Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 27.01.2010, Az.: S 3 U 44/06

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
27.01.2010
Aktenzeichen
S 3 U 44/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 47831
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreites streiten um die Anerkennung eines Ereignisses vom 29. Mai 2005 als Arbeitsunfall nach den Bestimmungen des Siebenten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII).

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Der im August 1978 geborene - also derzeit 32 Jahre alte - Kläger ist gelernter Versicherungskaufmann und bezog im hier entscheidungserheblichen Zeitraum Leistungen nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II). Er schloss mit der Agentur für Arbeit K. (im Einvernehmen mit dem Landkreis K. - kommunaler Träger -) im Rahmen seines Leistungsbezuges am 21. April 2005 - eine Eingliederungsvereinbarung, in der er sich verpflichtete, alle Möglichkeiten zu nutzen, um den eigenen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten und an allen Maßnahmen zur Eingliederung mitzuwirken. Mit Schreiben vom 07. April 2005 schlug ihm die Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit K. - eine Tätigkeit als Gartenarbeiter vor. Ausweislich des Vermittlungsvorschlages sollte der Kläger bei der Samtgemeinde L. oder der M. eingesetzt werden.

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Die Samtgemeinde L. schloss im Jahre 2001 mit dem eingetragenen Verein „M.“ (im Folgenden: N.) einen Nutzungsvertrag über das in O. gelegene Sommerbad, wonach der N. das Vertragsobjekt ab dem 01. Januar 2002 unentgeltlich als Schwimmbad in ausschließlich eigener Verantwortung privatrechtlich in eigenem Namen sowie auf eigene Rechnung nutzen konnte. Der N. verpflichtete sich im Gegenzug sämtliche Personal- und Sachkosten für den Betrieb und die Unterhaltung des Freibades zu tragen, die erforderlichen Versicherungen abzuschließen, das Vertragsobjekt in ordnungsgemäßem und betriebsbereiten Zustand zu halten und für die für jedermann eröffnete Nutzung des Schwimmbades ausreichendes Fachpersonal vorzuhalten und einzusetzen. Die Samtgemeinde gewährt dem N. nach den Vertragsbedingungen einen jährlichen Zuschuss zu den Bewirtschaftungs- und Unterhaltungskosten, was Gegenstand einer gesonderten Vereinbarung sein sollte.

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Zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass für das bei dem N. angestellte Fachpersonal bis zum 31. Dezember 2006 die Beklagte und ab dem 01. Januar 2007 aufgrund einer entsprechenden Überweisung die Beigeladene zu 1) der zuständige Unfallversicherungsträger wäre.

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In dem bereits genannten - an den Kläger gerichteten - Vermittlungsvorschlag der Agentur für Arbeit K. vom 07. April 2005 werden als Tätigkeiten Gartenarbeiten in den Schwimmbädern in P. und O. angegeben. In den von dem Kläger am 29. April 2005 unterzeichneten Hinweisen zum berufspraktischen Einsatz in Arbeitsgelegenheiten im Sinne von § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II wird die Tätigkeit unter Ziffer 1 der Hinweise wie folgt umschrieben:

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„Herr Q. (…) (Teilnehmer) wird aufgrund des Bewilligungsbescheides der Bundesagentur für Arbeit vom 08. März 2005 für die Zeit vom 01. Mai 2005 bis zum 14. September 2005 in der Maßnahme zur Schaffung von Zusatzjobs Garten- und Landschaftspflege im Sommerbad O. (Kurzbezeichnung der Maßnahme) bei der M. (Maßnahmeträger) beschäftigt."

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Unter Ziffer 3 der genannten Hinweise heißt es dann weiter wörtlich:

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„Die festgelegte Einsatzzeit von 25 Stunden/Woche wird nach individueller Absprache auf die einzelnen Werktage verteilt. Ein Einsatz an Sonn- und Feiertagen ist möglich."

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Ferner heißt es in den Hinweisen, dass die Übertragung der Arbeitsgelegenheit keine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit bei dem Maßnahmeträger begründe und ein Arbeitsverhältnis nicht bestehe. Für die Haftung des Teilnehmers gelte § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II. Für Schäden in Ausführung der ihm übertragenen Tätigkeit hafte der Teilnehmer deshalb nur wie ein Arbeitnehmer. Ferner wird dort darauf hingewiesen, dass dem Teilnehmer in entsprechender Anwendung des Bundesurlaubsgesetzes für jeden vollen Tätigkeitsmonat zwei Werktage Erholungsurlaub zustünden. Als Mehraufwandsentschädigung ist ein Betrag von 1,50 € pro tatsächlich geleisteter Beschäftigungsstunde vereinbart. Ferner ist vereinbart, dass diese Mehraufwandsentschädigung jeweils bis spätestens zum 10. des Folgemonats von einem von dem Teilnehmer dem Maßnahmeträger zu benennendes Konto überwiesen werde.

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Der Kläger hielt sich am Unfalltag - mithin dem 29. Mai 2005 (einem Sonntag) - bereits ab 08.00 Uhr im Schwimmbad O. auf und nahm seine Tätigkeit um 8.00 Uhr auf. Ob und wann der Kläger seine Arbeit danach unterbrochen hat, wird von den Beteiligten unterschiedlich eingeschätzt. Unstreitig haben sich jedoch auch bis etwa 19.00 Uhr Verwandte und Freunde des Klägers im Schwimmbad aufgehalten.

11

In ihrem Unfallbericht zum Badeunfall vom 29. Mai 2005 schilderte die Zeugin R. den Vorfall wie folgt:

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„Am 29. Mai 2005 gegen 19:20 Uhr saß ich auf der Bank vor dem Schwimmmeistergebäude. Herr Q., der mir persönlich bekannt ist, war als Badegast im Sommerbad. Er kam zu mir und sagte, dass er ins Wasser zum Schwimmen gehen werde. Ich bin danach aufgestanden und wollte eine Poolnudel aus dem Wasser holen. Diese lag zwischen der Rutsche und der Einstiegsleiter. Nachdem ich sie aufgehoben habe, blickte ich auf die gegenüberliegende Seite des Schwimmbeckens und sah wie Q. mit dem Kopf nach unten im Wasser trieb. Ich lief zum näheren Beckenrand und sprang rein. Gleichzeitig kamen mir fünf weitere Personen zu Hilfe. Q. wurde aufgerichtet und angesprochen. Er gab jedoch keine Antwort und war schon etwas blau angelaufen. Der Puls war zu fühlen. Q. wurde von uns zur Einstiegstreppe transportiert und über die Treppe aus dem Wasser gezogen. Da die Atmung von Q. unregelmäßig war, wurde mittels der Beatmungsutensilien des Sommerbades versucht, die Atmung zu unterstützen. Da Herr Q. ständig krampfte, war dieses schwer möglich."

