Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.01.2012, Az.: 10 LB 8/12

Rechtmäßigkeit der Rückforderung von Flächenzahlungen gem. Art. 49 Abs. 4 UAbs. 1 VO 2419/2001/EG; Nichtvorliegen der in Art. 49 Abs. 4 UAbs. 1 VO 2419/2001/EG normierten Ausnahme von der gemeinschaftsrechtlich geregelten Rückzahlungsverpflichtung als Voraussetzung für die Rücknahme des der Gewährung der Beihilfe zugrunde liegenden Verwaltungsakts

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.01.2012
Aktenzeichen
10 LB 8/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 11365
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2012:0117.10LB8.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 24.02.2009 - AZ: 4 A 310/06
OVG Niedersachsen - 27.07.2010 - AZ: 10 LA 38/09
nachfolgend
OVG Niedersachsen - 17.01.2012 - AZ: 10 LB 109/10
BVerwG - 20.12.2012 - AZ: BVerwG 3 B 20.12

Amtlicher Leitsatz

Nach nationalem Recht stellt das Nichtvoliegen der in Art. 49 Abs. 4 UAbs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 normierten Ausnahme von der gemeinschaftsrechtlich geregelten Rückzahlungsverpflichtung bereits eine Voraussetzung für die Rücknahme des der Gewährung der Beihilfe zugrunde liegenden Verwaltungsakts dar. Hiernach verbleibt kein Raum für eine weitere (oder erneute) Prüfung dieser Voraussetzung bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Rückforderung der ausgezahlten Beträge nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Eine Rückzahlungsverpflichtung nach Art. 49 Abs. 4 UAbs. 1Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 entfällt nur dann, wenn die zu Unrecht erfolgte Zahlung auf einem Irrtum beruht, welcher der Sphäre der Bewilligungsbehörde oder einer anderen mit der Angelegenheit befassten Behörde zuzurechnen ist.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Agrarförderung für die Antragsjahre 2001 und 2002.

2

Er betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb im Haupterwerb. Seit dem 1. Oktober 2000 pachtete er eine Teilfläche zur Größe von 3,9204 ha des Flurstücks 5/2 der Flur 6, Gemarkung E., Gemeinde F.. In dem zugrunde liegenden Pachtvertrag mit dem Verpächter G. H. vom 5. September 2000 ist als Nutzungsart "Acker" vermerkt. Diese Fläche war zuvor an den Landwirt I. J. verpachtet, der für diese Fläche im Antragsjahr 1996 Agrarförderung erhielt. Auf Antrag des Vorpächters vom 21. Mai 1996 wurde durch Bescheid des Amtes für Agrarstruktur Verden vom 29. November 1996 auf Grundlage des Art. 9 Abs. 4 Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 eine nicht beihilfefähige Fläche des Vorpächters in (förderfähiges) Ackerland umgewandelt, und zugleich ging u.a. die Teilfläche des Flurstücks 5/2 im Wege des Tausches in eine "nicht beihilfefähige Betriebsfläche" über, verbunden mit der Verpflichtung, die bisherigen Ackerflächen "als Grünland einzusäen". Der Verpächter hatte zuvor unter dem 13. August 1996 der Umwandlung des Flurstücks 5/2 im Herbst 1996 von Acker- in Grünland zugestimmt; diese Erklärung enthielt weder sachliche noch zeitliche Einschränkungen. Der Vorpächter nutzte diese Teilfläche seither als Grünland. Nach Übernahme dieser Fläche brach der Kläger das Grünland um und nutzte die Fläche seither als Ackerland.

3

Am 13. März 2001 beantragte er u.a. eine Flächenzahlung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen. Unter der lfd. Nr. 19 des Gesamtflächen- und Nutzungsnachweises (Anlage 1 des Antrags Agrarförderung) gab er die auf dem Flurstück 5/2 gelegene Fläche (Schlag 16) als Stilllegungsfläche (Kulturcode 511) mit einer Größe von 3,9204 ha an.

4

Das Amt für Agrarstruktur Verden als Funktionsvorgänger der Beklagten gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 30. November 2001 eine Flächenzahlung nach der Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen unter Einbeziehung der vorgenannten Stilllegungsfläche in Höhe von 6.975,47 EUR. Es berücksichtigte als zuwendungsfähige Stilllegungsflächen Flächen zur Größe von 3,8169 ha.

