Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 30.03.2010, Az.: S 12 SF 180/09 E

Anfall; Angemessenheit; Aufwand; Entstehung; fiktive Terminsgebühr; hypothetischer Aufwand; Höhe; Mittelgebühr; Rechtsanwaltsgebühr; Terminsgebühr; Urteil ohne mündliche Verhandlung; Vergütung

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
30.03.2010
Aktenzeichen
S 12 SF 180/09 E
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 47836
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Verfahren mit den Aktenzeichen S 12 SF 180/09 E und S 12 SF 195/09 E werden miteinander verbunden; führend bleibt das Verfahren mit dem Aktenzeichen S 12 SF 180/09 E.

Auf die Erinnerung der Erinnerungsführer vom 01. September 2009 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 26. August 2009 - S 22 SO 59/07 - werden die von dem Erinnerungsgegner und Beklagten an die Erinnerungsführer zu erstattenden außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 1.107,30 € nebst Zinsen in Höhe von jährlich fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Mai 2009 festgesetzt; bereits erfolgte Zahlungen sind dabei in Abzug zu bringen.

Im Übrigen wird die Erinnerung der Erinnerungsführer zurückgewiesen.

Die Erinnerung des Erinnerungsgegners vom 18. September 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten im Erinnerungsverfahren noch um die Höhe der den Prozessbevollmächtigten der Kläger (im Folgenden nur: Erinnerungsführer) durch den Erinnerungsgegner und Beklagten (im Folgenden nur: Erinnerungsgegner) zu erstattenden notwendigen außergerichtlichen Kosten eines Widerspruchsverfahrens, eines Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Lüneburg sowie eines Berufungsverfahrens vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen. In diesen Verfahren stritten die dortigen Beteiligten um die Rechtmäßigkeit einer von dem Erinnerungsgegner verfügten Rücknahme der zugunsten des Rechtsvorgängers der Kläger - des Herrn D. (verstorben am 10. Oktober 2007) - zunächst erfolgten Bewilligung von Leistungen zur Eingliederungshilfe nach den Bestimmungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII). Nachdem die 22. Kammer des Sozialgerichts Lüneburg die angegriffenen Verwaltungsentscheidungen - ohne mündliche Verhandlung - mit Urteil vom 09. Juli 2008 aufgehoben hatte, erklärten der Erinnerungsführer und der Erinnerungsgegner den Rechtsstreit im Berufungsverfahren übereinstimmend für erledigt. Mit Beschluss vom 21. Januar 2009 stellte das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen fest, dass das Verfahren erledigt ist und der Beklagte den Klägern - den unbekannten Rechtsnachfolgern des D. - die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten hat. Im Streit des vorliegenden Erinnerungsverfahrens steht nach dem Vorbringen der Beteiligten einerseits, ob den Erinnerungsführern überhaupt ein Kostenerstattungsanspruch zur Seite steht und in welcher Höhe dieser festzusetzen ist.

II.

2

Die Erinnerung der Erinnerungsführer hat teilweise Erfolg, die Erinnerung des Erinnerungsgegners bleibt insgesamt erfolglos.

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1. Die Kammer hat in Anwendung des § 113 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Erinnerungsverfahren zu den Aktenzeichen S 12 SF 180/09 E und S 12 SF 195/09 E miteinander zu verbinden, weil die Ansprüche, die den Gegenstand der Rechtsstreitigkeiten bilden, in einem ausreichendem Zusammenhang stehen.