13

Gegen 19.18 Uhr wurde der Rettungswagen alarmiert, der um 19.30 Uhr eintraf. Der Notarzt wurde um 19.22 Uhr nachalarmiert und traf um 19.34 Uhr ein.

14

In einem Schreiben vom 13. Oktober 2005 führte die Zeugin R. ergänzend aus, den Kläger nur in Badehose aufgefunden zu haben und dass er vor der Arbeitsaufnahme noch einmal in das Schwimmbecken gehen wollte. Er habe an diesem Tage von 8.00 Uhr bis 15.00 Uhr gearbeitet und habe die Arbeit um 19.30 Uhr wieder aufnehmen sollen (Bl. 112 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten).

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Der Kläger ist dann zur stationären Behandlung in die Kliniken K. und S. aufgenommen worden. Ausweislich des Klinikberichtes vom 16. Juni 2005 (Bl. 59 VA) erlitt der Kläger eine instabile Haltswirbelkörperfraktur des 4. und 5. Halswirbelkörpers mit einer Spinalkanaleinengung. Nach zweitägigem Aufenthalt ist der Kläger in die neurochirurgische Abteilung des T. verlegt worden. Im Anschluss hieran erfolgte am 07. Juni 2005 eine Verlegung in das neurologische Rehabilitationszentrum U. - Behandlungszentrum für Querschnittsgelähmte V. -. Aus dem ärztlichen Aufnahmebericht vom 16. Juni 2005 ergeben sich insoweit folgende Diagnosen:

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- Fraktur des 4. Halswirbels in Folge eines Badeunfalls vom 29. Mai 2005,

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- inkomplette Tetraplegie sub C4,

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- Asthma bronchiale,

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- Harnblasen- und Mastdarmlähmung sowie

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- Adipositas,

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Am 22. Juli 2005 führte eine Mitarbeiterin der Beklagten im neurologischen Rehabilitationszentrum W. mit dem Kläger ein Versichertengespräch. In der entsprechenden Niederschrift vom 22. Juli 2005 gab der Kläger an, am 29. Mai 2005 um 08.00 Uhr seine Arbeit aufgenommen und das Bad gereinigt zu haben. Das Bad schließe um 19.30 Uhr. Er könne sich nicht vorstellen, dass er kurz vor dem Feierabend noch im Bad war und dort seine Freizeit verbracht habe. Er habe auf jeden Fall abends - auch an anderen Tagen - beim Filterspülen geholfen. Dies war immer sonntags und mittwochs bzw. auch dienstags. Die Arbeitszeit sei vertraglich geregelt worden. Sie habe fünf Stunden an fünf Tagen je Woche betragen. Bei gutem Wetter habe er auch länger gearbeitet und diese Zeit bei schlechtem Wetter abgegolten. Er habe sich nie in einer Liste selbst eingetragen. Die Eintragungen hätte immer Frau R. vorgenommen, auch gäbe es Stundennachweise. Er habe auch keine Schürfverletzungen im oberen Körperbereich, welche bei einem Sprung in dem Nichtschwimmerbecker üblich seien. Die Ärzte hätten auch darauf hingewiesen, dass keine Stauchungsverletzungen vorliegen würden. Es würde eine Schürfverletzung am rechten Hacken vorhanden sein. Er gehe davon aus, dass er abgerutscht und über die ca. 5 cm hohe Kante ins Wasser gefallen sei. Er habe nicht unter Alkoholeinfluss gestanden, da er keinen Alkohol trinke. Seine Mutter würde im Kiosk der Badeanstalt arbeiten. An diesem Tage habe sie die Arbeit um 18.00 Uhr beendet und ihn gefragt, ob er mit nach Hause komme. Er habe ihr gesagt, dass er noch zu tun hätte und ab 19.30 Uhr beim Filterspülen helfen sollte.

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In einem zwischen einem Mitarbeiter der Beklagten und der Schwimmmeisterin R. geführten Gespräch im Schwimmbad O. am 30. August 2005, der zuvor mit der Schwimmmeisterin vereinbart worden war, gab diese an, im Schwimmbad seien insgesamt drei „Ein-Euro-Jobber" beschäftigt gewesen. Deren Aufgabe sei es gewesen, morgens und abends das Becken zu säubern (auszusaugen). Im Übrigen seien sie mit der Gartenarbeit betraut gewesen. Sie hätten geregelte Arbeitszeiten von 07:30 Uhr bis 11:00 Uhr und von 19:00 Uhr bis 20:30 Uhr. Sie hätten immer am Dienstag freigehabt, weil auch die Zeugin R. dienstags ihren freien Tag hatte. Auch seien die Wochenenden grundsätzlich frei gewesen, hin und wieder sei aber auch ein Wochenendeinsatz angefallen. Dies sei auch am 29. Mai 2005, an dem der Kläger seinen Unfall erlitt, so gewesen. Zum Unfalltag befragt, gab sie an, der Kläger hätte am Sonntagmorgen von 07.30 Uhr 11.00 Uhr gearbeitet und unter anderem das Becken ausgesaugt. Anschließend hätte er den ganzen Tag mit seinen Freunden im Schwimmbad verbracht. Die offizielle Badezeit sei bis 19.30 Uhr gegangen. Viele Badegäste hätten bereits ab 19.00 Uhr das Wasser und die Rasenfläche verlassen, um sich noch vorn beim Eingang am Kiosk zu treffen und dort etwas zu essen oder zu trinken. Gegen 19.15 Uhr hätte Frau R. noch auf einer Bank am Schwimmbecken gesessen und das Becken bewacht. Der Kläger sei zu ihr gekommen und hätte gesagt, dass er noch eben schnell ins Wasser gehe, er käme gleich zum Aufräumen. Herr Q. hätte um 19.30 Uhr sein Dienst antreten und wie üblich das Becken säubern müssen. Sie hätte ihm noch zugerufen, er solle sich Zeit lassen, es sei nicht so viel zu tun. Sie selbst sei dann aufgestanden und habe schon eine Poolnudel aus dem Becken geholt. Als sie sich dann umgedreht habe, habe sie den Kläger mit dem Kopf nach unten im Wasser treiben sehen. Sie hatte bei der Rettung noch durch zwei anwesende Badegäste Hilfe, die jedoch zum Unfallereignis nichts sagen könnten. Ob zu dem Zeitpunkt noch Freunde von dem Kläger anwesend gewesen seien, mit denen er den Tag verbracht habe, wisse die Zeugin nicht mehr. Ob seine Mutter zum Unfallzeitpunkt noch dagewesen sei, wisse sie auch nicht. Die Mutter sei jedoch auf alle Fälle zurückgekommen, denn sie habe ihr - der Zeugin - nach der Rettung noch die Hand gehalten.