5

Für das Antragsjahr 2002 stellte der Kläger am 25. März 2002 den entsprechenden Antrag auf Agrarförderung, u.a. für mit Getreide bestellte Flächen zur Größe von zusammen 17,4537 ha. Hierbei gab er für den Schlag 16 die Kultur-/Fruchtart "S. Mais" (Kulturcode 173) mit einer Größe von 3,9204 ha an. Das Amt für Agrarstruktur Verden gewährte dem Kläger mit Bescheiden vom 30. September 2002 (Vorschusszahlung) und vom 29. November 2002 (Abschlusszahlung) eine Flächenzahlung für Getreide und Stilllegung für das Antragsjahr 2002 in Höhe 6.981,93 EUR.

6

Nach Anhörung des Klägers nahm das Amt für Agrarstruktur Verden mit als "Rücknahme- und Rückforderungsbescheid" bezeichnetem Bescheid vom 14. Mai 2004 die Zuwendungsbescheide über die Gewährung von Flächenzahlungen für Getreide sowie Stilllegung vom 30. November 2001, 30. September 2002 (Vorschusszahlung) und 29. November 2002 (Abschlusszahlung) hinsichtlich des Jahres 2001 in Höhe eines Betrages von 6.793,16 EUR und hinsichtlich des Jahres 2002 in Höhe eines Betrages von 5.486,26 EUR mit Wirkung für die Vergangenheit zurück und forderte es die Erstattung dieser Beträge. Weiter setzte das Amt für die in 2001 zu Unrecht gezahlte Zuwendung für den Zeitraum vom 1. Dezember 2001 bis 30. April 2004 Zinsen in Höhe von 1.207,24 EUR fest. Außerdem wurde bestimmt, dass für die zu Unrecht gezahlten Zuwendungen in 2002 Zinsen zu zahlen sind, wobei die Höhe der Zinsen nach erfolgter Zahlung berechnet werde. Zur Begründung führte das Amt aus: Im Rahmen des Dauergrünabgleiches 2003 sei festgestellt worden, dass das Flurstück 5/2 zur Größe von 3,8559 ha aufgrund des Umwandlungsbescheids vom 29. November 1996 Dauergrünland sei. Im Jahre 2001 habe der Kläger für eine Fläche von 3,9204 ha eine Stilllegungsprämie beantragt. Nach Abzug der Fläche zur Größe von 3,8559 ha sei nur eine Teilfläche von 0,0645 ha förderfähig. Die festgestellte Flächendifferenz liege somit über 20%, so dass dem Kläger für das Jahr 2001 keine Stilllegungsbeihilfe zustehe. Aufgrund der Kürzung der Stilllegungsfläche werde die tatsächlich ermittelte Fläche im Nutzungsblock Getreide von 18,2914 ha auf 0,5652 ha festgesetzt. Im Jahr 2002 betrage die tatsächlich ermittelte Fläche im Nutzungsblock Getreide der Region Niedersachen/04 noch 13,5978 ha (17,4537 ha abzüglich 3,8559 ha). Es errechne sich eine prozentuale Abweichung von 28,4% und somit eine zuwendungsfähige Fläche von 0 ha. Für das Jahr 2002 stehe dem Kläger somit keine Flächenprämie zu. Auf Vertrauensschutz könne der Kläger sich nicht berufen, weil er den Zuwendungsbescheid durch Angaben erwirkt habe, die in wesentlicher Beziehung unrichtig seien.

7

Mit weiterem Bescheid vom 14. Mai 2004 änderte das Amt für Agrarstruktur Verden seinen Bescheid vom 30. November 2001 und "bewilligte"dem Kläger eine "Rückforderung"in Höhe von 182,31 EUR. Aus der Anlage 1 zu dem Bescheid ergibt sich eine Reduzierung der ermittelten Flächen für Getreide um 17,2433 ha und für Stilllegung um 3,8169 ha, woraus eine Rückforderung von insgesamt 6.793,16 EUR resultiert; es verbleibt hiernach eine Flächenzahlung Getreide für das Jahr 2001 in Höhe von 182,31 EUR für eine Fläche zur Größe von 0,5652 ha.

8

Mit einem weiteren Bescheid vom 14. Mai 2004 änderte das Amt für Agrarstruktur Verden den Bewilligungsbescheid vom 29. November 2002 und reduzierte die Flächenzahlungen für 2002 auf 1.495,64 EUR für Stilllegungsflächen zur Größe von 4,6368 ha; für beantragte Getreideflächen wurde keine Förderung gewährt, vielmehr wurde ein Betrag in Höhe von 5.486,29 EUR zurückgefordert.

