Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 20.04.2010, Az.: S 7 AL 255/09

Anspruch auf Übernahme von Fahrkosten eines Arbeitslosen im Rahmen der Förderung aus dem Vermittlungsbudget zu Terminen bei der Agentur für Arbeit

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
20.04.2010
Aktenzeichen
S 7 AL 255/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 34188
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2010:0420.S7AL255.09.0A

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt von der Beklagten im Rahmen der Förderung aus dem Vermittlungsbudget Leistungen für Reisekosten zu Terminen bei der Agentur für Arbeit in Höhe von 6,- Euro.

2

Der G. geborene Kläger war zuletzt als Beamter bei der H. beschäftigt und meldete sich zum 01. September 2009 arbeitslos. Er bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und ist mit Wohnsitz in der I. in J. gemeldet. Am 27. Juli 2009 beantragte der Kläger die Übernahme von Fahrkosten im Rahmen der Förderung aus dem Vermittlungsbudget zu Terminen bei der Agentur für Arbeit in J., welche sich in der K. in J. befindet, in Höhe von insgesamt 5,- Euro. Er gelangte jeweils mit dem Fahrrad zu der 2,46 Kilometer entfernten Agentur für Arbeit.

3

Die im Auftrag der Beklagten handelnde Agentur für Arbeit J. lehnte den Antrag mit Bescheid vom 04. August 2009 ab (Bl. 3 der Verwaltungsakte) und begründete dies damit, dass die beantragten Leistungen weniger als 6,- Euro betrügen und Eigenleistungsfähigkeit des Klägers vorliege, da er am Ort der Agentur für Arbeit wohne.

4

Dagegen legte der Kläger am 26. August 2009 Widerspruch ein (Bl. 98 der Verwaltungsakte), welchen er damit begründete, dass er den Antrag um den Erstattungsanspruch für einen Termin am 10. August auf insgesamt 6,- Euro erweitere. Die Übernahme der notwendigen Reisekosten sei gesetzlich vorgeschrieben und ergebe sich aus dem Bundesreisekostengesetz. Auf eine Eigenleistungsfähigkeit komme es daher nicht an.

5

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2009 zurück (Bl. 8 bis 12 der Verwaltungsakte) und begründete dies im Wesentlichen folgendermaßen:

6

Leistungen aus dem Vermittlungsbudget stünden gemäß §§ 45, 46 SGB III im Ermessen der Beklagten. Bei Ausübung des Ermessens seien die generellen Rahmenbedingungen, wie insbesondere die Haushaltsmittel zu beachten. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sei es zulässig, ermessenslenkende Weisungen zu erlassen, nach denen die Leistungen unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dergestalt sachgerecht zu begrenzen sind, dass eine große Anzahl von Antragstellern Leistungen erhalten könne. Die ermessenslenkenden Weisungen der Beklagten würden vorsehen, dass berücksichtigungsfähige Fahrkosten für Berufsberatung, Vermittlung, Eignungsfeststellung und Vorstellungsgesprächen übernommen werden könnten. Da der Kläger in J. wohne, sei es zumutbar, dass er im Rahmen der Eigenleistungsfähigkeit die Fahrkosten selbst trage. Im Übrigen könnten Antragstellungen gegenüber der Beklagten auch postalisch erfolgen. Selbst Reisekosten aus Anlass von Meldeterminen seien nach § 309 Absatz 4 SGB III nur nach Ermessensausübung zu übernehmen.

7

Der Kläger hat am 23. November 2009 Klage erhoben.

8

Er trägt vor:

9

Die Feststellung einer Eigenleistungsfähigkeit setze eine Bedürftigkeitsprüfung voraus, welche § 45 SGB III gerade nicht verlange, welcher eine unbürokratische Förderung garantieren wolle. Die Auszahlung von 6,- Euro Fahrkosten verstoße nicht gegen das Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Verwaltung. Da er die Beklagte mit dem Fahrrad aufgesucht habe, seien 0,20 Euro pro Kilometer nach dem Bundesreisekostengesetz zugrunde zu legen für insgesamt sechs Termine.

10

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2009 zu verurteilen, dem Kläger im Rahmen der Förderung aus dem Vermittlungsbudget einen Betrag in Höhe von 6,- Euro für Fahrkosten zum Erreichen der Agentur für Arbeit J. zu gewähren.

11

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Die Beklagte trägt unter Bezugnahme auf die erlassenen Bescheide vor.

13

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

Die Klage hat keinen Erfolg.

15

Der Bescheid der Beklagten vom 04. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2009 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten.

16

(1)

Gemäß § 45 Absatz 1 Satz 1 SGB III können Ausbildungssuchende, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitssuchende und Arbeitslose aus dem Vermittlungsbudget der Agentur für Arbeit bei der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gefördert werden, wenn dies für die berufliche Eingliederung notwendig ist. Nach Satz 2 sollen sie insbesondere bei der Erreichung der in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Eingliederungsziele unterstützt werden. Gemäß Satz 3 umfasst die Förderung die Übernahme der angemessenen Kosten, soweit der Arbeitgeber gleichartige Leistungen nicht oder voraussichtlich nicht erbringen wird.

17

Nach Absatz 3 Satz 1 der Norm entscheidet die Agentur für Arbeit über den Umfang der zu erbringenden Leistungen; sie kann Pauschalen festlegen.

