Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.04.2014, Az.: 12 ME 236/13

Befugnis einer Behörde zur Ergreifung von Sicherungsmaßnahmen bei Missachtung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs durch den Begünstigten; Bemessen des Streitwerts bei Betreiberklagen i.R.d. Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
03.04.2014
Aktenzeichen
12 ME 236/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 14570
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0403.12ME236.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stade - 28.10.2013 - AZ: 2 B 3146/13

Fundstellen

  • NVwZ-RR 2014, 550-552
  • NVwZ-RR 2014, 6
  • NordÖR 2014, 500-502
  • RÜ 2014, 804

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zu der Befugnis einer Behörde, Sicherungsmaßnahmen in entsprechender Anwendung der verfahrensrechtlichen Grundlage des § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO zu ergreifen, wenn der von einem Verwaltungsakt Begünstigte die auf Antrag eines Dritten wiederhergestellte aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs missachtet.

  2. 2.

    An seiner Rechtsprechung, den Streitwert bei Betreiberklagen, die sich auf die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung beziehen, degressiv zu bemessen (d.h. mit zunehmender Höhe der Investitionssumme einen abnehmenden Prozentsatz zugrunde zu legen), hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Streitwertkatalogs 2013 fest.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade - 2. Kammer - vom 28. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 60.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine Nutzungsuntersagung für seinen Mastschweinestall.

Der Antragsteller beantragte im September 2007 die

Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Mastschweinestalls mit 6.240 Tierplätzen mit Abluftreinigungsanlage und zwei Güllerundbehältern am Standort D. 2, Gemarkung E., Flur 3, Flurstück 76/1.

Auf besagtem, im Außenbereich gelegenen Flurstück befinden sich bereits u.a. das Wohnhaus des Antragstellers sowie ein Schweinemaststall mit insgesamt 1.820 Mastschweineplätzen. Nachdem der Antragsgegner das von der Standortgemeinde E. verweigerte Einvernehmen nach § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB ersetzt hatte, erteilte er dem Antragsteller mit Bescheid vom 24. Februar 2012 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung.

Die Gemeinde legte sowohl gegen die Ersetzung ihres Einvernehmens als auch gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung Widerspruch ein. Den von der Gemeinde gegen die Ersetzung ihres Einvernehmens erhobenen Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2012 zurück; hiergegen erhob die Gemeinde Klage (VG Stade, - 2 A 1891/12 -) und suchte um vorläufigen Rechtsschutz nach (VG Stade, - 2 B 2088/12 -). Einen weiteren Eilantrag richtete die Gemeinde gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung (VG Stade, - 2 B 2087/12 -).

Der Antragsteller zeigte im September 2012 wegen einer Änderung der tierschutzrechtlichen Anforderungen hinsichtlich des Mindestplatzbedarfs pro Tier eine Verringerung der Tierplätze auf 5.720 und andere Änderungen der genehmigten Anlage an. Im Mai 2013 ersetzte der Antragsgegner auch insoweit das verweigerte Einvernehmen der Gemeinde E. und erteilte dem Antragsteller eine Nachtragsgenehmigung.

Die erwähnten Eilanträge der Gemeinde hatte das Verwaltungsgericht durch Beschlüsse vom 16. Oktober 2012 abgelehnt. Auf die dagegen erhobenen Beschwerden änderte der beschließende Senat die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts und stellte die aufschiebende Wirkung der Rechtsmittel der Gemeinde wieder her (Beschl. v. 17.7.2013 - 12 ME 275/12 -, BauR 2013, 1831, u. v. 22.7.2013 - 12 ME 276/12 -). Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der dem Antragsteller erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Nach summarischer Prüfung gebe es Anhaltspunkte für eine Schädigung des in der Nähe der genehmigten Anlage gelegenen Biotops durch Stickstoffdepositionen. Zweifelhaft sei auch, ob das Grundstück des Antragstellers im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB ausreichend erschlossen sei.

