Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.04.2014, Az.: 17 LP 5/13
Mitbestimmung des Personalrats bei der Weiterbeschäftigung von Mitgliedern der Jugend und Auszubildendenvertretung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 09.04.2014
- Aktenzeichen
- 17 LP 5/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 14941
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2014:0409.17LP5.13.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Osnabrück - 26.03.2013 - AZ: 7 A 21/12
Rechtsgrundlagen
- § 9 Abs. 2 BPersVG
- § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG
- § 77 Abs. 2 BPersVG
Fundstelle
- PersV 2014, 341-342
Amtlicher Leitsatz
Die Weiterbeschäftigung von Mitgliedern der Jugend und Auszubildendenvertretung nach § 9 Abs. 2 BPersVG ist keine Einstellung i.S.d. § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG und unterliegt deshalb nicht der Mitbestimmung des Personalrats.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird sein Antrag festzustellen, dass die Einstellung der Arbeitnehmerin N. O. seiner Mitbestimmung nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG unterliegt, abgelehnt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsteller hatte beim Verwaltungsgericht die Feststellung begehrt, dass die Einstellung und Eingruppierung der Arbeitnehmerin N. O. seiner Mitbestimmung nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BPersVG unterliegt. Frau O. war bei der Wehrtechnischen Dienststelle 91 in P. zur Mechatronikerin ausgebildet worden. Als Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung hatte sie vor dem Bestehen ihrer Abschlussprüfung am 26. Januar 2012 ihre Weiterbeschäftigung bei ihrer Ausbildungsdienststelle verlangt (§ 9 Abs. 2 BPersVG). Dem kam der Beteiligte nach. Mit Schreiben vom 22. Februar 2012 machte der Antragsteller gegenüber dem Beteiligten erfolglos geltend, dass die Weiterbeschäftigung von Frau O. sowohl unter dem Aspekt der Einstellung als auch der Eingruppierung seiner Mitbestimmung unterliege. In dem vom Antragsteller sodann betriebenen Beschlussverfahren hat das Verwaltungsgericht Osnabrück durch Beschluss vom 26. März 2013 - insoweit rechtskräftig - festgestellt, dass die Eingruppierung der Beschäftigten N. O. der Mitbestimmung des Antragstellers bedurfte. Den Antrag des Antragstellers, soweit er die begehrte Mitbestimmung unter dem Aspekt der Einstellung betraf, hat das Verwaltungsgericht im Tenor seines Beschluss nicht beschieden und dazu ausgeführt: Da bereits die Eingruppierung der Tätigkeit von Frau O. mitbestimmungspflichtig sei, komme es nicht mehr darauf an, ob dies auch für ihre Einstellung gelte. Insoweit fehle dem Feststellungsbegehren des Antragstellers bereits das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Beide Mitbestimmungstatbestände gewährten ein Mitbestimmungsrecht im Rahmen der Versagungsgründe des § 77 Abs. 2 BPersVG. Entstehe ein Mitbestimmungsrecht, könne der Antragsteller es im Rahmen der Versagungsgründe ausüben. Ob dieselbe Maßnahme die Mitbestimmung unter mehreren Ziffern des § 75 Abs. 1 BPersVG auslöse, verändere seine Rechtsposition nicht. Sofern dem mehrere Mitbestimmungstatbestände umfassenden Feststellungsbegehren jeweils eigenständige Bedeutung zukomme, wäre es konsequent, den Antrag des Antragstellers teilweise abzulehnen. Das hätte aber zur Folge, dass der Antragsteller formal beschwert und deshalb rechtsmittelbefugt sei. Diese Überlegung zeige, dass eine gesonderte Tenorierung einzelner Mitbestimmungstatbestände dann ins Leere gehe, wenn die materiellen Versagungsgründe identisch seien. Unabhängig davon stehe dem Antragsteller im Falle der Weiterbeschäftigung eines Mitgliedes der Jugend- und Auszubildendenvertretung ein Recht auf Mitbestimmung nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG nicht zu, weil dies mit dem Schutzgedanken des § 9 Abs. 2 BPersVG, den Jugendvertreter wegen seiner Tätigkeit vor Benachteiligung jedweder Art zu schützen, die nicht nur durch eine ablehnende Entscheidung des Arbeitgebers, sondern auch eine solche des Antragstellers ausgelöst werden könne, nicht vereinbar sei.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.
