Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.04.2014, Az.: 13 ME 170/13
Möglichkeit der Anfechtung einer Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Feststellungsbescheides über die Aufnahme in den Krankenhausplan
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 28.04.2014
- Aktenzeichen
- 13 ME 170/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 14640
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2014:0428.13ME170.13.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 26.08.2013 - AZ: 7 B 5124/13
Rechtsgrundlagen
- § 146 Abs. 4 S. 3, 6 VwGO
- § 1 Abs. 2 KHG
Fundstellen
- NordÖR 2014, 367
- NordÖR 2014, 461
Amtlicher Leitsatz
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Feststellungsbescheides über die Aufnahme in den Krankenhausplan kann von einem Konkurrenten nur dann mit Erfolg angefochten werden, wenn dieser das Bestehen einer tatsächlichen Konkurrenzsituation geltend macht.
Tenor:
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 3) gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 7. Kammer - vom 26. August 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene zu 3) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) und zu 2) sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 27.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin und die Beigeladenen begehren ihre Aufnahme in den niedersächsischen Krankenhausplan im Fachgebiet PSM. Mit Bescheiden vom 28. Februar 2013 nahm der Antragsgegner die Antragstellerin mit u.a. 40 Planbetten der Fachrichtung PSM und 10 teilstationären Plätzen dieser Fachrichtung in den Krankenhausplan auf. Einen Antrag der Beigeladenen zu 3) auf Aufnahme mit 30 Planbetten und 20 teilstationären Plätzen der Fachrichtung PSM lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom gleichen Tage ab. Nachdem er den Antrag der Antragstellerin abgelehnt hatte, die sofortige Vollziehung des zu ihren Gunsten ergangenen Bescheids vom 28. Februar 2013 anzuordnen, wurde diese Anordnung auf Antrag der Antragstellerin durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 26. August 2013 erlassen. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde der Beigeladenen zu 3), die im Klagewege sowohl ihre Aufnahme in den Krankenhausplan als auch die Aufhebung des die Antragstellerin begünstigenden Feststellungsbescheids vom 28. Februar 2013 begehrt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Für die Beschwerde besteht das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 25. September 2008 - 3 C 35.07 -, BVerwGE 132, 64, 70 ff., [...], Rdnrn. 21 f., 28, bestätigt durch BVerfG, Beschl. v. 23. April 2009 - 1 BvR 3405/08 -, NVwZ 2009, 977, vgl. auch Senatsbeschl. v. 10. Dezember 2013 - 13 ME 168/13 -, [...]) bietet bei Verfahren, die das Begehren der Aufnahme in den Krankenhausplan zum Gegenstand haben, grundsätzlich die Verpflichtungsklage "in eigener Sache" vollständigen Rechtsschutz. Der Klage gegen den einen Dritten begünstigenden Bescheid kommt lediglich eine Hilfsfunktion zu. Sie soll dem Umstand entgegenwirken, dass die Erfolgsaussichten der Klage gegen den "eigenen" Feststellungsbescheid durch den zwischenzeitlichen Vollzug des den Dritten begünstigenden Bescheid faktisch geschmälert werden kann. Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn die Behörde eine Auswahlentscheidung zwischen den Bewerbern getroffen hat. Nur unter diesen Umständen besteht die Gefahr, dass die Verpflichtungsklage lediglich zu einer Neubescheidung führt, bei der die dann gegebene Sach- und Rechtslage einschließlich aller zwischenzeitlich eingetretenen Veränderungen zu berücksichtigen ist. In diesen Fällen kann einer gegen die Drittbegünstigung gerichtete Anfechtungsklage das Rechtschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden. Dies gilt in gleicher Weise für die vorliegende Beschwerde, die sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung des an die Antragstellerin gerichteten Aufnahmebescheides des Antragsgegners vom 28. Februar 2013 durch das Verwaltungsgericht nach § 80a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 VwGO wendet, da durch die Versagung der Aufnahme der Beigeladenen zu 3) mit Bescheid des Antragsgegners vom gleichen Tage eine Auswahlentscheidung getroffen worden ist. Auch die Beschwerde hat die Verhinderung des faktischen Erstarkens der Position der Antragstellerin zum Ziel.
