Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 09.02.2010, Az.: S 25 AS 1885/09 ER

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
09.02.2010
Aktenzeichen
S 25 AS 1885/09 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 47829
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 03. Dezember 2009 wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe

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Die Beteiligten des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens streiten um die Rechtmäßigkeit einer von der Antragsgegnerin für den Zeitraum vom 01. November 2009 bis zum 31. Januar 2010 verhängten Sanktion um jeweils 30 % der Regelleistung sowie um die Gewährung eines Darlehens zur Überbrückung der damit einhergehenden Kürzung des monatlichen Auszahlungsbetrages.

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Der bei dem Sozialgericht Lüneburg am 03. Dezember 2009 eingegangene Antrag, mit dem die Antragstellerin (sinngemäß) beantragt,

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die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die aufgrund des Sanktionsbescheides vom 06. Oktober 2009 einbehaltenen Leistungen vorläufig auszuzahlen bzw. der Antragstellerin vorläufig ein Darlehen in Höhe eines Betrages von 100,00 € zu gewähren,

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hat keinen Erfolg.

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1. Soweit sich die Antragstellerin gegen den Sanktionsbescheid vom 06. Oktober 2009 selbst wendet, ist ihr auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Sinne des § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gerichteter Antrag bereits unzulässig, weil dieser Bescheid nicht rechtzeitig angefochten worden und damit bindend geworden (§ 77 SGG) ist. Damit fehlt es der Antragstellerin für dieses Begehren an dem auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (von Amts wegen) zu prüfenden Rechtsschutzbedürfnis.

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2. Soweit die Antragstellerin darüber hinaus im Wege eines Verfahrens nach § 44 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) die Überprüfung des bestandskräftigen Bescheides vom 06. Oktober 2009 begehrt, ist der gemäß § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG auf den Erlass einer Regelungsanordnung gerichtete Antrag zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Nach der genannten Vorschrift des § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Anordnungsanspruch, d. h. die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist, sowie der Anordnungsgrund, d. h. die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung, sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Steht dem Antragsteller ein von ihm geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, hat der Antragsteller Anspruch auf die beantragte Leistung im Wege vorläufigen Rechtsschutzes. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005, - 1 BvR 569/05, NVwZ 2005, 927 ff [BVerfG 12.05.2005 - 1 BvR 569/05]).

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Diese Voraussetzungen sind indes nicht erfüllt. Insoweit kann offen bleiben, ob der Antragstellerin überhaupt ein Anordnungsanspruch zur Seite stünde, d. h. ob es die Antragsgegnerin mit ihrem Bescheid vom 05. Februar 2010 zu Recht abgelehnt hat, den Sanktionsbescheid vom 06. Oktober 2009 zurückzunehmen. Denn die Antragstellerin hat jedenfalls das Vorliegen des Anordnungsgrundes, mithin eine besondere Eilbedürftigkeit im Sinne des § 86 b Abs. 2 SGG nicht glaubhaft machen können. Zwar ist grundsätzlich einstweiliger Rechtsschutz auch dann zu gewähren, wenn es sich bei dem streitigen Rechtsverhältnis um ein bei dem Leistungsträger anhängiges Verfahren nach § 44 SGB X handelt. Zumindest der Beweis des ersten Anscheins spricht im Hinblick auf das Verstreichenlassen der Rechtsbehelfsfrist dann jedoch dafür, dass es für die Betreffenden zumutbar ist, die Entscheidung im Verwaltungsverfahren abzuwarten (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16. August 2005, - L 8 B 96/05 AS, zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de). Zur Glaubhaftmachung des Gegenteils ist konkret darzulegen, warum nunmehr trotz unveränderter finanzieller Situation eine Eilbedürftigkeit besteht, die ein Abwarten des Hauptsachverfahrens nicht zumutbar erscheinen lässt. Derartige Umstände sind von der Antragstellerin jedoch nicht vorgetragen worden; vielmehr beschränkt sie sich auf pauschale Erwägungen, die es gegebenenfalls rechtfertigen würden, den Anordnungsgrund in einem laufenden Bewilligungsverfahren anzunehmen, nicht jedoch im Rahmen eines Zugunstenverfahrens gemäß § 44 SGB X. Weil das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG regelmäßig nicht darauf gerichtet ist, Geldleistungen für die Vergangenheit, sondern für die Gegenwart und Zukunft zu gewähren, ist es der Antragstellerin zuzumuten, das Verwaltungsverfahren zu betreiben und deren Ausgang abzuwarten.

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3. Soweit die Antragstellerin schließlich begehrt, ihr ein Darlehen zur Überbrückung der mit der Sanktionsentscheidung der Antragsgegnerin einhergehenden Kürzung der Regelleistung zu gewähren, ist der gemäß § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG auf den Erlass einer Regelungsanordnung gerichtete Antrag zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Die Antragstellerin hat insoweit jedenfalls das Vorliegen eines Anordnungsanspruches nicht glaubhaft gemacht. Insoweit hat es die Antragsgegnerin mit ihrem Bescheid vom 12. November 2009 zu Recht abgelehnt, der Antragstellerin ein Darlehen in Höhe eines Betrages von 100,00 € zu gewähren. Zwar kann die Agentur für Arbeit zum Ausgleich eines unabweisbaren Bedarfes gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II dem Hilfebedürftigen ein Darlehen gewähren. Dies kommt jedenfalls aber dann nicht in Betracht, wenn durch die Gewährung des Darlehens der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck der Sanktionierung unterlaufen würde. Darauf hat die Antragsgegnerin auch bereits zutreffend hingewiesen. Dass die Gewährung eines Darlehens zur Überbrückung der durch eine Sanktionsentscheidung erfolgten Kürzung laufender Leistungen dem Zweck der verhängten Sanktion widerspricht, liegt auf der Hand. Im Übrigen ergibt sich auch aus § 31 Abs. 3 S. 6 SGB II, wonach der zuständige Träger bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30 Prozent der Regelleistung ergänzende Sach- oder Geldleistungen erbringen kann, sowie aus § 31 Abs. 6 S. 4 SGB II, wonach während der Absenkung kein Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch besteht, dass sich der Gesetzgeber für den Fall der Absenkung der Regelleistung um bis zu 30 Prozent dafür entschieden hat, keine Möglichkeit eröffnen zu wollen, die Sanktion durch Gewährung ergänzender Leistungen abzumildern. Daher kann auch das Begehren, die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin ein Darlehen gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II zu gewähren, keinen Erfolg haben.

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Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG; sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache, in der die Antragstellerin vollumfänglich unterlag.

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Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.