entgegen. Die Annahme einer Verpflichtungserklärung steht - wie jedes staatliche Handeln - unter dem Gebot der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Gegen diesen Grundsatz wird verstoßen, wenn der Staat die Verpflichtungserklärung eines selbst erkennbar Mittel- und Hilflosen entgegennimmt und auf diese Weise seine Übermacht ausnutzt. Von einem Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und damit von einer Unwirksamkeit der Verpflichtungserklärung ist vor diesem Hintergrund dann auszugehen, wenn die vom Verpflichteten übernommene Haftung unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit völlig unangemessen war und sich der Verpflichtete bei der Abgabe seiner Erklärung in einer Zwangslage befand (vgl. Funke-Kaiser in GK-AufenthG, § 68, Rdnr. 27, Loseblatt, Stand März 2012). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Beantragt war ein Besuchsaufenthalt der Mutter der Klägerin. Ihr wurde ein vom 11. August 2007 bis zum 10. November 2007 gültiges Schengen-Visum erteilt, dessen Verlängerung ausgeschlossen worden war. Die Mutter sollte zur Betreuung der beiden Kinder der Klägerin während ihrer Schwangerschaft einreisen (Beiakte C, Bl. 95). Aus diesem Grunde konnte die Beklagte davon ausgehen, dass die Mutter der Klägerin während ihres Besuchsaufenthalts Unterkunft in der Wohnung der Klägerin finden würde. Damit würde der Unterhalt für diesen überschaubaren Zeitraum zumindest teilweise durch die Klägerin sichergestellt werden können, so dass von einer völligen Unangemessenheit der Verpflichtungserklärung trotz des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II durch die Klägerin nicht ausgegangen werden kann. Eine Unwirksamkeit der Verpflichtungserklärung im Hinblick auf die zum Zeitpunkt ihrer Abgabe geltende Vorläufige Niedersächsische Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 30. November 2005, die das Verwaltungsgericht zutreffend zugrundegelegt hat, liegt ebenfalls nicht vor. Etwaige Verstöße gegen die vorgeschriebene Bonitätsprüfung berühren die Wirksamkeit der Verpflichtungserklärung nicht, sondern sind im Rahmen der in diesen Fällen erforderlichen Ermessensentscheidung beim Erlass des Heranziehungsbescheides nach § 68 Abs. 1 AufenthG zu würdigen (vgl. Funke-Kaiser, a.a.O., Rdnr. 16). Auch in dem - vom Verwaltungsgericht offenbar missverstandenen - Beschluss des Senats vom 31. März 2011 in dem Beschwerdeverfahren - 13 PA 54/11 gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe ist lediglich davon die Rede, die Heranziehung sei in diesen Fällen "unangemessen" (S. 4 des Beschlussabdrucks).

Unter welchen Voraussetzungen ein Verpflichteter sich von seiner Verpflichtung nachträglich durch einseitige Erklärung lösen kann (vgl. dazu etwa: Funke-Kaiser in GK-AufenthG, a.a.O., § 68, Rdnr. 30 ff. m.w.N.), bedarf keiner Entscheidung, da eine derartige Erklärung im vorliegenden Fall nicht abgegeben worden ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts endet die mit der Erklärung übernommene Unterhaltsverpflichtung, wenn sie nicht ausdrücklich befristet ist, nach Maßgabe der Auslegung im Einzelfall erst mit dem Ende des vorgesehenen Aufenthalts oder dann, wenn der ursprüngliche Aufenthaltszweck durch einen anderen ersetzt und dies aufenthaltsrechtlich anerkannt worden ist. Die Unterhaltsverpflichtung erstreckt sich dabei grundsätzlich auch auf den Zeitraum eines illegalen Aufenthalts einschließlich der Dauer einer etwaigen Abschiebung (vgl. BVerwG, a.a.O., Rdnr. 34). Die Verpflichtungserklärung vom 8. März 2007 ist weder ausdrücklich befristet noch lässt sich ihr im Wege der Auslegung eine Beschränkung der zeitlichen Geltungsdauer entnehmen. Dies gilt auch im Hinblick auf das von der Klägerin an die deutsche Botschaft in Teheran gerichtete Schreiben (undatiert, BeiA C, Bl. 95). Allerdings ist dort von einer Risikoschwangerschaft der Klägerin die Rede, weshalb sie sich nicht um ihre beiden Kinder kümmern könne. Diese hätten ihre Großmutter seit mehreren Jahren nicht gesehen. Wenn die Großmutter für eine bestimmte Zeit einreisen dürfe, könne sie sich um die Kinder kümmern. Bei dieser Gelegenheit könne die Großmutter auch den zweiten Ehemann der