Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.04.2014, Az.: 2 NB 145/13

Bestimmung der Berechnungsmethode für die Berechnung der Zulassungszahl für Teilstudienplätze im 2. Fachsemester der Humanmedizin

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
16.04.2014
Aktenzeichen
2 NB 145/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 14653
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0416.2NB145.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Göttingen - 29.04.2013 - AZ: 8 C 413/13

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Berechnung der Zulassungszahl für Teilstudienplätze im 2. Fachsemester der Humanmedizin erfolgt nach dem von § 2 Satz 2 ZZ VO 2012/2013 vorgesehenen Berechnungsmodell und unter Berücksichtigung der vom Senat für das Sommersemester 2013 ermittelten Zulassungszahl für Teilstudienplätze im 1. Fachsemester und nicht nach dem sogen. Kohortenprinzip (Bestätigung der Rechtsprechung).

  2. 2.

    Aus dem Umstand, dass sich Elemente des Kohortenprinzips in der Kapazitätsverordnung wiederfinden, lassen sich keine rechtlich verbindlichen Vorgaben für die Anwendung des Kohortenprinzips auch in anderen Schritten der Kapazitätsberechnung herleiten.

  3. 3.

    Stellte sich im gerichtlichen Hauptsacheverfahren heraus, dass die Zulassungszahlenverordnung insgesamt unwirksam ist, bestünde der behauptete Zulassungsanspruch nur im Rahmen des geltenden Kapazitätsrechts.

  4. 4.

    Eine Beurlaubung führt nicht dazu, dass der beurlaubte Studierende aus seiner kapazitätsrechtlichen Kohorte ausscheidet; vielmehr fallen bei ihm infolge der Beurlaubung die kapazitätsrechtliche Kohortenzuordnung und seine hiervon zu unterscheidende ausbildungsrechtliche Semesterzuordnung auseinander.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der sie betreffende Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen - 8. Kammer - vom 29. April 2013 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2013 vorläufig zum Studium der Humanmedizin auf einem Teilstudienplatz im 2. Fachsemester zuzulassen, wenn die Antragstellerin bis zum 5. Mai 2014 bei ihr verbindlich die unwiderrufliche Annahme des Studienplatzes erklärt und hierbei an Eides Statt versichert, dass sie an keiner Hochschule im Bundesgebiet vorläufig oder endgültig zum Teil- oder Vollstudium der Humanmedizin zugelassen ist, und wenn sich die Antragstellerin bis zum 19. Mai 2014 vorläufig immatrikuliert.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten die Antragstellerin betreffenden Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Durch Beschlüsse vom 29. April 2013, auf die wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der Begründung Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht unter anderem den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der vorläufigen Zulassung auf einem Teilstudienplatz im 2. Fachsemester im Studiengang Humanmedizin (hilfsweise im 1. Fachsemester) abgelehnt. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die ihren erstinstanzlichen Antrag in erster Linie mit der Begründung weiter verfolgt, es stünden für das Sommersemester 2013 außerhalb der festgestellten Kapazität noch weitere Studienplätze zur Verfügung.

Die Beschwerde ist begründet. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) vorliegen.

1. Die Berechnung der Zulassungszahl für Teilstudienplätze im 2. Fachsemester der Humanmedizin erfolgt nach dem von § 2 Satz 2 ZZ-VO 2012/2013 vorgesehenen Berechnungsmodell und unter Berücksichtigung der vom Senat für das Sommersemester 2013 ermittelten Zulassungszahl für Teilstudienplätze im 1. Fachsemester (dazu unter a). Im 1. Fachsemester der Humanmedizin standen bei der Antragsgegnerin im Sommersemester 2013 88 Teilstudienplätze zur Verfügung (dazu unter b).