Nach den bei einer Ortsbesichtigung am 7. August 2013 vom Antragsgegner getroffenen Feststellungen befanden sich am besagten Tag 5.499 Tiere in der zwischenzeitlich errichteten Anlage und war nach dem Bestandsregister in der Zeit vom 8. bis 22. Juli sowie vom 29. Juli bis 5. August 2013 mit 6.081 bzw. 6.046 die nach der Nachtragsgenehmigung aus Mai 2013 zulässige Zahl der Tierplätze von 5.720 überschritten.

Nach Anhörung (Schreiben vom 16. August 2013, zugestellt am 20. August 2013) untersagte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Verfügung vom 4. September 2013 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Nutzung des Mastschweinestalls mit der Maßgabe, bis zur Schlussabnahmeverfügung keine weiteren Tiere in den Stall einzustallen, und als Nachweis bzw. zur Kontrolle, dass sich der vorhandene Tierbestand reduziert, alle 14 Tage bis zur Nutzungsfreigabe, beginnend am 20. September 2013, einen aktuellen Auszug aus dem für den Bestand geführten Bestandsregister vorzulegen und etwaige Kontrollen zu dulden sowie deren Kosten zu tragen. Für den Fall, dass die Nutzungsuntersagung bzw. die Meldepflicht nicht befolgt oder Kontrollen nicht gestattet würden, sei beabsichtigt, ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- EUR festzusetzen. Zur Begründung heißt es: Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht habe mit seinen Beschlüssen vom 17. und 22. Juli 2013 die aufschiebende Wirkung der Klagen der Gemeinde E. gegen den Bescheid betreffend die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens und gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung wiederhergestellt. Damit sei die Wirksamkeit des gemeindlichen Einvernehmens und der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gehemmt. Der Bau des Stalls sei auf Risiko des Antragstellers erfolgt. Durch das Einstallen von zeitweise über 6.000 Mastschweinen habe der Antragsteller auf weiteres eigenes Risiko Fakten geschaffen. Dieser den Beschlüssen zuwiderlaufende Sachverhalt könne auch unter Abwägung wirtschaftlicher und tierschutzrechtlicher Aspekte mit den Allgemeininteressen nicht akzeptiert werden. Insoweit sei es erforderlich, dem Antragsteller die weitere Nutzung der Anlage zu untersagen. Da mehr als 5.000 Schweine eingestallt seien, deren anderweitige Unterbringung im Falle der unverzüglichen Umsetzung der Nutzungsuntersagung auch unter Berücksichtigung tierschutzrechtlicher Aspekte nicht sichergestellt werden könne, erfolge die Untersagung der Anlage in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens mit der Maßgabe, dass keine weiteren Tiere mehr eingestallt werden dürften, und mit der weiteren Maßgabe, dass diese Bestandsreduzierung entsprechend überwacht werde. Hierdurch werde dem Antragsteller eingeräumt, in geordneter Weise den Betrieb einzustellen bzw. auslaufen zu lassen. Von der Untersagung könne nicht abgesehen werden. Aus rechtsstaatlichen Gründen könne nicht hingenommen werden, dass eine Anlage, die zu ihrem Betrieb einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfe, bereits betrieben werde, ohne dass die Wirksamkeit der Genehmigung abgewartet werde. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig, insbesondere geeignet, das Ziel zu erreichen, das präventive Verbot des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage wiederherzustellen. Andere Mittel seien nicht ersichtlich. Eine Duldung des Weiterbetriebs komme nicht in Betracht. Sie führte dazu, dass der rechtswidrige Zustand bestehen bleiben würde. Auch werde der Antragsteller nicht übermäßig belastet. Im Hinblick auf die möglichen Schädigungen am gemeindlichen Straßeneigentum und an dem nördlich gelegenen Biotop liege es im besonderen öffentlichen Interesse, jede weitere Nutzung der ohne wirksame Genehmigung betriebenen Anlage mit sofortiger Wirkung zu unterbinden. Es könne nicht hingenommen werden, dass der Antragsteller den Betrieb unter Missachtung der entsprechenden Beschlüsse des OVG fortsetze. Gegen die Nutzungsuntersagung vom 4. September 2013 legte der Antragsteller am 17. September 2013 Widerspruch ein.

