Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.04.2014, Az.: 5 LA 79/13

Verfassungsmäßigkeit der Verringerung der Höhe der Ruhegehaltfähigkeit der Zulage für Soldaten als fliegendes Personal bzw. in fliegerischer Verwendung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.04.2014
Aktenzeichen
5 LA 79/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 14558
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0410.5LA79.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 21.02.2013 - AZ: 13 A 4292/11

Fundstelle

  • DÖD 2014, 191-193

Amtlicher Leitsatz

Die mit Wirkung vom 1. Januar 1999 erfolgte Verringerung der Höhe der Ruhegehaltfähigkeit der Zulage für Soldaten als fliegendes Personal bzw. in fliegerischer Verwendung und die Vorschrift des § 81 BBesG sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 13. Kammer (Berichterstatter) - vom 21. Februar 2013 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 3.622,32 € festgesetzt.

Gründe

Der 55 Jahre alte Kläger, ein ehemaliger Berufssoldat (Besoldungsgruppe A 9), der mit Ablauf des 30. Juni 20 in den Ruhestand getreten ist, wendet sich dagegen, dass die Beklagte es abgelehnt hat, ihm ein Ruhegehalt unter Berücksichtigung der vollen Höhe der Zulage nach Nr. 6 Abs. 1 Buchst. c) a. F. bzw. Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d) n. F. der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B (Anlage 1 zum Bundesbesoldungsgesetz; im Folgenden: Vorbemerkungen) - Zulage für Soldaten als fliegendes Personal bzw. in fliegerischer Verwendung - zu gewähren. Das Verwaltungsgericht hat die nach einem erfolglosen Widerspruchsverfahren erhobene Klage abgewiesen.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nicht erfüllt.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung sind erst dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zu Tage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt. Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist. Ist das angegriffene Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, müssen hinsichtlich aller dieser Begründungen Zulassungsgründe hinreichend dargelegt werden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25.4.2008 - 5 LA 154/07 -).

Ausgehend von diesen Grundsätzen führt das Vorbringen des Klägers nicht zur Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht ist rechtsfehlerfrei zu der Einschätzung gelangt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, dem Kläger ein Ruhegehalt unter Berücksichtigung der vollen Höhe der Zulage nach Nr. 6 Abs. 1 Buchst. c) a. F. bzw. Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d) n. F. der Vorbemerkungen - Zulage für Soldaten als fliegendes Personal bzw. in fliegerischer Verwendung - zu gewähren. Der Senat macht sich die Begründung des angefochtene Urteils zu Eigen und verweist auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Der Kläger hat im Zulassungsverfahren keine gewichtigen, gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sprechenden Gründe aufgezeigt, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg.

Mit Rücksicht auf das Vorbringen des Klägers im Berufungszulassungsverfahren ist das Folgende hervorzuheben bzw. zu ergänzen:

Nach § 42 Abs. 4 BBesG sind Stellenzulagen nur ruhegehaltfähig, wenn dies gesetzlich bestimmt ist. Die Zulage für Soldaten als fliegendes Personal bzw. in fliegerischer Verwendung gehörte zwar nach Maßgabe der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung der früheren Nr. 6 Abs. 4 der Vorbemerkungen in voller Höhe zu den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen. Die Vorschrift der Nr. 6 Abs. 4 der Vorbemerkungen ist jedoch durch Art. 5 Nr. 22. d) aa) in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 des Versorgungsreformgesetzes 1998 vom 29. Juni 1998 (BGBl. I S. 1666) mit Wirkung vom 1. Januar 1999 neu gefasst worden. Die genannte Zulage ist seitdem nur noch in der in dieser Vorschrift genannten Höhe (50 % des vorherigen Betrages; zum Zeitpunkt des Eintritts des Klägers in den Ruhestand: 150,93 €) ruhegehaltfähig. Den Betrag von 150,93 € hat die Beklagte bei der Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge des Klägers zutreffend zugrunde gelegt.