Die zur Begründung der Beschwerde dargelegten Gründe rechtfertigen jedoch keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.
Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Begründung der Beschwerde die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).
Das Verwaltungsgericht ist - anders als die Bescheide des Antragsgegners vom 28. Februar 2013 - davon ausgegangen, dass eine Auswahlentscheidung im vorliegenden Fall nicht zu treffen gewesen sei (vgl. S. 12 des Beschlussabdrucks). Dem ist die Beigeladene zu 3) nicht entgegengetreten. Vielmehr vertritt sie die Auffassung, dass sie einen unmittelbaren Aufnahmeanspruch habe, weil sie sich im Hinblick auf die Fachrichtung PSM in einem unterversorgten Bereich befinde. Hilfsweise greift sie die getroffene Auswahlentscheidung als fehlerhaft an. Das reicht zur Änderung des angefochtenen Beschlusses aber nicht aus.
Indem die Beigeladene zu 3) selbst anführt, es habe keiner Auswahlentscheidung bedurft, da sie bereits einen Aufnahmeanspruch "auf der ersten Stufe" habe, gibt sie zu erkennen, dass sie sich nicht in einer durch den bestehenden (begrenzten) Bedarf hervorgerufenen Konkurrenzsituation zur Antragstellerin sieht. Sie berühmt sich mithin eines Aufnahmeanspruchs unabhängig von der Aufnahme der Antragstellerin in den Krankenhausplan. Damit entfällt aber die Rechtfertigung für eine Verhinderung des Vollzugs des die Antragstellerin begünstigenden Feststellungsbescheids und deren Fernhaltung von der Patientenversorgung. Hat der Bedarf einen Umfang, der im maßgeblichen Versorgungsbereich eine Aufnahme sowohl der Antragstellerin als auch der Beigeladenen zu 3) ermöglicht, so wird durch die Aufnahme Ersterer in den Krankenhausplan Letztere auch faktisch nicht beeinträchtigt. Die Aufnahmeentscheidungen können vielmehr unabhängig voneinander ergehen. Ob dies vorliegend der Fall ist, hat der Senat nicht zu prüfen, da er den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts nur an Hand der von der Beigeladenen zu 3) im Beschwerdeverfahren angeführten Gründe überprüfen kann. Weil es nach deren Vorbringen an einer Konkurrenzsituation mangelt, kommt es auf die Frage der Rechtmäßigkeit der vom Antragsgegner tatsächlich getroffenen Auswahlentscheidung nicht an. Selbst im Falle ihrer Fehlerhaftigkeit berührte dies die Rechtsposition der Beigeladenen zu 3) nicht, da sie - unter Zugrundelegung ihres eigenen Vorbringens - einen unmittelbaren Aufnahmeanspruch hätte, der durch den zugunsten der Antragstellerin ergangenen Feststellungsbescheid nicht begrenzt wäre.