a) Die Zulassungszahl für das 2. Semester ergibt sich gemäß § 2 Satz 2 ZZ-VO 2012/2013 aus der Differenz zwischen der Zulassungszahl für Studienanfänger und der Zahl der Studierenden nach Ablauf der Rückmeldefrist für das 2. Semester. Eine anderweitige Regelung in Anlage 1 Abschnitt II ZZ-VO 2012/2013 ist nicht gegeben. Die in § 2 Satz 2 ZZ-VO vorgesehene Berechnungsmethode ist auch für den hier vorliegenden Fall maßgeblich, in dem die in der ZZ-VO festgesetzten Zulassungszahlen die Kapazität der Hochschule unterschreiten und daher korrekturbedürftig sind. Dieser Umstand ist (nur) insoweit zu berücksichtigen, als der Berechnung im Eilverfahren die von Senat für das Sommersemester 2013 ermittelte Zulassungszahl für Studienanfänger zugrunde gelegt wird. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts berechnet sich die Studienplatzkapazität in höheren Fachsemestern nach der ständigen Rechtsprechung des Senats dagegen nicht auf der Grundlage des sogenannten Kohortenprinzips (vgl. zuletzt Senatsbeschl. v. 14.10.2013 - 2 NB 94/13 -, [...]). In diesem Beschluss ist ausgeführt:

"Der Senat hat mit auf den Studiengang Humanmedizin für das Wintersemester 2012/2013 bezogenem Beschluss vom 22. August 2013 (- 2 NB 394/12 u.a. -, [...] Langtext Rdnr. 90 ff.) zu gleichlautenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Folgendes bemerkt:

>>Dieser Methode der Kapazitätsberechnung des Verwaltungsgerichts für die höheren Semester folgt der Senat in seiner ständigen Rechtsprechung - und zwar bereits unter Berücksichtigung der Ausführungen des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Beschluss vom 29. Oktober 2012 zum streitgegenständlichen Wintersemester 2012/2013 nicht (vgl. zuletzt Senat, Beschl. v. 15.11.2012 - 2 NB 220/12 u.a. -, [...] Langtext Rdnr. 61 ff. m. w. N.).

Hieran wird auch mit Blick auf die weiteren Einwände des Verwaltungsgerichts in seinem das Sommersemester 2013 betreffenden Beschluss vom 29. April 2013 - 8 C 1/13 u.a. - (S. 53 ff. BU) festgehalten. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts stellt sich angesichts der auf ein Studienjahr beschränkten Geltung der jeweiligen Zulassungszahlen-Verordnungen das Problem widersprüchlicher Rechtsverordnungen nicht. Anders als das Verwaltungsgericht meint, kann auch im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes als "Basiszahl" in § 2 Satz 2 ZZ-VO für die Berechnung der außerkapazitären Studienplätze in höheren Fachsemestern die aufgrund der Berechnung des Gerichts ermittelte Studienplatzzahl verwendet werden. Dies stellt trotz ihres vorläufigen Charakters keine Überschreitung der gerichtlichen Kompetenzen dar, sodass es der von dem Verwaltungsgericht für allein möglich gehaltenen Korrektur mittels eines Sicherheitszuschlags nicht bedarf. Die gerichtliche Überprüfung bezieht sich dabei gerade auf die Frage, ob außerhalb der durch die ZZ-VO festgesetzten Zahl noch weitere Studienplätze vorhanden sind. Durch die Festlegung dieser Überprüfung in höheren Fachsemestern auf die Vorgaben in § 2 Satz 2 ZZ-VO ergibt sich nicht, dass es sich ausschließlich um eine solche der innerkapazitären Studienplatzzahl handelt.

Der Senat hat im Übrigen in seinem - den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß §§ 173 VwGO, 570 Abs. 3 ZPO betreffenden - Beschluss vom 15. Mai 2013 in diesem Verfahren zu diesem Problemkreis Folgendes ausgeführt:

Zunächst kommt es für die Auslegung der ZZ-VO 2012/2013 nicht ausschlaggebend darauf an, ob der Verordnungsgeber für das Wintersemester 1999/2000 einen Systemwechsel vornehmen durfte oder rechtstechnisch in jeder Hinsicht befriedigend durchgeführt hat, sondern darauf, ob sich in dem jetzt seit über einem Jahrzehnt verwendeten Festsetzungsmodell belastbare Hinweise darauf finden, dass das Kohortenprinzip Geltung haben solle. Das ist offensichtlich nicht der Fall. Selbst Mängel der Rechtsetzungstechnik würden hieran nichts ändern.