Klägerin kennenlernen. Dieses auf die Erteilung eines Besuchsvisums gerichtete Schreiben hat indes keine zeitliche Befristung der Verpflichtungserklärung etwa auf die Dauer des erteilten Visums zur Folge. Der Geltungsdauer der erteilten Aufenthaltsgenehmigungen kommt bei der Auslegung der jeweiligen Verpflichtungserklärung keine entscheidende Bedeutung zu (vgl. dazu BVerwG, a.a.O., Rdnr. 33 f.). Das Schreiben der Klägerin an die deutsche Botschaft in Teheran ist erkennbar nicht Bestandteil oder Grundlage der Verpflichtungserklärung geworden, zumal die Klägerin auf die weiterreichende Dauer und den Umfang der Haftung sowie die Bindungswirkung der Verpflichtungserklärung ausweislich des verwendeten Formulars hingewiesen worden ist. Dies gilt um so mehr, als der damalige Ehemann der Klägerin sich schon unter dem 26. September 2000 in gleicher Weise verpflichtet hatte und ihre Mutter auch damals bereits die Geltungsdauer des erteilten Besuchsvisums überschritten und einen Asylantrag gestellt hatte. Auch wenn es wegen dieses Geschehens nicht zu einer Inanspruchnahme der Klägerin gekommen ist, so war diese mit den Risiken einer derartigen Erklärung durchaus vertraut.

Der Heranziehung der Klägerin zur Erstattung der gegenüber ihrer Mutter im Zeitraum vom 1. November 2007 bis zum 31. Oktober 2008 erbrachten Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von 2.489,45 Euro steht auch nicht der Asylfolgeantrag der Mutter vom 10. Oktober 2007 entgegen. Die Haftung nach § 68 AufenthG entfällt nicht bereits allein auf Grund der Stellung eines Asylantrags (so aber Bay. VGH, Beschl. v. 3. März 1998 - 12 B 96.3002 -, [...], Rdnr. 26; Funke-Kaiser, a.a.O., Rdnr. 22; Hailbronner, AuslR, § 68 AufenthG, Rdnr. 14, Loseblatt, Stand Januar 2005). Zwar wechselt ein Ausländer, der zu einem Besuchsaufenthalt eingereist ist, durch die Stellung eines Asylantrages seinen ursprünglichen Aufenthaltszweck, doch kann der Erhalt der Aufenthaltsgestattung durch die Stellung des Asylantrags noch nicht als aufenthaltsrechtliche Anerkennung des neuen Aufenthaltszwecks im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gewertet werden (so für den Fall der späteren Ablehnung: VGH BW, Urt. v. 27. Februar 2006 - 11 S 1857/05 -, [...], Rdnr. 30). Die bereits mit Stellung des Asylantrags nach § 55 Abs. 1 AsylVfG entstandene Aufenthaltsgestattung ist kein Aufenthaltstitel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und hat eine lediglich verfahrenssichernde Funktion. Eine andere Betrachtungsweise würde zudem dem Schutzbedürfnis der öffentlichen Hand vor missbräuchlicher Inanspruchnahme nicht gerecht. Der Versuch, durch Stellung eines Asylantrages nach Ablauf eines zu Besuchszwecken erteilten Visums zu einer Verlängerung des Aufenthalts in Deutschland zu gelangen, ist eine durchaus häufige Verfahrensweise. Es wäre nicht sachgerecht, die Geltung einer etwaigen Verpflichtungserklärung gerade für diesen Fall auszuschließen und auf diese Weise möglichen Absprachen zwischen Begünstigtem und Verpflichtetem zu Lasten der öffentlichen Hand Vorschub zu leisten. (vgl. VG Trier, Urt. v. 5. Juni 2013 - 1 K 1591/11.TR -, [...], Rdnr. 31; VG Freiburg, Urt. v. 19. April 2013 - 4 K 1626/11 -, [...], Rdnr. 31; VG Potsdam, Urt. v. 20. Februar 2013, [...], Rdnr. 28; VG Oldenburg, Urt. v. 13. Februar 2012 - 11 A 518/11 -, [...], Rdnr. 20 f.; jew. m.w.N). Auch geht aus § 8 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG der eindeutige Wille des Gesetzgebers hervor, den Verpflichteten einer Erklärung nach § 68 Abs. 1 AufenthG nicht durch eine schlichte Asylantragstellung des Begünstigten von seiner Verpflichtung zur Unterhaltssicherung zu entbinden. Denn nach dieser Bestimmung werden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht gewährt, soweit der erforderliche Lebensunterhalt anderweitig, insbesondere aufgrund einer Verpflichtung nach § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG gedeckt wird. Diese Regelung setzt zwingend voraus, dass die abgegebene Verpflichtungserklärung nicht bereits mit der Stellung eines Asylantrages durch den Begünstigten erlischt (vgl. VGH BW, Urt. v. 21. März 2013 - 12 S 1188/12 -, [...], Rdnr. 28).

Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Mutter der Klägerin auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 13. September 2012 mit Bescheid vom 29. November 2012 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und die Beklagte ihr am 13. Dezember 2012 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt hat. Erst ab diesem Zeitpunkt entfällt die Verpflichtung der Klägerin. Der im angefochtenen Heranziehungsbescheid angesprochene Erstattungszeitraum vom 1. November 2007 bis 31.10.2008 ist von dieser Änderung hingegen nicht betroffen. Der Senat folgt insoweit nicht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Oldenburg (Urteile v. 13. Februar 2012 - 11 A 518/11-, [...], Rdnr. 20 f.; v. 24. Oktober 2011 - 11 A 583/11 -, [...], Rdnr. 23 f.; v. 7. September 2011 - 11 A 2205/10 -, [...], Rdnr. 29), das im Falle eines letztlich erfolgreichen Asylantrags in Anlehnung an § 55 Abs. 3 AsylVfG einen rückwirkenden Fortfall der nach § 68 Abs. 1 eingegangenen Verpflichtung annimmt. § 55 Abs. 3 AsylVfG ordnet die Berücksichtigung der mit einer Aufenthaltsgestattung aufgrund eines Asylverfahrens im Bundesgebiet verbrachten Zeiten an, soweit der Erwerb oder die Ausübung eines Rechts oder einer Vergünstigung daran anknüpft. Auch wenn diese Bestimmung weit auszulegen ist, so kann ihr keine Wertung für die Frage der zeitlichen Reichweite der Verpflichtungserklärung eines Dritten entnommen werden. Gegen einen rückwirkenden Wegfall der Verpflichtung aufgrund der Anerkennung des Begünstigten als Flüchtling spricht bereits, dass nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bei der Entscheidung im Asylstreitverfahren auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist. Rückschlüsse darauf, ob sich der Ausländer bereits zum Zeitpunkt der Stellung des Asylantrages aus "berechtigten Gründen" in der Bundesrepublik aufhielt, wie es das Verwaltungsgericht Oldenburg annimmt, lässt sich aus der späteren Anerkennung mithin - gerade im Hinblick auf die oftmals mehrjährige Dauer des Asylverfahrens - nicht schließen. Dementsprechend erfolgt auch keine rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AufenthG. Die rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis kann nur ausnahmsweise unter besonderen Voraussetzungen begehrt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 29. September 1998 - 1 C 14.97 -, [...], Rdnr. 14 ff.; VGH BW, Urt. v. 21. März 2013 - 12 S 1188/12 -, [...], Rdnr. 31), die im vorliegenden Fall nicht gegeben sind. Auch kann die Mutter der Klägerin nach ihrer Anerkennung als Flüchtling nicht rückwirkend Leistungen nach dem SGB II anstelle der niedrigeren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beanspruchen. Vielmehr hat es insoweit mit den Leistungen, die die Mutter der Klägerin zum Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs fordern konnte, sein Bewenden. Insbesondere dieser Umstand belegt, dass die Anerkennung der Mutter der Klägerin als Flüchtling keinen rückwirkenden Einfluss auf die zum konkreten Zeitpunkt der Unterhaltsbedürftigkeit bestehende - freiwillig übernommene - Verpflichtung der Klägerin zur Sicherung des Unterhalts ihrer Mutter hat.