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Unter dem 09. September 2005 erteilte die Beklagte dem Kläger einen Bescheid über die Ablehnung des Versicherungsschutzes für den Unfall vom 29. Mai 2005. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 30. September 2005 Widerspruch. Darin führte er aus, er könne sich zwar an den Unfall grundsätzlich nicht erinnern, sondern nur daran, dass er um 08.00 Uhr Arbeitsbeginn gehabt habe. Die im Bescheid genannten Arbeitszeiten seien ihm jedoch nicht bekannt. In dem Bewerbungsgespräch mit dem Zeugen X. am 29. April 2005 im Gemeindehaus L. sei ihm mitgeteilt worden, dass die Maßnahme grundsätzlich fünf Stunden pro Tag an fünf Tagen der Woche stattfinde. Er hätte ebenso gesagt, dass in Rücksprache mit der Agentur für Arbeit vereinbart worden sei, dass an sonnigen Tagen mehr Stunden und an mehr Tagen gearbeitet werden könne. An regnerischen Tagen sollte die Arbeitszeit für ihn entfallen. Grundsätzlich hätte er in der Zeit ab 01. Mai 2005 (Beginn des Arbeitsvertrages) bis zu seinem Unfall von 08.00 Uhr bis zu unterschiedlichen Zeiten gearbeitet. Einige Male bis mittags und einige Male sogar in den Nachmittag hinein. Daher würden diese genannten Arbeitszeiten nicht stimmen.

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Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger schriftliche Zeugenaussagen der Zeugen Y. und Z.Q. sowie des AA., der AB. und des AC. vor. Während alle diese Zeugen keine Angaben über den Unfallhergang selbst machen konnten, gaben die Zeuginnen Q. und der Zeuge AD. an, dass der Kläger gegen 18.00 Uhr zu ihnen gesagt habe, noch arbeiten zu müssen und daher noch nicht mit nach Hause kommen zu können, gaben die Zeugen AE. und AF. an, den Kläger schon gegen 19.00 Uhr bei Reinigungsarbeiten beobachtet zu haben.

25

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Leistungen seien nicht zu erbringen, weil ein Versicherungsfall nicht vorliege. Es sei den vorliegenden Zeugenaussagen der Frau R. und der rechtlichen Beurteilung, auf die sich der Bescheid stütze, zu folgen. Wesentlich sei, dass eine versicherte Tätigkeit im notwendigen Vollbeweis (also mit Gewissheit) nicht festgestellt werden könne. Nach den festgestellten Ermittlungen sei der Kläger als sogenannte „Ein-Euro-Kraft" im Sommerbad O. tätig und sollte täglich fünf Stunden (morgens und abends) mit Reinigungsarbeiten betraut sein. Er hätte dabei entsprechend der Anweisungen der Bademeisterin gehandelt. Er könne sich an den Unfall selbst nicht erinnern und auch nicht mitteilen, wann er die Tätigkeit wieder aufnahm, nach dem er nach eigenen Angaben ab 08.00 Uhr gearbeitet habe und danach die Arbeit unterbrochen habe. Fest stehe zugleich aber, dass er sich am Unfalltag nach Ende der morgendlichen Tätigkeit bis zum Abend im Sommerbad aufgehalten habe, was sich aus den Aussagen aller Zeugen ergebe. Die Aussagen der Zeugen AF. /AE. und der Angehörigen würde nicht in zeitlichem Zusammenhang mit dem Zeitpunkt des Auffindens stehen und können damit keinen Vollbeweis einer versicherten Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt belegen. Zum Unfall hätte es keine Augenzeugen gegeben, die gesehen hätten, dass der Kläger bei versicherter Tätigkeit ins Becken stürzte und sich verletzte. Unbestritten sei, dass der Kläger sich aus privaten Gründen vor der Wiederaufnahme der Arbeitsleistung im Sommerbad seit Ende seiner Reinigungstätigkeit am Vormittag des gleichen Tages aufgehalten habe. Insofern würden die im Widerspruchsverfahren erbrachten Zeugenaussagen auch nicht belegen können, dass eine versicherte Tätigkeit vorlag, da der Kläger nicht auf Anweisung zum Unfallzeitpunkt Reinigungsarbeiten nachgenommen sei. Alle vorliegenden Zeugenaussagen würden die Anwesenheit im Sommerbad bestätigen, doch die Aussage von der Zeugin R. kurz vor dem Unfall würde widerspiegeln, dass der Kläger die versicherte Tätigkeit noch nicht (wieder) aufgenommen haben könnte, da diese nach Anweisung der Zeugin R. erst ab 19.30 Uhr begonnen hätte. Mithin gäbe es keinen Nachweis, dass der Kläger mit Gewissheit seine versicherte Tätigkeit am Abend des Unfalltages zum Unfallzeitpunkt wider aufgenommen habe. Wenn eine mit Gewissheit festzustellende Tatsache nicht bewiesen werden könne, dann könne diese nicht zu seinen Gunsten unterstellt und vorhandene Zweifel ausgeräumt werden. Müsse nach allen denkbaren Ermittlungsschritten festgestellt werden, dass diese wichtige Tatsache nicht bewiesen werden könne, dann greift das Recht der sogenannten „objektiven Beweislosigkeit", nach der aus dem Fehlen einer anspruchsbegründenden Tatsache kein Recht hergeleitet werden könne. Dieses würde bedeuten, dass die Beklagte bei den bestehenden Zweifeln an der Wiederaufnahme einer versicherten Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt zu Gunsten des Klägers keine Feststellung treffen könnte. Die Folgen des Nicht-Festgestelltseins dieser Tatsache gehe zu Lasten des Klägers.

