Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 01.10.2014, Az.: 8 A 677/13
außerkapazitär; Beurlaubter; innerkapazitär; Vorbehalt des Möglichen; Zulassungszahl; ZZ VO
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 01.10.2014
- Aktenzeichen
- 8 A 677/13
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 42649
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die ZZ VO 2012/2013 ist mangels hinreichender Bestimmtheit ihrer Gültigkeit in Abgrenzung zu den Zulassungszahlenverordnungen vorher gehender und nachfolgender Studienjahre nichtig.
2. Im Falle der nichtigen Festsetzung einer Zulassungszahl richtet sich die Aufnahmekapazität der Hochschule nach dem Vorbehalt des Möglichen auf der Grundlage der Kapazitätsberechnung nach der KapVO, wobei die tatsächlichen Aufnahmezahlen der vergangenen Studienjahre zu berücksichtigen sind.
3. Die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vom Gericht ausgeloste Rangliste der Nachrücker für freie Studienplätze bleibt auch für ein nachfolgendes Klageverfahren verbindlich.
4. Zur Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage auf Zulassung zum Studium der Humanmedizin innerhalb der festgesetzten Kapazität.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur endgültigen Zulassung auf einem Studienplatz im Studiengang Humanmedizin innerhalb oder außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2012/13.
Die Klägerin bewarb sich bei der Beklagten mit Schriftsatz vom 27.09.2012 zum Wintersemester 2012/13 um einen außerkapazitären oder innerkapazitären Voll-, hilfsweise Teilstudienplatz im ersten Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin. Gleichzeitig beantragte sie ihre Beteiligung an einer Verlosung von Studienplätzen, sofern solche nach dem Abschluss der Nachrückverfahren noch unbesetzt sein sollten. Ferner bat sie, über diesen Antrag erst nach der Durchführung eines einstweiligen Anordnungsverfahrens zu entscheiden. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (8 C 1255/12) blieb sie erfolglos (VG Göttingen, Beschluss vom 29.10.2012 - 8 C 703/12 u.a. -). Ihre außerkapazitäre Bewerbung wurde von der Beklagten trotz ausdrücklicher Aufforderungen vom 02.05.2013 und vom 04.06.2013 nicht beschieden. Ihren Antrag auf Zulassung im Auswahlverfahren der Hochschule (AdH) auf einem Studienplatz innerhalb der festgesetzten Kapazität lehnte die Stiftung für Hochschulzulassung namens und im Auftrag der jeweiligen Hochschule, zu denen die Beklagte nicht gehörte, durch Bescheid vom 24.09.2012 ab. Die Klägerin griff diesen Bescheid nicht mit einem Rechtsbehelf an.
Am 19.09.2013 hat die Klägerin Klage erhoben.
Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, die Ausbildungskapazitäten der Beklagten seien für das Wintersemester 2012/13 nicht ausgeschöpft. Die Klage sei als Untätigkeitsklage zulässig, weil die Beklagte wiederholt zur Bescheidung aufgefordert worden sei, aber nicht reagiert habe. Bei der Berechnung der vorklinischen Kapazität seien die Deputatsreduzierungen, der Dienstleistungsexport und die Lehrnachfrage der Vorklinik rechtswidrig überhöht berechnet worden. Für die klinische Ausbildungskapazität fehle die personalbezogene Alternativberechnung. Die Beklagte habe beurlaubte Studierende und Studienfachwechsler teilweise den falschen Semestern zugeordnet und dadurch zu Unrecht bei den Studienanfängern des Wintersemesters 2012/13 kapazitätsmindernd berücksichtigt. Plätze, die dadurch unbesetzt geblieben seien, wären vorrangig unter denjenigen Studienplatzbewerbern zu vergeben, die sich noch im gerichtlichen Verfahren befänden. Die ZZ-VO 2012/2013 sei unwirksam; die Aufnahmekapazität der Beklagten werde daher nur durch die absolute Belastungsgrenze bestimmt. Grundsätzlich habe sie keine Bedenken, im Klageverfahren aufgefundene außerkapazitäre Studienplätze nach der Verlosungsliste für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu vergeben. Eine vorrangige Rechtsposition könnten dabei aber nur diejenigen Antragsteller aus dem Beschluss der Kammer vom 29.10.2012 haben, die auch eine Klage erhoben hätten. Sollten aber solche Kläger nicht vorhanden sein, bestehe nach dem Abschluss der verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren keine Bindung mehr an die Reihenfolge, die für die Verteilung aufgefundener außerkapazitärer Studienplätze ausgelost worden sei.
In der mündlichen Verhandlung hat die Prozessbevollmächtigte der Beklagten unter Vorlage einer Generalvollmacht vom selben Tage den von der Klägerin gestellten Antrag auf Zulassung außerhalb der festgesetzten Kapazität und auf Teilnahme in einem eventuell durchzuführenden Losverfahren für das Wintersemester 2012/2013 im Studiengang Humanmedizin 1. Fachsemester abgelehnt.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
die Beklagte unter Aufhebung ihres am 01.10.2014 erlassenen Bescheides, soweit er dem entgegensteht und soweit dieser Bescheide wirksam sein sollte, zu verpflichten, sie nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2012/2013 im 1. Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen auf einem Vollstudienplatz zuzulassen,
hilfsweise innerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen auf einem Vollstudienplatz zuzulassen,
nachrangig hilfsweise, außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen auf einem Teilstudienplatz zuzulassen,
äußerst hilfsweise, innerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen auf einem Teilstudienplatz zuzulassen,
höchst höchst hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, aufgefundene freie innerkapazitäre Plätze unter den Klägern zu verlosen,
weiter nachrangig hilfsweise, unter allen Antragstellern zu verlosen, die sich rechtzeitig bei der Beklagten um die Vergabe eines Losplatzes beworben haben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Alle Studienkapazitäten im Fach Humanmedizin im Wintersemesters 2012/13 seien ausgeschöpft worden. Die Anträge auf eine innerkapazitäre Zulassung seien unzulässig, weil sie an die Stiftung zu richten und im Übrigen verfristet seien.
Die Kammer hat den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten auf den Einzelrichter übertragen. Bei der am 29.10.2012 vorgenommenen Auslosung einer Rangfolge von Studienplatzbewerbern für Teilstudienplätze des 1. vorklinischen Semesters zum Wintersemester 2012/13 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat die Klägerin Platz xxx belegt. Die Beklagte hat auf entsprechende Aufforderung des Gerichts Immatrikulationslisten für die Teil- und Vollstudienplätze des 1. Fachsemesters im Wintersemester 2012/13 vorgelegt; die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben Durchschrift und Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme erhalten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das Verlosungsprotokoll vom 29.10.2012, die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den Inhalt der Gerichtsakten 8 C 1255/12 und 8 A 677/13 im Übrigen sowie den Beschluss der Kammer vom 29.10.2012 - 8 C 703/12 u.a. - Bezug genommen; diese Unterlagen sind Gegenstand der Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat nur hinsichtlich eines Hilfsantrags Erfolg und ist in Bezug auf die innerkapazitären Zulassungsbegehren unzulässig.
Der in Bezug auf eine innerkapazitäre Zulassung der Klägerin erhobenen Untätigkeitsklage – nur um eine solche kann es sich vorliegend handeln, weil dieser Antragsteil in der mündlichen Verhandlung nicht von der Beklagten beschieden wurde und daher insofern mangels eines abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens die Voraussetzung des § 42 Abs. 1 VwGO für die Erhebung einer Verpflichtungsklage in Form des abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts fehlen würde – gemäß § 75 VwGO fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Mit diesem Begriff wird zum Ausdruck gebracht, dass nur derjenige einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung hat, welcher mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung für alle verwaltungsgerichtlichen Klage- und Antragsarten wird abgeleitet aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB), dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte und dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effektivität staatlichen Handelns (vgl. VG Göttingen, Urteil vom 15.04.2013 - 8 A 691/12 -, juris, Rn 11 m.w. N.).