Die Beklagte und das Verwaltungsgericht haben zu Recht geprüft, ob Nr. 6 Abs. 4 der Vorbemerkungen in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden früheren Fassung nach Maßgabe der Übergangsregelung des § 81 BBesG im Falle des Klägers weiter anzuwenden ist. Die Voraussetzungen dieser Übergangsregelung sind vorliegend indes nicht erfüllt, da der Kläger erst nach dem 31. Dezember 2010 in den Ruhestand getreten ist.

Der Senat teilt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass sich die Übergangsregelung des § 81 BBesG nicht nur auf die Fälle bezieht, in denen aufgrund der Bestimmungen des Versorgungsreformgesetzes 1998 (a. a. O.) die Ruhegehaltfähigkeit von Stellenzulagen vollständig weggefallen ist, sondern auch auf die Fälle, in denen - wie hier - die Höhe der Ruhegehaltfähigkeit der Zulage verringert worden ist. Dies wird durch die Gesetzgebungsmaterialien belegt, in denen deutlich gemacht worden ist, dass § 81 BBesG sowohl die Fälle des Wegfalls einer Zulage (z. B. Technikerzulage, Programmierzulage) als auch die Fälle der Verringerung einer Zulage (z. B. Sicherheitszulagen) ausgleichen soll (vgl. BT-Drucks. 13/9527 S. 34).

Die mit Wirkung vom 1. Januar 1999 erfolgte Verringerung der Höhe der Ruhegehaltfähigkeit der Zulage für Soldaten als fliegendes Personal bzw. in fliegerischer Verwendung nach Nr. 6 Abs. 1 Buchst. c) a. F. bzw. Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d) n. F. der Vorbemerkungen und die Vorschrift des § 81 BBesG sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. ebenso zum Wegfall der der Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage nach Nr. 9 der Vorbemerkungen durch Art. 5 Nr. 22. b) des Versorgungsreformgesetzes 1998, a. a. O.: BVerwG, Urteil vom 25.8.2011 - BVerwG 2 C 22.10 -, [...] Rn 10; vgl. zum Wegfall der der Ruhegehaltfähigkeit der Zulage nach Nr. 5 a Abs. 1 der Vorbemerkungen durch Art. 5 Nr. 22. b) des Versorgungsreformgesetzes 1998, a. a. O.: Nds. OVG, Beschluss vom 6.6.2011 - 5 LA 43/10 -).

Es besteht kein aus der Verfassung - insbesondere aus Art. 33 Abs. 5 GG - abzuleitender Anspruch darauf, die Zulage überhaupt als ruhegehaltfähig auszugestalten. Die Zulage zählt nicht zum Kernbereich der beamtenrechtlichen Alimentation. Die Voraussetzungen, unter denen eine Stellenzulage ruhegehaltfähig ist, sind ausschließlich einfachgesetzlich und nicht durch Art. 33 Abs. 5 GG vorgezeichnet. Der Zulage kommt insbesondere nicht die Funktion zu, die amtsangemessene Alimentation sicherzustellen. Diesem Grundsatz hat bereits die Alimentation aus dem innegehabten Amt ohne Stellenzulage zu genügen (so zum Wegfall der der Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage nach Nr. 9 der Vorbemerkungen durch Art. 5 Nr. 22. b) des Versorgungsreformgesetzes 1998, a. a. O.: BVerwG, Urteil vom 25.8.2011, a. a. O., Rn 11 m. w. N.).

Ein Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes und ein Verstoß gegen das Verbot echter Rückwirkung von Gesetzen und damit gegen das Rechtsstaatsprinzip sind entgegen der Ansicht des Klägers nicht gegeben. Der Anspruch auf amtsgemäße Versorgung entsteht erst mit dem Eintritt in den Ruhestand. Zum Zeitpunkt des Eintritts des Klägers in den Ruhestand (1.7.20 ) war die Höhe der Ruhegehaltfähigkeit der Zulage schon lange verringert. Mit der Übergangsregelung des § 81 BBesG und dem darin bemessenen Übergangszeitraum hat der Gesetzgeber den Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes angemessen Rechnung getragen (so zum Wegfall der der Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage nach Nr. 9 der Vorbemerkungen durch Art. 5 Nr. 22. b) des Versorgungsreformgesetzes 1998, a. a. O.: BVerwG, Urteil vom 25.8.2011, a. a. O., Rn 12 - 16; zum Wegfall der der Ruhegehaltfähigkeit der Zulage nach Nr. 5 a Abs. 1 der Vorbemerkungen durch Art. 5 Nr. 22. b) des Versorgungsreformgesetzes 1998, a. a. O.: Nds. OVG, Beschluss vom 6.6.2011 - 5 LA 43/10 -).