18

Der Kläger war im Juli und August 2009 grundsätzlich leistungsberechtigt im Rahmen des § 45 SGB III, da er sich im Juni arbeitslos gemeldet hatte, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellte und vorübergehend nicht in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand (§ 16 SGB III). Die Förderung können insbesondere auch arbeitslose Bezieher von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder Arbeitslose ohne Leistungsanspruch gegenüber dem Leistungsträger nach dem SGB III beanspruchen (vgl. Niesel/Brand/Stratmann, Kommentar zum SGB III, § 45, Rd. 7).

19

Von Leistungen aus dem Vermittlungsbudget sind auch Reisekosten erfasst, welche vor dem Jahre 2009 in § 45 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F. normiert waren.

20

Die Inanspruchnahme von Terminen bei der Agentur für Arbeit lässt sich dem Grunde nach unter die Zwecksetzung zur Anbahnung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung subsumieren.

21

Zwar ist der Vortrag des Klägers zutreffend, nach der keine Bedürftigkeitsprüfung zu erfolgen habe. Denn der Gesetzgeber hat zum 01. Januar 2003 eine solche Prüfung im Rahmen der Mobilitätshilfen abgeschafft. Die Vorschrift des § 53 Absatz 1 Nr. 2 SGB III a.F. wurde ersatzlos gestrichen, um den damit verbundenen Verwaltungsaufwand zu beseitigen und dadurch eine zeitnähere, unbürokratische Förderung der Mobilität zu erreichen (vgl. Niesel/Brand/Stratmann § 45, Rd. 21; Eicher/Schlegel/Hennig, Kommentar zum SGB III, § 53, Rd. 46; Gagel/Winkler, Kommentar zum SGB III, § 53, Rd. 12).

22

Die Förderung nach § 45 Absatz 1 Satz 1 SGB III setzt aber voraus, dass sie zur beruflichen Eingliederung objektiv notwendig ist, das heißt ohne das Förderungsmittel das angestrebte Ziel nicht erreicht werden kann (vgl. Niesel/Brand/Stratmann, § 45, Rd. 20). Nach dem Urteil des Bundessozialgerichtes vom 04. März 2009 - B 11 AL 50/07 R - beinhaltet der Gesetzeswortlaut ein Element der Unverzichtbarkeit im Sinne einer engen Kausalität.

23

Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil die Übernahme von Fahrkosten nicht notwendig ist, um dem Kläger ein Aufsuchen des Gebäudes der Agentur für Arbeit J. zu ermöglichen. Denn dieser wohnt am selben Ort 2,46 Kilometer vom Behördengebäude entfernt und sucht dieses mit dem Fahrrad auf, wodurch keine erstattungsfähigen Aufwendungen entstehen. Dementsprechend beinhalten die ermessenslenkenden Weisungen der Beklagten nur als Reisekosten Aufwendungen, welche § 5 Absatz 1 Bundesreisekostengesetz und damit der Nutzung eines motorbetriebenen Fahrzeuges unterfallen. Eine allgemeine Verwaltungsvorschrift nach §§ 5 Absatz 3, 16 Bundesreisekostengesetz, welche die regelmäßige Nutzung eines Fahrrades betreffen, hat die Beklagte nicht erlassen. Diese Entscheidung ist vom Ermessensspielraum der Behörde gedeckt.

24

Hinzu tritt, dass nach § 46 Absatz 1 Satz 1 SGB III im Rahmen der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit lediglich die angemessenen Kosten zu erstatten sind (vgl. Niesel/Brand/Stratmann, § 45, Rd. 23).

25

Da der Tatbestand der Norm nicht erfüllt ist, kommt es auf die Frage der Ermessensausübung nicht an. Die konkrete Ermessensbetätigung der Beklagten ist jedoch insoweit nicht zu beanstanden, als auch in diesem Kontext berücksichtigt werden darf, dass beim Aufsuchen der Agentur für Arbeit J. keine erstattungsfähigen Aufwendungen entstehen und die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu berücksichtigen sind.

26

(2)

Ob der Kläger die Klage darüber hinaus auf § 309 Absatz 4 SGB III stützen kann, soweit es sich bei denjenigen wahrgenommen Terminen um solche handelt, welche aus Anlass eines Meldetermins entstanden sind, mag dahinstehen. Denn zum einen bestimmt sich der Umfang der übernahmefähigen Aufwendungen auch hier nach § 45 SGB III (vgl. Niesel/Brand/Düe, Kommentar zum SGB III, § 309, Rd. 22). Zum anderen setzt auch diese Norm nach ihrem Tatbestand voraus, dass die Aufwendungen notwendig mit der Teilnahme verknüpft sind. Da der Kläger die Behörde mit dem Fahrrad aufsuchte, sind keine notwendigen erstattungsfähigen Aufwendungen entstanden.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Absatz 1 SGG.

28

Gemäß § 144 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, Absatz 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, weil hier die Beschwer des Klägers mit 6,- Euro unterhalb des Schwellenwertes von 750,- Euro liegt. Die Berufung wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und nicht von einer Entscheidung des Landessozialgerichtes, des Bundessozialgerichtes, des Gemeinsamen Senates der Obersten Gerichtshöfe oder des Bundesverfassungsgerichtes abweicht sowie auf dieser Abweichung beruht.

29

Rechtsmittelbelehrung:

30

Dieses Urteil kann nicht mit der Berufung angefochten werden, weil sie gesetzlich ausgeschlossen und vom Sozialgericht nicht zugelassen worden ist.

31

Die Nichtzulassung der Berufung kann mit der Beschwerde angefochten werden.

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