Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.03.2016, Az.: 2 NB 122/15

höhere Semester; Kohortenprinzip; patientenbezogen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.03.2016
Aktenzeichen
2 NB 122/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 43212
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 30.04.2015 - AZ: 8 C 172/15

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Im Wintersemester 2014/2015 in einem höheren Semester unbesetzt gebliebene Studienplätze stehen im Sommersemester 2015 nicht in demselben höheren Semester als weitere freie Studienplätze zur Verfügung.

Tenor:

Die Beschwerden der Antragsteller gegen die sie betreffenden Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Göttingen - 8. Kammer - vom 30. April 2015 werden zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten ihres Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für die Beschwerdeverfahren auf jeweils 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Durch Beschlüsse vom 30. April 2015, auf die wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der Begründung Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht unter anderem die Anträge der Antragsteller abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie vorläufig zum Studium der Humanmedizin im 5. Fachsemester (1. klinisches Semester) nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2015 zuzulassen.

Dabei ist das Verwaltungsgericht für das 5. Fachsemester von einer Aufnahmekapazität von 136 Studienplätzen ausgegangen; in der ZZ-VO 2014/15 v. 3.7.2014 (Nds. GVBl. Nr.13/2014 S.180), geändert durch Verordnung v. 8.12.2014 (Nds. GVBl. Nr. 26/2014 S. 471), sind demgegenüber für das 5. Fachsemester 135 Studienplätze festgesetzt worden. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass bei der Antragsgegnerin mehr als 136 Studienplätze im 5. Fachsemester besetzt seien, so dass es keine weiteren Studienplätze vergeben hat. Die Antragsteller verfolgen ihr Ziel der vorläufigen Zulassung ihren erstinstanzlichen Anträgen entsprechend mit ihren Beschwerden weiter.

Die Beschwerden sind unbegründet. Unter Berücksichtigung der von den Antragstellern innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang bestimmen, haben sie keinen Anspruch, im 5. Fachsemester im Studiengang Humanmedizin im Sommersemester 2015 zugelassen zu werden.

An der Antragsgegnerin stehen im 5. Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin im Sommersemester 2015 keine freien Studienplätze zur Verfügung.

I. Im 5. Fachsemester sind bei der Antragsgegnerin - entsprechend ihrem Vorbringen im Schriftsatz vom 19. Januar 2016 - 142 Studienplätze besetzt. Die Berechnung der Zulassungszahl für Studienplätze im 5. Fachsemester der Humanmedizin erfolgt nach dem von § 2 Satz 2 ZZ-VO 2014/15 vorgesehenen Berechnungsmodell und unter Berücksichtigung der vom Senat für das Sommersemester 2015 ermittelten Zulassungszahl für Vollstudienplätze im 1. Fachsemester. Der Senat folgt der Berechnungsweise des Verwaltungsgerichts nach dem sogen. Kohortenprinzip nach wie vor nicht (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 16.4.2014 - 2 NB 145/13 - u. v. 9.9.2015 - 2 NB 368/14 -, beide in juris); ebenso lehnt er die vom Verwaltungsgericht vorgenommene freihändige, d.h. nicht an den Maßgaben der Kapazitätsverordnung orientierte, Berechnung eines „Sicherheitszuschlags“ ab (vgl. dazu ebenfalls Beschl. v. 9.9.2015 - 2 NB 368/14 -, juris).

Nach der Berechnungsmethode des § 2 Satz 2 ZZ-VO 2014/2015, wonach sich die jeweilige Zulassungszahl für jedes höhere Semester aus der Differenz zwischen der Zulassungszahl für Studienanfänger und der Zahl der Studierenden nach Ablauf der Rückmeldefrist für das entsprechende höhere Semester ergibt, sind keine weiteren Studienplätze vorhanden, da die Zahl der zuzulassenden Studienanfänger (ebenfalls) 142 beträgt.