Soweit das Verwaltungsgericht das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juni 1978 (- VII C 63.76 -, [...], Rdnr. 30) als Beleg gegen die Auffassung des Senats anführt, die KapVO stehe normhierarchisch auf derselben Ebene wie die ZZ-VO, heißt es dort nur:

'Prüfungsmaßstab ist bei der Festsetzung für den Verwaltungsgerichtshof in erster Linie die Verordnung des Kultusministeriums über die Grundsätze für eine einheitliche Kapazitätsermittlung und Kapazitätsfestsetzung zur Vergabe von Studienplätzen (KapazitätsVO - KapVO) vom 23. Dezember 1975 (GesBl 1976 Ba-Wü S 67) - KapVO II -. Daß hier eine Rechtsverordnung an einer anderen Rechtsverordnung gemessen wird, unterliegt keinen bundesverfassungsrechtlichen Bedenken. Der Verwaltungsgerichtshof rechtfertigt dies daraus, daß die Kapazitätsverordnung vom gemeinsamen Rechtsetzungswillen aller Bundesländer getragen sei, den der Staatsvertrag in Art 12 Abs 1 Nr 8 und Abs 2 verlange; da das Gebot einheitlicher Kapazitätsermittlung nach der übergreifenden Leitregel des Art 9 Abs 2 Satz 1 des Staatsvertrags ein Verfassungsgebot sei, sei die dieses Gebot konkretisierende Kapazitätsverordnung der einzelnen Höchstzahlenverordnung übergeordnet; andernfalls verfehle die Kapazitätsverordnung ihren im Staatsvertrag festgelegten Zweck. Bundesverfassungsrechtlich ist diese auf Landesrecht beruhende Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht zu beanstanden.'

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich die Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs mithin nicht zu eigen gemacht, sondern nur aus bundesverfassungsrechtlicher Sicht unbeanstandet gelassen. Unbeschadet dessen sieht der Senat einen Verstoß gegen die genannte Leitregel hier nicht als gegeben an. Im Übrigen zitiert das Verwaltungsgericht selbst Verordnungen mehrerer Bundesländer, die nach seiner Darstellung das Kohortenprinzip ebenfalls nicht anwenden.

Soweit das Verwaltungsgericht Regelungen über das Inkraft- bzw. Außerkrafttreten der jährlichen Zulassungszahlenverordnung vermisst, sind diese - wie im Einzelnen schon früher ausgeführt - nach dem Normverständnis des Senats überflüssig. Ein Rechtssatz, der sich nur auf einen bestimmten Zeitraum bezieht, bedarf nach Ablauf dieses Zeitraums keiner Aufhebung; für die Zukunft hat er ohnehin keine Wirkung mehr. Es mag sein, dass in Fällen dieser Art aus Gründen der Rechtsklarheit vielfach Regelungen getroffen werden, die auch letzte Zweifel über die (zeitliche) Reichweite dieses Rechtssatzes ausräumen. Notwendig ist dies jedoch nicht, wenn die Auslegung des Rechtssatzes zu einem eindeutigen Ergebnis führt, wie der Senat hier meint.

Auch der Hinweis auf die besonderen Zulassungsbeschränkungen für die höheren Semester zeigt kein Regelungsdefizit auf. Die insoweit maßgebliche Anlage 1 Abschnitt II ist in § 2 Satz 2 ZZ-VO 2012/2013 in Bezug genommen ("..., soweit in Anlage 1 Abschnitt II nichts anderes bestimmt ist."). Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass auch hier Zulassungszahlen nur für den Zeitraum festgesetzt sind, der sich u.a. aus dem Verordnungsnamen ergibt. Abgrenzungsprobleme zu vorangegangen oder nachfolgenden Zulassungszahlenverordnungen ergeben sich daraus nicht.