Die Heranziehung der Klägerin ist auch ermessensfehlerfrei erfolgt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Verpflichtete im Regelfall zur Erstattung heranzuziehen, ohne dass es dahingehender Ermessenserwägungen bedürfte. Ein Regelfall wird vorliegen, wenn der Aufenthalt des Ausländers in Deutschland allein oder überwiegend private Gründe hat und dementsprechend der Lebensunterhalt ausschließlich von privater Seite zu sichern ist. Zudem muss die Lebensunterhaltssicherung einschließlich der finanziellen Belastbarkeit des Verpflichteten im Verwaltungsverfahren voll und individuell geprüft worden sein, und es darf nichts dafür sprechen, dass seine Heranziehung zu einer unzumutbaren Belastung für ihn führen könnte. Hingegen hat die erstattungsberechtigte Stelle bei atypischen Gegebenheiten im Wege des Ermessens zu entscheiden, in welchem Umfang der Anspruch geltend gemacht wird und welche Zahlungserleichterungen dem Verpflichteten etwa eingeräumt werden (BVerwG, Urt. v. 18. April 2013 - 10 C 10.12 -, [...], Rdnr. 31). Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen, ist danach nicht den vollstreckungsrechtlichen Instrumenten der Stundung, der Niederschlagung und des Erlasses vorbehalten, vielmehr bereits bei der Geltendmachung der Forderung von rechtlicher Bedeutung (BVerwG, Urt. v. 24. November 1998 - 1 C 33.97 -, [...], Rdnr. 59). Dabei ist unter Würdigung vornehmlich der Umstände, unter denen die jeweilige Verpflichtungserklärung abgegeben worden ist, zu klären, ob die Heranziehung zur vollen Erstattung der Aufwendungen gemäß § 68 Abs. 1 AufenthG namentlich im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist oder ob es weiterer Erwägungen bedarf, um zu einem angemessenen Interessenausgleich zu gelangen (vgl. BVerwG, Urt. v. 24. November 1998, a.a.O., Rdnr. 60).

Es liegt ein atypischer Fall vor, der zur Anstellung von Ermessenserwägungen zwingt. Der Aufenthalt der Mutter der Klägerin diente dem Familienbesuch und der Unterstützung ihrer Tochter und damit zunächst ausschließlich privaten Zwecken. Allerdings wurde die finanzielle Leistungsfähigkeit bei Abgabe der Verpflichtungserklärung nicht nachgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, es würden oftmals Verpflichtungserklärungen abgegeben, ohne dass die finanzielle Leistungsfähigkeit nachgewiesen werden könne (in der Regel bei SGB II Bezug). Die Entscheidung, ob ein Visum erteilt werde, treffe dann die Botschaft (vgl. BeiA C, Bl. 84).

Dieses Vorgehen entspricht nicht den Vorgaben der zum Zeitpunkt der Abgabe der Verpflichtungserklärung geltenden Vorläufigen Niedersächsischen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 30. November 2005. War der Ausländerbehörde oder der Auslandsvertretung nicht bekannt, ob der Dritte die übernommene Verpflichtung erfüllen konnte, hatte sie sich von diesem nach Nr. 68.1.2.2 der Verwaltungsvorschrift grundsätzlich ausreichende Nachweise erbringen zu lassen (z.B. Wohnraum-, Einkommens- und Versicherungsnachweise). Der Dritte war jedoch hierzu gesetzlich nicht verpflichtet. Fehlte es an den erforderlichen Nachweisen oder bestanden begründete Zweifel an der finanziellen Leistungsfähigkeit des Dritten, konnte die zuständige Behörde bei ihrer Entscheidung darauf abstellen, dass der Lebensunterhalt des Ausländers auch unter Einbeziehung einer Verpflichtungserklärung eines Dritten nicht gesichert war. Wollte im Zusammenhang mit der Erteilung eines Visums für einen Kurzaufenthalt ohne Erwerbstätigkeit bis zu drei Monaten ein Dritter eine Verpflichtung erklären und hatten die für die Entgegennahme der Erklärung zuständigen Behörden aufgrund vorhandener Erkenntnisse keine begründeten Zweifel an seiner finanziellen Leistungsfähigkeit (z.B. langjähriger verfestigter Aufenthalt, unveränderte Einkommensverhältnisse, seit der letzten Verpflichtungserklärung), war nach Nr. 68.1.2.5 der Verwaltungsvorschrift die finanzielle Leistungsfähigkeit regelmäßig glaubhaft gemacht. In diesen Fällen der Kurzaufenthalte war eine Abklärung der Wohnraumverhältnisse des Verpflichtungsgebers grundsätzlich nicht erforderlich. Weiterhin waren die Besonderheiten eines Besuchsaufenthalts (z.B. freie Kost und Logis) angemessen zu berücksichtigen. Die Auslandsvertretung hatte in diesen Fällen die Feststellungen der Ausländerbehörde (Bestätigung der Unterschrift, Glaubhaftmachung bzw. Nachweis der Leistungsfähigkeit) bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Besondere Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Dritten waren nach Nr. 68.1.2.7 der Verwaltungsvorschrift zu stellen, wenn er in früheren Fällen eine Verpflichtungserklärung nicht erfüllt oder sich wegen unrichtiger Angaben gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG strafbar gemacht hatte. Entsprechende Nachweise waren erforderlich, wenn der Ausländer während eines früheren Aufenthalts im Bundesgebiet öffentliche Mittel in Anspruch genommen hatte oder an seiner Rückkehrbereitschaft berechtigte Zweifel bestanden. Sofern in solchen Fällen eine Einreise dennoch erfolgen sollte, war die Erhebung einer Sicherheitsleistung angezeigt.

