Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 05.01.2010, Az.: S 44 AS 2011/09 ER
Anspruch auf Gewährung eines Darlehens zur Begleichung von Vermieterforderungen
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 05.01.2010
- Aktenzeichen
- S 44 AS 2011/09 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 34245
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2010:0105.S44AS2011.09ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 20 Abs. 1 SGB II
- § 22 Abs. 1 SGB II
- § 22 Abs. 5 SGB II
- § 23 Abs. 1 SGB II
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 18. Dezember 2009 wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin die Gewährung eines Darlehns zur Begleichung von Vermieterforderungen.
Die am 17. November 1961 geborene Antragstellerin lebt inzwischen von ihrem Ehemann getrennt. In Vorbereitung der Trennung hatte sich die Antragstellerin am 10. März 2008 nach einem Anspruch auf Arbeitslosengeld II erkundigt und nach Vorlage der Vermieterbescheinigung wurde sie mit Schreiben vom 8. Mai 2008 darauf hingewiesen, dass die Miete (Kaltmiete inkl. Nebenkosten) bis zur Höhe von 350,- EUR und Heizkosten (ohne Warmwasser) bis zu 41,- EUR in die Berechnung der Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) aufgenommen werden könne. Sie bezog zum 1. Juni 2008 eine ca. 44 qm große Wohnung im C. in D ... Die monatliche Grundmiete beträgt 340,- EUR, auf die Betriebskosten war zunächst eine monatliche Vorauszahlung von 20,- EUR und auf die Heizkosten von 35,- EUR zu zahlen. Zusätzlich betrug die an den Vermieter zu entrichtende Vorauszahlung auf die Kosten des eigenen Stromverbrauchs 35,- EUR.
Auf ihren Antrag bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin ab 1. Juni 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe der Regelleistung und Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 385,- EUR (Grundmiete zuzüglich Nebenkosten 350,- EUR, Heizkosten 35,- EUR). Leistungen in dieser Höhe zahlte die Antragsgegnerin für die folgenden Bewilligungsabschnitte weiter. Zuletzt bewilligte sie mit Änderungsbescheid vom 2. November 2009 und Bewilligungsbescheid vom 30. November 2009 für die Zeit vom 1. November 2009 bis 31. Mai 2010 als Kosten für Unterkunft und Heizung einen Betrag von 402,- EUR (Grundmiete einschließlich Nebenkosten von 358,- EUR, Heizkosten von 44,- EUR).
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2009 rechnete der Vermieter die Nebenkosten für die Zeit vom 1. September 2008 bis 31. August 2009 ab und forderte eine Nachzahlung von 1.128,58 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf die Abrechnung vom 16. Oktober 2009 nebst Anlagen (Blatt 120 ff. Verwaltungsakte) Bezug genommen. Auf den Antrag auf Kostenübernahme bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Bescheid vom 2. November 2009 einen Betrag von 243,14 EUR. Dabei berücksichtigte sie die gesamten Heizkosten unter Abzug geleisteter Abschläge sowie zusätzliche Nebenkosten von 64,- EUR, da ab 1. Januar 2009 eine monatliche Kaltmiete inkl. Nebenkosten von 358,- EUR gewährt werden können. Den Betrag überwies sie auf das Konto des Vermieters.
Dieser forderte mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 den noch offenen Betrag von 885,44 EUR. Mit Bescheid vom 18. Dezember 2009 lehnte die Antragsgegnerin die Übernahme der Stromnachzahlung in Höhe von 708,58 EUR ab, da Stromkosten bereits in der Regelleistung enthalten seien.
Die Antragstellerin beantragte daraufhin am 18. Dezember 2009 die Übernahme der Restforderung in Höhe von 885,44 EUR als Darlehn. Sie trägt vor, der Vermieter habe angekündigt, dass er die Wohnung kündigen werde, wenn sie die Restzahlung nicht leiste. Auf Ratenzahlung oder Stundung lasse er sich nicht (mehr) ein. Sie habe die Gewährung des Darlehns bei der Antragsgegnerin beantragt, ihr sei mündlich mitgeteilt worden, dass dem Antrag nicht entsprochen werden könne.