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Hiergegen hat der Kläger am 20. April 2006 Klage erhoben, mit der er sein Begehren auf Feststellung des Ereignisses vom 29. Mai 2005 als Arbeitsunfall weiterverfolgt. Zur Begründung führt er aus, er habe zum Unfallzeitpunkt seine versicherte Tätigkeit ausgeübt. Insbesondere werde einem Detail der Aussage der Zeugin R. viel zu großes Gewicht beigemessen. Ausgangspunkt sei, dass der Kläger im Sommerbad O. als „Ein-Euro-Arbeitskraft“ beschäftigt gewesen sei. Die Zeugin R. habe selbst die geregelte Arbeitszeit definiert, nämlich von 07.30 Uhr bis 11.00 Uhr und von 19.00 Uhr bis 20.30 Uhr, also morgens 3 1/2 Stunden und abends 1 1/2 Stunden. Die Tätigkeit ab 19.00 Uhr sei notwendig und habe im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schließen des Schwimmbades für das Publikum um 19.30 Uhr gestanden. Nur wegen dieser Dienstzeit sei der Kläger im Schwimmbad geblieben. Der Unfall habe sich unstreitig während der Arbeitszeit ereignet. Deshalb spreche bereits der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass eine versicherte Tätigkeit ausgeübt worden sei. Bereits mit der Widerspruchsbegründung seien mehrere Zeugen benannt worden, die eindeutig bestätigten, dass bereits um 19.00 Uhr gesehen worden sei, wie der Kläger seine Reinigungsarbeiten aufgenommen habe. Schon um 19.15 Uhr sei dann ein Badegast angelaufen gekommen und habe mitgeteilt, dass der Kläger liegend und aus der Nase blutend vorgefunden wurde. Wenn die Zeugin R., in Diensten des Arbeitgebers, ganz offenbar versuche, diesen zu helfen, dann sei ihre Bekundung mit großer Skepsis zu würdigen. Bei dem hier unstreitigen äußeren Rahmen, nämlich der feststehenden Dienstzeit, während der es in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Aufgabenstellung zu einem Unfall direkt am Arbeitsplatz gekommen sei, spreche der Beweis des ersten Anscheins für den Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, so lange keine gegenteiligen inhaltsreichen Tatsachen nachgewiesen seien. Wie sich der Unfall ereignet habe, sei völlig offen. Es erscheine konstruierter, wenn gerade in dem hier maßgeblichen ganz engen Zeitraum, in dem ebenso unstreitig - verschiedene zeitaufwendige Abschlussarbeiten durchgeführt werden mussten, unterstellt werde, der Kläger hätte einen gefährlichen Sprung in das Nichtschwimmerbecken unternommen, wobei hinzukomme, dass ihm die örtlichen Verhältnisse sehr gut bekannt seien. Auch das Verletzungsbild spreche dafür, dass der Kläger nicht etwa gesprungen sei, sondern aus- und abgerutscht sei. Insoweit werde auf die Schürfverletzungen am rechten Hacken verwiesen.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 09. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 30. März 2006 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger am 29. Mai 2005 bei der Tätigkeit im Sommerbad O. einen Arbeitsunfall erlitten hat,

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hilfsweise ein medizinisches Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, dass die Verletzungen des Klägers nicht mit einem Sprung in das Wasser in Einklang zu bringen sind, sondern vielmehr für einen Aufprall des Körpers des Klägers bzw. seines Nackens auf den Beckenrand sprechen.

30

Die Beklagte beantragt,

31

die Klage abzuweisen,

32

hilfsweise den Beigeladenen zu 2) für zuständig zu erachten.

33

Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Darüber hinaus vertritt sie die Auffassung, auch nicht der zuständige Unfallversicherungsträger für einen - unterstellten - Arbeitsunfall zu sein.

34

Mit Beschlüssen vom 16. Juli 2007 und vom 29. August 2007 hat die Kammer die AG. (Beigeladene zu 1)), den AH. (Beigeladener zu 2)) sowie die AI. (Beigeladener zu 3)) zum Verfahren beigeladen.

35

Die Beigeladene zu 1) beantragt,

36

die Klage abzuweisen,

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hilfsweise den Beigeladenen zu 2) für zuständig zu erachten.

38

Der Beigeladene zu 2) beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

39

seine Zuständigkeit zu verneinen,

40

hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit seine Zuständigkeit anzuerkennen sei.

41

Die Beigeladene zu 3) beantragt,

42

die Klage abzuweisen.

43

Das Gericht hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung den Kläger persönlich angehört und Beweis erhoben durch Zeugeneinvernahme der AE., der Y.Q., der Z.Q., des AD., der R., des AF., des AJ., des X., des AK. sowie des AL.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 16. Juli 2009, vom 03. Dezember 2009 sowie vom 27. Januar 2010 Bezug genommen. Während der am 03. Dezember 2009 durchgeführten Beweisaufnahme übergab der Zeuge X. schriftliche Zeugenaussagen der Zeugen AJ. und AL., die er nach seinen Angaben kurz nach dem Unfallereignis hat anfertigen lassen und zusammen mit weiteren den Unfall betreffenden Unterlagen aufbewahrt hatte, ohne sie anderen Personen zugänglich gemacht zu haben. In der schriftlichen Aussage des Zeugen AL. - die kein Datum trägt - führt dieser wörtlich wie folgt aus:

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„Q. und ich haben gegen 19 Uhr noch im Wasser rumgetobt. Kurze Zeit später ist er dann zu R. gegangen und hat mit ihr ein paar Wörter getauscht. Als er wieder ins Wasser kommen wollte schnappte er sich noch eine Schlange, warf diese zu mir ins Wasser und sprang mit einer Krampe hinterher. Durch diesen Sprung und durch sein Gewicht ist er mit dem Kopf auf den Boden geknallt. Ich bemerkte 5 sec. später das ihm Blut aus dem Mund lief. Ich habe nach R. gerufen und wir haben ihn mit mehreren Helfern aus dem Wasser gezogen. Wir haben ihn auf die Steine vor der Dusche gelegt. R. hat ihn dann in die stabile Seitenlage gebracht. Danach kamen noch andere Helfer dazu. Als der Krankenwagen eintraf wurde ich weggeschickt.“

45

Zur weiteren Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Prozessakte und die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten zum Aktenzeichen AM. Bezug genommen. Diese Unterlagen lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, der Beratung und der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

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Die auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 09. September 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2006 und auf Feststellung eines Arbeitsunfalls gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist zulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann ein Versicherter, dem gegenüber ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt entschieden hat, dass ein Arbeitsunfall nicht gegeben ist, dessen Vorliegen als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab im Wege einer Kombination von Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 S. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) klären lassen (Bundessozialgericht, Beschluss vom 27. Juni 2006, - B 2 U 77/06 B - SozR 4-1500, § 55 Nr. 4; Urteil vom 15. Februar 2005, - B 2 U 1/04 R - SozR 4-2700, § 8 Nr. 12; Urteil vom 07. September 2004, - B 2 U 45/03 R - SozR 4-2700, § 2 Nr. 2, jeweils m. w. N.).

47

Die danach zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist allerdings nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, das Ereignis vom 29. Mai 2005 im Sommerbad O. als Arbeitsunfall anzuerkennen. Der Kläger ist durch die angegriffenen Verwaltungsentscheidungen nicht beschwert, weil sie rechtmäßig sind (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG).

48

Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob der Kläger als Teilnehmer an einer Arbeitsgelegenheit im Sinne des § 16 Abs. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) überhaupt unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand, konnte die Kammer genau so offen lassen wie die Frage, welcher Unfallversicherungsträger für dessen Feststellung und Entschädigung zuständig ist (vgl. zu diesen Fragen z. B.: Ricke in: Kasseler Kommentar, § 2 SGB VII, Rdn. 6; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 SGB VII, Anmerkung 6.37; Eicher in: Eicher/Spellbrink, Grundsicherung für Arbeitssuchende, § 16 SGB II, Rdn. 245; Hafenrichter in: Hohm, Grundsicherung für Arbeitssuchende, § 16 SGB II, Rdn. 322; Pfohl, in: Linhart/Adolph, Grundsicherung für Arbeitssuchende, § 16 SGB II, Rdn. 89; Harks in: jurisPK-SGB II, § 16 SGB II, Rdn. 94 sowie schließlich die für die Gerichte nicht bindenden Rundschreiben der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung 0537/2009 vom 17. September 2009; BUK-Rundschreiben 100/2006 vom 06. April 2006 und HVBG-Rundschreiben UV-Recht 076/2004 vom 14. Dezember 2004). Denn der Kläger hat weder gegen die Beklagte, noch gegen die Beigeladenen einen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsunfalls.

49

Nach § 8 Abs. 1 des Siebenten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität), und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Dezember 2006, - B 2 U 1/06 R m. w. N., zitiert nach juris). Der Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zur Zeit des Unfalls ausgeübten Verrichtung ist dabei wertend zu ermitteln, in dem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 [BSG 30.04.1985 - 2 RU 24/84]; BSGE 61, 127, 128 [BSG 20.01.1987 - 2 RU 27/86] sowie Bundessozialgericht SozR 3 - 2700, § 8 Nr. 10).

50

Bei einem grundsätzlich unter dem Schutz der Unfallversicherung stehenden Betroffenen sind Verrichtungen im Rahmen des dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses Teil der versicherten Tätigkeit und stehen mit ihr in den erforderlichen Zurechnungszusammenhang. Dies bedeutet indes nicht, dass alle Verrichtungen eines grundsätzlich versicherten Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstages auf der Arbeitsstelle versichert sind, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII nur Unfälle "infolge" der versicherten Tätigkeit Arbeitsunfälle sind und es einen sogenannten Betriebsbann nur in der Schifffahrt (§ 10 SGB VII), nicht aber in der übrigen gesetzlichen Unfallversicherung gibt (ständige Rechtssprechung des Bundessozialgerichts, vgl. nur BSGE 41, 137, 139 [BSG 22.01.1976 - 2 RU 109/74]). Typischerweise und in der Regel unversichert sind höchstpersönliche Verrichtungen wie zum Beispiel das Essen (vgl. BSGE 11, 267, 268 ff. [BSG 29.01.1960 - 2 RU 265/56]), oder eigenwirtschaftliche, wie zum Beispiel das Einkaufen (vgl. BSGE SozR 3 - 2200, § 548 Nr. 22). Sie führen in der Regel zu einer Unterbrechung der versicherten Tätigkeit.

51

Für die wertende Entscheidung, ob die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, kommt der Handlungstendenz des grundsätzlich Versicherten, so wie sie durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird, besondere Bedeutung zu (ständige Rechtssprechung des Bundessozialgerichts, BSGE 58, 76, 77 [BSG 30.04.1985 - 2 RU 24/84]; zuletzt BSGE 91, 293 [BSG 09.12.2003 - B 2 U 23/03 R]). Denn aufgrund der Handlungstendenz kann beurteilt werden, ob der versicherte Arbeitnehmer oder der möglicherweise versicherte Teilnehmer an einer Arbeitsgelegenheit im Sinne des § 16 Abs. 3 SGB II mit seiner konkreten Verrichtung zur Zeit des Unfalls eine auf seinem Arbeitsvertrag (§ 611 des Bürgerlichen Gesetzbuches) oder einer sonstigen Vereinbarung beruhende, dem Unternehmen dienende und damit unter Versicherungsschutz stehende Tätigkeit ausüben wollte.