Entgegen der Auffassung des Klägers begründet die mit Wirkung vom 1. Januar 1999 erfolgte Verringerung der Höhe der Ruhegehaltfähigkeit der Zulage für Soldaten als fliegendes Personal bzw. in fliegerischer Verwendung nach Nr. 6 Abs. 1 Buchst. c) a. F. bzw. Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d) n. F. der Vorbemerkungen auch keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Übergangsregelung des § 81 BBesG führt zwar - wie der von dem Kläger angeführte Beispielsfall zeigt - dazu, dass bei Soldaten der Besoldungsgruppe A 9, die bis Ende 2010 in den Ruhestand getreten sind, die Zulage für Soldaten als fliegendes Personal bzw. in fliegerischer Verwendung nach Nr. 6 Abs. 1 Buchst. c) a. F. bzw. Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d) n. F. der Vorbemerkungen in voller Höhe ruhegehaltfähig sein kann, während sie bei Soldaten, die - wie der Kläger - nach dem 31. Dezember 2010 in den Ruhestand getreten sind, nur noch in der genannten verringerten Höhe ruhegehaltfähig ist. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch auf das Lebensalter und damit auf ein sachliches Unterscheidungskriterium zurückzuführen. Der Umstand, dass der Kläger die nachteiligen Auswirkungen des Versorgungsreformgesetzes 1998 (a. a. O.) in Kauf zu nehmen hat, obwohl er nur sechs Monate nach dem Auslaufen der Übergangszeit in den Ruhestand getreten ist, stellt sich, auch wenn dies von ihm als subjektive Härte empfunden werden mag, als eine der mit Stichtagsregelungen typischerweise verbundenen Folgen dar, die durch die für die Stichtagsregelung sprechenden Gründe gerechtfertigt werden können (so zum Wegfall der der Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage nach Nr. 9 der Vorbemerkungen durch Art. 5 Nr. 22. b) des Versorgungsreformgesetzes 1998, a. a. O.: BVerwG, Urteil vom 25.8.2011, a. a. O., Rn 17 f.).

2. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen ebenfalls nicht vor.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine tatsächliche oder rechtliche Frage von allgemeiner fallübergreifender Bedeutung aufwirft, die im Berufungsrechtszug entscheidungserheblich ist und im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss. Die in diesem Sinne zu verstehende grundsätzliche Bedeutung muss durch die Formulierung mindestens einer konkreten, sich aus dem Verwaltungsrechtsstreit ergebenden Frage dargelegt werden. Dabei ist substantiiert zu begründen, warum die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig gehalten wird, das heißt worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll, weshalb die Frage entscheidungserheblich und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 124 a Rn 54). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht.

Der Kläger hat - bei wohlwollender Auslegung der Zulassungsbegründung - die Frage aufwerfen wollen, ob die Vorschrift des § 81 BBesG bzw. die der Nr. 6 Abs. 4 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B anwendbar ist und ob ein Verstoß gegen höherrangiges Recht vorliegt. Er hat es jedoch versäumt, substantiiert zu begründen, warum er die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, das heißt worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll, weshalb die Frage entscheidungserheblich und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist. Die Frage bedarf abgesehen davon keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, weil sie sich, wie den Ausführungen zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu entnehmen ist, schon im Berufungszulassungsverfahren ohne weiteres beantworten lässt.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG (24 Monate x 150,93 € = 3.622,32 €).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).