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2. Darüber hinaus sah sich die Kammer veranlasst, das Aktivrubrum von Amts wegen zu berichtigen. Anspruchsinhaber etwaiger Kostenerstattungsansprüche sind allein die Prozessbevollmächtigten der Kläger; sie sind damit die alleinigen Erinnerungsführer. Denn aus Ziffer 12. der ihnen erteilten Vollmacht vom 07. März 2007 ergibt sich eindeutig, dass sämtliche erwachsenden Kostenerstattungsansprüche mit der Vollmachtserteilung an die bevollmächtigten Anwälte abgetreten sind, so dass damit unzweifelhaft auch die Befugnis erwachsen ist, etwaige Ansprüche gegen zur Kostentragung verpflichtete Dritte (hier also den Erinnerungsgegner) - gerichtlich - durchzusetzen. Diese Vollmacht ist mit dem Tode des Rechtsvorgängers der Kläger auch nicht etwa erloschen. Denn gemäß § 168 S. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bestimmt sich das Erlöschen der Vollmacht nach dem ihrer Entstehung zugrundeliegenden Rechtsverhältnis. Zwischen dem Prozessbevollmächtigten und seinem Mandanten besteht ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne des § 675 Abs.1 BGB (vgl. Sprau in: Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 69. Auflage, 2010, § 675, Rdn. 23 m. w. N.), auf den u. a. die Vorschrift des § 672 S.1 BGB entsprechende Anwendung findet. Nach dieser Vorschrift erlischt der Auftrag im Zweifel nicht durch den Tod des Auftraggebers, vielmehr gilt die Vollmacht als fortbestehend. In diesem Zusammenhang hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle auch zu Recht darauf hingewiesen, dass es einer Vollmacht der (hier unbekannten) Rechtsnachfolger gemäß § 73 Abs. 2 S. 1 SGG i. V. m. § 86 ZPO erst dann bedarf, wenn das Verfahren nach Aussetzung weitergeführt wird und dass von den Beteiligten ein entsprechender Antrag gemäß § 246 Abs. 1 a. E. ZPO nicht gestellt worden ist.

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3. Die auch im Übrigen gemäß § 197 Abs. 2 SGG zulässige Erinnerung der Erinnerungsführer gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 26. August 2009 - S 22 SO 59/07 hat auch in der Sache - teilweise - Erfolg. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss hält der beantragten gerichtlichen Überprüfung nicht gänzlich stand. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die von dem Erinnerungsgegner an die Erinnerungsführer zu erstattenden notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu Unrecht lediglich auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 988,30 € nebst Zinsen seit dem 15. Mai 2009 festgesetzt. Entgegen der Auffassung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ist nämlich die (fiktive) Terminsgebühr in Höhe eines Betrages von 200,00 € in die Berechnung des Vergütungsanspruches einzustellen; die Festsetzung der übrigen Gebührenpositionen ist demgegenüber nicht zu beanstanden. Insgesamt ergibt sich damit ein kostenrechtlich angemessener Gesamtvergütungsanspruch in Höhe von 1.107,30 € nebst Zinsen.

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Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein gewisser Toleranzrahmen zusteht. Unbilligkeit liegt vor, wenn er die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006, - L 1 B 320/05 SF SK, zitiert nach juris). Die Aufzählung der Bemessungskriterien in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG ist nach dem Wortlaut der Vorschrift („vor allem") nicht abschließend, so dass weitere, unbenannte Kriterien mit einbezogen werden können. Sämtliche heranzuziehende Kriterien stehen selbstständig und gleichwertig nebeneinander (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 01. Juli 2009, - B 4 AS 21/09 R, zitiert nach juris). Für jede Rahmengebühr ist dabei eine eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich. Die unterschiedliche Abgeltung der anwaltlichen Tätigkeit mit unterschiedlichen Gebühren verbietet es, die Bewertung bei einer Rahmengebühr automatisch auf eine andere Rahmengebühr zu übertragen. Dies gilt sowohl für die Verfahrens- und Terminsgebühr (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006, a. a. O. sowie Keller in jurisPR-SozR 10/2006, Anm. 6) als auch für die der Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr.

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Was die Bestimmung der angemessenen Gebühr innerhalb des sich jeweils aus dem Vergütungsverzeichnis (VV-RVG) - Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG - ergebenden Gebührenrahmen angeht, entspricht es allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass die Mittelgebühr ein angemessenes Äquivalent für die anwaltliche Tätigkeit in einem in jeder Hinsicht durchschnittlichen Streitverfahren darstellt. Davon ausgehend sind sodann Abschläge für unterdurchschnittliche und Zuschläge für überdurchschnittliche Verfahren vorzunehmen. Dabei kann im Übrigen etwa die Überdurchschnittlichkeit eines Bewertungskriteriums durch die Unterdurchschnittlichkeit anderer Bewertungskriterien kompensiert werden.

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Gemessen an diesen Maßstäben ist die Terminsgebühr, die dem Rahmen der Nr. 3106 VV-RVG zu entnehmen ist und der eine Gebührenspanne von 20,00 € bis 380,00 € vorsieht, mit einem Betrag in Höhe von 200,00 € entstanden und in die Berechnung des Gesamtvergütungsanspruches einzustellen. Der Rechtsstreit wurde gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch ein Urteil ohne mündliche Verhandlung beendet, so dass ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat. Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG ist dennoch entstanden.