Das Problem widersprüchlicher Rechtsverordnungen besteht nicht. Für die höheren Semester regelt die Zulassungszahlenverordnung praktisch nur, bis wohin die Zahl der Studierenden aufgefüllt werden kann, wenn die tatsächliche Zahl der Studierenden - aus welchen Gründen auch immer - unter die festgesetzte Zahl fällt. Fällt die Zulassungszahl ihrerseits hinter die Zahl der ordnungsgemäß in dem Fachsemester Studierenden zurück, hat sie keinerlei Auswirkungen; die Festsetzung einer Zulassungszahl gebietet nicht, "Überhänge" abzubauen, und würde erst recht keine Rechtsgrundlage für individuelle Exmatrikulationen abgeben.

Soweit das Verwaltungsgericht beanstandet, der Senat lasse als Basiszahl in § 2 Satz 2 ZZ-VO für die Berechnung der Studienplatzzahlen der höheren Semester die vom Gericht "zutreffend" errechnete Kapazität gelten (z.B. die Erwägung im Beschl. v. 15.11.2012 - 2 NB 198/12 -), hat der Senat lediglich deutlich gemacht, dass eine solche geringfügige Korrektur für Zwecke des Eilverfahrens dem Geltungsanspruch der Verordnung eher entgegenkäme als ihre Verwerfung in Gänze. Sie hielte sich auch im Rahmen der von der Rechtsprechung für die Numerus-clausus-Eilverfahren vielfach - auch vom Verwaltungsgericht - ohnehin in Anspruch genommenen 'Notkompetenzen.

In dem Beschluss des Senats vom 29. Mai 2013 heißt es weiter:

Auch das neue Vorbringen des Antragstellers führt zu keinem anderen Ergebnis. Da die ZZ-VO und die KapVO eng miteinander verzahnt sind, erörtert der Senat Kapazitätsfragen regelmäßig unter Heranziehung beider Verordnungen. Daraus lässt sich entgegen der Auffassung des Antragstellers indes nicht folgern, der Senat ordne die ZZ-VO der KapVO normhierarchisch ansonsten regelmäßig unter. Es gibt weder eine "Rangordnung" unter den Verordnungen noch bestand die Notwendigkeit, den Regelungsgegenstand überhaupt auf zwei Verordnungen aufzuteilen. Dass dies geschieht, ist letztlich nur der Übersichtlichkeit geschuldet.

Dass das "Kohortenprinzip" bereits zwingend in der KapVO verankert war und ist, zeigt der Antragsteller nicht nachvollziehbar auf. Sowohl das Kohortenprinzip, an dem das Verwaltungsgericht festhält, als auch das nach dem Verständnis des Senats geltende Recht stellen jeweils grundsätzlich zulässige Regelungsmöglichkeiten dar, die beiderseits ihre (rechtsdogmatischen wie praktischen) Vor- und Nachteile haben. Die Rechtssetzungsmacht des Verordnungsgebers ist indes nicht auf Regelungen beschränkt, die in rechtsdogmatischer Hinsicht uneingeschränkt gelungen erscheinen. Dem erkennbaren Willen des Rechtsetzenden muss deshalb auch dann Rechnung getragen werden, wenn sein Regelwerk aus Sicht des betreffenden Gerichts die zu bewältigenden Probleme nicht zufriedenstellend löst, ohne dabei die Schwelle zur Nichtigkeit zu überschreiten.

Der Senat hat auch angesichts der Ausführungen des Verwaltungsgerichts in seinen das Wintersemester 2013/2014 betreffenden Beschlüssen vom 30. Oktober 2013 - 8 C 477/13 u.a. - (S. 46 ff. des amtlichen Entscheidungsabdrucks) keine Veranlassung, hiervon abzuweichen. Folgendes ist abschließend zu bemerken:

(1) § 2 Satz 2 ZZ-VO enthält für die Ermittlung der Zulassungszahlen im Eilverfahren, das auf die vorläufige Zuteilung eines Studienplatzes über die in der ZZ-VO festgesetzte Anzahl der Studienplätze hinaus gerichtet ist, vom Gericht zu beachtende Vorgaben. Bei der gerichtlichen Überprüfung, ob die in der ZZ-VO festgesetzten Zulassungszahlen tatsächlich kapazitätsausschöpfend sind, ist dieser normativen Grundentscheidung des Verordnungsgebers für eine von mehreren möglichen Berechnungsmethoden auch dann Rechnung zu tragen, wenn die gerichtliche Überprüfung ergibt, dass die festgesetzten Zulassungszahlen in der ZZ-VO nicht kapazitätsausschöpfend und daher zu niedrig angesetzt sind. Es ändert sich - bei einer abweichenden Festsetzung der Studienanfängerzahl durch das Gericht - lediglich die Variable (oder "Basiszahl"), nicht aber das Berechnungssystem (vgl. bereits Senatsbeschl. v. 15.11.2012 - 2 NB 220/12 -, [...] Rdnr. 69). Die vom Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang vorgenommene Differenzierung zwischen inner- und außerkapazitären Studienplätzen gibt für die Frage des Geltungsanspruchs des § 2 Satz 2 ZZ-VO nichts her. Gleiches gilt für das zitierte (S. 47 Mitte) Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.3.2011 - 6 CN 3.10 -; dort geht es nur um die Verteilung "außerkapazitärer" Studienplätze, nicht aber um die Frage, ob § 2 Satz 2 ZZ-VO auch im Kapazitätsprozess einen verbindlichen Rechenweg für höhere Semester vorgibt.

(2) Dass die Kapazitätsverordnung eine Kapazitätsberechnung nach dem Kohortenprinzip verbindlich vorschreibt, lässt sich deren Regelungen nicht entnehmen. Zwar hat das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 4.11.2011 - 8 C 708/11 - zutreffend darauf hingewiesen, dass sich Elemente des Kohortenprinzips - etwa in der Schwundberechnung - in der Kapazitätsverordnung wiederfinden. Daraus lassen sich jedoch keine rechtlich verbindlichen Vorgaben für die Anwendung des Kohortenprinzips auch in anderen Schritten der Kapazitätsberechnung herleiten. In den Blick zu nehmen ist demgegenüber, dass nach §§ 3 KapVO die "jährliche Aufnahmekapazität" - das ist schon nach dem Wortsinn nicht mit der Anzahl der jährlich aufzunehmenden Studienanfänger gleichzusetzen - der Hochschule aufgrund einer Gegenüberstellung der beiden Rechengrößen Lehrangebot und der Lehrnachfrage erfolgt, die sich jeweils auf die Dauer eines gesamten Studiums beziehen; diese - von verschiedenen Faktoren abhängige und daher veränderbare - Gesamtkapazität wird für jedes Studienjahr erneut ermittelt. Ändert sich aber diese Gesamtkapazität, betrifft dies nicht nur die Eingangs-, sondern auch die dann jeweils höheren Semester. Eine sachgerechte Ausschöpfung dieser Gesamtkapazität setzt bei dieser Betrachtung geradezu voraus, dass grundsätzlich - in den Grenzen des Vertrauensschutzes, was bedeutet, dass einmal zugelassene Studierende ihren Status behalten - auch bei der Ermittlung der Zulassungszahlen für höhere Semester die aktuellen Rechengrößen und keine auf früheren Gegebenheiten beruhenden Werte zugrunde gelegt werden. Woraus zu entnehmen sein soll, dass die Kapazitätsverordnung die für die Ausbildung des Studienjahrgangs - der Kohorte des Winter- wie ggf. des folgenden Sommersemesters - erforderlichen Lehrkapazitäten für die gesamte Studiendauer mit Verbindlichkeit auch für bloße Quereinsteiger zuweist, ist dagegen nicht ersichtlich. Es ist auch nicht einleuchtend, warum über einen erheblichen Zeitraum - nämlich für die Zeit eines gesamten Studiums - über Lehrkapazitäten verfügt werden sollte, die sich schon im folgenden Studienjahr ändern können. Aus Art. 6 Abs. 1 und 3 des Staatsvertrages über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung vom 8. März/5. Juni 2008 folgt nichts anderes. Eine verbindliche Vorgabe, bei der Ermittlung der Aufnahmekapazität für höhere Semester das Kohortenprinzip zugrunde zu legen, lässt sich auch diesen Regelungen nicht entnehmen. Der Senat hat bereits in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass er sich in seiner Rechtsauffassung auch dadurch bestätigt sieht, dass in anderen Bundesländern in den Regelungen des Staatsvertrages offenbar ebenfalls keine verbindliche Festschreibung des Kohortenprinzips erblickt wird.