9

Gegen den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 14. Mai 2004 - nicht auch gegen die beiden Änderungsbescheide vom 14. Mai 2004 - erhob der Kläger am 19. Mai 2004 Widerspruch und machte geltend: Er habe bei Eingehung des Pachtverhältnisses hinsichtlich des Schlags 16 keine Kenntnis von dem Antrag des Vorpächters gehabt, woraufhin die Fläche in eine nicht beihilfefähige Fläche umgewandelt worden sei. Mit Beendigung des Pachtverhältnisses mit dem Vorpächter seien die Rechtsfolgen des Umwandlungsbescheids vom 29. November 1996 beendet. Auch handele es sich bei der betreffenden Fläche nicht um Dauergrünland. Am 31. Dezember 1991 sei die Fläche nicht als Dauerweide eingerichtet gewesen. Als Grünland habe die Fläche nur zwischen Herbst 1997 oder 1998 bis zum Herbst 2000, also weniger als fünf Jahre bestanden. Ihm sei aus diesem Grunde schon kein Vorwurf daraus zu machen, dass er sich nicht zu Beginn des Pachtverhältnisses danach erkundigt habe, ob es sich um Dauergrünland handele. Er habe in seinem Antrag sachlich richtige Angaben gemacht. Auch treffe ihn keine Schuld. Er habe von dem Flächentausch nichts gewusst und deshalb ohne Verschulden gehandelt.

10

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2006 änderte die Beklagte den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 14. Mai 2004 hinsichtlich der Festsetzung von Zinsen auf den Rückforderungsbetrag Flächenzahlung 2001 für die Zeit vom 1. Dezember 2001 bis zu 30. April 2004 auf 1.071,20 EUR. Im Übrigen wies sie den Widerspruch gegen den vorgenannten Rücknahme- und Rückforderungsbescheid zurück. Zur Begründung nahm sie zunächst Bezug auf die Begründung des angefochtenen Bescheids und ergänzte: Die betreffende Fläche (Schlag 16) sei auch nach Beendigung des Pachtverhältnisses mit dem Vorpächter nicht beihilfefähig, und die vermeintliche Tatsache, dass der Kläger keine Kenntnis von der Umwandlung der vormals beihilfefähigen Fläche in eine nicht beihilfefähige Fläche gehabt habe, lasse den ihm zur Last zu legenden Schuldvorwurf nicht entfallen. Der Kläger habe in den Agrarförderanträgen 2001 und 2002 sachlich unrichtige Angaben über die betreffende Fläche gemacht, die ihm auch vorzuwerfen seien.

11

Mit seiner am 27. Juli 2006 erhobenen Klage hat der Kläger ergänzend zu seinem Vorbringen im Widerspruchsverfahren geltend gemacht: Selbst bei der Vor-Ort-Kontrolle am 10. Juni 2003 hätten die Prüfer keine Beanstandungen erhoben. Er habe dabei sämtliche Katasterunterlagen vorgelegt, worin auch die umstrittene Fläche als "Ackerland"geführt werde. Diese Unterlagen genössen den "guten Glauben". Für ihn habe es keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass seine Antragsangaben unrichtig sein könnten. Auch aus dem Pachtvertrag gehe die Besonderheit dieser Fläche nicht hervor. Darüber hinaus habe es nicht zu seinen Obliegenheiten gehört, sich nach dem prämienrelevanten "Vorleben"der Fläche zu erkundigen. Außerdem entfalte der Bescheid vom 29. November 1996 über den Flächentausch nur betriebsbezogene Wirkung. Sein - des Klägers - Betrieb sei deshalb nicht betroffen.

12

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Amtes für Agrarstruktur Verden vom 14. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 4. Juli 2006 aufzuheben.

13

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

14

Sie bezieht sich zur Erwiderung auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und ergänzt: Der Kläger habe für die Fläche des Flurstücks 5/2 Flächenzahlungen beantragt und damit konkludent eine sachlich unrichtige Angabe gemacht, weil es sich tatsächlich um eine nicht beihilfefähige Fläche gehandelt habe. Insoweit treffe ihn auch ein Schuldvorwurf. Die Angaben in den Katasterunterlagen über die Nutzung einer Fläche müssten nicht zwangsläufig dem prämienrechtlichen Status entsprechen. Auch im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle habe der prämienrechtliche Status der Fläche nicht festgestellt werden können. Bei einer Vor-Ort-Kontrolle würden die tatsächlichen Gegebenheiten einer Fläche geprüft. Vielmehr gehöre es zu den Obliegenheiten des Klägers, sich vor Abschluss eines Rechtsgeschäfts über eine Fläche über deren prämienrechtlichen Status zu erkundigen.