Den gegen die Nutzungsuntersagung gerichteten Eilantrag des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss aus folgenden Gründen abgelehnt: Die im Eilverfahren allein mögliche summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergebe, dass der vom Antragsteller gegen die Nutzungsuntersagung eingelegte Widerspruch aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben werde. Ermächtigungsgrundlage für die Nutzungsuntersagung sei § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Beachte - wie hier - der von einem Verwaltungsakt Begünstigte die aufschiebende Wirkung des von einem Dritten eingelegten Rechtsbehelfs nicht und mache er weiterhin von dem Verwaltungsakt Gebrauch, liege ein Fall der faktischen Vollziehung vor. Vorläufiger Rechtsschutz gegen eine derartige faktische Vollziehung sei in § 80a VwGO nicht ausdrücklich geregelt. Da nach dem gesetzlichen System, wie es in § 123 Abs. 5 VwGO i. V. mit § 80a VwGO zum Ausdruck komme, der vorläufige Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte mit Doppelwirkung ausschließlich gemäß §§ 80, 80a VwGO gewährt werden solle, sei § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO entsprechend anzuwenden. Danach könne die Behörde anordnen, dass von einem Verwaltungsakt vorläufig kein Gebrauch gemacht werden dürfe, sowie weitere Sicherungsmaßnahmen treffen. Eines ausdrücklichen Antrags des belasteten Dritten bedürfe es nicht. Die Behörde sei befugt, wenn nicht verpflichtet, einzuschreiten und rechtmäßige Zustände wiederherzustellen. Die ergangene Nutzungsuntersagung sei nicht zu beanstanden. Bis zu einer Änderung der Beschlüsse des OVG (12 ME 275/12 und 12 ME 276/12) in einem gerichtlichen Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO - ein Antrag sei am 21. Oktober 2013 gestellt worden (2 B 3292/13) - dürfe der Antragsteller die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht (weiter) ausnutzen und den Stall nicht (weiter) in Betrieb nehmen. Ob durch den zwischenzeitlich vorgelegten Entwurf eines neuen Erschließungsvertrags, der bisher von der Gemeinde nicht verbindlich akzeptiert worden sei, und die ergänzende Sonderbeurteilung zur Beeinträchtigung des benachbarten Biotops sämtliche vom OVG aufgeworfenen Fragen der Genehmigungsfähigkeit ausgeräumt seien, bedürfe der abschließenden Prüfung. Vor einer Weiterführung des Betriebs wäre zumindest ein Änderungsbeschluss gemäß §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 7 VwGO notwendig. Dieser gesetzlich vorgeschriebene Verfahrensschritt könne nicht durch eine stillschweigende Duldung der rechtswidrigen Weiterführung des Betriebs umgangen werden. Der Antragsteller müsse das Ergebnis des von ihm eingeleiteten Änderungsverfahrens 2 B 3292/13 abwarten. Die Nutzungsuntersagungsverfügung erweise sich auch im Übrigen als rechtmäßig, insbesondere sei sie nicht unverhältnismäßig. Dem Antragsteller müsse bekannt gewesen sein, dass die Inbetriebnahme des Stalls nach der Anordnung des Sofortvollzugs der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung durch den Antragsgegner auf eigenes Risiko erfolgt sei. Ein Anlagenbetreiber, der angesichts einer für ihn günstigen Entscheidung im Eilrechtsschutzverfahren den Betrieb aufnehme, tätige die damit verbundenen Investitionen mit dem Risiko, dass sie sich nachträglich als nutzlos erweisen könnten. Dies sei im Falle des Antragstellers nicht anders. Er habe nicht darauf vertrauen können, den Betrieb bis zu einer endgültigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren fortführen zu können. Spätestens nach den Entscheidungen des OVG habe dies festgestanden. Die Untersagungsverfügung sei auch nicht unverhältnismäßig. Sie räume dem Antragsteller ein, den Betrieb geordnet herunterzufahren. Er dürfe lediglich mit sofortiger Wirkung keine neuen Tiere mehr aufstallen, so dass eine Beendigung des Betriebs innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zu erwarten sei. In diesem Zusammenhang seien auch die dem Antragsteller auferlegten Melde- und Duldungspflichten nicht zu beanstanden, da sie die Befolgung der Untersagungsverfügung selbst sicherstellen sollten. Der Antragsgegner habe das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Untersagungsverfügung ausreichend dargelegt. Eine Weiternutzung des Stalls trotz entgegenstehender Entscheidungen im Eilverfahren könne angesichts der im Verfahren beim OVG festgestellten Gefahren für die Umwelt und die Interessen der Gemeinde nicht hingenommen werden, bevor diese Fragen abschließend geklärt seien. Ebenfalls nicht zu beanstanden seien die angedrohten Zwangsmittel. Die Festsetzung von Zwangsgeldern erscheine geeignet, die Befolgung der behördlichen Untersagungsverfügung und der Nebenpflichten sicherzustellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts ist nicht begründet.

Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner Beschwerde vor: Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts dürfe die Nutzungsuntersagung als eine belastende Verwaltungsentscheidung nicht auf eine analoge Anwendung von § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO gestützt werden. Darin liege eine administrative "Selbstermächtigung". Eine solche widerspreche dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Das Verwaltungsgericht habe zudem verkannt, dass das Ergreifen von Sicherungsmaßnahmen einen entsprechenden Antrag des Dritten voraussetze. Selbst wenn man mit dem Verwaltungsgericht davon ausgehe, dass der Antragsgegner grundsätzlich zu Sicherungsmaßnahmen befugt sei, hätte es ihrer in diesem konkreten Fall nach Sinn und Zweck des § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO nicht bedurft. Die vom beschließenden Senat beanstandeten Punkte seien mittlerweile ausgeräumt. Er habe sein Erschließungsangebot nachgebessert und die Sonderfallprüfung für den Biotopschutz nachgeholt. Bei einer Anwendung des § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO dürfe er nicht schlechter gestellt werden als bei Erlass einer Stilllegungsverfügung nach § 20 Abs. 2 BImSchG. Nach letztgenannter Vorschrift wäre eine Stilllegung hier nicht haltbar. Vorliegend sei von einem atypischen Fall auszugehen. Ihm könne ein Verschuldensvorwurf nicht gemacht werden. Er habe darauf vertrauen dürfen, rechtmäßig zu handeln. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Fortgang des Anlagenbetriebs Leben oder Gesundheit von Menschen beeinträchtigen könne. Der Gutachter sei bei der Sonderfallprüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass durch den Anlagenbetrieb auch keine schädlichen Umwelteinwirkungen zu erwarten seien.

Die vom Senat zu prüfenden Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) geben keinen Anlass, den angegriffenen Beschluss zu ändern. Das Beschwerdevorbringen begründet nicht Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des Verwaltungsgerichts.

Zweifeln begegnet nicht die Annahme des Verwaltungsgerichts, die vom Antragsgegner ausgesprochene Nutzungsuntersagung finde ihre Grundlage in § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO in entsprechender Anwendung. Einer entsprechenden Anwendung der genannten - die Aussetzung der Vollziehung des den Adressaten begünstigenden Verwaltungsakts und den Erlass von Sicherungsmaßnahmen zugunsten eines Dritten regelnden - Vorschrift auf den vorliegenden Fall der faktischen Vollziehung der infolge des Beschlusses des beschließenden Senats vom 22. Juli 2013 (- 12 ME 276/12 -) nicht mehr sofort vollziehbaren immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 24. Februar 2012 steht nicht der Vorbehalt des Gesetzes entgegen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob - wie der Antragsteller vorträgt - im Bereich der Eingriffsverwaltung ein allgemeines Verbot analoger Rechtsanwendung gilt. In der Nutzungsuntersagung liegt hier nicht ein Akt behördlicher Eingriffsverwaltung in dem Sinn. Die Nutzungsuntersagung dient vorliegend der Durchsetzung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs der Gemeinde E.. Für Konstellationen dieser Art enthält § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO eine eigenständige verfahrensrechtliche Rechtsgrundlage zum Schutz und zur realen Durchsetzung der aufschiebenden Wirkung des § 80 Abs. 1 VwGO. Die hier nach § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO zur Begegnung einer Missachtung der aufschiebenden Wirkung erlassene Sicherungsmaßnahme in Form der Nutzungsuntersagung wahrt das Abwehrrecht, das die Gemeinde E. mit ihren Rechtsbehelfen verfolgt. Darin liegt kein in dem Sinn eigenständiges materielles behördliches Eingreifen, das einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage bedürfte (vgl. zu alledem BVerwG, Urt. v. 28.1.1992 - 7 C 22.91 -, BVerwGE 89, 357, [...] Rdn. 14 f.; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, [...], § 80a Rdn. 40 f., 57; Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/v. Albedyll, VwGO, 5. Aufl., § 80a Rdn. 21 jew. m.w.N.). Die entsprechende Anwendung des § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO begegnet insofern nicht den vom Antragsteller angeführten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Analogie im Bereich der Eingriffsverwaltung im eigentlichen Sinn.