Der Senat hat mit Beschluss vom heutigen Tage - 2 NB 150/15 -, zur Veröffentlichung in juris vorgesehen, entschieden, dass mit 142 Studienplätzen die (patientenbezogene) Kapazität der Antragsgegnerin ausgeschöpft ist. Er hat hierzu ausgeführt:

I. Die Aufnahmekapazität der Antragsgegnerin im 1. Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin beträgt im Sommersemester 2015 142 Vollstudienplätze. Insoweit wird wegen der Einzelheiten der Berechnung auf den Senatsbeschluss vom 9. September 2015 - 2 NB 368/14, juris, Bezug genommen. Dort hat der Senat für das Studienjahr 2014/15 unter Einbeziehung der Privatpatienten eine patientenbezogene Kapazität von 288 Studienplätzen ermittelt. Auf dieser Grundlage hat er - der Aufteilungsentscheidung der Antragsgegnerin folgend - für das Wintersemester 146 und für das Sommersemester 142 Plätze angesetzt, wobei das Zahlenverhältnis demjenigen entsprach, das der Verordnungsgeber der (aktualisierten) Festsetzung der Zulassungszahlen in der ZZ-VO 2014/15 zugrunde gelegt hatte (Wintersemester: 135, Sommersemester 131).

Das Vorbringen der Antragsteller im Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine andere Einschätzung, wobei darauf hingewiesen wird, dass allgemeine Bezugnahmen auf früheres Vorbringen oder Passagen in der erstinstanzlichen Entscheidung dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht genügen (S. 5 der Beschwerdebegründung) und schon deshalb unbeachtlich sind.

1. Die Antragsteller zeigen nicht auf, dass durchgreifende Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in § 17 Abs. 1 Nr. 1 KapVO vorgegebenen Parameterzahl „15,5 v.H.“ der Gesamtzahl der tagesbelegen Betten bestehen. Sie meinen - unter Hinweis auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin vom 15. Januar 2014 - VerfGH 109/13 -,  DVBl 2014, 375, der Verordnungsgeber habe bezogen auf diese Parameterzahl seine Beobachtungs- und Überprüfungsobliegenheit verletzt. Zur Begründung weisen sie darauf hin, dass sich die tatsächliche Anzahl der Patienten in einem Universitätsklinikum - bei Verringerung der durchschnittlichen Verweildauer - seit Einführung dieser Zahl verdoppelt habe, wobei sie „im Grundsatz“ anerkennen, dass sich demgegenüber die Anzahl der ausbildungsungeeigneten Patienten immer weiter erhöhe.

Aus diesen Umständen ziehen die Antragsteller den im Kern zutreffenden Schluss, es obliege dem Verordnungsgeber, zu ermitteln, welche Auswirkungen diese „gegenläufigen Tendenzen“ auf die Parameterzahl von 15,5 v. H. hätten. Dies entspricht der auch vom Senat vertretenen Auffassung, die er in seinem Beschluss vom 9. September 2015 - 2 NB 368/14 -, juris, im Zusammenhang mit der Frage, inwieweit neue Behandlungsformen (teilstationäre Behandlungen, Behandlungen in Tageskliniken und ambulante Operationen) dem Parameter „tagesbelegte Betten“ unterfallen, verdeutlicht hat. Der Senat hat dort hervorgehoben:

„Allerdings lässt sich weder die Belastbarkeit und Eignungswahrscheinlichkeit von teilstationär (u. dergl.) behandelten Patienten zuverlässig im gerichtlichen Verfahren feststellen - zumal es sich hierbei auch um von Wertungen abhängige Einschätzungen handelt -, noch lässt sich nachvollziehen, welche Auswirkungen sich im Einzelnen auf die Belastbarkeit und Eignungswahrscheinlichkeit der vollstationär untergebrachten Patienten ergeben, wenn allgemein von einer (erheblich) kürzeren Verweildauer im Klinikum ausgegangen werden müsste. Dies ist vielmehr grundsätzlich Aufgabe des Verordnungsgebers. Es stellte daher - jedenfalls, solange nicht besondere Voraussetzungen gegeben sind (…) - einen unzulässigen Eingriff in das Ermessen des Normgebers dar, wenn der Senat lediglich zusätzlich die teilstationären Behandlungen (u. dergl.) unter § 17 Abs. 1 Nr. 1 KapVO VII fasste, den Prozentsatz, mit dem die stationären Behandlungen in die Berechnung der patientenbezogenen Kapazität einfließen, aber weiterhin unbesehen übernähme.“

Der Senat teilt indessen - wie sich aus den folgenden Ausführungen in dem vorgenannten Beschluss ergibt - nicht die weitere Annahme der Antragsteller, der Verordnungsgeber habe allein angesichts dieser tatsächlichen Entwicklung bereits seine Beobachtungs- und Überwachungspflicht verletzt:

„Dass der Verordnungsgeber seiner Obliegenheit, die § 17 Abs. 1 KapVO zugrunde gelegten Annahmen und die tatsächliche Entwicklung zu beobachten und ggf. korrigierend einzugreifen, sofern hierzu Anlass besteht (vgl. hierzu VerfGH Berlin, Beschl. v. 15.1.2014 - VerfGH 109/13 -, DVBl. 2014, 375, BVerfG, Beschl. v. 22.10.1991 - 1 BvR 393/85 u.a.-, BVerfGE 85,36), nicht nachgekommen wäre, ist jedenfalls derzeit noch nicht ersichtlich (vgl. Bay VGH, Beschl. v. 13.6.2014 - 7 CE 14.10058 -, juris, u. v. 2.7.2015 - 7 CE 15.10111 -, juris, und OVG LSA, Beschl. v. 22.6.2015 - 3 M 49/15 u.a. -, juris). Wie zuvor ausgeführt, lässt sich die Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse noch nicht so eindeutig dahin deuten, dass Kapazitäten ungenutzt bleiben und deshalb schon zu diesem Zeitpunkt ein Versäumnis des Verordnungsgebers vorläge (vgl. hierzu auch eingehend Bay. VGH, Beschl. v.12.6.2014 - 7 CE 14.10012 u.a. -, juris, wonach sich der Unterausschuss Kapazitätsverordnung der (damaligen) ZVS zuletzt in seiner Sitzung vom 30./31. August 2007 nach Erhebung entsprechender Daten mit der Frage befasst habe, mit Hilfe welcher Berechnungsparameter nach der Neuordnung der Vergütung künftig die patientenbezogene Aufnahmekapazität im Studiengang Medizin ermittelt werden sollte. Aufgrund eines hierzu vorgelegten Berichts der Arbeitsgruppe ‚Medizin‘, wonach die Zahl der tagesbelegten Betten im Erhebungszeitraum nicht rückläufig gewesen sei, sei von einer zunächst angedachten Überarbeitung der einschlägigen Bestimmungen Abstand genommen worden. Der Bay. VGH hat hervorgehoben, dass es auf der Hand liege, dass die Einhaltung der in der ÄApprO enthaltenen Ausbildungsvorgaben eine ausreichende Zahl von für die Lehre geeigneten Patientinnen und Patienten erfordere und sich hierbei insbesondere eine längere Verweildauer der Patienten in der Klinik günstig auswirke. Deshalb sei es nicht zu beanstanden, wenn der Verordnungsgeber an den bisherigen Festlegungen für die Berücksichtigung der stationär in tagesbelegten Betten aufgenommenen Patienten und der lediglich ambulant behandelten und damit für die Ausbildung weniger geeigneten Patienten festhalte). Dieser Argumentation folgt der Senat jedenfalls derzeit noch. Es liegt aber aus seiner Sicht mehr als nahe, dass sich der Verordnungsgeber angesichts der nahezu flächendeckend in der Rechtsprechung geführten Diskussion mit diesen Gesichtspunkten befassen sollte. Damit würde zumindest den oben angesprochenen, sich nicht auf die KapVO beschränkenden Rechtsprechungsentwicklungen zu „prozeduralen“ Anforderungen an die Rechtsetzung Rechnung getragen, die der Senat selbst noch nicht unmittelbar aufgenommen hat (vgl. Beschl. v. 20. März 2014 - 2 NB 15/14 -, juris), die aber zunehmend Anklang finden (vgl. neben den oben genannten Entscheidungen z.B. BVerfG, Urt. v. 5.5.2015 - 2 BvL 17/09 u.a. -, juris, OVG Lüneburg, Urt. v. 9.6.2015 - 5 KN 164/14 -, juris, nach einer Pressemitteilung offenbar auch StGH Stuttgart, Entsch. v. 6.7.2015 - 1 VB 130/13 -, skeptisch VerfG Brandenburg, Urt. v. 12.12.2014 - VfGBbg 31/12 -, juris).“

Diese Ausführungen gelten auch für die hier problematisierte Frage, ob die insgesamt kürzere Verweildauer von stationär im Krankenhaus untergebrachten Patienten zu einer Veränderung des Prozentsatzes der zur Unterrichtung der Studenten geeigneten Patienten und damit zu einer Änderung der Parameterzahl für die patientenbezogenen Aufnahmekapazität in der einen oder anderen Richtung führt. Die Antragsteller legen für die von ihnen eingenommene Sichtweise nichts Durchgreifendes dar.