52

Die Kammer vermochte in diesem Zusammenhang zunächst nicht festzustellen, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Umständen sich der Kläger im Schwimmbad und dem dortigen Schwimmbecken seine schwerwiegenden Verletzungen zugezogen hat. Die Ungewissheit darüber, wie sich der Unfallhergang im Einzelnen dargestellt hat, geht zu Lasten der Beklagten, denn sie trägt bei der gegebenen Sachlage die objektive Beweislast dafür, dass der Verunglückte sich während der möglicherweise grundsätzlich versicherten Tätigkeit in dem Sommerbad O. vorübergehend einer anderen privaten Zwecken dienenden Verrichtung zugewandt hatte. Verunglückt ein Versicherter nämlich wie hier unter ungeklärten Umständen an seinen Arbeitsplatz, an dem er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet hatte, so entfällt der Versicherungsschutz nur dann, wenn bewiesen wird, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen hat (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 26. Oktober 2004, - B 2 U 24/03 R sowie Urteil vom 04. September 2007, B 2 U 28/06 R, jeweils zitiert nach juris).

53

Die Kammer ist nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme, in der sie insgesamt zehn Zeugen ausführlich vernommen hat, davon überzeugt, dass der Kläger seine möglicherweise unfallversicherungsrechtlich geschützte Tätigkeit im Sommerbad O. jedenfalls durch eine eigenwirtschaftliche Betätigung unterbrochen hat. Die Kammer geht nämlich davon aus, dass der Kläger seine Tätigkeit im Sommerbad durch einen Sprung in das Schwimmbecken unterbrochen hat. Hierbei hat es sich um eine eigenwirtschaftliche Betätigung gehandelt. Dies steht zur Überzeugung der Kammer insbesondere fest aufgrund der bereits im Verwaltungsverfahren eingeholten schriftlichen Zeugenaussage der Zeugin R., weiterhin aufgrund der Zeugenaussage des Zeugen AJ. sowie des Zeugen AK.. Darüber hinaus misst die Kammer dem erst im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens aufgetauchten und von dem Zeugen AL. stammenden Schriftstück erhebliche Bedeutung zu. Diese Aussagen bzw. diese schriftlichen Äußerungen sind plausibel und fügen sich nahtlos ineinander ein; sie stimmen in den wesentlichen Passagen überein, sind schlüssig und in sich widerspruchsfrei und daher insgesamt überzeugend. So ergibt sich zunächst aus der Zeugenbefragung durch die Beklagte vom 30. August 2005, dass der Kläger gegen 19.15 Uhr zu der auf einer Bank am Schwimmbecken sitzenden Zeugin R. gekommen sei und dort gesagt habe, er gehe noch schnell ins Wasser und käme gleich zum Aufräumen. Dies passt zunächst zu den von dem Zeugen AJ. in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen dargestellten Beobachtungen. Denn der Zeuge AJ. hat detailreich, plausibel und für die Kammer gänzlich nachvollziehbar geschildert, dass er den Kläger - bekleidet nur mit einer Badeshorts - kurz vor dem Zeitpunkt des Auffindens des Klägers im Schwimmbecken noch am Beckenrand hat stehen sehen und vermutet hat, dass der Kläger noch einmal ins Wasser gehen wollte bzw. sich sogar sehr sicher über diesen Umstand war, weil nämlich der Freund des Zeugen AJ. - der Zeuge AL. - aus dem Becken heraus zu dem Kläger rief „Komm rein, komm rein!" und der Kläger nach den Ausführungen des Zeugen AJ. auch selbst geäußert hat, dass er auch gleich Schluss habe und jetzt auch noch einmal ins Wasser gehen wolle. Darüber hinaus hat der Zeuge AJ. auch darauf hingewiesen, dass der Kläger zu dem Zeitpunkt, als er ihn hat am Beckenrand stehen sehen, eher als Badegast gewirkt habe. Zu diesen Beobachtungen passen dann auch die unfallzeitpunktnah gemachten - bereits dargestellten - Schilderungen der Zeugin R.. Dass diese sich dann im Rahmen der mündlichen Verhandlung aufgrund ihrer Tätigkeit als Schwimmmeisterin in verschiedenen Badeanstalten nicht mehr an alle Einzelheiten zu erinnern vermochte, ist für die Kammer aufgrund des Zeitablaufes - immerhin lagen zwischen dem Unfallzeitpunkt und ihrer richterlichen Vernehmung nahezu fünf Jahre - auch durchaus plausibel. Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Zeugen und an der Richtigkeit ihrer Aussage bestehen nicht; auch ist ein irgendwie geartetes Interesse am Ausgang des Rechtsstreites nicht erkennbar. Auch vermag die Kammer insbesondere für die Zeugen AK. und AJ. keinen vernünftigen Grund zu erkennen, weshalb sie ohne konkreten Anlass, Erlebnisse, wie die von ihnen beschriebenen, erfinden sollten. Dass der Kläger, der sich aufgrund einer retrograden Amnesie selbst an den Vorfall überhaupt nicht zu erinnern vermag, seine möglicherweise grundsätzlich versicherte Tätigkeit zu einer eigenwirtschaftlichen Betätigung unterbrochen hat, hat auch der Zeuge AL. eindrucksvoll in seiner schriftlichen Einlassung bestätigt. Darin hat er nämlich im Wesentlichen ausgeführt - auch dies passt zu der schriftlichen Aussage der Zeugin R. -, dass er zusammen mit dem Kläger gegen 19.00 Uhr noch im Wasser herumgetobt habe und kurze Zeit später dann zu Frau R. gegangen sei und mit ihr noch ein paar Worte gewechselt habe. Als er wieder zurückkehrte, habe er sich noch eine „Schlange" geschnappt, diese zu ihm ins Wasser geworfen und sei mit einer „Krampe" hinterher gesprungen. Durch diesen Sprung und durch das Gewicht des Klägers sei er mit dem Kopf auf den Boden geknallt. Danach sei dem Kläger fünf Sekunden später das Blut aus dem Mund gelaufen. Der Zeuge AL. hat darüber hinaus im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch bestätigt, dass dieses Schriftstück von ihm stamme und auch von ihm unterzeichnet worden sei. Die Kammer vermochte demgegenüber nicht zu überzeugen, dass sich der Zeuge AL. im Rahmen seiner Befragung an ein derart einschneidendes und markantes Ereignis, insbesondere den Sprung und das Auftreffen des Klägers auf den Beckengrund nicht zu erinnern vermochte, demgegenüber aber noch schildern konnte, was im Einzelnen nach dem für die Aufklärung des Sachverhaltes so entscheidenden Unfallhergang geschehen ist. So konnte er sich etwa noch daran erinnern, an welchem Ort der Kläger nach dem Ereignis versorgt wurde und dass noch Handtücher geholt worden seien. Die Kammer hält daher die Ausführungen des Zeugen AL. - der den Widerspruch in seinem Erinnerungsvermögen auch nicht plausibel aufzulösen vermochte - im Rahmen seiner richterlichen Vernehmung für nicht überzeugend und führt dies im Wesentlichen darauf zurück, dass er - nicht zuletzt aufgrund der auch von ihm eingeräumten freundschaftlichen Verbindung zu dem Kläger - jedenfalls nicht zu dessen Lasten aussagen wollte. Im Übrigen traut die Kammer dem damals 16jährigen Zeugen AL. schon aufgrund seines jugendlichen Entwicklungsstandes nicht zu, dass er den schriftlich dargestellten Geschehensablauf frei erfindet. Dass der Zeuge AL. dann im Rahmen seiner richterlichen Vernehmung vorgab, sich an den von ihm schriftlich dargestellten detailreichen, in sich widerspruchsfreien und plausiblen Geschehensablauf nicht erinnern zu können und darüber hinaus sogar den Wahrheitsgehalt seiner eigenen schriftlichen Ausführungen in Zweifel zieht, spricht im Hinblick auf die für den Kläger anspruchsvernichtende Bedeutung aus Sicht der Kammer umso mehr für die Richtigkeit der schriftlichen Darstellung, zumal sie - wie bereits dargestellt in zeitlicher und örtlicher Hinsicht zu den Ausführungen der Zeugen R. und AJ. passt und sich in deren Unfallschilderungen zwanglos einfügt.

