Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 20.05.2010, Az.: S 22 SO 56/08
Regelungsgehalt einer Mahnung an einen Schuldner vor Anordnung der Vollstreckung i.S.e. Verwaltungsaktes
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 20.05.2010
- Aktenzeichen
- S 22 SO 56/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 33269
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2010:0520.S22SO56.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 31 S. 1 SGB X
- § 54 Abs. 1 SGG
- § 3 Abs. 3 VwVG
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Zahlungsaufforderung der Beklagten hinsichtlich eines Betrages von 2.043,74 Euro.
Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein und Träger eines Heimes an einer Werkstatt für behinderte Menschen in L ... Er betreut den M. geborenen Beigeladenen stationär, wobei die Beklagte diesem Sozialhilfe gewährt.
Mit Schreiben vom 06. Juli 2007 (Bl. 171 der Verwaltungsakte) forderte die Beklagte vom Kläger vorgebliche Überzahlungen in Höhe von 4.370,97 Euro für die Jahre 2002 bis 2006, da diese ohne Rechtsgrund erbracht worden seien. Das Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.
Gegen das Schreiben legte er am 22. November 2007 Widerspruch ein, welchen er damit begründete, dass die Erstattungsforderung ein Verwaltungsakt sei. Die Regelung in Landesrahmenvertrag, nach dem bei Überschreiten von 42 Tagen Abwesenheit eine Erstattung stattzufinden habe, sei rechtswidrig.
Mit Schreiben vom 18. Januar 2008 (Bl. 201 der Verwaltungsakte) verzichtete die Beklagte auf die Forderung für 2002 und 2003 wegen des Eintritts der Verjährung.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03. März 2008 zurück (Bl. 212 bis 214 der Verwaltungsakte) und begründete dies im Wesentlichen folgendermaßen:
Die Platzgeldzahlung sei im Landesrahmenvertrag geregelt. Die Schreiben seien Informationsschreiben gewesen, mit denen die Vertragserfüllung geltend gemacht worden sei. Der Kläger sei durch die Schreiben nicht beschwert.
Dagegen hat der Kläger am 19. März 2008 Klage erhoben.
Er trägt vor:
Die Schreiben stellten anfechtbare Verwaltungsakte dar. Die Regelung in Landesrahmenvertrag, nach dem bei Überschreiten von 42 Tagen Abwesenheit eine Erstattung stattzufinden habe, sei rechtswidrig. Die Berechnung der Abwesenheitstage treffe nicht zu.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 06. Juli 2007, abgeändert durch Bescheid vom 18. Januar 2008, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. März 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Die Beklagte trägt unter Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen vor.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Klage ist unzulässig.
Die Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage setzt gemäß § 54 Absatz 1 SGG voraus, dass diese sich gegen einen Verwaltungsakt richtet (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Kel-ler/Leitherer, Kommentar zum SGG, § 54, Rd. 8).
Nach § 31 Satz 1 SGB X ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Nur eine hoheitliche Maßnahme kann einen Verwaltungsakt darstellen, wobei dieses Tatbestandsmerkmal die Einseitigkeit der Regelung umschreibt (vgl. v. Wulffen/Engelmann, Kommentar zum SGB X, § 31, Rd. 10). Ein Verwaltungsakt setzt ferner eine Regelung voraus, mit der die Behörde eine verbindliche Rechtsfolge setzt (vgl. v. Wulffen/Engelmann, § 31, Rd. 23). Dies beinhaltet, dass die Maßnahme nach dem Willen der Verwaltung darauf gerichtet sein muss, einseitig und mit Anspruch auf Verbindlichkeit eine unmittelbare Rechtswirkung zu erzeugen und subjektive Rechte zu begründen, aufzuheben, zu beeinträchtigen, zu ändern, abzulehnen oder festzustellen (vgl. Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB X, § 31, Rd. 20).
Kennzeichnend für die Regelung ist der Regelungswille der Behörde. Dabei ist zunächst auf die Bezeichnung als Bescheid oder Verfügung und eine Rechtsbehelfsbelehrung abzustellen, wobei es auf den subjektiven Willen des Sachbearbeiters nicht ankommt (vgl. Hauck/Noftz, § 31, Rd. 21). Es ist auf den objektiven Erklärungsinhalt abzustellen (vgl. LPK/SGB X/Waschull, § 31, Rd. 25).
Eine Mahnung im Sinne von § 3 Absatz 3 VwVG stellt eine unselbständige Vorbereitungshandlung dar und enthält keine Regelung (vgl. Beschluss des Bundessozialgerichtes vom 05. August 1997 - 11 BRa 95/97 -).
Ferner bedarf es zur Annahme einer hoheitlichen Regelung eines Über- und Unterordnungsverhältnisses zwischen den Beteiligten (vgl. Kasseler Kommentar/SGB X/Krasney, § 31, Rd. 5). Zwischen den Beteiligten besteht hier aber ein Gleichordnungsverhältnis, da beide Vertragspartner nach §§ 79, 75 Absatz 3 SGB XII sind. Die Beklagte hat damit im konkreten Fall nicht die Befugnis, durch Verwaltungsakt einseitig zu handeln, weil gerade die Frage der Vergütung Bestandteil des Landesrahmenvertrages war. In diesem Bereich wurde explizit die Ebene der Gleichordnung gewählt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a SGG, 154 Absatz 1 VwGO entsprechend. Der Kläger ist als Heimträger gemäß § 184 SGG nicht kostenprivilegiert.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
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