Die auf die Zulassung der Klägerin nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2012/13 innerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen auf einem Voll- oder Teilstudienplatz im 1. Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin an die Beklagte gerichteten Anträge erfüllen diese Zulässigkeitsvoraussetzung nicht. Ausweislich der von ihr vorgelegten Unterlagen hat die Klägerin ihre Hochschulzugangsberechtigung am 16.06.2010 erworben und sich innerhalb der Frist des § 3 Abs. 2 Nr. 2 Vergabeverordnung-Stiftung (vom 21.05.2008, Nds. GVBl. 2008, 181) bei der Stiftung für Hochschulzulassung zum Wintersemester 2012/13 sowohl im zentralen Vergabeverfahren als auch im AdH (vgl. § 3 Abs. 1 Vergabeverordnung-Stiftung) um die Zulassung beworben, wobei sie die Beklagte nicht gemäß § 3 Abs. 3 Satz 4 Vergabeverordnung-Stiftung als eine von sechs präferierten Hochschulen auswählte. Diese Anträge wurden durch Bescheide vom 14.08.2012 und vom 24.09.2012 abgelehnt. Beide Bescheide waren mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen und wurden bestandskräftig, weil sie nicht innerhalb der Monatsfrist nach Bekanntgabe mit einer Klage (unabhängig von der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts) angegriffen wurden. Ihr zusätzlich unmittelbar bei der Beklagten durch Schriftsatz vom 27.09.2012 gestellter Antrag auf innerkapazitäre Zulassung ist gemäß § 3 Abs. 7 Satz 1 Vergabeverordnung-Stiftung bereits unzulässig, weil er erst nach dem 15.07.2012 gestellt wurde; darüber hinaus ist er auch rechtsmissbräuchlich, weil er darauf gerichtet ist, über die zahlenmäßige Beschränkung in § 3 Abs. 3 Vergabeverordnung-Stiftung hinaus in das Auswahlverfahren bei (mindestens) einer weiteren Hochschule unter Umgehung des vorgeschriebenen Verfahrens zu gelangen. Unter diesen Umständen besteht kein Anspruch der Klägerin auf eine materiell-rechtliche gerichtliche Prüfung ihrer Untätigkeitsklage, ob sie an der Beklagten innerkapazitär zuzulassen ist.
Der auf die Zulassung der Klägerin nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2012/13 außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen auf einem Vollstudienplatz im 1. Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin gerichtete Hauptantrag ist infolge der Bescheidung am 01.10.2014 nicht mehr als Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO), sondern als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Klage ist mit diesem Hauptantrag nicht deshalb unzulässig, weil das rechtshängige Verpflichtungsbegehren unmittelbar auf die außerkapazitäre Zulassung auf einem Vollstudienplatz gerichtet ist. Zwar hat die Kammer die Verfahrensweise bei der Vergabe nicht besetzter Studienplätze durch die Festlegung einer Nachrücker-Rangliste der Studienkohorte abschließend geregelt, indem sie im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren 8 C 703/12 u.a. am 29.10.2012 Rangfolgen für die Besetzung freier Studienplätze ausgelost hat. Diese sind nicht nur für das durchgeführte Eilverfahren verbindlich, sondern auch für die Nachbesetzung jedes anderen freien außerkapazitären Studienplatzes im ausgelosten Fachsemester dieser Kohorte durch eine gerichtliche Entscheidung, weil die Kammer das Besetzungsverfahren für außerkapazitäre Studienplätze bestimmt (BVerwG, Urteil vom 08.02.1980 - 7 C 93.77 -; Nds.OVG, Beschluss vom 05.09.2005 - 2 NB 250/05 -, beide juris) und sich durch die Auswahl des Vergabeverfahrens selbst gebunden hat. Für Vollstudienplätze des 1. Fachsemesters war jedoch keine Rangliste der Nachrücker erlost worden, weil die Berechnung der Kammer im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die in der ZZ-VO 2012/2013 festgesetzten 128 Vollstudienplätze ergab und deshalb keine besetzbaren Vollstudienplätze außerhalb der festgesetzten Kapazität aufgefunden wurden. Rechtspositionen von Studienplatzbewerbern, die einer Zulassung der Klägerin vorgehen könnten, bestehen deswegen nicht.
Die seitens der Prozessbevollmächtigten der Klägerin geäußerten Zweifel an der Wirksamkeit und am Umfang der von der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vorgelegten Generalvollmacht vom 01.10.2014 teilt der Einzelrichter nicht. Sie ist vor dem Erlass der fraglichen Bescheide ausgestellt worden, bezieht sich ausdrücklich auf die inner- und außerkapazitären Zulassungsanträge des Wintersemesters 2012/13, lässt keine Befristung erkennen und ermächtigt die Prozessbevollmächtigte sowie die übrigen Rechtsanwälte ihrer Kanzlei namens der Beklagten ausdrücklich zur Abänderung und zum Erlass von Bescheiden. Die Vollmacht ist vom zuständigen Vorstand für Forschung und Lehre (vgl. §§ 63b Satz 2 bis 4, 63e NHG in der Fassung des Urteils des BVerfG vom 24.06.2014 - 1 BvR 3217/07 -). unterschrieben worden; an der Authentizität der Unterschrift sind Zweifel weder geäußert worden noch sonst ersichtlich.
Der auf eine außerkapazitäre Zulassung gerichtete Hauptantrag ist im Ergebnis aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Zulassung auf einem außerkapazitären Vollstudienplatz zum 1. Fachsemester nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2012/13.
Die Zahl der bei der Beklagten im Studiengang Humanmedizin zu vergebenden Studienplätze ist vom Nds. Ministerium für Wissenschaft und Kultur für das Wintersemester 2012/13 im 1. bis 4. Fachsemester auf jeweils 206 Studienplätze (128 Voll- und 78 Teilstudienplätze) festgesetzt worden (§§ 1 Abs. 1, 2 Satz 3 Nr. 1 i.V.m. Anl. 1, Abschn. I B, Universität Göttingen, und Abschn. II B, Universität Göttingen, der Verordnung über Zulassungszahlen für Studienplätze zum Wintersemester 2012/2013 und zum Sommersemester 2013 vom 08.07.2012, Nds. GVBl. S. 221 ff.). Die Zulassungsgrenze des klinischen Teils der Ausbildung beträgt gemäß § 1 Abs. 1 i.V.m. Anl. 1 Abschn. II B, Universität Göttingen, der ZZ-VO 2012/2013 je 128 Studienplätze für das 5. und höhere Semester. Besetzt hatte die Beklagte ausweislich ihrer Studierendenstatistik 135 Vollstudienplätze im 1. Fachsemester, so dass die festgesetzte Kapazität ausgeschöpft und sogar um 7 Studierende übererfüllt ist.
Hierauf kommt es jedoch nicht an, weil die ZZ-VO 2012/2013 insgesamt nichtig ist und daher keine Höchstzahl (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 2 des Staatsvertrags über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung (vom 08.03./05.06.2008, Nds. GVBl. 2010, S. 47, 228) für Studienanfängerplätze im Studiengang Humanmedizin bei der Beklagten rechtswirksam die Zulassung auf Vollstudienplätzen im Wintersemester 2012/13 beschränkt.
Die ZZ-VO 2012/2013 besitzt keine hinreichende Regelung ihrer Gültigkeit und verstößt deshalb wegen ihrer unklaren Anwendungsbereiche im Verhältnis zu den vorher gehenden und nachfolgenden Zulassungszahlen-Verordnungen gegen den Bestimmtheitsgrundsatz und den Grundsatz der Normenklarheit. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 04.06.2012 – 2 BvL 9/08, 2 BvL 10/08, 2 BvL 11/08, 2 BvL 12/08 –, juris, Rn 102, m.w.N.) richten sich die Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit von Rechtsvorschriften nach der Art der zu überprüfenden Norm. Das Gebot der Normenklarheit bezweckt, dass der Betroffene die Rechtslage anhand der gesetzlichen Regelung erkennen und sein Verhalten danach ausrichten kann. Dies betrifft zwar auch die Gewährung von Leistungen wie eine Zulassung zum Studium. Der Bestimmtheitsgrundsatz fordert allerdings nicht, dass der Inhalt gesetzlicher Vorschriften dem Bürger grundsätzlich ohne Zuhilfenahme juristischer Fachkunde erkennbar sein muss. Vielmehr kommt es insoweit auf vielfältige Umstände an. So kann etwa im Fall einer grundrechtseingreifenden Regelung, deren genauer Inhalt sich aufgrund komplexer Verweisungen nur Experten erschließt, gegen die hinreichende Bestimmtheit der Norm sprechen, dass in ihrem Anwendungsbereich Eilfälle zu erwarten sind und die schwer erschließbare Regelungstechnik deshalb eine gesteigerte Gefahr von Fehlentscheidungen begründet. Allgemein sind die Anforderungen an den Grad der Bestimmtheit umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist, den eine Norm vorsieht. Insbesondere erhöhen sich die Anforderungen dann, wenn die Unsicherheit in der Beurteilung der Gesetzeslage die Betätigung von Grundrechten erschwert. Die Bestimmtheitsanforderungen sind folglich geringer bei Normen, die nicht oder nicht intensiv in Grundrechte eingreifen, und bei Normen, die nicht von solcher Art sind, dass Adressaten und Betroffene sich bei der Wahrnehmung von Grundrechten auf ihren Inhalt im Detail vorausschauend einrichten können müssen.