Zu Zweifeln an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses führen nicht die vom Antragsteller angeführten Umstände, dass es eine Ansicht in der Literatur (Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl., Rdn. 854) gibt, die einen Antrag für die Sicherungsmaßnahmen fordert, und dass auch nach dem Wortlaut des § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO die Aussetzung der Vollziehung des den Adressaten begünstigenden Verwaltungsakts und der Erlass von Sicherungsmaßnahmen auf Antrag des Dritten erfolgen. Das in § 80a Abs. 1 Nr. 1 und 2 VwGO normierte Antragserfordernis verhindert, dass (im Falle der Nr. 1) dem Begünstigten die sofortige Vollziehung bzw. (im Falle der Nr. 2) dem Dritten die Aussetzung der Vollziehung "aufgedrängt" werden (Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/v. Albedyll, VwGO, 5. Aufl., § 80a Rdn. 14, 19). Eine solche Situation ist hier nicht gegeben. Vorliegend ist - wie bereits ausgeführt - die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 24. Februar 2012 infolge des Beschlusses des beschließenden Senats vom 22. Juli 2013 (- 12 ME 276/12 -) nicht mehr sofort vollziehbar. Das Ergreifen von Sicherungsmaßnahmen im vorliegenden Fall der faktischen Vollziehung drängt weder dem Dritten (hier der Gemeinde E.) eine Erweiterung seiner bereits bestehenden Rechtsposition auf, noch greift es - wie ausgeführt - im Sinn einer Eingriffsverwaltung in Rechtspositionen des begünstigten Antragstellers ein. Dass das in § 80a Abs. 1 VwGO normierte Antragserfordernis auch in Fällen der vorliegenden Art das Ergreifen von Sicherungsmaßnahmen von Amts wegen (vgl. dazu Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/v. Albedyll, VwGO, 5. Aufl., § 80a Rdn. 19; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., § 80a Rdn. 14) ausschließt, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Ebenfalls ist nicht dargelegt und für den Senat auch nicht zu erkennen, dass - selbst wenn man von einem fehlerhaften Übergehen des in § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO normierten Antragserfordernisses ausgehen wollte - der Antragsteller dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt wäre (Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/v. Albedyll, VwGO, 5. Aufl., § 80a Rdn. 14).