15

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 24. Februar 2009 teilweise stattgegeben. Es hat den Bescheid des Amtes für Agrarstruktur Verden vom 14. Mai 2004 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 4. Juli 2006 gefunden hat, aufgehoben, soweit die Beklagte vom Kläger die Rückzahlung von 6.793,16 EUR und 5.486,29 EUR nebst Zinsen in Höhe von 1.071,20 EUR fordert. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

16

Die Klage habe Erfolg nur hinsichtlich des angegriffenen Rückzahlungsverlangens, das an den Kläger durch den Bescheid des Amtes für Agrarstruktur Verden vom 14. Mai 2004 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 4. Juli 2006 gefunden hat, gestellt worden sei. Soweit der Kläger sich gegen die durch die genannten Bescheide ausgesprochene Rücknahme der Bewilligungsbescheide des Amtes für Agrarstruktur Verden vom 30. November 2001 (Flächenzahlung für 2001), 30. September 2002 (Vorschuss auf die Flächenzahlung für 2002) und 29. November 2002 (Abschlusszahlung für die Flächenzahlung 2002) wende, sei seine Klage bereits unzulässig. Denn über die Förderanträge des Klägers für die Jahre 2001 und 2002 sei mit weiteren Bescheiden des Amtes für Agrarstruktur Verden vom 14. Mai 2004 neu entschieden worden. Diese Beihilfebescheide vom 14. Mai 2004, durch die auch gleichzeitig die Rückforderung von 6.793,16 EUR bzw. 5.486,29 EUR ausgesprochen worden sei, habe der Kläger nicht mit dem Widerspruch angegriffen, so dass sie bestandskräftig geworden seien. Dennoch sei der Kläger nicht verpflichtet, die erhaltenen Förderbeträge in Höhe von 6.793,16 EUR und 5.486,29 EUR an die Beklagte nebst geforderten Zinsen zurückzuzahlen.

17

Zwar habe der Kläger die genannten Förderbeträge zu Unrecht erhalten, weil die bestandskräftig gewordenen Bescheide über die Anträge auf Agrarförderung für 2001 und 2002 vom 14. Mai 2004 die Förderung für den Kläger um 6.793,16 EUR bzw. 5.486,29 EUR niedriger ansetzten, als ihm tatsächlich ausgezahlt worden seien. Nach Art. 49 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 gelte die Verpflichtung zur Rückzahlung aber nicht, wenn die Zahlung auf einen Irrtum der zuständigen Behörde selbst oder einer anderen Behörde zurückzuführen sei, der vom Betriebsinhaber billigerweise nicht habe erkannt werden können. So liege es hier. Dem Kläger habe zwar eine Flächenzahlung für eine Fläche von 3,8559 ha des Schlages 16 nicht zugestanden. Dies habe der Kläger aber nicht erkennen können, da er von dem Flächentausch offensichtlich nichts gewusst habe und auch nicht hätte wissen müssen. Mit einer Sanktion in Form des Ausschlusses von der Förderung habe der Kläger daher ohnehin nicht rechnen müssen; sie sei rechtswidrig.

18

Die Rückzahlungsverpflichtung von für das Jahr 2001 zu Unrecht gezahlten Beträgen sei zwar nicht nach Art. 14 Abs. 4 Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 ausgeschlossen, weil nach Abs. 5 dieser Vorschrift der Rückforderungsausschluss nicht gelte, wenn - wie hier - die Rückzahlung infolge der Anwendung einer in den Art. 8, 9 oder 10 vorgesehenen Sanktionen gefordert werde. ÜberArt. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 gelange aber die für den Kläger günstigere Vorschrift des Art. 49 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 auch für das Jahr 2001 zur Anwendung. Wie bereits für das Jahr 2002 ausgeführt, bestehe auch hier nach Art. 49 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 eine Rückzahlungsverpflichtung für zu Unrecht erhaltene Förderbeträge nicht, weil der Kläger nicht habe erkennen können, dass die Fläche von 3,8559 ha des Schlages 16 aufgrund des Flächentausches in 1996 nicht förderfähig gewesen sei. Deshalb habe er auch nicht erkennen können, dass er seine Stilllegungsverpflichtung mit dieser Fläche nicht würde erfüllen können, so dass auch die darauf begründende Kürzung der Flächenzahlung für ihn nicht abzusehen gewesen sei. Müsse der Kläger nach alledem für 2001 und 2002 keine Förderbeträge zurückerstatten, entfalle auch die von der Beklagten geforderte Verzinsung.