(3) Das Verwaltungsgericht missversteht die Rechtsprechung des Senats, wenn es sich in seinem Beschluss vom 30. Oktober 2013 - 8 C 477/13 u.a - mit der Frage auseinandersetzt, inwieweit der Senat gerichtliche Kompetenzen überschreite, wenn er durch seine Entscheidungen eine verordnungsrechtliche Vorschrift - nämlich die maßgebliche Zulassungszahl - "ändere" und wenn es darüber spekuliert, wann diese "Änderung" nach dem Dafürhalten des Senats in Kraft treten könnte. Der Senat ändert keine Rechtsvorschriften; er wendet auch nicht einen gleichsam mittelbar geänderten § 2 Satz 2 ZZ-VO an. Er legt im Eilverfahren - ausgehend davon, dass es, wie oben erörtert, keine verbindliche Vorgabe eines gegenteiligen Rechenmodells in der Kapazitätsverordnung oder im Staatsvertrag gibt - lediglich das vom Verordnungsgeber abstrakt vorgegebene Berechnungsmodell zugrunde und ermittelt anhand der als zutreffend erkannten Berechnungsgrößen die für die höheren Semester zur Verfügung stehende Kapazität (vergl. zum Ganzen auch Sächs. OVG, Beschl. v. 18.6.2001 - NC 2 C 32/00 -, [...] Rdnr. 38 u. v. 3.8.2010 - NC 2 B 441/08 -, [...] Rdnr. 9, das jedenfalls im Ergebnis - Beibehaltung der Berechnungsmodalität bei Zugrundelegung zutreffender Zulassungszahlen - vergleichbar vorgeht). Die Frage, ob im Hauptsacheverfahren dem Geltungsanspruch der Norm Rechnung zu tragen ist, indem sie im Willen des Verordnungsgebers so ausgelegt wird, dass die Zulassungszahl in höheren Semestern unter Einstellung der kapazitätsausschöpfenden und zutreffenden Zulassungszahl der Eingangssemester ermittelt werden soll (in diesem Sinne wohl Sächs. OVG, Beschl. v. 18.6.2001 - NC 2 C 32/00 -, [...] Rdnr. 38), hatte der Senat bislang nicht zu entscheiden.

(4) Die vom Verwaltungsgericht im Hinblick auf den Geltungsanspruch der ZZ-VO nach Ablauf eines Studienjahres problematisierten Fragen stellen sich so nicht: Der Rechtsprechung des Senats war stets zu entnehmen, dass sich der Geltungsanspruch der ZZ-VO nicht auf einen bestimmten Zeitraum, sondern auf einen bestimmten Sachverhalt beschränkt; Regelungsgegenstand ist von vorneherein nur die Festlegung der Zulassungszahlen für Studienplätze in einem bestimmten Studienjahr. Das ergibt sich schon aus dem jeweiligen Titel der Rechtsverordnungen. Anders ausgedrückt: Ist - wie hier - Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens die Vergabe von Studienplätzen für das Sommersemester 2013 nach Ablauf dieses Zeitraums und daher "nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2013", bleibt die ZZ-VO 2012/2013 die maßgebliche Regelung. Sie verliert für diesen Sachverhalt nicht mit dem zeitlichen Ablauf des Studienjahres ihre Gültigkeit, sondern regelt dauerhaft (nur) diesen Sachverhalt. Sie wird also nicht mit dem tatsächlichen Ablauf des in Bezug genommenen Zeitraums "unwirksam". Mit Blick darauf trifft es nicht zu, dass nach der Rechtsprechung des Senats "jede zulässige Verpflichtungsklage Erfolg [hätte] (...), wenn im Entscheidungszeitpunkt bereits eine neue ZZ-VO für das nachfolgende Studienjahr in Kraft getreten ist.".