Zur inhaltlichen Klarheit von Rechtsnormen gehört, dass sie hinreichend bestimmt und in sich widerspruchsfrei sind, dass sie ihren Regelungsgehalt nicht verschleiern, für Adressaten sowie rechtsanwendende Instanzen auch in ihrem Zusammenwirken verständlich sind und praktikable Merkmale enthalten. Das Bestimmtheitsgebot zwingt den Vorschriftengeber zwar nicht, den Tatbestand einer Norm mit genau erfassbaren Maßstäben zu umschreiben. Dass eine Rechtsvorschrift unbestimmte, der Auslegung und Konkretisierung bedürftige Begriffe verwendet, verstößt allein noch nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Normklarheit und Justiziabilität. Sie muss aber so bestimmt sein, wie dies nach der Eigenart der zuzuordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Unvermeidbare Auslegungsschwierigkeiten in Randbereichen sind dann von Verfassungs wegen hinzunehmen. Erforderlich ist allerdings stets, dass die von der Norm Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können. Sie müssen in zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Rechtsfolge vorliegen (BVerwG, Urteil vom 21.07.2013 - 6 C 9.12 -, NVwZ 2013, 1614 [BVerwG 31.07.2013 - BVerwG 6 C 9.12]; BVerwG, Urteil vom 27.06.2013 – 3 C 7/12 –, juris, Rn 16; Nds. OVG, Beschlüsse vom 20.03.2014 - 2 NB 15/14 -, juris, und vom 27.03.2014 - 7 KN 85/11 -, juris, Rn 62).
Die ZZ-VO 2012/2013 zählt zu den Rechtsvorschriften mit intensiven Grundrechtseingriffen und damit erhöhten Anforderungen an ihre Bestimmtheit und Normenklarheit. Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip gewährleistet grundsätzlich ein Recht des die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllenden Studienbewerbers auf Zulassung zum Hochschulstudium seiner Wahl (BVerfG, Urteil vom 18.07.1972 - 1 BvL 32/70 und 25/71 -, BVerfGE 33, 303, 332). Diese Grundrechte werden durch die Zulassungszahlen der Verordnung beschränkt. Absolute Zulassungsbeschränkungen für Studienanfänger einer bestimmten Fachrichtung, wie sie die Anlagen 1 und 2 zur ZZ-VO enthalten, sind darum nur dann verfassungsmäßig, wenn sie in den Grenzen des unbedingt Erforderlichen unter erschöpfender Nutzung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten angeordnet werden (BVerfG, aaO., S. 338). Im Anwendungsbereich der Zulassungszahlen-Verordnungen kommt es regelmäßig zu einer Vielzahl von gerichtlichen Eilrechtsschutzfällen, in deren Rahmen trotz mehrjähriger intensiver Auseinandersetzung keine Klarheit über den Regelungsinhalt für höhere Semester sowie die Geltungsbereiche der zeitlich aufeinander folgenden Verordnungen erreicht werden konnte.
Den Umfang der Gültigkeit der ZZ-VO 2012/2013 will das Nds. OVG ausschließlich aus der Auslegung der Überschrift „Verordnung über Zulassungszahlen für Studienplätze zum Wintersemester 2012/2013 und zum Sommersemester 2013 (ZZ-VO 2012/2013)“ entnehmen können. Während der Senat noch im Beschluss vom 22.08.2013 (- 2 NB 394/12 -, juris, Rn 96) hierzu ausführte, dass ein Rechtssatz, der sich nur auf einen bestimmten Zeitraum beziehe, nach Ablauf dieses Zeitraums keiner Aufhebung bedürfte und für die Zukunft ohnehin keine Wirkung mehr habe, auch wenn vielfach aus Gründen der Rechtsklarheit Regelungen getroffen würden, um Zweifel über die (zeitliche) Reichweite dieses Rechtssatzes ausräumen, stellt er in seiner aktuellen Rechtsprechung (Beschluss vom 16.04.2014 - 2 NB 145/13 -, Seite 8, sub 4) darauf ab, dass die ZZ-VO nicht für einen bestimmten Zeitraum gelte, sondern auf einen bestimmten Sachverhalt beschränkt sei. Aus dem Titel der ZZ-VO ergebe sich die Beschränkung der Gültigkeit auf eine Regelung der Zulassungszahlen in einem bestimmten Studienjahr. Demzufolge müsste eine aus der Überschrift ableitbare ausformulierte Norm über die Gültigkeit der ZZ-VO 2012/2013 lauten:
„Diese Rechtsverordnung gilt für Studierende, die ihre Zulassung zum Studium in einem der in den Anlagen 1 und 2 genannten Studiengänge für das Studienjahr 2012/2013 beantragen.“
Unter Berücksichtigung der weiteren Rechtsprechung des Senats aus den vergangenen Jahren müsste eine Regelung der Gültigkeit allerdings folgenden Inhalt aufweisen:
„Ungeachtet der am Tag nach ihrer Verkündung (dem 13.07.2012) eingetretenen Wirksamkeit dieser Rechtsverordnung gilt sie nur für Studienplatzbewerberinnen und –be-werber, die ihr Studium in einem der in den Anlagen 1 und 2 genannten Studiengänge zum Wintersemester 2012/2013 oder zum Sommersemester 2013 aufnehmen wollen. Sie gilt ferner für externe Studienplatzbewerberinnen und -bewerber für höhere Fachsemester zu den vorstehend genannten Semestern in den in den Anlagen 1 und 2 genannten Studiengängen. Die Zulassungszahlen in den Anlagen 1 und 2 gelten nicht für Rückmelderinnen und Rückmelder zu den vorstehend genannten Semestern an den in den Anlagen 1 und 2 genannten Hochschulen und Fachhochschulen, sofern ihnen eine bestandskräftige Zulassung erteilt worden ist, welche das Rückmeldesemester einschließt.
Diese Rechtsverordnung tritt mit dem Ablauf des 30.09.2013 außer Kraft. Dies gilt jedoch nicht für Studierende, denen zum Wintersemester 2012/2013 oder zum Sommersemester 2013 eine bestandskräftige Zulassung erteilt wurde, soweit ihre Rechtsverhältnisse in Bezug auf die Zulassung zu einem dieser beiden Semester betroffen sind. Diese Rechtsverordnung bleibt ferner wirksam für Studienplatzbewerberinnen und Studienplatzbewerber, solange deren zwischen dem 13.07.2012 und dem 31.03.2013 für das Wintersemester sowie bis zum 30.09.2013 für das Sommersemester eingegangene Bewerbung um einen inner- oder außerkapazitären Studienplatz an einer der in den Anlagen 1 und 2 genannten Hochschulen und Fachhochschulen für eines der beiden vorgenannten Semester nicht bestandskräftig oder rechtskräftig abgelehnt wurde.“
Der Überschrift „Zulassungszahlen für Studienplätze zum Wintersemester 2012/2013 und zum Sommersemester 2013“ kann die vorstehende Gültigkeitsregelung nicht mehr durch eine Auslegung entnommen werden; vielmehr ist zu ihrer Erkennbarkeit über die detaillierte Kenntnis der jüngeren Rechtsprechung des 2. Senats des Nds. OVG hinaus auch diejenige der Beschlüsse der 8. Kammer des erkennenden Gerichts erforderlich, welche die entsprechenden Senatsentscheidungen veranlasst haben. Dabei wurde die Senatsrechtsprechung (u.a.) zur Frage der Gültigkeit von Zulassungszahlenverordnungen (zusammenfassend vgl. Beschluss der Kammer vom 30.10.2013 - 8 C 477/13 u.a. -, sub 2.3.10.) über einen Zeitraum von nunmehr 3 Jahren sukzessive entwickelt, um die Anwendbarkeit der jeweiligen ZZ-VO zu erhalten. Ein erheblicher Teil dieser Entscheidungen wurde nicht veröffentlicht und ist daher dem Kreis der sich um einen Studienplatz bewerbenden Normadressaten sowie deren juristischen Beratern nicht zugänglich. Die Beklagte hingegen war an allen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beteiligt, in denen die Gültigkeit der aufeinander folgenden Zulassungszahlen- Verordnungen problematisiert wurde; sie wird also in vollständiger Kenntnis dieser Rechtsprechung regelmäßig zu anderen Ergebnissen bei der Auslegung der Gültigkeitsdauer kommen als die Studienplatzbewerber. Der Verordnungsgeber, dem die Problematik im Rahmen einer ordnungsgemäß geführten Aufsicht nach § 51 NHG seit Jahren bekannt sein müsste, hat bis einschließlich der aktuellen ZZ-VO 2014/2015 nicht reagiert und insbesondere die Gültigkeit der ZZ-VO 2012/2013 nicht rückwirkend mit hinreichender Bestimmtheit geregelt.