19

Die Beklagte hat die mit Beschluss des Senats vom 27. Juli 2010 (10 LA 38/09) zugelassene Berufung wie folgt begründet:

20

Der Rückforderung der Flächenzahlungen für die Antragsjahre 2001 und 2002 stehe Art. 49 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 nicht entgegen. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht einen nach dieser Bestimmung erforderlichen Irrtum der Behörde bejaht. Wenn der Kläger unrichtige Angaben im Antrag mache, könne es nicht sein, dass in solchen Fällen ein Irrtum der Behörde vorliege. Der Kläger habe zu der betreffenden Fläche in den Agrarförderanträgen der Jahre 2001 und 2002 sachlich unrichtige Angaben gemacht, die ihm auch vorzuwerfen seien. Daneben greife bezogen auf das Antragsjahr 2001 das Günstigkeitsprinzip des Art. 2 Abs. 2 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 nicht ein; es beziehe sich ausschließlich auf die Verhängung von Sanktionen, nicht jedoch auf Rückforderungen.

21

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil, soweit das Verwaltungsgericht der Klage wegen Rückforderung von Flächenzahlungen 2001 und 2002 nebst Zinsen für in 2001 zu Unrecht gezahlte Beträge stattgegeben hat, abzuändern und die Klage abzuweisen.

22

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

23

Zur Begründung vertieft er sein bisheriges Vorbringen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Er habe unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht erkennen können, dass die Fläche des Schlags 16 nicht beihilfefähig sei.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren sowie in dem Verfahren 10 LB 109/10 und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

25

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nur teilweise begründet.

26

Auf die Berufung der Beklagten ist das Urteil zu ändern und die Klage auch abzuweisen, soweit das Verwaltungsgericht den Bescheid des Amtes für Agrarstruktur Verden vom 14. Mai 2004 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 4. Juli 2006 gefunden hat, hinsichtlich der vom Kläger geforderten Rückzahlung von Flächenzahlungen in Höhe von 12.279,45 EUR aufgehoben hat; insoweit ist die Berufung der Beklagten begründet (1.). Im Übrigen - soweit das Verwaltungsgericht den vorgenannten Bescheid in Bezug auf die Zahlung eines Betrags von 1.071,20 EUR aufgehoben hat - ist die Berufung der Beklagten aber unbegründet (2.).

27

1.

Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht den Bescheid des Amtes für Agrarstruktur Verden vom 14. Mai 2004 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 4. Juli 2006 hinsichtlich der vom Kläger geforderten Rückzahlung von Flächenzahlungen in Höhe von 12.279,45 EUR gefunden hat, aufgehoben. Insoweit ist die Klage unbegründet, weil der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Rückforderung von Flächenzahlungen der Jahre 2001 und 2002 rechtmäßig ist.

28

Die mit dem angefochtenen Bescheid vom 14. Mai 2004 verfügte Rückforderung von Flächenzahlungen für das Antragsjahr 2001 in Höhe von 6.793,16 EUR und für das Antragsjahr 2002 in Höhe von 5.486,29 EUR ist rechtmäßig.

29

Rechtliche Grundlage für die Rückforderung ist § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 und Abs. 3 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen in der Bekanntmachung vom 24. Juni 2005 (BGBl. I S. 1847) in der Fassung des Gesetzes vom 13. April 2006 (BGBl. I S. 855) - im Folgenden: MOG - in Verbindung mit § 49a Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz in der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102). Nach diesen Vorschriften sind - zwingend - die bereits erbrachten Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt u.a. mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist. Ein Ermessen ist der Beklagten nicht eingeräumt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

30

Die Verwaltungsakte, die der Gewährung von Flächenzahlungen zugunsten des Klägers für die Jahre 2001 und 2002 zugrunde lagen, sind durch den vorgenannten Bescheid vom 14. Mai 2004 zurückgenommen worden (Flächenzahlung - Getreide und Stilllegung - für 2001 in Höhe von 6.793,16 EUR und Flächenzahlung - Getreide - für 2002 in Höhe von 5.486,29 EUR). Das Verwaltungsgericht hat die gegen die teilweise Rücknahme dieser Bewilligungsbescheide gerichtete Klage durch das insoweit rechtskräftig gewordene Urteil abgewiesen.

31

Zu Unrecht verneint das Verwaltungsgericht eine Rückzahlungsverpflichtung des Klägers unter Berufung auf Art. 49 Abs. 4 UAbs. 1 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember 2001 (ABl. Nr. 1 327 S. 11). Nach dieser Vorschrift gilt die Rückzahlungsverpflichtung des Betriebsinhabers bei zu Unrecht gezahlten Beträgen (Beihilfen) gemäß Art. 49 Abs. 1 der Verordnung nicht, wenn die Zahlung auf einen Irrtum der zuständigen Behörde selbst oder einer anderen Behörde zurückzuführen ist, der vom Betriebsinhaber billigerweise nicht erkannt werden konnte.

32

a.