Die Antragstellerin beantragt schriftlich,
die Antragsgegnerin im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihr einen Betrag von 885,44 EUR als Darlehn zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Auffassung, es bestehe kein Anordnungsgrund. Das Recht, das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos gemäß § 543 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu kündigen, bestehe nach herrschender Meinung nicht bei einem Rückstand von Betriebskosten aufgrund von Abrechnungen. Darüber hinaus lägen die Voraussetzungen für eine Darlehnsgewährung nach § 23 Abs. 1 SGB II nicht vor. Erforderlich sei, dass wegen der Stromschulden die Sperrung der Stromversorgung drohe und damit eine der Sicherung der Unterkunft vergleichbare Notlage vorliege. Dies komme nicht in Betracht, da der Vertragspartner des Energieversorgers der Vermieter der Antragstellerin ist und dieser die Stromkosten verauslagt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakte und die Leistungsakte der Antragsgegnerin (C.) Bezug genommen.
II.
Der als Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
Nach der genannten Vorschrift kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Anwendung der Vorschrift setzt neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) voraus, dass der Rechtsschutzsuchende mit Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf die begehrte Regelung hat (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Ein Anspruch auf Übernahme der Restzahlung der Neben- und Stromkosten in Höhe von insgesamt 885,44 EUR ergibt sich nicht aus§ 22 Abs. 1 SGB II. Danach werden die Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Haushaltsenergie (hier: Strom) ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile sind gemäߧ 20 Abs. 1 SGB II von der Regelleistung umfasst und gehören somit nicht zu den Kosten der Unterkunft und Heizung.
Die Heizkosten in Höhe von insgesamt 599,14 EUR hat die Antragsgegnerin vollständig mit den monatlichen Vorauszahlungen in Höhe von 35,- EUR und der Nachzahlung des Restbetrages in Höhe von 179,14 EUR übernommen.
Weitere Kosten der Unterkunft hat die Antragsgegnerin nicht zu übernehmen, da die Antragsgegnerin hierfür bereits insgesamt 350,- EUR bzw. ab 1. Januar 2009 358,- EUR gezahlt hat. Die darüber hinaus entstandenen Kosten sind nicht angemessen, wie die Antragsgegnerin unter Berufung auf die sich aus der Anlage zum Wohngeldgesetz (a.F.) bzw. § 12 Wohngeldgesetz in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung glaubhaft gemacht hat. Da der Antragstellerin die Unangemessenheit der Unterkunftskosten vor dem Einzug bekannt war, können höhere Kosten auch nicht nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II für eine längere Übergangszeit als bis September 2008 übernehmen werden.
Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch auf Gewährung eines Darlehns gemäß § 23 Abs. 1 SGB II glaubhaft gemacht. Danach kann im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts, der weder durch das Vermögen noch auf andere Weise gedeckt werden kann, durch die Antragsgegnerin als Darlehn gewährt werden. Das Darlehn wird durch monatliche Aufrechnung in Höhe von bis zu 10 v.H. der zu zahlenden Regelleistungen getilgt. Da die Kosten der Haushaltsenergie Teil der Regelleistung sind, kann ein unabweisbarer Bedarf entstehen, wenn die monatlichen Energiekostenabschläge - wie hier - zwar gezahlt wurden, aber dennoch Mehrkosten wegen Energiekostenrückständen entstehen. Erforderlich ist aber, dass wegen der Stromschulden die Sperrung der Stromversorgung droht und damit eine der Sicherung der Unterkunft vergleichbare Notlage vorliegt (Lang/Blügel in: Eicher/Spellbrinck, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 23 Rn 25 a). Gleiches gilt für eine Übernahme der Rückstände bei den Betriebskosten im Rahmen des § 22 Abs. 5 SGB II. Diese Voraussetzungen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Bisher hat der Vermieter nicht angedroht, die Stromzufuhr zu unterbrechen. Er hat auch nicht die Kündigung der Wohnung in Aussicht gestellt, die, nach herrschender Meinung, wegen Rückständen der Nachzahlung von Betriebskosten aufgrund von Abrechnungen nicht zulässig ist (Weidenkaff in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl. 2010, § 543, Rn 23). Nur unter diesen engen Voraussetzungen besteht für die Übernahme von Schulden als Darlehn aber eine gesetzliche Grundlage.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG entsprechend.