Aus der daraus resultierenden Nichtigkeit der ZZ-VO 2012/2013 und der Verpflichtung der staatlichen Hochschulen in Niedersachsen zur erschöpfenden Nutzung der Ausbildungskapazitäten (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 HSchulZulStVtr, § 1 Abs. 1 Satz 1 KapVO) folgt allerdings nicht, dass jeder Studienbewerber einen einklagbaren Anspruch auf Schaffung zusätzlicher Kapazitäten oder auf unbegrenzten Zugang zu einem NC- Studiengang hat. Sein Teilhaberecht steht stets unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann (BVerfG, Urteil vom 18.07.1972, aaO., S. 333 f.; BayVGH, Beschluss vom 15.01.2014 - 7 CE 13.10366 -, juris, Rn 7; OVG NRW, Beschluss vom 02.09.2013 - 13 A 1429/12 -, juris, Rn 26ff). Bei der Bestimmung dessen, was der Hochschule möglich ist, muss beachtet werden, dass die grundrechtlichen Institute der Wissenschafts- und der Berufsausbildungsfreiheit, die ohne einen geordneten Studienbetrieb nicht zu verwirklichen und deshalb unter den Bedingungen des harten Numerus clausus ohne Zulassungsbeschränkungen nicht gewährleistet sind, einer Aufnahme sämtlicher Bewerber ohne Rücksicht auf deren Anzahl entgegenstehen; sie lassen die volle Öffnung der Beklagten als Folge der nichtigen Zulassungsregelung nicht zu und bedingen die Anwendung des geltenden Kapazitätsrechts (BVerwG, Urteil vom 26.09.1986 - 7 C 64.84 -, juris, Rn 122 und vom 20.04.1990 - 7 C 59/87 -, juris, Rn 8; Nds. OVG, Beschluss vom 15.04.2014, aaO., S. 8f, sub 5).
Ausgangspunkt der Betrachtung, wie viele Vollstudienplätze im Studiengang Humanmedizin im 1. Fachsemester des Wintersemesters 2012/13 zur Verfügung gestanden haben, ist mithin die Berechnung nach der KapVO, welche im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Kapazität von 128 Vollstudienplätzen ergeben hat (VG Göttingen, Beschluss vom 29.10.2012, aaO., S. 29). Bedenken gegen diese Berechnung sind weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich, so dass für das vorliegende Verfahren darauf Bezug genommen wird. Der Einzelrichter hielte es jedoch für verfehlt, das Berechnungsergebnis nach der KapVO ohne weiteres mit der vorstehend dargelegten Aufnahmegrenze gleichzusetzen. Die KapVO richtet sich an Verwaltungsbehörden und schreibt diesen die Berechnungsmodalitäten vor. Die Aufgabe des Gerichts ist es, die Vereinbarkeit der Festsetzungen der ZZ-VO mit dem höherrangigen Recht, zu dem nach der Rechtsprechung der Kammer auch die KapVO zählt, zu überprüfen, nicht aber, seine Überprüfungsergebnisse von Zulassungszahlen an die Stelle der verordneten zu setzen. Denn damit würde zum einen nicht beachtet, dass es nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung allein Aufgabe des Verordnungsgebers ist zu entscheiden, ob, wann, mit welchem Inhalt und mit welcher Rückwirkung er eine nichtige Rechtsverordnung ersetzen will. Überdies räumen §§ 14, 15 Abs. 2, 17 Abs. 1 Satz 2, letzter HS und 20 KapVO Ermessensspielräume ein, die sich kapazitätserhöhend oder -verringernd auswirken können und die einer gerichtlichen Überprüfung und ersetzenden Bewertung entzogen sind. Ohne in diese Ermessensbereiche eindringen zu dürfen, wird ein Verwaltungsgericht kaum zu einer rechtmäßigen eigenen Festlegung der Höchst- und gleichzeitigen Mindestzahl an Studienplätzen gelangen können. Zu berücksichtigen ist deshalb auch, dass die Beklagte in den vergangenen Jahren regelmäßig mehr Studierende auf Vollstudienplätzen ausgebildet hat, als die ZZ-VO vorschrieb. Zwar muss der Beklagten zugestanden werden, dass ein Großteil der überobligatorischen Studienplätze nicht auf einer freiwilligen Leistung - wie beispielsweise einer Zielvereinbarung mit dem Nds. MWK - beruhte, sondern Faktoren wie dem Prüfungsverhalten der Studierenden geschuldet war, auf welche die Beklagte nur geringen oder keinen Einfluss hatte. Dies ändert aber nichts daran, dass die Beklagte die über die festgesetzten Zahlen hinaus gehende Studierendenzahl stets aufgenommen und keine Überlastung des geordneten Studienbetriebs zum Nachteil von Wissenschafts- und Berufsausbildungsfreiheit beklagt hat; deshalb muss die überprüfte Kapazitätsberechnung am Maßstab der tatsächlich aufgenommenen Studierendenzahlen überprüft werden.
Aus den letzten 10 Semestern ergeben sich die Zahlen der nachfolgenden Tabelle. Sie belegen, dass die Beklagte im 1. Fachsemester mit Ausnahme des Wintersemesters 2010/11 über die festgesetzte Zahl an Vollstudienplätzen (2. Spalte) durchschnittlich über 3 Studierende je Semester mehr zugelassen (6. Spalte) hat. Dies hatte seinen Grund nicht in den Ergebnissen der Kapazitätsüberprüfung durch das erkennende Gericht im jeweiligen Eilverfahren, wie diese Ergebnisse (4. Spalte) belegen, welche in 5 Fällen die festgesetzte Kapazität bestätigen, in 3 Fällen unterschreiten und lediglich in den beiden letzten Semestern zu einer zu niedrigen Festsetzung kommen. In den meisten Fällen fand vielmehr eine Überbuchung aus anderen Gründen statt.