Zum einen kann sich der Kläger im Hinblick auf § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG nicht auf die vorgenannte Vorschrift berufen. Im Rahmen des durch die Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 des Rates vom 27. November 1992 (ABl. Nr. 1 355 S. 1) eingeführten integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen bestimmt Art. 49 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 allgemein die grundsätzliche Verpflichtung des Betriebsinhabers zur Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Beträge sowie Ausnahmen hiervon. In Fällen der Rücknahme und des Widerrufs von Verwaltungsakten findet aber grundsätzlich nationales Recht Anwendung, weil das Recht der Europäischen Union für den (indirekten) Vollzug von Gemeinschaftsrecht durch die Behörden der Mitgliedstaaten keine allgemeinen Regelungen kennt und insofern keine speziellen Vorschriften des Rechts der Europäischen Union bestehen (vgl. Bay. VGH, Urteil vom16. Februar 2009 - 19 B 08.2522 -, RdL 2010 133 m.w.N. der Rechtsprechung; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 3 C 22.02 -, Buchholz 316 § 49 VwVfG Nr. 44 und Beschluss vom 5. April 2006 - BVerwG 3 B 24.06 -, Buchholz 451.90 Sonstiges Europ. Recht Nr. 207).

33

Nach nationalem Recht stellt das Nichtvorliegen der in Art. 49 Abs. 4 UAbs. 1 der Verordnung normierten Ausnahme von der gemeinschaftsrechtlich geregelten Rückzahlungsverpflichtung bereits eine Voraussetzung für die Rücknahme des der Gewährung der Beihilfe zugrunde liegenden Verwaltungsakts gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG dar. So ist die Verpflichtung zur Rücknahme einer rechtswidrigen Begünstigung durch Regelungen des Vertrauensschutzes des Begünstigten eingeschränkt (vgl. § 10 Abs. 1 2. Halbsatz MOG). Allerdings werden für den vorliegenden Bereich die Bestimmungen über Vertrauensschutz in§ 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG durch die Regelungen in Art. 49 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 ersetzt (vgl. zu Art. 14 Abs. 4 und 5 Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 BVerwG, Beschluss vom 29. März 2005 - BVerwG 3 B 117.04 -, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 112 und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Juni 2004 - 10 S 557/04 -, AUR 2005, 204 [VGH Baden-Württemberg 22.06.2004 - 10 S 557/04]; zu Art. 49 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. Februar 2008 - 8 A 11153/07 -, NVwZ-RR 2008, 530). Ist aber der gemeinschaftsrechtlich in Art. 14 Abs. 4 und 5 Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 und Art. 49 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 abschließend geregelte Vertrauensschutz bereits Gegenstand der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Rücknahme des der Gewährung der Beihilfen zugrunde liegenden Verwaltungsakts, so verbleibt kein Raum für eine weitere (oder erneute) Prüfung des Vertrauensschutzes bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Rückforderung der ausgezahlten Beträge nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG.

34

Da somit aufgrund der rechtskräftigen teilweisen Rücknahme der Bewilligungsbescheide zugleich zwischen den Beteiligten feststeht, dass dem Kläger nach den vorgenannten Vorschriften des Gemeinschaftsrechts Vertrauensschutz nicht zusteht, kann er sich hierauf nicht erneut im Hinblick auf die Rückforderung nach §§ 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 MOG, 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG berufen.

35

b.

Zum anderen hat das Verwaltungsgericht zu Unrecht dem Kläger Vertrauensschutz nach Art. 49 Abs. 4 UAbs. 1Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 zuerkannt. Nach dieser Vorschrift gilt die Rückzahlungsverpflichtung des Betriebsinhabers für zu Unrecht gezahlte Beträge (Beihilfen) nach Abs. 1 der Vorschrift nicht, wenn die Zahlung auf einen Irrtum der zuständigen Behörde selbst oder einer anderen Behörde zurückzuführen ist, der vom Betriebsinhaber billigerweise nicht erkannt werden konnte.