(5) Der Senat tritt im Übrigen auch der in dem ihm vorliegenden Einstellungsbeschluss vom 29. Januar 2014 - 8 A 488/13 - zum Ausdruck kommenden Auffassung des Verwaltungsgerichts entgegen, dass für den Fall der Unwirksamkeit der in der ZZ-VO festgesetzten Zulassungszahl jede Zulassungsschranke entfalle und damit eine auf Zuteilung eines Studienplatzes über die festgesetzte Kapazität hinaus gerichtete Klage zwangsläufig Erfolg haben müsse. Es entspricht obergerichtlicher und höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass in einem solchen Fall nicht einschränkungslos alle Studienbewerber zum Studium zuzulassen sind, sondern geltendes Kapazitätsrecht den behaupteten Zulassungsanspruch beschränkt (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.9.1986 - 7 C 64.84 -, NVwZ 1987, 687 u. [...] Rdnr. 12, v. 20.4.1990 - 7 C 59.87 -, NJW 1990, 2899 u. [...] Rdnr. 8, Nds. OVG, Beschl. v. 3.2.2014 - 2 NB 365/13 -, OVG NRW, Beschl. v. 21.12.2010 - 13 B 1482/10 u. 1557/10 -, jeweils [...] Rdnrn. 98 ff. u. 77 ff.).

b) Die danach maßgebliche Zulassungszahl für Studienanfänger hat der Senat in seinem Beschlüssen vom 15. April 2014 - 2 NB 103/13 u.a. - unter Berücksichtigung der (auch) mit dieser Beschwerde geltend gemachten Einwände der Antragstellerin und des entsprechenden Vorbringens der Antragsgegnerin mit 88 Teilstudienplätzen ermittelt.

2. Unter Berücksichtigung dessen stand bei der Antragsgegnerin im Sommersemester 2013 ein weiterer Teilstudienplatz im 2. Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin zur Verfügung. Die Differenz zwischen der Zulassungszahl für Studienanfänger (88) und der Zahl der Studierenden nach Ablauf der Rückmeldefrist für das 2. Fachsemester betrug bei der Antragsgegnerin (jedenfalls) einen Studienplatz.

a) Es ist davon auszugehen, dass bei der Antragsgegnerin im 2. Fachsemester aufgrund von Rückmeldungen und des Vergabeverfahrens jedenfalls nicht mehr als 78 Studienplätze besetzt waren.

Zwar hat die Antragsgegnerin mit Schriftsätzen vom 13. Dezember 2013 und 3. Januar 2014 zunächst vorgetragen, im 2. Fachsemester hätten sich im Sommersemester 2013 insgesamt 79 Studierende zurückgemeldet bzw. sich aufgrund des Vergabeverfahrens neu eingeschrieben. Sie hat sich dabei auf eine Überbuchung berufen und außerdem darauf hingewiesen, dass ein Anfang April exmatrikulierter Studierender (Nr. 55 der als Anlage zum Schriftsatz vom 13. Dezember 2013 übersandten Immatrikulationsliste) hierbei von vorneherein nicht mitgezählt worden sei. Dagegen habe sie - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - die auf dieser Liste als Nr. 60 erfasste Studierende trotz ihrer Beurlaubung als kapazitätsdeckend mitzählen dürfen.