ZZ-VO 1. | ZZ-VO 5. | Kammer 1. | Kammer 5. | Stud.zahl 1. | Stud.zahl 5. | |
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SoSe 2014 | 129 | 129 | 131 | 128 | 134 | 131 |
WiSe 2013/14 | 130 | 130 | 131 | 128 | 138 | 132 |
SoSe 2013 | 128 | 128 | 128 | 131 | 130 | 149 |
WiSe 2012/13 | 128 | 128 | 128 | 137 | 135 | 136 |
SoSe 2012 | 128 | 128 | 128 | 136 | 130 | 137 |
WiSe 2011/12 | 128 | 128 | 128 | 137 | 133 | 143 |
SoSe 2011 | 134 | 131 | 131 | 141 | 136 | 141 |
WiSe 2010/11 | 135 | 131 | 132 | 137 | 135 | 148 |
SoSe 2010 | 140 | 140 | 140 | 140 | 142 | 157 |
WiSe 2009/10 | 140 | 140 | 139 | 139 | 143 | 181 |
Nach der Auffassung des erkennenden Einzelrichters sind zur Beantwortung der Frage, welche Studierendenzahl die Beklagte höchstens aufnehmen kann, auch die Zahlen der 1. klinischen (5.) Fachsemester zu berücksichtigen. Denn sie unterliegen demselben, auf einer patientenbezogenen Berechnung beruhenden Kapazitätsengpass wie die Vollstudienplätze des 1. Fachsemesters, müssten jedoch aufgrund einer (geringen) Schwundquote regelmäßig etwas niedriger sein als diejenigen des Anfangssemesters. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. In den vergangenen 10 Semestern hat die Beklagte insgesamt über 140 Studierende mehr in den klinischen Abschnitt des Studiums aufgenommen, als sie nach der jeweiligen ZZ-VO (3. Spalte) verpflichtet gewesen wäre. Da lediglich in drei Fällen das Prüfungsergebnis der Kammer im Eilverfahren (5. Spalte) die tatsächliche Studierendenzahl (7. Spalte) erreicht hat, beruhen auch diese überkapazitär Zugelassenen nicht auf der Kammerrechtsprechung, sondern auf einer Leistung der Beklagten; für eine Überforderung sind wiederum keine Anhaltspunkte ersichtlich. Wenn auch eine Tendenz erkennbar ist, dass die Überbuchungen im 5. Fachsemester zuletzt deutlich zurückgehen, lässt die Beklagte jedenfalls - im Vergleich zum 1. Fachsemester - regelmäßig drei bis 10 Studierende (und ausnahmsweise sogar noch eine höhere Anzahl) mehr im 5. Fachsemester zu, so dass insofern eine verdeckte Restkapazität indiziert ist, die offenbar auf einer Differenz der patientenbezogenen zur (für die Klinik nicht vorgelegten) personalbezogenen Kapazitätsberechnung beruht. Indem die Beklagte jedenfalls im streitgegenständlichen Wintersemester 2012/13 ohne erkennbare Beeinträchtigung der grundrechtlichen Institute der Wissenschafts- und der Berufsausbildungsfreiheit im 5. Fachsemester 136 Studierende zulassen und ausbilden konnte, ist jedenfalls kein Grund ersichtlich, weshalb sie eine vergleichbare Studierendenzahl wie im 5. Fachsemester des Sommersemesters 2014 nicht auch schon im 1. Fachsemester auf Vollstudienplätzen zulassen konnte.
Der Vortrag der Beklagten, ein Antrag auf Zulassung zum Studium nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2012/13 sei infolge des Ablaufs des Semesters auf ein unmögliches Ziel gerichtet, überzeugt nicht. Gerichtsbekannt ist, dass die Beklagte selbst nach dem Abschluss des Beschwerdeverfahrens, also regelmäßig knapp ein halbes Jahr nach dem Ende des betreffenden Semesters, die vom Nds. OVG bestätigten oder erstmals ausgesprochenen vorläufigen Zulassungen nach den Rechtsverhältnissen des jeweiligen Semesters in endgültige umwandelt. Warum dies nach einem Klageverfahren nicht möglich sein sollte, erschließt sich dem Gericht nicht.
Mit der am 07.10.2014 vorgelegten Immatrikulationsliste hat die Beklagte angegeben, im Wintersemester 2012/13 nur 135 Studienplätze im 1. Fachsemester belegt zu haben. Diese Liste bedarf jedoch einer Überprüfung nach folgenden Grundsätzen:
Die Matrikelnummern von Studierenden, die erstmals zum Wintersemester 2012/13 ein Studium an der Beklagten begonnen haben, beginnen sämtlich mit einer 212, was für den 2. Aufnahmedurchgang des Jahres (20)12 steht. Alle Studierenden, deren Matrikelnummern mit einer anderen Ziffernfolge beginnen, sind also erstmals an der Beklagten in einem anderen (früheren) Semester immatrikuliert worden. Dass sie im Wintersemester 2013/13 trotzdem im 1. Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin geführt werden durften, kann verschiedene Ursachen haben; hier kommen insbesondere ein Wechsel des Studienfachs, ein Wechsel von einem Teil- auf einen Vollstudienplatz oder eine Beurlaubung in Betracht. Nach dem Grundanliegen des Kapazitätsrechts, eine möglichst erschöpfende Ausnutzung der vorhandenen Lehrkapazitäten zu erreichen, kann ein Studienplatz nur als besetzt gelten, wenn von ihm aus zumindest die Möglichkeit besteht, die dem fraglichen Semester zugerechnete Ausbildungskapazität tatsächlich anteilig in Anspruch zu nehmen, was nur zwischen dem ersten und dem letzten Tag des jeweiligen Semesters möglich ist. Ein Studienplatz kann daher kapazitätsrechtlich nur dann als besetzt angesehen werden, wenn auf ihm zumindest an einem Tag des Semesters, für den er angerechnet werden soll, ein Studierender immatrikuliert gewesen ist. Er kann dagegen nicht als besetzt angesehen werden, wenn eine Exmatrikulation, ein Studienfachwechsel oder eine Hochstufung in ein höheres Fachsemester noch vor dem Beginn des Semesters erfolgt ist, weil dann keine dem Semester zuzurechnende Ausbildungskapazität von dieser Person in Anspruch genommen worden sein kann. Wird ein Studierender nach dem Beginn des Semesters exmatrikuliert oder wechselt er, so wird der Studienplatz auch für die Restdauer des Semesters als besetzt gewertet und fällt, wenn er nicht unmittelbar neu besetzt wird, unter die Schwundregelung (vgl. § 16 KapVO). Soweit nach anderer Auffassung der maßgebliche Stichtag vom Tag des Semesterbeginns in das laufende Semester hinein verschoben werden soll, beispielsweise nach Auffassung der Beklagten auf den Abschluss des 2. Nachrückverfahrens oder des OVG Hamburg (Beschluss vom 03.06.2014 - 3 Nc 122/13 -, NVwZ-RR 2014, 761, 762) auf den Beginn der Lehrveranstaltungen, handelt es sich hierbei zum einen um zeitlich variable Ereignisse, deren Eintritt allein in der Hand der Hochschule liegt, zum anderen lässt sich ein rechtlich relevanter Anknüpfungspunkt für diese Auffassungen nicht erkennen.
Im Gegensatz zu den Plätzen von Studierenden, die dauerhaft aus ihrer Studienkohorte ausscheiden, müssen die Studienplätze beurlaubter Studentinnen und Studenten nicht aus der Zahl der tatsächlich vergebenen Studienplätze "herausgerechnet" werden (Nds. OVG, Beschluss vom 28.04.2010 - 2 NB 159/09 u.a. -, juris, Rn 11). Zwar sind Beurlaubte gemäß § 9 Abs. 5 der Immatrikulationsordnung der Beklagten nicht berechtigt, Lehrveranstaltungen zu besuchen, Leistungsnachweise zu erbringen oder Prüfungen abzulegen, so dass sie grundsätzlich keine Ausbildungskapazität verbrauchen. Eine Beurlaubung ist jedoch für höchstens drei Semester (§ 9 Abs. 3 Immatrikulationsordnung) möglich und verschiebt damit nur den Zeitraum, in dem die studierende Person nach dem Ende der Beurlaubung die Lehrkapazität in Anspruch nimmt. Deshalb werden nach der Rechtsprechung durch Beurlaubungen nicht die jeweiligen Studienplätze frei, sondern allenfalls Kapazitäten in einzelnen Semestern. Derartige "Semesterplätze" zu vergabefähigen Studienplätzen zusammenzurechnen, ist kapazitätsrechtlich nicht geboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.07.1987 - 7 C 64.85 -, NVwZ-RR 1989, 186; Bay. VGH, Beschluss vom 11.07.2006 - 7 CE 06. 10152 u. a. -, juris Rn. 37), da es nach der Systematik der Kapazitätsberechnung grundsätzlich nicht darauf ankommt, in welchem Umfang die zum Studium zugelassenen Personen von dem Lehrangebot in den einzelnen Semestern tatsächlich Gebrauch machen (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 15.07.2003 - 7 CE 03.10036 -). Aus dem Vorstehenden folgt auch, dass entgegen der Verwaltungspraxis der Beklagten ein beurlaubter Studierender nicht wiederholt dem 1. Fachsemester in der Studierendenstatistik zugeordnet werden kann; denn die Kapazitäten, die er infolge der Unterbrechung seines Studiums nicht ausnutzt, sind aufeinander folgenden Semestern zugeordnet und können nicht mehrfach einem Erstsemester angerechnet werden.
