Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 23.09.2010, Az.: S 12 SF 45/10 E
Anspruch eines im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts in einem Erinnerungsverfahren auf Fahrtkostenbeihilfe zum Blockunterricht
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 23.09.2010
- Aktenzeichen
- S 12 SF 45/10 E
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 33268
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2010:0923.S12SF45.10E.0A
Rechtsgrundlagen
- § 14 Abs. 1 RVG
- § 45 Abs. 1 RVG
- Nr. 1006 VV-RVG
Tenor:
Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers vom 17. Mai 2010 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 04. Mai 2010 - S 18 AL 100/08 geändert. Die dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu gewährende Prozesskostenhilfevergütung wird endgültig auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 392,70 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Erinnerungsführer vom Erinnerungsgegner im Rahmen der Gewährung von Prozesskostenhilfe in einem Klageverfahren zu erstattenden Gebühren. Im zugrunde liegenden Klageverfahren begehrte die Klägerin höhere Leistungen nach dem BAB in Form einer Fahrtkostenbeihilfe zum Blockunterricht. Das Verfahren endete nachdem die durch den Erinnerungsführer vertretene Klägerin einen gemeinsamen Vergleichsvorschlag der Beklagten für die Verfahren S 18 AL 100/08 und S 18 AL 110/08 annahm. Streitig im vorliegenden Erinnerungsverfahren ist nur noch die Höhe der Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG. Der Erinnerungsführer macht eine Gebühr in Höhe von 190,00 EUR geltend, die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle berücksichtigte den arbeitserleichternden Umfang der beiden Parallelverfahren und berechnete eine Gebühr in Höhe von 95,00 EUR.
II.
Die Erinnerung hat teilweise Erfolg.
Der im Wege der Gewährung von Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt ist im Verfahren über die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung aus Prozesskostenhilfemitteln (neben der Staatskasse) gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 RVG allein erinnerungsbefugt (vgl. etwa Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, § 56 Rn 6); das Rubrum war dementsprechend von Amts wegen zu berichtigen.
Die nach § 56 Abs. 1 RVG erhobene Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 04. Mai 2010 - S 18 AL 100/08 ist zulässig und teilweise begründet.
Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch des Erinnerungsführers ist § 45 Abs. 1 RVG. Danach hat der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt in Verfahren vor Gerichten eines Landes Anspruch auf die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein gewisser Toleranzrahmen zusteht. Zwar gilt Satz 4 der Vorschrift nicht, wenn es sich - wie hier - um ein Verfahren handelt, in dem um die Höhe des Prozesskostenhilfevergütungsanspruches gestritten wird, weil die Staatskasse nicht Dritter, sondern Vergütungsschuldner ist. Dennoch findet zu ihren Gunsten eine Billigkeitskontrolle statt (Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, RVG, § 55, Rdn. 29). Unbilligkeit liegt vor, wenn er die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl.Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006, - L 1 B 320/05 SF SK, zitiert nach [...]). Die Aufzählung der Bemessungskriterien in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG ist nach dem Wortlaut der Vorschrift ("vor allem") nicht abschließend, so dass weitere, unbenannte Kriterien mit einbezogen werden können. Sämtliche heranzuziehende Kriterien stehen selbstständig und gleichwertig nebeneinander (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 01. Juli 2009, - B 4 AS 21/09 R, zitiert nach [...]). Für jede Rahmengebühr ist dabei eine eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich. Die unterschiedliche Abgeltung der anwaltlichen Tätigkeit mit unterschiedlichen Gebühren verbietet es, die Bewertung bei einer Rahmengebühr automatisch auf eine andere Rahmengebühr zu übertragen. Dies gilt sowohl für die Verfahrens- und Terminsgebühr (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006, a.a.O. sowie Keller in jurisPR-SozR 10/2006, Anm. 6) als auch für die der Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr.