2. Soweit sich die Antragsteller gegen die bei der Berechnung der „Gesamtzahl der tagesbelegten Betten des Klinikums“ i.S.d. § 17 Abs. 1 Nr. 1 KapVO von der Antragsgegnerin praktizierte sogen. Mitternachtszählung wenden, tragen sie keine neuen Gesichtspunkte vor, die ein Abweichen von der Entscheidung des Senats vom 9. September 2015 - 2 NB 368/14 -, juris, rechtfertigen könnten.“

Die Antragsteller haben im Beschwerdeverfahren nichts vorgetragen, was eine abweichende Berechnung der Zulassungszahl für Studienanfänger im ersten Fachsemester (Vollstudium) rechtfertigt.

II. Das Vorbringen der Antragsteller, es seien gleichwohl im 5. Fachsemester zum Sommersemester 2015 noch neun freie Studienplätze vorhanden, weil der Senat im Wintersemester 2014/2015 für das 5. Fachsemester eine Aufnahmegrenze von 146 Studienplätzen ermittelt habe, allerdings lediglich 137 Studienplätze besetzt worden seien, führt nicht auf weitere Studienplätze.

Diese im Wintersemester 2014/2015 unbesetzt gebliebenen Plätze stehen im Sommersemester 2015 nicht als weitere freie Studienplätze zur Verfügung. Eine Verpflichtung zur Anrechnung dieser ungenutzten Kapazitäten lässt sich - entgegen der Auffassung anderer Antragsteller in Parallelverfahren - nicht aus dem Beschluss des OVG Koblenz vom 27. August 2003 - 6 D 11153/03.OVG -, NVwZ-RR 2004, 36, herleiten (vgl. zu dieser Problematik auch OVG Koblenz, Beschl. v. 27.9.2005 - 6 D 11152/05 -, juris, VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 16.8.1999 - NC 9 S 31/99 u.a. -, DVBl 1999, 1663, u. v. 31.3.2006 - NC 9 3/06 -, juris, OVG Hamburg, Beschl. v. 12.10.2000 - 3 Nc 42/00 -, juris, BVerwG, Beschl. v. 19.3.1985 - 7 B 1.85 -, KMK-HSchR 1986, 177, u. v. 22.12.1989 - 7 B 82.89 -, NVwZ-RR 1990, 349). Zwar hat das OVG Koblenz in der von den Antragstellern zitierten Entscheidung hervorgehoben, dass auch bei semesterweiser Festsetzung der Zulassungszahlen für zulassungsbeschränkte Studiengänge die jährliche Aufnahmekapazität maßgeblich für eine erschöpfende Nutzung der Ausbildungsmöglichkeiten sei und deshalb im Wintersemester innerhalb der festgesetzten Zulassungszahl unbesetzt gebliebene Studienplätze im nachfolgenden Sommersemester kapazitätserhöhend zu berücksichtigen seien. Gegenstand der Entscheidung war aber die Vergabe von Studienplätzen im ersten vorklinischen Semester. Diese Fallkonstellation hat der niedersächsische Verordnungsgeber im Sinne der dortigen Rechtsauffassung geregelt, da § 1 Abs. 2 ZZ-VO 2014/2015 vorsieht, dass im Wintersemester 2014/2015 frei gebliebene Studienplätze des ersten Semesters vorrangig den Zulassungszahlen des ersten Semesters im Sommersemester 2015 hinzuzuzählen sind, soweit ein Studienbeginn zum Sommersemester 2015 angeboten wird, und danach noch freie Studienplätze für höhere Semester zu vergeben sind.

Für den hier interessierenden Fall der Studienplatzvergabe in höheren Semestern fehlt es nicht nur an einer entsprechenden Regelung, vielmehr steht die von § 2 Satz 2 ZZ-VO 2014/2015 für die Kapazitätsermittlung der höheren Semester vorgegebene Berechnungsweise einer vergleichbaren Handhabung entgegen. Auch das Kapazitätserschöpfungsgebot gebietet die von den Antragstellern begehrte Anrechnung nicht.

Zunächst streitet, wie die Antragsgegnerin zutreffend geltend macht, schon der Umstand, dass der Verordnungsgeber den Fall der Anrechnung von im Wintersemester unbesetzt gebliebenen Studienplätzen des ersten Semesters (zuvorderst) auf die Zulassungszahlen des ersten Semesters des folgenden Sommersemesters einer Sonderregelung zugeführt hat, dafür, dass die dort geregelte Verfahrensweise nicht für unbesetzt gebliebene Plätze in höheren Semestern entsprechend gelten soll. Denn der Verordnungsgeber hat gerade davon abgesehen, eine abstrakte Anrechnungsregelung für sämtliche Semester zu schaffen und den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 ZZ-VO 2014/2015 ausdrücklich beschränkt.