Er rügt, das Verwaltungsgericht habe über seinen Antrag festzustellen, dass die Einstellung von Frau O. mitbestimmungsbedürftig sei, im Tenor des angefochtenen Beschlusses nicht entschieden. Insoweit sei der Antrag auch in der Sache begründet, weil es im Falle der Weiterbeschäftigung von Frau O. um deren erstmalige Eingliederung in die Dienststelle gehe. Insoweit habe auch eine vom Antragsteller zu kontrollierende Auswahlentscheidung getroffen werden müssen, weil die verfügbaren Dienstposten nicht ausgereicht hätten, um alle ehemaligen Auszubildenden zu übernehmen.
Der Antragsteller beantragt,
festzustellen, dass die Einstellung von Frau N. O. seiner Mitbestimmung unterliegt.
Der Beteiligte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig.
Das Verwaltungsgericht hat den Feststellungsantrag des Antragstellers, soweit er die geltend gemachte Mitbestimmung bei der Einstellung von Frau O. betrifft, im Tenor des angefochtenen Beschlusses nicht förmlich beschieden. Dessen Entscheidungsgründe lassen aber deutlich erkennen, dass das Verwaltungsgericht dies nicht versehentlich, sondern bewusst unterlassen hat. Die Nichtbescheidung beruht auf seiner Rechtsauffassung, im Falle der Mitbestimmung bei der Einstellung und Eingruppierung komme dem einzelnen Mitbestimmungstatbestand keine eigenständige Bedeutung zu, weil die materiellen Versagungsgründe des Personalrates nach § 77 Abs. 2 BPersVG, dem nur ein Mitbestimmungsrecht zustehe, identisch seien. Demnach liegt hier kein Fall des übergangenen, weil versehentlich nicht beschiedenen Feststellungsantrages im Sinne von § 321 ZPO vor, so dass der Antragsteller nicht auf einen fristgebundenen Antrag auf Beschlussergänzung verwiesen war. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht gegen § 308 ZPO verstoßen, weil es das durch die Systematik des § 75 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BPersVG vorgegebene Rechtsschutzziel des Feststellungsantrages verkannt hat. Das BPersVG trennt ausdrücklich zwischen Einstellung und Eingruppierung und führt beide Tatbestände als Beteiligungsfälle auf. Zwar fallen Einstellung und Eingruppierung in der Praxis häufig zusammen, dennoch muss neben der Mitbestimmung bei der Einstellung auch das Mitbestimmungsrecht des Personalrats über die Eingruppierung beachtet werden. Insofern kann ein Personalrat zwar die Einstellung eines Bewerbers als solche befürworten, aber gleichzeitig die Zustimmung zu dessen Eingruppierung verweigern. Daraus folgt, dass beiden Beteiligungsfällen jeweils unterschiedliche Zwecke zugeordnet sind und daher ein Personalrat nur aus Gründen die Zustimmung verweigern kann, die auf den konkreten Zweck des jeweiligen Mitbestimmungstatbestandes bezogen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Dezember 1999 - 6 P 3/98 -, [...] Rn 29 ff.).
Einstellung ist die Eingliederung des Betreffenden in die Dienststelle. Dies geschieht zum Beispiel durch die Begründung eines Arbeitsverhältnisses und tatsächliche Aufnahme der vorgesehenen Arbeit im Rahmen der Arbeitsorganisation der Dienststelle (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 2007 - BVerwG 6 P 4.06 - PersR 2007, 301 f.). Der Sinn und Zweck der Beteiligung des Personalrats bei Einstellungen besteht im kollektiven Schutz der in der Dienststelle bereits tätigen Beschäftigten und ihrer hierbei zu berücksichtigenden Interessen. Kern der Mitbestimmung bei der Einstellung ist die Kontrolle der Auswahlentscheidung und damit die gerechte Personalauslese. Der Personalrat kann die Zustimmung wegen Gesetzes- oder Tarifwidrigkeit verweigern, wenn der Zweck der Verbotsnorm nur dadurch erreicht werden kann, dass die Einstellung insgesamt unterbleibt. Ein Instrument zur umfassenden Vertragsinhaltskontrolle hat er damit jedoch nicht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juni 2006 - BVerwG 6 P 13.05 - BVerwGE 126, 122 = Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 35 Rn. 15 und vom 21. März 2007 a.a.O. S. 306 f.). Demgegenüber ist die Eingruppierung die Einreihung des Arbeitnehmers in ein kollektives Entgeltschema; sie ist ein Akt strikter Rechtsanwendung. Die Mitbestimmung des Personalrats bei Eingruppierung ist kein Mitgestaltungs-, sondern ein Mitbeurteilungsrecht. Sie soll sicherstellen, dass die Rechtsanwendung möglichst zutreffend erfolgt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 2005 - BVerwG 6 PB 8.04 - Buchholz 251.51 § 68 MVPersVG Nr. 1 S. 2 f. m.w.N.). Kern der Mitbestimmung ist insoweit die richtige Bezahlung des Arbeitnehmers.