36

Die zu Unrecht erfolgten Zahlungen von Flächenzahlungen sind nicht auf einen Irrtum der zuständigen Behörde selbst oder einer anderen Behörde zurückzuführen. Nach diesem Merkmal soll die Rückzahlungsverpflichtung entfallen, sofern die zu Unrecht erfolgte Zahlung auf einem Irrtum beruht, welcher der Sphäre der Bewilligungsbehörde oder einer anderen mit der Angelegenheit befassten Behörde zuzurechnen ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. Februar 2008, a.a.O.). Es genügt deshalb für das Vorliegen eines Irrtums der Behörde nicht, allein eine Abweichung des "Falschen" vom "Richtigen" festzustellen. Andernfalls hätte der Verordnungsgeber auf das Tatbestandsmerkmal "Irrtum der zuständigen Behörde selbst oder einer anderen Behörde" verzichten und tatbestandlich allein darauf abstellen können, ob die Unrechtmäßigkeit der Zahlung billigerweise vom Betriebsinhaber nicht erkannt werden konnte. Dass nicht allein auf die Unrechtmäßigkeit der Zahlung aufgrund eines Irrtums abzustellen ist, wird dadurch bestätigt, dass ausdrücklich auch die Fälle erfasst werden, in denen die Zahlung auf einen Irrtum einer anderen Behörde zurückzuführen ist. Wollte man als Irrtum der zuständigen Behörde stets auch die Fälle erfassen, in denen die Fehlerhaftigkeit der Gewährung der Beihilfe durch Dritte verursacht wurde und deshalb sowohl die zuständige Behörde als auch der Betriebsinhaber keinen Einfluss auf die Fehlerhaftigkeit der Antragsangaben gehabt hätten, hätte es des Zusatzes "oder einer anderen Behörde" nicht bedurft. Dass auch Irrtümer "anderer Behörden", auf welche die zu Unrecht erfolgte Zahlung zurückzuführen ist, eine Rückzahlungsverpflichtung des Betriebsinhabers unter bestimmten Umständen entfallen lässt, macht vielmehr deutlich, dass die Regelung darauf abzielt, dem Betriebsinhaber Vertrauensschutz in den Fällen zu gewähren, in denen die Irrtümlichkeit der Zahlungen der Sphäre der mit der Angelegenheit befassten staatlichen Stellen zuzurechnen ist. Zugleich wird die Zuerkennung von Vertrauensschutz aber auch auf diese Fälle beschränkt.

37

Nach der Auffassung des Hess. VGH liegt allerdings ein Irrtum der Behörde auch dann vor, wenn diese "in die Irre geführt" worden sei; entscheidend sei, ob der Irrtum vom Kläger "billigerweise nicht erkannt werden konnte" (Urteil vom 19. Mai 2009 - 10 A 100/08 -, AUR 2009, 342 [VG Frankfurt an der Oder 06.10.2008 - 5 K 2175/04]). Zur Begründung führt der Hess. VGH aus: In Erwägungsgrund 41 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 heiße es allgemein, Kürzungen und Ausschlüsse sollten nicht angewendet werden, wenn der Betriebsinhaber sachlich richtige Informationen übermittelt habe oder anderweitig nachweisen könne, dass ihn keine Schuld treffe. Allerdings halte der Senat die vom OVG Rheinland-Pfalz in der o.a. Entscheidung entwickelte Sphärentheorie nicht für zutreffend. Wenn - wie im entschiedenen Fall - sowohl der Betriebsinhaber als auch die Behörde sich gleichermaßen geirrt hätten und beide keinen Einfluss auf die Fehlerhaftigkeit der übermittelten Tatsachen gehabt hätten, sei angesichts des Wortlauts des Art. 49 Abs. 4 UAbs. 1 und 2 der Verordnung nicht nachvollziehbar, warum die Folgen des Irrtums nun gerade allein den Antragsteller treffen sollten.

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Dem folgt der Senat nicht. Zur Auslegung des Art. 49 Abs. 4 der Verordnung kann nicht auf den Erwägungsgrund 41 der Verordnung abstellt werden. Der Erwägungsgrund 41 der Verordnung bezieht sich auf Art. 44 Abs. 1 der Verordnung, der Ausnahmen von der Verhängung von Kürzungen und Ausschlüssen und damit Ausnahmen von der Festsetzung verwaltungsrechtlicher Sanktionen regelt. Diese Voraussetzungen können nicht auf Art. 49 Abs. 4 der Verordnung übertragen werden, der den Vertrauensschutz der Betriebsinhaber in Fällen zu Unrecht bezogener Zahlungen regelt.

39

Hier ist der Irrtum, der zur Zahlung von Flächenzahlungen in 2001 und 2002 an den Kläger führte, nicht staatlichen Stellen, sondern der Sphäre des Klägers zuzurechnen. Der Kläger gab die Information über die vermeintliche Beihilfefähigkeit der Fläche des Schlags 16, die zunächst zur Gewährung der (ungekürzten) Flächenzahlung und später zur rechtkräftig gewordenen teilweisen Rücknahme der Bewilligungsbescheide führte, in seinen Anträgen auf Agrarförderung für die Antragsjahre 2001 und 2002.

40

Hiernach kann dahinstehen, ob in Anwendung des Günstigkeitsprinzips des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 auch für das Antragsjahr 2001 Art. 49 Abs. 4 UAbs. 1 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 anzuwenden ist.