In Anwendung dieser Grundsätze auf die 19 Studierenden der vorgelegten Liste, deren Matrikelnummern nicht mit 212 beginnen, gilt Folgendes:
Die lfd. Nr. 7 (Matrikelnummer xxx) hat das Studium im Sommersemester 2012 im Fachbereich Agrarwissenschaften begonnen und wurde nach der Zulassung durch die Stiftung für Hochschulzulassung auf einem Vollstudienplatz des 1. Fachsemesters zum Wintersemester 2012/13 am 16.08.2012 immatrikuliert. Am 12.11.2012 beantragte sie ihre Löschung. Sie belegte demzufolge im Wintersemester 2012/13 nach dem 01.10.2012 einen Vollstudienplatz und zählt ab Mitte November 2012 als Schwund.
Die lfd. Nrn. 8 (xxx), 15 (xxx), 30 (xxx), 81 (xxx), 82 (xxx), 98 (xxx) und 112 (xxx) begannen ihr Studium an der Beklagten ebenfalls in anderen Studiengängen und erhielten durch die Stiftung für Hochschulzulassung für das Wintersemester 2012/13 jeweils eine Zulassung auf einem Vollstudienplatz des 1. Fachsemesters im Studiengang Humanmedizin. Alle sieben Studierenden durchliefen das Semester ohne Besonderheiten; diese Studienplätze sind belegt.
Die lfd. Nrn. 9 (xxx), 13 (xxx), 17 (xxx), 24 (xxx), 64 (xxx), 79 (xxx) und 95 (xxx) hatten in früheren Semestern Zulassungen für Teilstudienplätze erhalten und wurden entsprechend immatrikuliert. Zum Wintersemester 2012/13 erhielten sie Zulassungen für Vollstudienplätze des 1. Fachsemesters, wurden immatrikuliert und absolvierten das Semester ohne Besonderheiten; diese Studienplätze sind ebenfalls belegt.
Die lfd. Nr. 62 (xxx) hatte gleichfalls in einem früheren Semester (SoSe 2012) eine Zulassung für einen Teilstudienplatz erhalten und wurde entsprechend immatrikuliert. Für das Sommersemester 2012 war sie beurlaubt. Zum Wintersemester 2012/13 erhielt sie eine Zulassung für einen Vollstudienplatz des 1. Fachsemesters, wurde immatrikuliert und absolvierte das Semester ohne Besonderheiten; dieser Studienplatz ist ebenfalls belegt.
Die lfd. Nr. 68 (xxx) wurde zum Sommersemester 2010 auf einem Teilstudienplatz des 1. Fachsemesters immatrikuliert und zum Sommersemester 2011 beurlaubt. Im Sommersemester 2012 wurde sie nach entsprechender Zulassung auf einem Vollstudienplatz des 1. Fachsemesters immatrikuliert und zu diesem Semester beurlaubt. Sie zählt damit trotz ihrer Beurlaubung zu der Studienkohorte, die ihr Studium zum Sommersemester 2012 begonnen hat, und ist daher im Wintersemester 2012/13 im 2. Fachsemester zu führen. Dieser Studienplatz ist nicht als belegt zu werten.
Die lfd. Nrn. 89 (xxx) und 119 (xxx) begannen ihr Studium im Wintersemester 2011/12 bzw. im Sommersemester 2011 auf einem Vollstudienplatz des 1. Fachsemesters und wurden dreimal in Folge beurlaubt. Nr. 89 zählt damit zu der Studienkohorte, die im Wintersemester 2012/13 im 3. Fachsemester ist, Nr. 119 zählt im Wintersemester 2012/13 zur Kohorte des 4. Fachsemesters. Beide Studienplätze sind ebenfalls nicht als belegt zu werten. Demzufolge sind bei der Beklagten in der Kohorte des 1. Fachsemesters im Wintersemester 2012/13 auf Vollstudienplätzen 132 Studienplätze besetzt, so dass vier Vollstudienplätze noch zu besetzen sind.
Durch nachgelassenen Schriftsatz vom 10.10.2014 macht die Beklagte darüber hinaus geltend, dass im 1. Fachsemester des Wintersemesters 2012/13 sieben weitere Vollstudienplätze als besetzt gewertet werden müssten, welche nach Semesterbeginn frei geworden und bis zum Ende der Nachrückverfahren neu besetzt worden seien. Dieser Vortrag ist nicht schon deshalb von vornherein unbeachtlich, weil es sich um bewusste Überbuchungen der für die Beklagte verbindlich festgesetzten Kapazität gehandelt hätte (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25.11.2009, - 2NB 648/08 -, S. 49f). Denn die erneute Besetzung bereits als besetzt (und nur schwundbedingt wieder frei gewordener) geltender Studienplätze beruht auf einer - zumindest vertretbaren - Auslegung des Zulassungsrechts und ist daher nicht als vorwerfbarer Verstoß gegen bindendes Verordnungsrecht zu bewerten.
Soweit die Beklagte hinsichtlich der Matrikelnummern xxx, xxx und xxx ausführt, dass diese Studierenden zwischen dem 11. und dem 18.09.2012 auf Vollstudienplätzen des 1. Fachsemesters immatrikuliert und zwischen dem 01. und 10.10.2012 ihre Exmatrikulation beantragt hatten, hat sie drei Besetzungen von Vollstudienplätzen benannt, die nach den obigen Grundsätzen zählen und ab dem Tag ihrer Exmatrikulation als Schwund gelten, also nicht nachbesetzt werden mussten.
Anders ist dies jedoch bei den vier anderen angegebenen Matrikelnummern. Hinsichtlich der Matrikelnummer xxx trägt die Beklagte vor, dass der Studierende zum Wintersemester 2012/13 auf einem Vollstudienplatz des 1. Fachsemesters zugelassen worden sei. Im laufenden Zulassungsverfahren sei er am 16.10.2012 in das 1. klinische Semester hochgestuft worden. In diesem Fall ist schon nicht erkennbar, dass der Studierende überhaupt jemals auf einem Vollstudienplatz des 1. vorklinischen Semesters immatrikuliert war und damit sein Studienplatz als besetzt gewertet werden durfte. Außerdem lässt das Vorbringen durchblicken, dass dieser Studierende, offenbar zwischen seiner Bewerbung um einen Vollstudienplatz bei der Stiftung für Hochschulzulassung und der Bekanntgabe des Zulassungsbescheids, den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung erfolgreich abgeschlossen hatte, da er ansonsten nicht in ein klinisches Semester hätte hochgestuft werden können. Für Studierende, die bereits den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung absolviert haben, besteht jedoch kein Rechtsanspruch dahingehend, nochmals für ein niedrigeres Fachsemester eines Studienabschnitts zugelassen zu werden, dessen Wissensstoff sie bereits kennen und dessen Scheine und Prüfungen sie bereits absolviert haben (vgl. VG Sigmaringen, Beschluss vom 31.03.2008 - NC 6 K 318/08 -, juris; VG Göttingen, Beschluss vom 07.05.2008 - 8 C 39/08 -, S. 5; ebenso VG Ansbach, Beschluss vom 22.03.2006 - AN 2 E 05.10669 -). Von daher ist ebenfalls nicht zu erkennen, dass dieser Studierende jemals einen Vollstudienplatz des 1. Fachsemesters hätte besetzen dürfen.
Außerdem trägt die Beklagte vor, dass die Studierenden mit den Matrikelnummern xxx, xxx und xxx aus der Belegungsstatistik des 1. vorklinischen Fachsemesters um den 15.10.2012 durch Hochstufung ausgeschieden seien; nach den in der mündlichen Verhandlung erörterten Grundsätzen hätten diese Studierenden vorher wirksam jeweils einen Vollstudienplatz belegt. Aus dem Vortrag der Beklagten ist allerdings nicht ansatzweise zu erkennen, mit welcher Berechtigung Studierende, die im Sommersemester 2009, im Wintersemester 2010 bzw. im Sommersemester 2008 ihr Studium an der Beklagten in anderen Studienfächern oder auf Teilstudienplätzen der Humanmedizin aufgenommen hatten, zwischen dem Beginn und der Mitte des Monats Oktober 2012 auf Vollstudienplätzen des Wintersemesters 2012/13 im 1. Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin geführt werden durften. Eine Berücksichtigung kann daher ebenfalls nicht erfolgen.