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Darüber hinaus misst die Kammer auch dem Umstand erhebliche Bedeutung zu, dass jedenfalls die Zeugin R. in ihrer schriftlichen Aussage sowie die Zeugen AJ. und AK. im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigt haben, dass der Kläger kurz vor und nach dem Unfallereignis nur mit einer Badeshorts und nicht mit einem T-Shirt bekleidet gewesen ist. In diesem Zusammenhang hat nämlich der Zeuge AK. für die Kammer gänzlich überzeugend darauf hingewiesen, dass es für die Durchführung der erforderlichen Erste-Hilfe-Maßnahmen nicht erforderlich gewesen sei, dem Kläger ein T-Shirt oder ähnliches auszuziehen. Die entgegenstehenden Ausführungen der im Lager des Klägers stehenden Zeugen AE. und AD., die den Kläger kurz vor dem Unfallereignis mit einem weißen T-Shirt bekleidet gesehen haben wollen, sind unergiebig. Die Kammer stellt insoweit nicht einmal in Abrede, dass dies tatsächlich auch der Fall gewesen sein mag. Dieser Umstand ist jedoch für die hier zu entscheidende Frage, zu welchem Zeitpunkt und wodurch der Kläger sich seine schwerwiegenden Verletzungen zugezogen hat, nicht entscheidend. Denn die den Vortrag des Klägers stützenden Angaben der in dessen Lager stehenden Zeugen haben den Unfallhergang nicht mit eigenen Augen gesehen; vielmehr beruhen deren Erwägungen im Wesentlichen auf vagen Vermutungen. Darüber hinaus konnte sich auch kein Zeuge daran erinnern, ob sich in der unmittelbaren Nähe des im Schwimmbecken treibenden Klägers Badeutensilien oder Mülltüten oder ähnliches befunden haben, was aus Sicht der Kammer nahe gelegen hätte, wenn der Kläger tatsächlich während der Durchführung von Aufräum- oder Säuberungsarbeiten am Beckenrand abgerutscht und gestürzt wäre. In diesem Zusammenhang hat der Zeuge AK. im Übrigen auch überzeugend darauf hingewiesen, dass etwaige Badeutensilien - insbesondere eine Badematte - auch zum Herausheben des übergewichtigen Klägers aus dem Becken hätten benutzt werden können, was jedoch nicht der Fall gewesen sei.

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Schließlich steht für die Kammer nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme auch fest, dass die Zeugin R. - entgegen den Ausführungen der Zeugen aus dem Umkreis des Klägers - nicht etwa sofort zusammenbrach und überhaupt keine Hilfe leistete, sondern vielmehr zunächst den Kläger sofort tatkräftig mit aus dem Wasser zog, sich um ihn kümmerte und erst nach dessen Abtransport aufgrund des schwerwiegenden Ereignisses zusammengebrochen ist, was sie im Rahmen ihrer Vernehmung im Übrigen freimütig eingeräumt hat, was die Glaubwürdigkeit der Zeugin R. unterstreicht. In diesem Zusammenhang hat auch der Zeuge AK., der im Übrigen überhaupt kein Interesse am Ausgang des Verfahrens hat, eindrucksvoll darauf hingewiesen, dass er zusammen mit der Zeugin R. die wesentlichen Erste-Hilfe-Maßnahmen bei dem Kläger durchgeführt hat. Insoweit überzeugten die entgegenstehenden Ausführungen der im Lager des Klägers stehenden Zeugen Q., AF., AE. und AD. nicht. Diese waren nach dem Eindruck der Kammer ersichtlich darum bemüht, die Zeugin R. in ein schlechtes Licht zu rücken und damit den Beweiswert ihrer Aussage zugunsten des Klägers zu schmälern. Im Übrigen hat die Beigeladene zu 1) auch bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass Ungenauigkeiten und Erinnerungslücken bei einem Unfallereignis aus dem Jahre 2005 durchaus plausibel sind. Nicht plausibel ist es jedoch auch nach Auffassung der Kammer insbesondere, dass man sich nach vier bzw. fünf Jahren an Nebensächlichkeiten genau zu erinnern vermag, nicht jedoch an andere zentrale Geschehnisse des Unfalltages. So hat etwa die Zeugin AE. verdeutlicht, sich im Allgemeinen nicht daran erinnern zu können, über die Entfernung von 50 Metern vom Essbereich aus gesehen zu haben, was der Kläger im Einzelnen getan hatte. Demgegenüber vermochte sie sich aber plötzlich an den (möglicherweise anspruchsbegründenden) Umstand erinnern, dass der Kläger Spielzeug weggeräumt habe und konnte auf Nachfrage sogar Zahl und Art der Gegenstände benennen. Sie konnte sich darüber hinaus nicht an die Hose des Klägers erinnern oder daran, ob er ein Basecap trug, wohl aber an den (möglicherweise anspruchsbegründenden) Umstand, dass der Kläger ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift des N. trug. Nicht nachzuvollziehen vermochte die Kammer auch die Aussage der Zeugin AE., weder im Zusammenhang mit dem Unfallereignis noch in der nachfolgenden Zeit über die Geschehnisse um das Unfallereignis gesprochen zu haben. Insoweit hat die Beigeladene zu 1) völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass es doch nahe gelegen hätte, sich insbesondere um das Befinden des Klägers und den Hergang des Unfalls zu unterhalten. Demgegenüber will die Zeugin AE. sich zu keinem Zeitpunkt mit ihrem Verlobten darüber unterhalten haben, wie dieser den Kläger aus dem Wasser geborgen hat. Die Kammer teilt im Übrigen im Zusammenhang mit der Darstellung der Zeugin R. durch die im Lager des Klägers stehenden Zeugen, das Erstaunen der Beigeladenen zu 1), dass über das komplette Versagen der Zeugin R. im Zusammenhang mit dem Unfallereignis in den identischen schriftlichen Zeugenaussagen der im Lager des Klägers stehenden Zeugen im Verwaltungsverfahren überhaupt keine Rede ist.