Vorliegend ist eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV-RVG in Höhe von 140,00 EUR in Ansatz zu bringen. Diese ergibt sich aus einem Betragsrahmen zwischen 30,00 EUR und 350,00 EUR; die Mittelgebühr beträgt insoweit 190,00 EUR. Die Mittelgebühr ist dann angemessen, wenn Umfang und Schwierigkeit der Erledigung, die Bedeutung, das Haftungsrisiko und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse in jeder Hinsicht durchschnittlicher Natur sind, wobei auch insoweit Kompensationsmöglichkeiten bestehen.
Der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit in Bezug auf die Einigung erweist sich grundsätzlich gerade noch als durchschnittlich. Von einem überdurchschnittlichen Umfang und überdurchschnittlicher Schwierigkeit könnte nur bei einer weit überwiegend durch den Erinnerungsführer erbrachten Arbeitsleistung bezüglich des Eintritts des erledigenden Ereignisses ausgegangen werden oder dann, wenn sich der Kontakt zum Mandanten oder die Einwirkung auf den Mandanten als besonders schwierig erweist. Hierfür gibt es indes keine Anhaltspunkte. Vielmehr ging die Initiative für die Erledigung des Rechtsstreits ausschließlich von der Beklagten aus. Hiervon abweichende Inhalte haben die Beteiligten nicht vereinbart. Die relevante anwaltliche Tätigkeit (Einwirkung auf die Klägerin, das Angebot anzunehmen und den Rechtsstreit zu erledigen) entspricht damit insgesamt noch einem allenfalls durchschnittlichen Aufwand. Darüber hinaus sind allerdings hier auch die Synergieerwägungen wegen der Vertretung im parallelen Klageverfahren, welches sich durch den gemeinsamen Vergleich ebenso erledigte, als arbeitserleichternder Umstand zu berücksichtigen, so dass insgesamt von einer unterdurchschnittlich umfangreichen anwaltlichen Tätigkeit auszugehen ist. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin ist als durchschnittlich zu bewerten, während die Ein-kommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin unterdurchschnittlich sind.
Wägt man den unterdurchschnittlichen Umfang, die durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die durchschnittliche Bedeutung, das allenfalls durchschnittliche Haftungsrisiko mit den unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Klägerin ab, so rechtfertigt dies die Berücksichtigung eines Betrages in Höhe von 140,00 EUR für dieses insgesamt leicht unterdurchschnittliche Verfahren in Bezug auf die Einigungsgebühr. Der darüber hinaus geltend gemachte Betrag in Höhe der Mittelgebühr ist - auch unter Berücksichtigung eines gewissen Toleranzrahmens - kostenrechtlich unangemessen und damit unbillig.
Da die übrigen Gebührenpositionen nicht im Streit stehen, ergibt sich für den festgesetzten Betrag folgende Berechnung:
Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV 170,00 EUR Erledigungsgebühr, Nr. 1006 VV 140,00 EUR Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR 19% Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 62,70 EUR Gesamtbetrag 392,70 EUR
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 56 Abs. 2 S. 3 RVG; die Erinnerungsentscheidung ergeht gemäß § 56 Abs. 2 S. 2 RVG gerichtskostenfrei.
Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar, weil das Normengefüge der §§ 172 ff. SGG den Normen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vorgeht (vgl. hierzu: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Dezember 2006 - L 8 B 4/06 SO SF; Beschluss vom 21. Februar 2007 - L 7 B 1/07 AL SF; Beschluss vom 01. März 2007 - L 4 B 66/05 KR; Beschluss vom 14. Juni 2007 - L 13 B 4/06 AS SF; Beschluss vom 26. Oktober 2007 - L 14 B 1/06 SF; Beschluss vom 17. Oktober 2008 - L 13 B 4/08 SF; Beschluss vom 30. Oktober 2008 - L 1 B 2/08 R SF; Beschluss vom 09. Juni 2009 - L 13 B 1/08 SF; Beschluss vom 06. Juli 2009 - L 6 SF 44/09 B, Beschluss vom 29. September 2009 - L 6 SF 124/09 B (AS), Beschluss vom 11. März 2010 - L 7 SF 142/09 B (AS) sowie Beschluss vom 31. März 2010, - L 13 SF 4/10 B (AS)).