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Durch die Regelung der Nr. 3106 VV-RVG (Ziffern 1 bis 3) soll verhindert werden, dass gerichtliche Termine allein zur Wahrung des Gebührenanspruchs stattfinden müssen; sie bietet einen Anreiz für den Rechtsanwalt, auf die Durchführung des Termins zu verzichten. Die Anwendung der Grundsätze des § 14 RVG auf die „fiktive" Terminsgebühr nach Ziffer 3106 Nr. 1 bis 3 VV RVG ist mit dem Problem behaftet, dass ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat und dessen Schwierigkeit und Aufwand für den Prozessbevollmächtigten damit nicht bewertet werden können. Die Kammer vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass bei der Bemessung der Terminsgebühr auf den hypothetischen Aufwand abzustellen ist, der bei Durchführung eines Termins im konkreten Verfahrensstadium voraussichtlich entstanden wäre. Daher ist eine fiktive Vergleichsbetrachtung anzustellen, in welcher Höhe ein Gebührenanspruch voraussichtlich entstanden wäre, wenn ein Termin stattgefunden hätte (vgl. hierzu etwa Beschlüsse vom 04. März 2009, - S 12 SF 53/09 E, vom 16. März 2009 - S 12 SF 59/09 E, - S 12 SF 64/09 E, vom 25. März 2009, - S 12 SF 43/09 E, vom 27. April 2009, - S 12 SF 39/09 E, vom 12. Mai 2009, - S 12 SF 56/09 E, vom 26. Juni 2009, - S 12 SF 116/09 E sowie vom 26. Juni 2009, - S 12 SF 67/09 E, jeweils zitiert nach juris).

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Das Gesetz eröffnet in Ziffer 3106 VV-RVG insoweit erneut den Gebührenrahmen in vollem Umfang und knüpft nicht an die Höhe der Verhandlungsgebühr an. Gäbe es für die Festlegung der Terminsgebühr nicht die Möglichkeit einer eigenständigen Festsetzung unter Beachtung der in § 14 RVG festgelegten Kriterien, hätte es der Eröffnung eines Gebührenrahmens nicht bedurft. Dafür spricht auch die Tatsache, dass der Normgeber in denjenigen Fällen, in denen keine Betragsrahmengebühren entstehen einen festen Wert - nämlich nach Nr. 3104 VV-RVG einen solchen von 1,2 - festgeschrieben hat. Daher ist es auch nicht gerechtfertigt, etwa grundsätzlich nur die Mindestgebühr in Höhe von 20,00 € anzuerkennen. Anderenfalls hätte der Normgeber auch bei der fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG einen bestimmten Betrag festgeschrieben wie er es beispielsweise bei den Angelegenheiten der Beratungshilfe nach Nr. 2600 ff. VV-RVG, in Strafsachen bei den Gebühren des gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalts nach den Nr. 4100 ff. VV-RVG oder den sonstigen Verfahren nach den Nr. 6100 ff. VV-RVG getan hat. Auch wenn in diesen Verfahren keine Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG entstehen, war sich der Normgeber offensichtlich durchaus der Möglichkeit der Festschreibung von Gebührenbeträgen bewusst.

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Wenn danach auch bei der fiktiven Terminsgebühr von einem Gebührenrahmen zwischen 20,00 € und 380,00 € auszugehen ist, ergibt eine auf einen hypothetischen Termin bezogene Abwägung der Kriterien des § 14 RVG, dass insoweit eine insgesamt durchschnittliche Angelegenheit vorliegt. Dem Anwalt steht die Mittelgebühr hinsichtlich der Terminsgebühr für Termine mit durchschnittlicher Schwierigkeit, durchschnittlichem Aufwand und durchschnittlicher Bedeutung für den Mandanten zu. Entscheidend ist eine Gesamtabwägung. Es müssen sämtliche den Gebührenanspruch potentiell beeinträchtigenden Faktoren miteinander und gegeneinander im Einzelfall abgewogen werden.