41

Dem Rückforderungsverlangen der Beklagten steht für das Antragsjahr 2001 auch Art. 14 Abs. 4 Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 nicht entgegen. Die dort geregelte Ausnahme von der Rückzahlungsverpflichtung gilt - wie hier - u.a. nicht bei Zahlungen, deren Rückzahlung infolge der Anwendung einer der in Art. 8, 9 oder 10 vorgesehenen Sanktionen gefordert wird (Art. 14 Abs. 5 der Verordnung).

42

2.

Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht den angefochtenen Bescheid vom 14. Mai 2004 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 4. Juli 2005 erfahren hat (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), aufgehoben, soweit darin vom Kläger die Zahlung eines Betrags in Höhe von 1.071,20 EUR gefordert wird. Die Beklagte setzte in Höhe dieses Betrages Zinsen für in dem Jahr 2001 zu Unrecht gezahlte Flächenzahlungen für den Zeitraum 1. Dezember 2001 bis 30. April 2004 fest. Die gegen diese Zinsfestsetzung gerichtete Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Rechte des Klägers (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

43

Entgegen der Ansicht der Beklagten beurteilt sich die Rechtmäßigkeit der Zinsfestsetzung nicht nach Art. 14 Abs. 1 und 3 Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl. EG Nr. L 355 S. 1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 882/2001 der Kommission vom 3. Mai 2001 (ABl. EG Nr. L 123 S. 20) - im Folgenden: Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 -, sondern in Anwendung des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. EG Nr. L 312 S. 1) nach Art. 49 Abs. 1 und 3 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001. Denn bei der letztgenannten Vorschrift handelt es sich um eine gegenüber Art. 14 Abs. 1 und 3 Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 später geänderte, weniger strenge Bestimmung über eine verwaltungsrechtliche Sanktion im Sinne der Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 5 Abs. 1 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95, die deshalb Geltung beansprucht.

44

Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 16. Dezember 2010 - BVerwG 3 C 7.10 -, RdL 2011, 105, NL-BzAR 2011, 156 = NVwZ-RR 2011, 275 [BVerwG 16.12.2010 - BVerwG 3 C 7.10]) geklärt, dass die Zinsregelung desArt. 49 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 eine Bestimmung über verwaltungsrechtliche Sanktionen im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 ist, wenn die verzinste Hauptforderung Sanktionscharakter hat. Eine Zinsforderung teilt als bloße Nebenforderung die Rechtsqualität ihrer jeweiligen Hauptforderung. Die Hauptforderung der Beklagten für das Antragsjahr 2001 ist eine verwaltungsrechtliche Sanktion im Sinne von Art. 5 der Verordnung. Für dieses Antragsjahr ist der Kläger von der Gewährung einer Flächenzahlung für stillgelegte Flächen auf Grundlage des Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 ausgeschlossen und sind die der Bewilligung zugrunde liegenden Bescheide zurückgenommen worden. Hierdurch ist dem Kläger ein nach dem Gemeinschaftsrecht gewährter Vorteil vollständig entzogen worden, auch wenn er nur einen Teil dieses Vorteils rechtswidrig erlangt hat (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95). Die auf § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG gestützte Rücknahme des Bewilligungsbescheids der für das Antragsjahr 2001 gewährten Flächenzahlung für stillgelegte Flächen ist bestandskräftig. Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht rechtskräftig abgewiesen.

45

Die Voraussetzungen für die Festsetzung von Zinsen auf die zu Unrecht gezahlte Flächenzahlung für das Jahr 2001 nachArt. 49 Abs. 1 und 3 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 liegen nicht vor. Nach Art. 49 Abs. 3 der Verordnung werden Zinsen für den Zeitraum zwischen der Übermittlung des Rückforderungsbescheids an den Betriebsinhaber und der tatsächlichen Rückzahlung bzw. dem Abzug berechnet. Hiernach scheidet eine Zinsfestsetzung für den Zeitraum vor Übermittlung des Rückforderungsbescheids vom 14. Mai 2004 und damit die streitgegenständliche Zinsfestsetzung für den Zeitraum vom 1. Dezember 2001 bis 30. April 2004 aus.

46

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Da die Beklagte hinsichtlich der teilweisen Rücknahme der Bewilligungsbescheide über Flächenzahlungen der Jahre 2001 und 2002 in Höhe von 12.279,45 EUR, der Rückforderung von Flächenzahlungen 2001 und 2002 in Höhe des vorgenannten Betrages sowie der Festsetzung von Zinsen dem Grunde nach für in 2002 zu Unrecht erhaltene Flächenzahlungen obsiegt, ist ihr teilweises Unterliegen hinsichtlich der Zinsforderung für in 2001 zu Unrecht erhaltene Beträge im Sinne der vorgenannten Vorschrift als geringfügig anzusehen.