Darüber hinaus steht einer Übertragung der in § 1 Abs. 2 ZZ-VO 2014/2015 vorgesehenen Handhabung auf höhere Semester die Systematik der Ermittlung freier Studienplätze in höheren Semestern nach der ZZ-VO 2014/2015 entgegen. Denn § 2 Satz 2 ZZ-VO 2014/2015 sieht für höhere Semester nicht die Ermittlung einer Jahresgesamtkapazität, sondern eine semesterweise Berechnung der freien Studienplätze vor. Diese Berechnung erfolgt unter Berücksichtigung der Belegungszahlen des jeweiligen Semesters einerseits und der Zulassungszahl für Studienanfänger für das jeweilige Semester andererseits; die für Studienanfänger in dem jeweiligen Semester maßgebliche Kapazität bildet hierbei (lediglich) eine Aufnahmegrenze. Werden in der Anlage 1 zur ZZVO Abschnitt II abweichende Bestimmungen getroffen, so werden dementsprechend auch dort semesterbezogene Obergrenzen aufgeführt.

Das Kapazitätserschöpfungsgebot steht dieser in Niedersachsen bei der Vergabe von Studienplätzen vorgesehenen semesterweisen Betrachtung nicht entgegen. Zum einen wirkt sich die Nichtbesetzung eines Studienplatzes eines höheren Semesters unter dem Gesichtspunkt der Kapazitätserschöpfung in anderer Weise aus, als die Nichtbesetzung eines Erstsemesterplatzes. Werden Studienplätze des 5. Fachsemesters im Wintersemester nicht besetzt, sind diese freien Plätze im Sommersemester im 6. Fachsemester bei der Berechnung der besetzbaren Studienplätze zu berücksichtigen. Diese Plätze fallen mithin bei der Ermittlung der im Sommersemester bestehenden Aufnahmekapazität der Antragsgegnerin nicht aus der Betrachtung heraus, sondern sie verschieben sich in das folgende Semester. Unbesetzt bleibt lediglich ein Semesterplatz. Diese Argumentation verfängt bei der Vergabe von Studienplätzen für Studienanfänger demgegenüber nicht, weil dort aufgrund der Verschiebung des freien Platzes in das zweite Semester ein zur Verfügung stehender voller Studienplatz um das Eingangssemester „gekappt“ wird und mithin die Möglichkeit zum Studieneinstieg entfällt.

Zum anderen wird bei höheren Semestern dem Umstand, dass freie Studienplätze unbesetzt bleiben - anders als bei nicht vergebenen Studienplätzen des ersten Semesters -, dadurch Rechnung getragen, dass sie in den Schwund eingehen. § 16 KapVO geht gerade davon aus, dass in höheren Semestern unter Umständen die Abgangsquote höher sein kann, als die Zahl der Zugänge, und mithin Studienplätze unbesetzt bleiben; die durch die Nichtbesetzung frei gewordene Kapazität kommt danach den Studierenden (des ersten Fachsemesters) zugute. Die Erhöhung der Studienanfängerzahl ist im Grundsatz nicht weniger als die Alternative einer Besetzung freiwerdender Studienplätze durch Quereinsteiger dazu geeignet, die verfügbare Ausbildungskapazität auch im Hinblick auf einen zu erwartenden Schwund vollständig zu nutzen (vgl. hierzu OVG Hamburg, Beschl. v. 23.4.2002 - 3 Nc 2/02 -, juris u. v. 18.12.1995 - Bs III 56/95 -, juris).

Diese Grundsätze gelten auch im hier vorliegenden Fall, in dem die ungenutzte Kapazität im 5. Semester des Wintersemesters 2014/2015 nicht auf einer besonders hohen Zahl von Abgängen, sondern auf einer Kapazitätserhöhung aufgrund der geänderten Rechtsprechung des Senats beruhte. Diese Besonderheit allein rechtfertigt es nicht, die Grundentscheidung des Verordnungsgebers, dass in höheren Semestern keine Anrechnung „ungenutzt“ gebliebener Studienplätze erfolgen soll, in Frage zu stellen, zumal sich auch eine Nichtausnutzung einer Kapaziätserhöhung im Grundsatz in den der Schwundberechnung der Antragsgegnerin zugrunde liegenden Studierendenstatistiken abbilden dürfte.

Die Kostenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für den zweiten Rechtszug ergibt sich aus den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).