Soweit der Antragsteller meint, das Verwaltungsgericht hätte sich die Frage stellen müssen, ob es für den Schutz der Gemeinde E. noch einer Anordnung bedurft hätte, führt auch dies nicht zu einer anderen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht ist der Sache nach zu Recht davon ausgegangen, dass in - wie hier - Fällen der Missachtung der aufschiebenden Wirkung der Erlass von Maßnahmen zur Sicherung und realen Durchsetzung der aufschiebenden Wirkung regelmäßig aus Gründen eines effektiven Rechtsschutzes geboten ist (vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, [...], § 80a Rdn. 40a, 41; Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/v. Albedyll, VwGO, 5. Aufl., § 80a Rdn. 21 f.) und die vom Antragsteller geltend gemachten Umstände der Nachbesserung des Erschließungsangebots und der Nachholung der Sonderfallprüfung für den Biotopschutz im Rahmen des - beim Verwaltungsgericht auch anhängigen (2 B 3292/13) - Verfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO zu prüfen sein werden. Mit diesen - zutreffenden - Erwägungen setzt sich der Antragsteller nicht hinreichend auseinander. Auf die von ihm aufgeworfene Frage, ob die Voraussetzungen für den Erlass einer Stilllegungsverfügung nach § 20 Abs. 2 BImSchG vorlägen, kommt es nicht entscheidungserheblich an, weil unabhängig davon auf die verwaltungsprozessuale Grundlage zurückgegriffen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.1.1992 - 7 C 22.91 -, BVerwGE 89, 357, [...] Rdn. 13 ff.). Nicht entscheidungserheblich ist ferner die Frage, ob dem Antragsteller ein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, die vom Antragsteller während der Dauer des Sofortvollzugs getätigten Investitionen seien auf eigenes Risiko erfolgt. Ob die Fortsetzung des Anlagenbetriebs schädliche Umwelteinwirkungen oder sonstige Gefahren für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft hervorruft, bleibt der Prüfung etwa im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO vorbehalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Der Senat folgt der Empfehlung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57), wonach nach Nr. 19.1.6 für eine Stilllegung bzw. eine Betriebsuntersagung 50 % des Werts zu 19.1.1 (Klage des Errichters/Betreibers auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung) anzunehmen sind. Unter Nr. 19.1.1. sieht der Streitwertkatalog für die Klage des Errichters/Betreibers auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung grundsätzlich einen Streitwert in Höhe von 2,5 % der Investitionssumme vor. Der Senat ist der entsprechenden Empfehlung in Nr. 19.1.1. des Streitwertkatalogs 2004 nur mit Einschränkungen gefolgt (vgl. Beschl. d. Sen. v. 25.4.2013 - 12 ME 41/13 -, NVwZ-RR 2013, 595, [...], v. 22.11.2011 - 12 OA 215/11 - u. v. 23.4.2009 - 12 OA 51/09 -). An dieser Einschränkung hält der Senat auch bei Anwendung des Streitwertkatalogs 2013 fest. Der im Streitwertkatalog vorgesehene Prozentsatz von 2,5 % führt nur bei Großvorhaben zu einer angemessenen Bewertung, während ein Streitwert, der nur etwa der Höhe des Mindestbetrags für die Klage auf eine gewerberechtliche Erlaubnis oder gegen eine Gewerbeuntersagung entspräche (Nr. 54.1, 54.2.1) oder sogar darunter bliebe, bei einer Investitionssumme im hohen sechsstelligen oder - wie hier - im siebenstelligen Bereich unangemessen wäre. Ferner war und ist für den Senat der Gedanke bedeutsam, dass der Wert der Klage auf Erteilung einer Anlagengenehmigung oder gegen eine Betriebsuntersagung/Stilllegung in einem angemessenen Verhältnis zu der Klage eines drittbetroffenen Privaten und einer drittbetroffenen Gemeinde (vgl. Nr. 19.2 und 19.3 des Streitwertkatalogs) stehen muss. Um diesen Unstimmigkeiten zu begegnen, hat der Senat keinen gleichbleibenden, sondern einen degressiven, mit zunehmender Höhe der Investitionssumme abnehmenden Prozentsatz zugrunde gelegt, ohne indessen die Zwischenwerte abschließend zu bestimmen. Es liegt in der Tendenz dieser Streitwertpraxis, bei der vom Verwaltungsgericht mit 3,2 Mio. EUR bezifferten Investitionssumme einen Betrag in Höhe von 7,5 % dieser Summe als Streitwert anzunehmen (240.000,- EUR). Entsprechend der Empfehlung des Streitwertkatalogs Nr. 19.1.6 ist für - wie hier - die Nutzungsuntersagung von 50 % des Werts zu 19.1.1 (120.000,- EUR) auszugehen, der für das Eilverfahren (Nr. 1.5) zu halbieren ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).