Nach alledem hat die Beklagte für das Wintersemester 2012/12 im 1. Fachsemester 135 Vollstudienplätze als besetzt nachgewiesen, so dass ein weiterer Vollstudienplatz nachträglich zu besetzten ist. Eine Verlosung nach § 10 Abs. 12 Vergabeverordnung-Stiftung hatte die Beklagte nicht durchgeführt, so dass diese vom Gericht durchzuführen ist. Der Einzelrichter hat am 13.10.2014 in Gegenwart der Kammermitglieder … eine Verlosung unter den 8 Klägerinnen und Klägern durchgeführt, die vorrangig oder hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten beantragt haben, sie oder ihn auf einem Vollstudienplatz des 1. Fachsemesters nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2012/13 zuzulassen. Die Verlosung hatte das folgende Ergebnis: (von der Wiedergabe wird abgesehen)
Da für die Klägerin lediglich Rangplatz 4 erlost wurde, muss ihre Klage, soweit sie auf die Verpflichtung der Beklagten auf eine Zulassung auf einem außerkapazitären Vollstudienplatz gerichtet ist, erfolglos bleiben.
Erfolg hat die Klage jedoch zum Teil, soweit die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten zur Zulassung zum Studium auf einem außerkapazitären Teilstudienplatz begehrt. Die in der ZZ-VO 2012/2013 festgesetzte Zulassungszahl von 78 Teilstudienplätzen ist - neben der nicht hinreichend bestimmten Gültigkeit der ZZ-VO 2012/2013 - außerdem zumindest (teil-)nichtig, weil sie gegen das Gebot der Kapazitätsausschöpfung verstößt. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Einzelrichter das Berechnungsergebnis der Kammer (Beschluss vom 29.10.2012, aaO., S. 48) mit 89 Teilstudienplätzen, das damalige Berechnungsergebnis des Nds. OVG (Beschluss vom 22.08. 2012, aaO., S. 30) mit 87 Teilstudienplätzen, oder eine geringfügig korrigierte Berechnung zu Grunde legt, welche die aktuelle Rechtsprechung des Nds. OVG und der Kammer zur Schwundberechnung beim Dienstleistungsexport, zu den „Gerichtsmedizinern“ sowie zum Curricularanteil der Molekularen Medizin und der Vorklinik berücksichtigt. In jedem Fall liegt das Berechnungsergebnis deutlich über der festgesetzten Zulassungszahl, welche daher die Kapazität nicht ausschöpft. Weil die Zulassungszahl sowohl (zugunsten der jeweiligen Hochschule) die Höchstzahl als auch (zugunsten der Studienplatzbewerber) die kapazitätserschöpfende Mindestzahl an verfügbaren Studienplätzen festlegen muss, kann immer nur eine zahlenförmige Rechtsnorm mit dem höherrangigen Recht vereinbar sein, was ihre Auslegung – in dem Sinne, dass in jeder zu hoch festgesetzten Zahl immer auch die rechtmäßige niedrigere Zahl enthalten wäre bzw. eine zu niedrig festgesetzte Zahl „mindestens“ rechtmäßig ist – nicht zulässt. Wiederum ist es nicht die Aufgabe des Gerichts, die nichtige Festsetzung in der ZZ-VO durch eine - ermessenegerechte - Studienplatzzahl zu ersetzen.
Mangels rechtswirksamer – rückwirkender – Festsetzung trotz Kenntnis des Verordnungsgebers von der Fehlerhaftigkeit der festgesetzten Kapazität ist die Zulassungszahl für Teilstudienplätze des 1. Fachsemesters im Wintersemester 2012/13 wiederum aus einem Vergleich der Anfängerzahlen aus den letzten 10 Semestern abzuleiten, wie sie aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich sind.
ZZ-VO 1. | Kammer 1. | Nds.OVG 1. | Stud.zahl 1. | |
---|---|---|---|---|
SoSe 2014 | 86 | 83 | - | 89 |
WiSe 2013/14 | 85 | 82 | - | 91 |
SoSe 2013 | 77 | 88 | 88 | 90 |
WiSe 2012/13 | 78 | 89 | 87 | 90 |
SoSe 2012 | 87 | 110 | 90 | 101 |
WiSe 2011/12 | 87 | 110 | 91 | 97 |
SoSe 2011 | 74 | 69 | 69 | 77 |
WiSe 2010/11 | 73 | 68 | 68 | 76 |
SoSe 2010 | 70 | 61 | 61 | 79 |
WiSe 2009/10 | 70 | 62 | 62 | 78 |
Hier stehen insgesamt 787 Teilstudienplätze (Spalte 2) nach den Festsetzungen der jeweiligen ZZ-VO den 822 Plätzen (Spalte 3) gegenüber, welche die Kammer in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ermittelt hat. Zwar bestätigt das Nds. OVG (Spalte 4) in der Summe in etwa die Festsetzungen der ZZ-VO; die tatsächlichen Studienanfängerzahlen von 868 Studierenden auf Teilstudienplätzen (Spalte 5) übersteigen jedoch die Berechnungen der Kammer um rund 45 und die Festsetzungen der ZZ-VO um rund 90 Studierende - was durchschnittlich 9 Teilstudienplätzen je Semester entspricht -, ohne dass jemals seitens der Beklagten eine nicht mehr tragbare Überlastung gerügt worden wäre. Daher ist kein Grund erkennbar, die Berechnungsergebnisse der Kammer für das Studienjahr 2011/12, welche im Wesentlichen ihre Ursachen in unvollständigen Angaben der Beklagten hatten, für die Ermittlung der Aufnahmegrenze herabzusetzen. Im Übrigen kompensieren diese Berechnungsergebnisse die Festsetzungen der Teilstudienplätze für das streitige Studienjahr 2012/13, welche jeweils über 10 % und damit sehr erheblich unter den Berechnungsergebnissen der Kammer und des Nds. OVG lagen. Unter Beachtung der grundrechtlichen Institute der Wissenschafts- und der Berufsausbildungsfreiheit wird ein geordneter Studienbetrieb der Beklagten daher noch möglich sein, wenn die unwirksame Festsetzung der ZZ-VO 2012/2013 um 12 Teilstudienplätze auf insgesamt 90 Teilstudienplätze erhöht wird, was einer Anhebung um 15 % entspricht.
Mit Schriftsatz vom 11.09.2014 hat die Beklagte eine Liste mit 92 auf Teilstudienplätzen des 1. Fachsemesters Immatrikulierten vorgelegt und dazu ausgeführt, dass überobligatorisch besetzte Vollstudienplätze auf die Teilstudienplätze anzurechnen seien; wie vorstehend bereits dargelegt, liegt jedoch infolge der Gesamtnichtigkeit der ZZ-VO 2012/13 keine Überbesetzung auf Vollstudienplätzen vor. Von den 92 als besetzt gemeldeten Teilstudienplätzen weisen lediglich die lfd. Nrn. 60, 64 und 68 Matrikelnummern auf, die nicht mit 212 beginnen und daher Zweifel an ihrer zutreffenden Berücksichtigung wecken. Nr. 60 (xxx) wurde am 18.04.2012 immatrikuliert und nachfolgend beurlaubt; sie zählt damit zur Anfängerkohorte des Sommersemesters 2012 und hätte im Wintersemester 2012/13 im 2. Fachsemester berücksichtigt werden müssen. Dasselbe gilt für Nr. 68 (xxx), welche am 03.05.2012 immatrikuliert und anschließend beurlaubt wurde. Nr. 64 (xxx) wird in der Liste als „Rückmelder“ mit dem Immatrikulationsdatum 08.11.2011 bezeichnet. Die Beklagte hat hierzu mit Schriftsatz vom 29.09.2014 erläutert, dass es sich hierbei nicht um einen Beurlaubten handele. Wenn die Beurlaubten im 1. Fachsemester nicht mitgerechnet werden könnten, müsse der Beurlaubte natürlich im Stadium seiner Rückmeldung mitgerechnet werden. Diese Erläuterung macht nicht plausibel, warum ein Studierender, der im Wintersemester 2011/12 immatrikuliert und nachfolgend offenbar beurlaubt wurde, erneut in einer Kohorte des 1. Fachsemesters aufgeführt werden dürfte; dieser Studienplatz ist folglich auch nicht als besetzt anzusehen.