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Im Ergebnis ist die Kammer daher davon überzeugt, dass der Kläger seine möglicherweise grundsätzlich versicherte Tätigkeit durch einen Sprung in das Becken - eine eindeutig eigenwirtschaftliche Betätigung - unterbrochen hat.

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Für den Unfallzeitpunkt kann schließlich auch nicht angenommen werden, dass die möglicherweise versicherte Tätigkeit durch die private Tätigkeit nur geringfügig und deshalb ohne rechtliche Bedeutung unterbrochen war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die die Kammer teilt, entfällt der Versicherungsschutz auch während einer privaten Zwecken dienenden Unterbrechung der versicherten Tätigkeit dann nicht, wenn die private Verrichtung der Art ist, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise nur zu einer geringfügigen Unterbrechung der versicherten Tätigkeit führt. Denn es gehört zum natürlichen Ablauf eines Arbeitstages, dass auch außerhalb der Pausen in die Arbeitstätigkeit eigenwirtschaftliche Tätigkeiten, die die versicherte Tätigkeit nur geringfügig unterbrechen, eingeschoben werden (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 SGB VII, Anmerkung 7.4.5 cc)). Ansonsten wären Beschäftigte gezwungen, sklavisch während ihrer versicherten Tätigkeit alle persönlichen Bedürfnisse zu unterdrücken (vgl. Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, Band 3, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 SGB VII, Rdn. 54). Wesentlich sind die räumliche Entfernung eines Versicherten von seinem Arbeitsplatz, die Zeit, die der Versicherte für die private Besorgung voraussichtlich hätte aufwenden müssen, und die gesamten Umstände des Einzelfalles. Unterbrechungen, die - wie hier - allein dem privaten Lebensbereich dienen, sind nur dann zeitlich und räumlich als geringfügig anzusehen, wenn die private Verrichtung "ganz nebenher" der versicherten Tätigkeit erfolgt (Bundessozialgericht, SozR 3-2200, § 548 Nr. 38). So hat Versicherungsschutz weiter bestanden beispielsweise beim Zigarettenziehen aus einem Automaten im öffentlichen Straßenbereich auf versichertem Weg sowie bei einer spontanen und kurzen Reparatur für den Heimweg mit einem Fahrrad (vgl. hierzu näher Ricke in: Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII, Rdn. 42). Letztlich handelt es sich um Fallgestaltungen, in denen die versicherte Verrichtung und die private Verrichtung als tatsächliches Geschehen nur sehr schwer voneinander zu trennen sind (BSGE 94, 262 [BSG 12.04.2005 - B 2 U 11/04 R]). Dies ist im Hinblick auf die Durchführung von Aufräum- und Säuberungsarbeiten außerhalb des Schwimmbeckens einerseits und der Erfrischung innerhalb des Schwimmbeckens andererseits ersichtlich nicht der Fall; von einer Verrichtung gleichsam „im Vorbeigehen" kann daher auch deshalb keine Rede sein, weil der möglicherweise versicherten Tätigkeit durch die Erfrischung im Schwimmbecken ein völlig neues - privatwirtschaftliches Gepräge - gegeben worden ist. Im Übrigen vermag die Kammer schon aufgrund der zum Unfallzeitpunkt lediglich noch herrschenden milden Temperaturen zwischen 22 °C und 23 °C (Amtliches Gutachten des Deutschen Wetterdienstes über die Wetterverhältnisse am 28. und 29. Mai 2005 vom 31. Juli 2009) auch nicht zu erkennen, dass ein erfrischendes Bad der Erhaltung der Arbeitskraft des Klägers dienen konnte. Solange der Kläger daher durch das Begeben in das Schwimmbecken eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt hat, war sein - möglicherweise bestehender - Versicherungsschutz unterbrochen, und zwar so lange, bis er seine - möglicherweise - versicherte Tätigkeit, nämlich die Durchführung etwaiger Aufräum- oder Reinigungsarbeiten, wieder aufgenommen hätte.

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Da es sich bei dem Unfall des Klägers mithin nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII handelte, war seine Klage im Hauptantrag abzuweisen.

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Weil nach alledem auch feststeht, dass sich der Kläger zum Zeitpunkt des Unfallereignisses im Rahmen einer eigenwirtschaftlichen Betätigung verletzte, musste die Kammer auch nicht mehr dem im Rahmen der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Frage des Unfallherganges nachgehen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG; sie entspricht dem Ergebnis der Hauptsache, in der der Kläger vollumfänglich unterlag.