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Unter Beachtung aller Abwägungskriterien des § 14 RVG, die für die Verfahrensgebühr einen Betrag oberhalb der Mittelgebühr rechtfertigt, ist eine Terminsgebühr jedenfalls in Höhe der Mittelgebühr angemessen. Zwar ist ein Termin nicht durchgeführt worden, jedoch ist die Gebühr hier nach Nr. 3106 Ziffer 1 VV-RVG in Höhe der Mittelgebühr entstanden. Es ist nämlich - wie ausgeführt - auf den hypothetischen Aufwand abzustellen, der bei Durchführung eines Termins im konkreten Verfahrensstadium voraussichtlich entstanden wäre. Der Ablauf eines derartigen Termins hätte sich hier anders als in den Fällen der Nr. 3106 Ziffer 3 VV-RVG dargestellt. Bei dieser Konstellation ist es gerechtfertigt, von einem (fiktiven) weit unterdurchschnittlichen anwaltlichen Aufwand im (hypothetischen) Termin zur mündlichen Verhandlung auszugehen. Demgegenüber hätten in der diesem Erinnerungsverfahren zugrunde liegenden Fallgestaltung (hypothetisch) der Sachvortrag des Vorsitzenden, ergänzende Fragen an die Beteiligten, die Erörterung der Sach- und Rechtslage und schließlich das Stellen der Anträge erfolgen müssen. Dies entspricht einem Termin zur mündlichen Verhandlung, der für den Anwalt mit durchschnittlichem Aufwand verbunden wäre und stimmt im Übrigen auch mit den gesetzlichen Vorgaben des § 112 SGG über den Gang einer mündlichen Verhandlung im sozialgerichtlichen Verfahren überein. Es wäre insoweit gerade nicht ausreichend gewesen, etwa nur noch die Annahme eines abgegebenen Anerkenntnisses zu erklären. Nur für diese Konstellation entspricht es ständiger Rechtsprechung der Kostenkammer des Sozialgerichts Lüneburg, die fiktive Terminsgebühr in Höhe eines Betrages von 100,00 € zugrunde zu legen, wenn die Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr anzusetzen ist (vgl. hierzu etwa Beschlüsse vom 04. März 2009, - S 12 SF 53/09 E, vom 16. März 2009 - S 12 SF 59/09 E, - S 12 SF 64/09 E, vom 25. März 2009, - S 12 SF 43/09 E, vom 27. April 2009, - S 12 SF 39/09 E, vom 12. Mai 2009, - S 12 SF 56/09 E, vom 26. Juni 2009, - S 12 SF 116/09 E sowie vom 26. Juni 2009, - S 12 SF 67/09 E; vgl. ferner zu der Frage, in welchem Umfang eine (fiktive) Terminsgebühr im Falle einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG anfällt, auch bereits: Sozialgericht Lüneburg, Beschluss vom 30. Januar 2009, - S 25 SF 129/08; jeweils zitiert nach juris). Auf die Differenzierung zwischen den verschiedenen Verfahrenskonstellationen hat die Kammer auch bereits mehrfach hingewiesen (vgl. etwa Beschluss vom 27. Juli 2009, - S 12 SF 113/09 E, zitiert nach juris).

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Wägt man daher die durchschnittlichen Anforderungen an die (hypothetische) anwaltliche Tätigkeit mit den unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Rechtsvorgängers der Kläger und der für ihn überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit und das für die Erinnerungsführer allenfalls durchschnittliche Haftungsrisiko gegeneinander ab, ist das vorliegende Streitverfahren hinsichtlich der Festsetzung der Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG in Höhe von 200,00 € - mithin in Höhe der Mittelgebühr - kostenrechtlich angemessen erfasst. Dies bedeutet zugleich, dass bei einem tatsächlich stattgefundenen Termin auch ein Betrag in Höhe dieses Betrages festzusetzen gewesen wäre. Die zur Festsetzung beantragte Gebühr in Höhe von 200,00 € ist daher kostenrechtlich angemessen und damit verbindlich.