In ihrem jüngsten Schriftsatz vom 27. März 2014 hat die Antragsgegnerin dagegen ausgeführt: "Das ändert aber nichts daran, dass bis zum Meldezeitpunkt 78 Studierende immatrikuliert wurden und dass es im Vergabeverfahren dann noch zu einer weiteren Immatrikulation kam, weshalb kapazitätsdeckend innerkapazitär 79 Studierende anzusetzen sind, von denen allein der Exmatrikulierte mit der laufenden Nr. 55 abzuziehen ist, weil er sich vor Ende des Vergabeverfahrens exmatrikuliert (hat). Innerkapazitär kapazitätsdeckend sind deshalb 78 Studierende immatrikuliert gewesen. In diesen 78 ist der Exmatrikulierte mit der Listen-Nr. 55 nicht enthalten." Auf die hierauf bezogene Stellungnahme der Antragstellerin, es komme danach "nicht darauf an, ob der Senat - vor Abzug - von einer Belegung von 78 (so der Unterzeichner) oder von 79 (so die Antragsgegnerin)" ausgehe, weil "unstreitig" von der Zahl 78 (Anm.: bzw. 79) auch die laufende Nr. 55 abzuziehen sei, hat die Antragsgegnerin nicht mehr erwidert.

Unabhängig davon, dass danach auch die Antragsgegnerin selbst von nicht mehr als 78 (regulär) besetzten Studienplätzen ausgeht, stellte sich die von ihr geltend gemachte "Überbuchung" auch nicht als eine solche dar. Denn die Antragsgegnerin konnte zu diesem Zeitpunkt erst 77 Studienplätze als besetzt ansehen, weil sie die beurlaubte Studierende nicht im 2. Fachsemester hätte zählen dürfen. Die Antragsgegnerin hat mitgeteilt, dass diese Studierende im Sommersemester 2012 erstmals immatrikuliert worden sei und nachfolgend ihr 1. und 2. Fachsemester absolviert habe. Am 23. April 2013 - also vor dem Zeitpunkt der Erstellung der Immatrikulationsliste - habe sie einen Beurlaubungsantrag gestellt. Zum Wintersemester 2013/2014 sei diese Studierende in das 3. Fachsemester zurückgekehrt. Die Antragstellerin weist zu Recht darauf hin, dass die kapazitätsdeckende Zählung dieser Studierenden für das 2. Fachsemester nicht nachvollziehbar ist, da sie sich in ihrem laufenden 3. Fachsemester exmatrikuliert hat. Sie "blockierte" damit - auch unter Berücksichtigung ihrer Beurlaubung - keine Kapazitäten des 2. Semesters mehr, da sie dieses bereits absolviert hatte, sondern lediglich solche des 3. Semesters, für das sie sich zurückgemeldet hatte. Eine Beurlaubung führt nicht dazu, dass der beurlaubte Studierende aus seiner kapazitätsrechtlichen Kohorte ausscheidet; vielmehr fallen bei ihm infolge der Beurlaubung die kapazitätsrechtliche Kohortenzuordnung und seine - hiervon zu unterscheidende - ausbildungsrechtliche Semesterzuordnung auseinander (vgl. hierzu - zu der Frage der Einordnung aufgrund gerichtlicher Verfahren nachträglich zugelassener Studierender - VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 13.11.1978 - IX 2939/78 -, [...]).

b) Unstreitig gehen die Beteiligten davon aus, dass die Antragsgegnerin aufgrund der angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zusätzlich zu den bei ihr für das zweite Semester aufgrund von Rückmeldungen und Neueinschreibungen geführten Studierenden 9 weitere Studienplätze vergeben hat.

Vor diesem Hintergrund errechnen sich für das Sommersemester 2013 im 2. Fachsemester der Humanmedizin (höchstens) 87 vergebene Teilstudienplätze, so dass die Antragstellerin den weiteren zur Verfügung stehenden Studienplatz in Anspruch nehmen kann. Da die Antragstellerin mithin einen Studienplatz jenseits der nach den Festsetzungen der ZZ-VO 2012/2013 für das 2. Fachsemester maßgeblichen Zulassungszahl in Anspruch nimmt, musste der Senat der von der Antragsgegnerin aufgeworfenen Frage, ob eine wirksame Bewerbung der Antragstellerin auf einen innerkapazitären Studienplatz vorliegt, nicht nachgehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für den zweiten Rechtszug ergibt sich aus den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).