Unabhängig davon rechtfertigen auch die gegen die Auswahlentscheidung vorgebrachten Gründe bei summarischer Prüfung die Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, es teile die Auffassung des Antragsgegners, dass das Angebot der Beigeladenen zu 3) aus den Gründen des Bescheides vom 28. Februar 2013 dem der Antragstellerin durchgreifend unterlegen sei (vgl. S. 13 des Beschlussabdrucks). Dort hat der Antragsgegner u.a. ausgeführt, ein wesentliches Kriterium für eine Auswahl zwischen mehreren Anbietern sei im Hinblick auf die regionale Erreichbarkeit und hier speziell einer bürgernahen Versorgung der Bevölkerung der Standort des Angebotes. Im Hinblick auf die geografische Lage und der anzutreffenden verkehrstechnischen Infrastruktur seien die konkurrierenden Standorte in H. und A. dem Standort der Beigeladenen zu 3) in I. vorzuziehen, da diese innerhalb eines Zeitfensters von 30 Minuten von ca. 172.000 Einwohnern (H.) bzw. 225.000 Einwohnern (A.) gegenüber 53.000 Einwohner (I.) erreicht werden könnten. Aus diesem Grunde sei davon auszugehen, dass ein Standort in A. oder H. in höherem Maße von der Bevölkerung in Anspruch genommen würde als das Angebot der Beigeladenen zu 3) in I.. Damit einher gehe auch eine höhere Wirtschaftlichkeit der Angebote. Mit dieser Argumentation hat sich die Beigeladene zu 3) an keiner Stelle ihrer Beschwerdebegründung auseinander gesetzt. Auch der von der Beigeladenen zu 3) ins Feld geführte Grundsatz der Trägervielfalt des § 1 Abs. 2 KHG ist für sich genommen nicht geeignet, einem Angebot den Vorzug zu geben, das aus den angeführten Gründen den bestehenden Bedarf eindeutig schlechter abdeckt. Zwar mag die Feststellungsbehörde im Einzelfall gehalten sein, einem weniger leistungsfähigen privaten Krankenhaus den Vorzug vor einem leistungsfähigeren öffentlichen Krankenhaus zu geben (vgl. BVerwG, Urt. v. 14. November 1985 - 3 C 41.84 -, [...], Rdnr. 60). Ein allgemeiner Grundsatz der Nachrangigkeit öffentlicher Krankenhäuser lässt sich daraus jedoch nicht herleiten. Dies gilt insbesondere dann nicht, wenn das konkurrierende öffentliche Krankenhaus - wie hier - nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen der Feststellungsbehörde aufgrund seines Standortes eindeutig besser geeignet ist, den bestehenden Bedarf zu decken. Darüber hinaus lässt die Beschwerdebegründung jede konkrete Darlegung zum behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz der Trägervielfalt vermissen. In diesem Zusammenhang kommt es darauf an, in welchem Verhältnis zueinander im Versorgungsgebiet öffentliche Krankenhäuser, freigemeinnützige Krankenhäuser und private Krankenhäuser in den Krankenhausplan aufgenommen worden sind, wobei die Relationen sowohl hinsichtlich der Krankenhäuser im allgemeinen, als auch in Bezug auf Planbetten und Behandlungsplätze der Fachrichtung PSM zu berücksichtigen sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 18. Dezember 1986 - 3 C 67.85 -, [...], Rdnr. 75). Angaben dazu lassen sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, der Beigeladenen zu 3) gemäß § 162 Abs. 3 VwGO auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) und zu 2) aufzuerlegen, da diese keinen Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde der Beigeladenen zu 3) gestellt und sich auch inhaltlich nicht mit deren Beschwerde auseinandergesetzt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG. Dabei sind in Anlehnung an Nr. 23.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (2013) 5.000,00 Euro für das 1. Planbett sowie 500,00 Euro für jedes weitere (vollstationäre) Planbett und jeweils 250,00 Euro für jeden weiteren teilstationären Platz anzusetzen. Daraus errechnet sich bei Zugrundelegung der 40 Planbetten und 10 teilstationären Plätze der Fachrichtung PSM, mit denen die Antragstellerin in den niedersächsischen Krankenhausplan aufgenommen worden ist und die Gegenstand des Angriffs der Beigeladenen zu 3) waren, ein Streitwert in Höhe von 27.000,00 Euro. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht in Anlehnung an Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs eine Halbierung des Streitwerts für das Hauptsacheverfahren vorzunehmen. Nach Auffassung des Senats ist dem Umstand, dass es sich nicht um eine Hauptsacheentscheidung handelt, bereits dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Gebührensätze des Gerichtskostengesetzes geringer sind als in Hauptsacheverfahren. Einer zusätzlichen Herabsetzung des Streitwertes bedarf es nicht.