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Hinsichtlich der übrigen Gebührenpositionen nimmt das Gericht zur Begründung seiner Entscheidung gemäß § 142 Abs. 2 S. 3 SGG uneingeschränkt auf die zutreffenden Ausführungen der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem angefochtenen Beschluss Bezug und macht sich diese zur Vermeidung nicht gebotener Wiederholungen zu Eigen. Die Urkundsbeamtin hat den gebührenrechtlichen Sachverhalt insoweit vollständig und rechtsfehlerfrei gewürdigt. Die Kammer hat im Übrigen zwar bereits mehrfach entschieden, dass als arbeitserleichternder Umstand wegen des eintretenden Rationalisierungseffektes durchaus gebührenmindernd zu berücksichtigen ist, wenn Prozessbevollmächtigte - wie hier - in gleich oder ähnlich gelagerten Fällen tätig geworden sind (vgl. hierzu etwa Bundessozialgericht, Beschluss vom 22. Februar 1993, - 14b/4 REg 12/91, SozR 3-1930, § 116 Nr. 4). Er ändert zwar grundsätzlich nichts am Grad der Schwierigkeit einer Angelegenheit, wohl aber am objektiven Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, der nach der Gesetzesfassung neben der Schwierigkeit der Sache gleichermaßen von Bedeutung ist (vgl. etwa Beschluss der Kammer vom 26. Oktober 2009, - S 12 SF 133/09 E, zitiert nach juris). Die Kammer geht indes im Hinblick auf die Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG in der vorliegenden Fallgestaltung davon aus, dass sich der genannte Rationalisierungseffekt bei der Bemessung des Vergütungsanspruches bereits ausreichend in der Festsetzung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle widerspiegelt.

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Damit ergibt sich insgesamt folgende Berechnung:

16

Widerspruchsverfahren

17
Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2400 VV-RVG240,00 €
Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG20,00 €
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Klageverfahren

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Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103 VV-RVG204,00 €
Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV-RVG200,00 €
Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG20,00 €
Fotokopiekosten gemäß Nr. 7000 VV-RVG21,50 €
20

Berufungsverfahren

21
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3204 VV-RVG200,00 €
Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG20,00 €
Fotokopiekosten gemäß Nr. 7000 VV-RVG5,00 €
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Damit ergibt sich ein Gesamtvergütungsanspruch in Höhe eines Betrages von 1.107,30 €.

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Weil die Festsetzung eines höheren Erstattungsbetrages nicht gerechtfertigt ist, war die Erinnerung der Erinnerungsführer im Übrigen zurückzuweisen. Bereits erfolgte Zahlungen sind (mindernd) zu berücksichtigen.

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Der Ausspruch über die Verzinsung ergibt sich aus § 197 Abs. 1 S. 2 SGG i. V. m. § 104 Abs. 1 S. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO), wobei zwischenzeitlich erfolgte Zahlungen auch hier entsprechend (mindernd) zu berücksichtigen sind.