Besetzt ist dagegen der Studienplatz der Nr. 87 (xxx). Der Studierende wurde am 18.10.2012 immatrikuliert und beantragte am 25.10.2012 seine rückwirkende Exmatrikulation. Er war mithin eine Woche im Wintersemester 2012/13 immatrikuliert und zählt damit als besetzter Studienplatz, der im Schwund zu berücksichtigen ist, sofern er nicht umgehend nachbesetzt wurde. Demnach hat die Beklagte 89 besetzte Teilstudienplätze des 1. Fachsemesters im Wintersemester 2012/13 nachgewiesen, so dass ein weiterer Teilstudienplatz nachzubesetzen ist.
Die begehrte unmittelbare Zulassung zum Studium kann jedoch nicht ausgesprochen werden, weil die Voraussetzungen hierfür noch nicht vorliegen. Zu beachten ist nämlich, dass die Kammer die Verfahrensweise bei der Vergabe nicht besetzter Teilstudienplätze im 1. Semester durch die Festlegung einer Nachrücker-Rangliste der Studienkohorte abschließend geregelt hat, indem sie im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren 8 C 703/12 u.a. am 29.10.2012 eine Rangfolge für die Besetzung freier Studienplätze ausloste. Die Auslosung erbrachte folgende Rangliste, bei der die Reserveplätze NN1 bis NN5 nicht belegt worden sind: (von der Wiedergabe wird abgesehen)
Die vorstehende Liste ist nicht nur für das durchgeführte Eilverfahren verbindlich, sondern auch für die Nachbesetzung jedes anderen freien oder wieder frei gewordenen außerkapazitären Teilstudienplatzes im 1. Fachsemester dieser Kohorte durch eine gerichtliche Entscheidung, weil die Kammer das Besetzungsverfahren für außerkapazitäre Studienplätze bestimmt (BVerwG, Urteil vom 08.02.1980 - 7 C 93.77 -; Nds.OVG, Beschluss vom 05.09.2005 - 2 NB 250/05 -, beide juris) und sich durch die Auswahl des Vergabeverfahrens selbst gebunden hat. Zwar endet die Besetzbarkeit freier Studienplätze grundsätzlich mit dem Ende des Semesters, vorliegend also mit dem Ablauf des 31.03.2013. Die Klägerin begehrt jedoch ihre Zulassung nach den Rechtsverhältnissen dieses abgelaufenen Wintersemesters 2012/13, zu denen auch die Vergabereihenfolge gehört, so dass die Rangfolge ausnahmsweise auch nach dem Ende des fraglichen Semesters einzuhalten ist. Hätte diese Liste, wie teilweise vertreten wurde, Verbindlichkeit ausschließlich für die Vergabe außerkapazitärer Teilstudienplätze im erstinstanzlichen Eilverfahren, so müsste bereits bei einer erfolgreichen Beschwerde eine neue Verlosung aller Plätze durchgeführt werden, was mit rechtskräftig gewordenen erstinstanzlichen Eilentscheidungen kollidieren würde. Außerdem bestände kein Anlass, bei der endgültigen Verteilung außerkapazitärer Studienplätze im Klageverfahren die lediglich vorläufige Verteilung aus dem Eilverfahren zu berücksichtigen, so dass erfolgreiche Antragsteller im vorläufigen Rechtsschutzverfahren, die keine Klage erhoben hätten, ihre vorläufigen Zulassungen wieder verlieren würden. Wegen dieser Folgen muss es bei der Verbindlichkeit der Verlosungsliste für jeden Fall einer Nachbesetzung von Studienplätzen bleiben.
Die Klägerin wird in dieser Rangfolge auf Platz 148 geführt, so dass ihrem Rangplatz eine Vielzahl potenzieller Nachrücker vorgeht. Ihrer Auffassung, dass eine vorrangige Rechtsposition nur diejenigen Antragsteller aus dem Beschluss der Kammer vom 29.10.2012 haben könnten, die auch eine Klage erhoben hätten, im Übrigen aber nach dem Abschluss der verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren keine Bindung mehr an die Reihenfolge bestehe, kann nicht gefolgt werden. Ohne Fortgeltung der Rangfolge wären nämlich im Klageverfahren die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfolgreichen Antragsteller, die lediglich ihre vorläufige Zulassung erstritten haben, wiederum schutzlos gestellt, wenn sie nicht selbst eine Klage auf endgültige Zulassung erhoben hätten, weil sämtliche außerkapazitären Plätze endgültig erst im Hauptsacheverfahren vergeben werden könnten.
Hieraus erklärt sich die tenorierte Maßgabe. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, hinsichtlich sämtlicher vor der klagenden Partei geloster Nachrücker des fraglichen Durchgangs darzulegen, dass deren vorrangigen Rechtspositionen als Ergebnis der erfolgten Verlosung durch die begehrte Zulassungsverpflichtung der Beklagten nicht vereitelt werden. Zwar gilt auch im vorliegenden Klageverfahren grundsätzlich der Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Rechtsfrage, ob ein Nachrücker der Verlosungsliste im Rangplatz der klagenden Partei vorgeht, könnte vom Gericht allerdings nur mittels einer Beiladung aller Nachrücker, welche im Rang vor der klagenden Partei stehen, gemäß § 65 VwGO verbindlich aufgeklärt werden. Da es sich hierbei im Einzelfall um mehrere Dutzend bis um mehrere hundert Personen handeln kann, und jeder Beigeladene das Kostenrisiko des Prozesses erhöht, würde dieses vorher nicht erkennbare finanzielle Ausmaße annehmen und damit den Zugang zum Rechtsschutz in einer Art. 19 Abs. 4 GG verletzenden Weise erschweren. Das Gericht sieht daher keine andere Möglichkeit, als die Aufklärung der bei Rechtskraft des Urteils geltenden Rangfolge nach § 86 Abs. 1 Satz 1, letzter HS VwGO der Klägerseite aufzuerlegen. Sofern dazu weitere Informationen durch das Gericht erforderlich sein sollten, können diese erfragt werden; die Anschriften der Personen auf der Rangliste sind den Klägern aus dem Beschluss der Kammer vom 29.10.2012 - 8 C 703/12 u.a. -) bekannt. Daher obliegt es der klagenden Partei, auch diese Voraussetzung für einen vollständigen Erfolg ihres Klagebegehrens urkundlich vollumfänglich darzulegen, um ihre Zulassung durchsetzen zu können. Da gegenwärtig nicht absehbar ist, in welchen der heute entschiedenen Klageverfahren bis zu einer Rechtskraft der Urteile noch das Interesse der klagenden Partei an einer Annahme des Teilstudienplatzes erlöschen wird, ist jeder klagenden Partei die Möglichkeit zu eröffnen, durch die Vorlage entsprechender Urkunden auch ihrer Mitkläger die Voraussetzungen für die tenorierte Teilzulassung zu erfüllen.
Die beiden letzten, auf eine Verlosung frei gebliebener innerkapazitärer gerichteten Hilfsanträge sind als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 VwGO) zulässig, aber nach den vorstehenden Ausführungen nicht begründet. Denn infolge der Nichtigkeit der gesamten ZZ-VO 2012/2013 gibt es denknotwendig keine Studienplätze innerhalb einer wirksam festgesetzten Kapazität, so dass auch keine derartigen Plätze frei geblieben oder frei geworden sein können und nach § 10 Abs. 12 Vergabeverordnung-Stiftung zu verlosen wären. Die Zulassungsgrenze richtet sich vielmehr nach dem Vorbehalt des Möglichen, weshalb über die tatsächlich besetzten Plätze hinaus ausschließlich außerkapazitäre Studienplätze zur Verteilung heranstehen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dabei war zu berücksichtigen, dass die klagende Partei mit dem vorrangigen Begehren auf einen Vollstudienplatz vollständig und mit den Hilfsanträgen zum Teilstudienplatz etwa hälftig unterliegt. Die daraus zu bildende Kostenquote verschiebt sich noch geringfügig zu Lasten der Klägerseite infolge des Unterliegens mit den Verlosungs-Hilfsanträgen, so dass sich die tenorierte Quote ergibt. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.