Der auf der Verkennung der Systematik des § 75 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BPersVG beruhende Verfahrensmangel, auf dem der vom Antragsteller angefochtene Beschluss beruht, kann im Beschwerdeverfahren geheilt werden.
Die Beschwerde ist im Ergebnis jedoch unbegründet.
Dem Antragsteller steht ein Mitbestimmungsrecht nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG aus Anlass der Weiterbeschäftigung eines Jugendvertreters nach § 9 Abs. 2 BPersVG nicht zu. Danach gilt im Anschluss an das erfolgreiche Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Auszubildenden und seinem Arbeitgeber auf unbestimmte Zeit als begründet, wenn der Auszubildende als früheres Mitglied eines Vertretungsorgans innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses schriftlich vom Arbeitgeber seine Weiterbeschäftigung verlangt. Für eine Mitbestimmung ist in diesem Fall kein Raum. Zwar soll die Personalvertretung bei der erstmaligen Einstellung die Interessen der bereits tätigen Beschäftigten wahren, die Auswirkungen der Eingliederung des neuen Beschäftigten in den Blick nehmen und dabei solche Gesichtspunkte erwägen, die im Versagungskatalog des § 77 Abs. 2 BPersVG aufgeführt sind. Diese Erwägungen spielen im Falle des § 9 Abs. 2 BPersVG indessen keine Rolle, weil das Arbeitsverhältnis gerade zum Schutz des Jugendvertreters vor Benachteiligung wegen seiner Tätigkeit in der Personalvertretung kraft Gesetzes auf unbestimmte Zeit begründet wird, ohne dass der Arbeitgeber befugt wäre, noch eine Auswahlentscheidung zu treffen. Zwar ändern sich die Vertragsbedingungen des bisherigen Auszubildenden maßgeblich, da an die Stelle des Berufsausbildungsverhältnisses ein unbefristetes ausbildungsadäquates Arbeitsverhältnis tritt und der Beschäftigte erstmalig in eine Entgeltgruppe eingruppiert wird. Insoweit ist jedoch zu bedenken, dass die Fortsetzung der Beschäftigung eine gesetzliche Folge gerade zum Schutz des Auszubildenden darstellt, die nicht vom Willen des Arbeitgebers abhängt und in die auch der Antragsteller weder kontrollierend noch mitgestaltend eingreifen kann. Der Senat folgt insoweit der nahezu einhelligen Kommentarliteratur (Lorenzen/Faber/Rehak, BPersVG § 9 Rz 46 u. § 75 Rz 21; Altvater u.a. BPersVG, 10. Aufl., § 75 Rz 26; GKÖD, Bd. V, § 9 BPersVG, Rz 43; Dembowski/Ladwig/Sellmann, Das Personalvertretungsrecht in Niedersachsen, § 65 NPersVG, Rz 105; vgl. auch Künzl in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, § 78a BetrVG Rz 66). Die vom Antragsteller zur Bestätigung seiner gegenläufigen Meinung angeführte Literaturstelle (Richardi u.a., BPersVG 3. Aufl. 2008, § 75 Rz 13) ist nicht einschlägig. Sie betrifft offenbar nur die Übernahme bzw. "Einstellung" von Auszubildenden in ein Dauerarbeitsverhältnis, die nicht Mitglied einer Personalvertretung waren und deshalb nicht den Schutz des § 9 Abs. 2 BPersVG in Anspruch nehmen können.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Das Verfahren ist frei von Gebühren und Auslagen des Gerichts (§ 83 Abs. 2 BPersVG i. V. m. § 2 Abs. 2 GKG, § 2a Abs. 1 ArbGG). Eine Erstattung der Aufwendungen ist nicht vorgesehen.
Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil die Rechtsfrage, ob die Weiterbeschäftigung von Mitgliedern der Jugend- und Auszubildendenvertretung nach § 9 Abs. 2 BPersVG als "Einstellung" gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG der Mitbestimmung des Personalrates unterliegt, höchstrichterlich bisher nicht geklärt ist und deshalb grundsätzliche Bedeutung hat (§ 83 Abs. 2 BPersVG i. V. m. §§ 92 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 72 Abs. 2 ArbGG).