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4. Die gemäß § 197 Abs. 2 SGG zulässige Erinnerung des Erinnerungsgegners ist unbegründet und war daher zurückzuweisen, weil die Festsetzung eines niedrigeren Vergütungsanspruches aus den dargestellten Gründen nicht in Betracht kommt. Soweit der Erinnerungsgegner insbesondere auch geltend macht, anwaltliche Kosten seien im Widerspruchs- und im Berufungsverfahren überhaupt nicht (zu ihren Ungunsten) entstanden, teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Dies folgt daraus, dass die Erinnerungsführer zunächst wirksam den (verstorbenen) Rechtsvorgänger der Kläger vertreten haben. Aus dem Gesamtzusammenhang der dem Gericht vorliegenden Vorgänge ergibt sich, dass die Eltern des (verstorbenen) Rechtsvorgängers der Kläger im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht im Sinne des § 1629 BGB handelten und für ihren Sohn die Erinnerungsführer zur Durchsetzung seiner Ansprüche und Rechte gegenüber dem Erinnerungsgegner (mit dem aufgrund der allein diesem gewährten Leistungen auch ein Rechtsverhältnis bestand) beauftragten und eine entsprechende Vollmacht erteilten. In diesem Zusammenhang kann der Erinnerungsgegner nicht damit gehört werden, dass die Eltern des (verstorbenen) Rechtsvorgängers der Kläger nicht befugt gewesen seien, für ihren Sohn Aufträge und Vollmachten zu erteilen, weil - worauf die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bereits völlig zu Recht hingewiesen hat - die sozialrechtliche Handlungsfähigkeit nicht die gesetzliche Vertretungsmacht der gesetzlichen Vertreter verdrängt, sondern gerade daneben auftritt (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, 2008, § 71, Rdn. 5a m. w. N.). Der von dem Erinnerungsgegner weiter erhobene Einwand, die Eltern hätten die Erinnerungsführer lediglich mit ihrer eigenen Vertretung beauftragt und bevollmächtigt, greift schließlich auch nicht durch. Die Kammer räumt zwar ein, dass das Schreiben der Erinnerungsführer vom 26. Juli 2006, mit dem sie sich gegenüber dem Erinnerungsgegner im Widerspruchsverfahren legitimierten, insoweit missverständlich gewesen sein mag. Die Kammer legt diese Erklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont jedoch so aus, dass die Eltern als gesetzliche Vertreter für ihren Sohn aufgetreten sind und (nur) für diesen und in dessen Namen den anwaltlichen Auftrag und die anwaltliche Bevollmächtigung erteilt haben. Damit handelten die Erinnerungsführer ausschließlich für den (verstorbenen) Rechtsvorgänger der Kläger. Die Kammer entnimmt diese - einzig sinnvolle - Sichtweise dem Gesamtzusammenhang der Verwaltungs- und der Gerichtsverfahren und sieht sich dabei insbesondere durch den Umstand unterstützt, dass die Eltern des (verstorbenen) Rechtsvorgängers der Kläger zu keinem Zeitpunkt Adressat der allein ihren Sohn betreffenden und diesen im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG beschwerenden Verwaltungsentscheidungen des Erinnerungsgegners gewesen sind und darüber hinaus selbst der Erinnerungsgegner in seinem an die Erinnerungsführer adressierten Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2007 keinen Zweifel an deren Vertretungsberechtigung hegte. Im Übrigen vermag die Kammer auch keinen Sinn darin zu erkennen, warum diese die Erinnerungsführer im eigenen Namen zur Wahrnehmung ihrer Interessen gegenüber dem Erinnerungsgegner beauftragt und bevollmächtigt haben sollen. Hierfür ist nach den objektiven Umständen weder etwas ersichtlich, noch hat der Erinnerungsgegner hierzu etwas vorgetragen, zumal zwischen den Eltern des (verstorbenen) Rechtsvorgängers der Kläger und dem Erinnerungsgegner überhaupt kein Rechtsverhältnis bestand. Die Kammer kann sich vor diesem Hintergrund im Übrigen auch nicht des Eindrucks erwehren, dass die von dem Erinnerungsgegner im Erinnerungsverfahren erhobenen Einwände einzig und allein dem Zweck dienen sollen, sich den zu seinen Lasten ergangenen Kostengrundentscheidungen zu entziehen. Dass dies allein nicht zum Erfolg führen kann, versteht sich von selbst. Nach alledem geht die Kammer davon aus, dass alleiniger Auftrag- und Vollmachtgeber zunächst der (verstorbene) Rechtsvorgänger der Kläger gewesen ist. Daher sind - entgegen der Auffassung des Erinnerungsgegners - dem (verstorbenen) Rechtsvorgänger im Widerspruchsverfahren auch anwaltliche Kosten entstanden. Mangels Erlöschen der Vollmacht wirkt diese auch - wie bereits dargelegt - zugunsten der Kläger fort, so dass ein Kostenerstattungsanspruch auch im Klage- und insbesondere im Berufungsverfahren zugunsten der Erinnerungsführer entstanden ist. Schließlich sei in diesem Zusammenhang nur der Vollständigkeit halber angemerkt, dass die Beteiligten und die Kammer, die über die Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse zu entscheiden hat, an die (unanfechtbare) Kostengrundentscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen in seinem Beschluss vom 21. Januar 2009 gebunden ist, wonach der Beklagte (hier der Erinnerungsgegner) den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten dieses (gesamten) Rechtsstreits zu erstatten hat; dies wird insbesondere der Erinnerungsgegner zu akzeptieren haben, auch wenn er die Entscheidung in der Sache für unrichtig hält.

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5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus einer analogen Anwendung des § 33 Abs. 9 S. 2 RVG, des § 56 Abs. 2 S. 3 RVG und des § 66 Abs. 8 S. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG; vgl. zur Kostengrundentscheidung im Erinnerungsverfahren auch Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 197, Rdn. 10, der eine solche sogar gänzlich für entbehrlich hält).

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6. Die Erinnerungsentscheidung ergeht nach entsprechender Anwendung des § 33 Abs. 9 S. 1 RVG, des § 56 Abs. 2 S. 2 RVG und des § 66 Abs. 8 S. 1 GKG gerichtskostenfrei.

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7. Die Entscheidung ist gemäß § 197 Abs. 2 SGG endgültig.