Im vorliegenden Fall hätte schon deshalb Anlass zu einer genaueren Überprüfung der Leistungsfähigkeit der Klägerin bestanden, weil ihre Mutter bereits im Jahr 2000 auf der Grundlage der Verpflichtungserklärung des damaligen Ehemannes des Klägerin mit einem Besuchsvisum eingereist war, einen Asylantrag gestellt hatte und zunächst nicht ausgereist war. Bereits damals hatte sie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen. Offensichtlich war der Beklagten die fehlende Leistungsfähigkeit der in ihrem Zuständigkeitsbereich lebenden Klägerin bei Entgegennahme der Verpflichtungserklärung positiv bekannt. Teilt die zuständige Ausländerbehörde diese einer Visumerteilung entgegenstehenden Umstände der Botschaft nicht mit (ggf. im Feld "Bemerkungen" des Formulars der Verpflichtungserklärung), so übernimmt sie selber das Risiko der Sicherung des Lebensunterhalts des Ausländers. Dies gilt um so mehr, als die Klägerin offensichtlich bereits zum Zeitpunkt der Verpflichtungserklärung von der Beklagten Leistungen nach dem SGB II bezog. Für die erstinstanzlich geäußerte Hoffnung, die Klägerin könne ihre Mutter aus einem etwaigen Schonvermögen oder mit Hilfe anderer Verwandter unterhalten, finden sich keine tatsächlichen Anhaltspunkte. Sofern die Beklagt auf die Verpflichtung der Mutter verweist, bei der Einreise 750 Euro mitzuführen, mag dieser Umstand eine Visumserteilung rechtfertigen, ist aber unabhängig vom Erfordernis der Prüfung der Bonität der Klägerin zu sehen. Auf der anderen Seite hat die Klägerin bei Abgabe der Verpflichtungserklärung unterschrieben, zur Übernahme der Verpflichtung aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse in der Lage zu sein. Auch hat sie mit der Abgabe der Verpflichtungserklärung ihr Ziel erreicht, die Einreise ihrer Mutter zu ermöglichen. Die Klägerin hat sich zur Erreichung dieses Ziels mithin einer nicht bestehenden Leistungsfähigkeit berühmt, an der sie sich nunmehr festhalten lassen muss. In diesem Zusammenhang ist - entgegen der Beteuerungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung - auch davon auszugehen, dass ihr die Absicht ihrer Mutter, einen Asylantrag zu stellen und einen Daueraufenthalt in Deutschland anzustreben, durchaus bewusst war, wie die Geschehnisse in den Jahren 2000 und 2001 belegen. Vor diesem Hintergrund ist die von der Beklagten eingeforderte Beteiligung an den Unterhaltskosten ihrer Mutter für den Zeitraum eines Jahres ermessensgerecht. Die im angefochtenen Bescheid vom 19. November 2008 darüber hinaus angedachte Heranziehung der Klägerin zu den Unterhaltskosten ihrer Mutter für ein weiteres Jahr kommt im Sinne einer angemessenen Risikoteilung angesichts der bewussten Risikoübernahme durch die Beklagte hingegen nicht mehr in Betracht.

Auch die zum Zeitpunkt der Heranziehung bestehende wirtschaftliche Situation der Klägerin hat die Beklagte in hinreichender Weise berücksichtigt. Sie hat die Zahlung bis auf Widerruf ausgesetzt, solange die Klägerin Leistungen nach dem SGB II bezieht. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, wird auf diese Weise dem Interesse der Klägerin an einer maßvollen Heranziehung ausreichend Rechnung getragen. Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Senats vorgetragen hat, mehrere Ausbildungen (u.a. Kosmetikerin) erfolgreich absolviert zu haben und sie beabsichtige, nunmehr als Politesse zu arbeiten, erscheint eine Realisierung der durch den Bescheid titulierten Forderung auch nicht von vornherein aussichtslos.